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[Pause von 10 Minuten.]

MR. ROBERTS: Ich möchte noch einige Fragen über Deportation der Juden aus Dänemark an Sie stellen. Wollen Sie sich bitte ein neues Beweisstück ansehen, D-547, ich lege es als GB-488 vor.

Es ist vom Oberbefehlshaber in Dänemark an den Wehrmachtführungsstab gerichtet und trägt das Datum vom 20. September 1943; das ist vor dem Fernschreiben, das schon vorgelegt wurde, zwei Tage vorher.

»Auf Telegramm Dr. Best, Judenfrage in Dänemark durch Deportation alsbald zu bereinigen, hat der Führer im Prinzip zugestimmt. Durchführung soll nach Vorschlag Best noch während des militärischen Ausnahmezustandes erfolgen. Ob ausreichende Polizeikräfte für Ergreifung der Juden und ihrer Familien – etwa 6000 Personen – die vorwiegend in Kopenhagen wohnen, zur Verfügung gestellt werden, steht noch nicht fest. Truppe würde mit Durchführung stärkstens belastet...

Folgen der Deportierung erschienen mir bedenklich... Lieferungsfreudigkeit der Rüstungsindustrie wird beeinträchtigt. Größere Unruhen, die Einsatz der Truppe verlangen, sind zu erwarten.«

Und auf der Rückseite haben Sie eine Notiz angebracht:

»Ich weiß davon nichts; wenn eine politische Maßnahme durch den Befehlshaber von Dänemark durchgeführt werden soll, dann muß das OKW durch das Auswärtige Amt unterrichtet werden.«

Stimmt das?

JODL: Ja, ich hätte mich an dieses Dokument nicht mehr erinnert; aber diese Bemerkung stammt von mir. Damit ist bewiesen, was ich bisher nicht mehr gewußt habe, daß scheinbar schon einige Tage vorher in Dänemark diese Frage erörtert worden ist und der Befehlshaber Dänemark dagegen Einspruch erhoben hat. Daraufhin habe ich hingeschrieben: »Ich weiß davon nichts. Das ist eine politische Maßnahme. Wenn eine politische Maßnahme in Dänemark durchgeführt werden soll, dann soll gefälligst das Auswärtige Amt uns benachrichtigen.«

MR. ROBERTS: Wenn Sie weiterlesen... ich übergehe ein oder zwei unwichtige Dokumente. Sehen Sie sich das Dokument vom 1. Oktober 1943 an.

Das fünfte oder sechste in Ihrem Akt, Euer Lordschaft! Nummer D-547. Es ist vom 1. Oktober 1943 datiert, ist von Dänemark aus an das OKW gerichtet und lautet folgendermaßen:

»Der Bevollmächtigte des Reiches in Dänemark hat an den Reichsaußenminister folgenden Bericht gegeben:

1) Die Festnahme der zu evakuierenden Juden erfolgt in der Nacht vom 1. zum 2. Oktober 1943. Der Abtransport wird von Seeland zu Schiff... –

2) Wenn ich keine gegenteilige Weisung erhalte, beabsichtige ich, weder im Rundfunk noch in der Presse die Judenaktion erwähnen zu lassen. –

3) Wenn ich keine gegenteilige Weisung erhalte, beabsichtige ich, die Vermögenswerte der evakuierten Juden unberührt zu lassen, damit nicht die Wegnahme dieser Vermögenswerte als Zweck oder Mitzweck der Aktion unterstellt werden kann.«

Dann beschäftigen Sie sich, vielmehr der Verfasser, mit den nachteiligen Auswirkungen.

Und dann steht da noch eine Frage: »Weiß das RF-SS?« und Antwort: »RF-SS hat Kenntnis und ist einverstanden.« Und dann ist eine Bleistiftnotiz in Jodls Handschrift: »Führer ist einverstanden.«

Ist das Ihre Handschrift?

JODL: Das ist meine Handschrift, ja, aber das bezieht sich nur auf die Bekanntgabe der Entlassung der internierten dänischen Soldaten.

MR. ROBERTS: Ja.

JODL: Und dann ist noch sehr wichtig in dem Dokument, daß der Befehlshaber in Dänemark schreibt: Er beabsichtige nicht, die Vermögenswerte der evakuierten Juden anzutasten. Er schreibt:

»... beabsichtige ich, die Vermögenswerte der evakuierten Juden unberührt zu lassen.«

Er besaß ja zu dieser Zeit die vollziehende Gewalt.

MR. ROBERTS: Haben Sie das nächste Dokument im selben Akt gesehen, vom 2. Oktober 1943 an OKW/Wehrmachtführungsstab aus Dänemark. Ich zitiere:

»Judenaktion in Nacht vom 1. zum 2. Oktober durch deutsche Polizei ohne Zwischenfall durchgeführt.«

Und dann das letzte Dokument vom 3. Oktober 1943 an OKW/Wehrmachtführungsstab:

»Laut Mitteilung des Reichsbevollmächtigten hat Reichsführer-SS befohlen, daß allein Reichsführer-SS als Auftraggeber der Judenaktion die genauen Zahlen der Festnahmen bekommen soll. Bevollmächtigter hat daher keine Zahlenangaben an Befehlshaber der deutschen Truppen in Dänemark abgegeben. Über die vom Wachbataillon Kopenhagen eingerichteten Sammelplätze wurden von den Polizeitruppen 232 (Zweihundertzweiunddreißig) Juden eingeliefert.«

Was war das »Wachbataillon«?

JODL: Das kann ich nicht sagen, was ein Wachbataillon... wie das »Wachbataillon« zusammengesetzt gewesen ist in diesem Augenblick. Das kann sowohl von der Polizei sein, es könnte auch vom Heer sein; das kann ich mit Sicherheit nicht sagen, jedenfalls eine Truppe, die für reine Wachaufgaben eingesetzt war. Aber es ist ganz interessant, daß ich da die Bemerkung hinmachte: »Ist für uns auch ganz gleichgültig.« Damit ist mein Desinteressement in dieser Angelegenheit gekennzeichnet, die ich abgelehnt habe.

MR. ROBERTS: Ich verstehe das nicht ganz, zuerst sagten Sie, das Wachbataillon kann ein Teil der Wehrmacht gewesen sein. Waren Sie...

JODL: Das ist nicht sicher, ich will es nicht absolut bestreiten; es gab auch Wachbataillone des Heeres, es kann aber genau so gut eine Wachtruppe der Polizei sein. Das kann ich mit Sicherheit nicht sagen. Aber das müßte der General von Hannecken wissen.

MR. ROBERTS: Aber wurden Ihre »anständigen deutschen Soldaten«, von denen Sie gestern sprachen, dazu verwandt, um Juden, denen es gelungen war, aus dem Netz der SS zu entkommen, zusammenzutreiben?

JODL: Nein, es heißt ja hier, »wurde durch Polizei durchgeführt«. Ich glaube, daß es keine Truppe der Wehrmacht gegeben hat, die sich mit Deportation von Juden befaßt hat. Das glaube ich nicht, die lehnte das ab.

MR. ROBERTS: Schmutzige Arbeit, nicht wahr?

JODL: Ich glaube nicht, daß es geschehen ist; ich glaube es nicht.

MR. ROBERTS: Und dann Ihre Bemerkung: »Ist für uns ganz gleichgültig«; das war Ihnen also vollkommen gleichgültig, die Judendeportation; es hat Ihnen nichts ausgemacht?

JODL: Das ist damit nicht gesagt; aber es beweist: das ist eine politische Sache; mit der hatte ich nichts zu tun. Wie ich zu der Judenfrage eingestellt war, habe ich, glaube ich, schon bewiesen.

MR. ROBERTS: Wohin wurden diese Juden gebracht, nach Auschwitz?

JODL: Nein, das ist hier von Ihrer Anklage selbst verlesen worden, von der Französischen Anklage, daß gerade diese Juden nach Theresienstadt kamen, daß dort zwar wenige ältere Leute gestorben sind, daß sie aber gut behandelt worden sind, Kleider und Lebensmittel bekommen haben, und dasselbe habe auch ich erfahren, und das wurde hier durch das Dokument der Dänischen Regierung bestätigt.

MR. ROBERTS: Sie glauben das, nicht wahr?

JODL: Ich glaube das, weil es die Dänische Regierung hier bestätigt. Ich habe es hier im Gerichtssaal bestätigt gehört; mit eigenen Ohren. Durch die Anklage selbst.

MR. ROBERTS: Ich komme jetzt zu einem anderen Thema: Der Zwangsarbeit. Haben Sie in Ihrer Rede gesagt... Sehen Sie sich bitte die Notizen für Ihre Rede an, im großen Dokumentenbuch Nummer 7 auf Seite 298. Es ist der Abschnitt, der in dem Buch des Zeugen auf Seite 38 beginnt. Es ist umrandet, ich glaube, die Seite trägt die Nummer 38. Können Sie es finden?

»Aus diesem Dilemma des Menschenmangels heraus entstanden die Gedanken von der stärkeren Ausschöpfung der personellen Kraftreserven in den von uns beherrschten Gebieten. Hier mischt sich Richtiges mit Falschem. Soweit es sich um die Arbeitskräfte handelt, ist, glaube ich, das Äußerste geschehen. Wo es noch nicht der Fall ist, schien es politisch günstiger, von Zwangsmaßnahmen abzusehen und dafür Ruhe und wirtschaft liche Leistungen einzutauschen. Ich glaube aber, daß heute der Zeitpunkt gekommen ist, sowohl in Dänemark, Holland, Frankreich und Belgien mit rücksichtsloser Energie und Härte die Tausende Nichtstuer zu Befestigungsarbeiten zu zwingen, die allen anderen Aufgaben vorangehen.

Die notwendigen Befehle hierzu sind erlassen.«

(Dokument L-172, Exhibit Nummer US-34.)

Erinnern Sie sich daran?

JODL: Daß ich das einmal entworfen habe, darüber ist kein Zweifel.

MR. ROBERTS: Ja?

JODL: Dies ist aber kein Beweis, daß ich es gesagt habe.

MR. ROBERTS: Aber wurden die notwendigen Befehle an die Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete über die Arbeit an den deutschen Befestigungen erlassen?

JODL: Es war in den meisten Ländern ein Arbeitspflichtgesetz erlassen worden. Sie wissen es vielleicht nicht – aber ich sage es hier unter Eid aus –, daß in Dänemark, Holland und auch in Belgien einheimische Firmen, die sich selbst die Arbeiter beschafften, die ihnen durch Gesetz dann zugeführt wurden, an diesen Befestigungen mitgearbeitet haben, und daß die Bevölkerung dieser Gebiete darüber ganz besonders erfreut war; denn je stärker ihre Küste befestigt war, um so sicherer rechneten sie damit, daß bei ihnen die Invasion nicht stattfände; und daran hatten sie großes Interesse; denn die Invasion zerstörte nämlich alles. So kam es, daß, so unglaubwürdig es klingt, von der einheimischen Bevölkerung zum Teil mit größter Begeisterung an diesen Befestigungen gearbeitet wurde. Das ist eine Tatsache.

MR. ROBERTS: Ich wollte Sie nicht unterbrechen. Meine Frage lautet jedoch: Sind die notwendigen Befehle erteilt worden – wie es im letzten Satz heißt –, um diese Leute zur Arbeit zu zwingen, selbst wenn sie an den Befestigungen nicht arbeiten wollten? Ich meine ja nicht die Leute, die arbeiten wollten, sondern diejenigen, die nicht arbeiten wollten.

JODL: Ich weiß. Ich kenne im einzelnen den Vorgang nicht, da ich ja mit ihm nicht befaßt war. Aber ich wußte, daß Arbeitspflichtgesetze in den besetzten Gebieten eingeführt worden sind.

MR. ROBERTS: Gut, ich will das lassen, wenn Sie alles gesagt haben, was Sie sagen wollten. Sehen Sie sich jetzt bitte ein neues Dokument an, 1383-PS, das ich als GB-489 vorlege. Es ist der Bericht über eine Besprechung der damaligen militärischen Lage vom 12. Dezember 1942, Seite 65 und 66, in der Jodl sagt:

»Der Militärbefehlshaber Frankreich meldet: Die Zahl der seit dem 1. Juni in das Reich abbeförderten französischen Arbeiter hat nunmehr 220000 überschritten. In Berlin befinden sich rund 110000 Facharbeiter.«

Wie viele dieser 220000 waren Freiwillige? Haben Sie das herausgefunden?

JODL: Das kann ich nicht sagen, sondern ich habe hier nur vorgelesen aus einer Meldung, die ja dem Lagebericht aus Frankreich beigelegen hat. Daß eine große Austauschaktion zwischen Kriegsgefangenen und Arbeitern im Gange war, ist hier schon genau bei Sauckel erörtert worden.

MR. ROBERTS: Ich gehe davon ab. Über Sagan will ich nur zwei Fragen an Sie stellen, über Stalag-Luft III.

Sie sagten gestern, daß Sie nach dem Zwischenfall der Erschießung von Sagan den Eindruck hatten, daß Hitler nicht mehr »menschlich« sei; sagten Sie das nicht?

JODL: Ich sagte gestern, daß ich in diesem Augenblick den Eindruck hatte, daß er von allen menschlichen Rechtsbegriffen abrückte.

MR. ROBERTS: Hielten Sie ihn für menschlich bis zum März 1944?

JODL: Vor dieser Tat habe ich persönlich nichts von ihm gewußt, was man nicht rechtlich, völkerrechtlich zumindest, begründen konnte. Alles, was er vorher befohlen hat, soweit ich es wußte, konnte man noch irgendwie vertreten. Es waren Repressalien. Aber diese Tat war keine Repressalie.

MR. ROBERTS: Stimmen Sie da nicht mit mir überein – ich gebrauche da kein zu starkes Wort –, daß dies reiner Mord war, der an diesen 50 Fliegern begangen wurde?

JODL: Ich stimme vollkommen mit Ihnen überein. Ich betrachte das als einen eklatanten Mord.

MR. ROBERTS: Wie war es möglich, daß Sie, ehrenhafte Generale, einem Mörder mit so unverbrüchlicher Treue weiterhin dienten?

JODL: Ich habe nicht mit unverminderter Treue von diesem Zeitpunkt an gedient, sondern ich habe alles, was in meiner Kraft stand, eingesetzt, um weiteres Unrecht zu verhüten.

MR. ROBERTS: Ich komme jetzt zu etwas anderem, zur Frage der Zerstörungen in Norwegen. Das ist Dokument 754-PS, es ist noch nicht eingereicht worden. Ich lege es als GB-490 vor. Dieses Dokument ist von Ihnen unterschrieben, nicht wahr?

JODL: Das Dokument ist mir seit langem bekannt und von mir unterschrieben.

MR. ROBERTS: Ja, vielleicht kann ich einiges daraus dem Gerichtshof verlesen. Es ist vom 28. Oktober 1944 datiert. Es stammt von Ihrem Stab, und der Verteiler zeigt: Armeeoberkommando, Wehrmachtbefehlshaber Norwegen, Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete und Kriegsmarine.

»Auf Grund der geringen Bereitwilligkeit der nordnorwegischen Bevölkerung zur freiwilligen Evakuierung hat der Führer den Vorschlägen des Reichskommissars für die besetzten norwegischen Gebiete zugestimmt und befohlen, daß die gesamte norwegische Bevölkerung ostwärts des Lyngenfjords im Interesse ihrer eigenen Sicherheit zwangsweise zu evakuieren und alle Wohnstätten niederzubrennen beziehungsweise zu zerstören sind.

Ob. Nordfinnland ist dafür verantwortlich, daß der Führerbefehl rücksichtslos durchgeführt wird. Hierdurch allein kann vermieden werden, daß der Russe mit starken Kräften, gestützt auf die Wohnstätten und die ortskundige Bevölkerung, unseren Absetzbewegungen noch im Winter folgt und in Kürze vor der Lyngenstellung erscheint. Mitleid mit der Zivilbevölkerung ist nicht am Platze.«

Lyngen ist im äußersten Norden Norwegens an der Westküste, nicht wahr?

JODL: Nein, an der Nordküste. Das ist dort, wo Finnland am nächsten an die Nordküste, an die Polarküste heranreicht und ein ganz schmales Stück bis Norwegen noch ist.

MR. ROBERTS: Dieser Befehl wurde gemäß dem norwegischen Regierungsbericht, UK-79, ausgeführt; der Gerichtshof wird es als letztes Dokument in dem kleinen Dokumentenbuch 7a finden, Seite 26 des norwegischen Berichts, unten auf Seite 26.

»Im Verlauf des Vormarsches der russischen Truppen und des Rückzuges des deutschen Heeres aus Finnland im Oktober/November 1944 haben die Deutschen die Politik der ›verbrannten Erde‹ zum ersten Male in Norwegen angewandt. Es wurden Befehle erlassen, die Zivilbevölkerung zwangsweise abzutransportieren und alle Häuser und Lager zu zerstören. In Ausführung dieses Befehls wurden etwa 30000 Häuser beschädigt, abgesehen von den Schäden an etwa 12000 Hütten, die sich auf 176 Millionen Kronen beliefen.«

Meine Herren Richter! Seite 62 und 63 zeigen Photographien. Seite 62 ist die Kopie des deutschen Befehls und Seite 63 das Bild der Ruinen eines Fischerdorfes.

Das war ein grausamer Befehl, Zeuge, nicht wahr?

JODL: Nein, nicht ganz. Ich habe dazu etwas zu erklären. Der Befehl ist typisch, wie ich es immer schon schilderte, nicht von den Soldaten, sondern gegen den Willen der Soldaten durch den Reichskommissar Terboven beim Führer erzwungen worden.

Zweitens ist der Befehl nicht durchgeführt worden; denn sonst gäbe es heute keine Stadt Kirkenes mehr, keine Stadt Hammerfest mehr, keine Stadt Alta mehr. Alle diese Städte liegen ostwärts des Lyngen-Fjords. Der Befehl wurde in der Praxis von der Truppe in Vereinbarung mit mir und in Gesprächen von mir mit meinem Bruder, der dort oben Kommandierender General war, den ich als Zeugen dafür laden wollte, weil ich das Dokument schon erwartet habe, so abgemildert, daß tatsächlich nur das militärisch Notwendige und unbedingt nach Artikel 23 der Haager Landkriegsordnung zu Verantwortende zerstört worden ist. Sonst gäbe es nämlich heute in ganz Nordnorwegen keine Stadt und kein Haus mehr. Und wenn Sie dort hinfahren, werden Sie sehen, daß das nicht der Fall ist und daß diese Städte noch unzerstört vorhanden sind. Der Wehrmachtbefehlshaber Norwegen hat gegen diese Auffassung Terbovens energisch protestiert, und ich habe dem Führer diese Vorstellungen energisch wiederholt. Er hat aber trotzdem diese Worte hier als Befehl verlangt. Und wieder haben wir sie in unserem Humanitätsempfinden nur in dem unbedingt notwendigen, militärisch notwendigen Maße ausgeführt. Das ist die Tatsache.

MR. ROBERTS: Ich glaube, als Sie verhört wurden, sagten Sie, daß Ihr Brüder sich über diesen Befehl beschwert hat. Stimmt das?

JODL: Auch das. Er hat getobt über diesen Befehl.

MR. ROBERTS: Ja. Ich komme jetzt zu zwei Dokumenten, welche die Behandlung der norwegischen Zivilbevölkerung betreffen.

Sie sind in Ihrem Dokumentenbuch Nummer 1, Seite 99 und 100. Es beginnt auf Seite 98. Das sind Anordnungen über das Verhalten bei der Besetzung Dänemarks und Norwegens und Richtlinien für die Truppe, die Bevölkerung freundlich und gut zu behandeln und sich selbst mit gebührendem Anstand zu benehmen. Das stimmt, nicht wahr?

JODL: Jawohl, das stimmt.

MR. ROBERTS: Es müsse ihnen gesagt werden, daß sie in Norwegen zum Schutze des Landes und der Sicherheit seiner Einwohner einrückten. Das erscheint auf Seite 99.

Ist das nicht eine ziemlich beschönigende Beschreibung für einen plötzlichen Einfall ohne Kriegserklärung?

JODL: Ja, er hat sich aber in der Masse zunächst ziemlich friedlich abgespielt.

MR. ROBERTS: Von Ihrem Gesichtspunkt aus?

JODL: Nein, auch vom norwegischen, es waren da die merkwürdigsten Dinge...

MR. ROBERTS: In dem norwegischen Regierungsbericht sind sehr viele Photographien von diesen Städten und Dörfern, die zu Ruinen bombardiert wurden, enthalten. Ist das Ihre Vorstellung einer ordnungsgemäßen Besetzung?

JODL: Was am Tage dieser Landung bombardiert worden ist, das ist kaum der Rede wert. Das waren einige Küstenbatterien und einige Befestigungen, aber keine Städte. Dörfer sind dann erst zerstört worden im Kampf mit der englischen Brigade bei Dombass und Lillehammer. Da sind dann Dörfer zerstört worden; bei der Besetzung ist gar nichts zerstört worden. Da standen die Norweger interessiert mit Händen in den Hosentaschen am Kai und sahen sich das interessiert an.

MR. ROBERTS: Natürlich, Zeuge, wäre es für Sie besser gewesen, wenn Sie ohne Widerstand hätten landen und ohne Widerstand das Land hätten besetzen können. Das ist doch ganz klar.

JODL: Zweifellos, dann wäre es noch besser gegangen; und wenn Terboven nicht gekommen wäre, wäre es ihnen sicher auch nach der Besetzung sehr gut gegangen.

MR. ROBERTS: Sehen Sie sich jetzt bitte einen Teil des Dokuments an, der, übrigens ganz ordnungsgemäß, nicht verlesen worden ist.

Es ist Anlage 5, Euer Lordschaft. Ich nehme an, daß es ein Teil von AJ-14 ist. Das ist die Nummer, die dem Dokument gegeben wurde, als es im direkten Verhör eingereicht wurde. Ich lege jedoch dem Gerichtshof Abschriften von Anlage 5 vor, weil es im Dokumentenbuch Jodl nicht erscheint.

Anlage 5 aber, kann man sagen, ist in Wirklichkeit des Pudels Kern.

»Richtlinien für das Verhalten der Truppen im besetzten Gebiet.«

Ich werde die ersten Absätze nicht lesen.

»Nur für den Fall, daß die Bevölkerung Widerstand leistet oder sich aufsässig verhält, können folgende Bestimmungen angewendet werden:

1. Bei Widerstand der zivilen Bevölkerung und wenn Angriffe der Bevölkerung auf die Truppe... zu befürchten sind, ist von der Festnahme von Geiseln grundsätzlich Gebrauch zu machen. Festnahme von Geiseln darf nur auf Befehl eines Regts. Kdrs.... oder eines gleichgestellten Kdrs. erfolgen...

Bei Unterbringung und Verpflegung von Geiseln ist trotz strengster Bewachung zu beachten, daß es sich nicht um Strafgefangene handelt.

Ihnen und der Bevölkerung ist bekanntzugeben, daß die Geiseln bei irgendeinem Anzeichen von feindseligen Handlungen erschossen werden. Erschießungen dürfen jedoch nur nach vorheriger Genehmigung durch den Divisionskommandeur vollzogen werden...

Bewaffneter Widerstand der zivilen Bevölkerung ist mit der Waffe zu brechen.«

Der letzte Satz auf dieser Seite heißt:

»Auf Gewaltmaßnahmen irgendwelcher Art gegen die deutsche Wehrmacht... steht die Todesstrafe. Aburteilung erfolgt unverzüglich durch ein Feldkriegsgericht... Regimentskommandeur kann Standgericht berufen.

Zusammensetzung: 1 Hauptmann, 1 Unteroffizier, 1 Gefreiter. Zeugen hören, Urteil schriftlich absetzen. Bei schuldig – Verurteilung zum Tode – andernfalls Freispruch. Vollstreckung des Urteils unmittelbar nach Bestätigung durch Regimentskommandeur.

Als Gewaltmaßnahmen sind unter anderem anzusehen: Sabotage, Zerstörung eigener rückwärtiger Verbindung, Durchschneiden von Fernsprechleitungen, Vornahme von Sprengungen usw.«

(Dokument Jodl-37, Exhibit Nummer AJ-14.)

Das ist etwas drastisch, nicht wahr? Ausschließlich Todesstrafe?

JODL: Diese ganzen Richtlinien entsprechen vollkommen unseren Vorschriften, Wort für Wort, die im Frieden von der Völkerrechtsgruppe zusammen mit dem Auswärtigen Amt und mit den Völkerrechtsgelehrten Deutschlands abgefaßt worden sind. Es wäre gut, wenn überall nur nach diesen, unseren militärischen Vorschriften, mit denen wir in den Krieg gezogen sind, mit Kriegsgerichten, gearbeitet worden wäre. Auch die Geiseln sind völkerrechtlich in unseren offiziellen Vorschriften festgelegt gewesen, und es ist kein Zweifel, daß die Geiselnahme nach gültigem Völkerrecht im Jahre 1939 zulässig war.

MR. ROBERTS: Da Sie eben diesen Punkt berühren, möchte ich darauf hinweisen, daß Sie eine Erschießung von Geiseln nirgends im Völkerrecht sanktioniert finden.

JODL: Dann ist es aber mit Sicherheit auch nirgends im Völkerrecht verboten. Ich glaube, die Frage ist offen. In unseren Vorschriften, sogar in der Vorschrift »Truppenführung« war der Begriff »Geiselnahme« festgelegt seit Jahren.

MR. ROBERTS: Das kann sein. Ich beabsichtige nicht, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich weise jedoch darauf hin, daß die Haager Landkriegsordnung das Leben der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten schützt, außer im Falle von Verbrechen, und sie verbietet Kollektivstrafen an Unschuldigen. Wenn Sie darüber nichts mehr sagen wollen... Ich werde Sie nicht unterbrechen, wenn Sie weiter darüber sprechen wollen.

JODL: Ich kann nur zusammenfassen: Jedes Wort entspricht hier den gültigen Vorschriften des deutschen Heeres, und diese Vorschriften waren nicht rechtswidrig. Aber darüber müßte man mit Völkerrechtlern diskutieren.

MR. ROBERTS: Schön. Sehen Sie sich jetzt bitte ein anderes Dokument an. Es bezieht sich auf Norwegen. D-582.

Euer Lordschaft! Es handelt sich um eine neue Urkunde, die ich als GB-491 vorlege.