[Zum Zeugen gewandt:]
Stammt diese Urkunde aus Ihrer Dienststelle?
JODL: Ja, sie stammt vom Wehrmachtführungsstab, Quartiermeisterabteilung.
MR. ROBERTS: Ist sie Ihnen bekannt oder nicht?
JODL: Ich kann mich nicht daran erinnern; aber es sind ja Bemerkungen von mir darauf, also es ist einwandfrei ein Dokument, das ich gesehen habe.
MR. ROBERTS: Jawohl. Wo sind die Notizen, Zeuge?
JODL: Meine Notizen sind auf der Rückseite des letzten Fernschreibens.
MR. ROBERTS: O ja, ich sehe. Wollen Sie bitte zuerst... Ich habe vergessen, daß Ihnen mehrere Dokumente vorliegen. Sehen Sie sich bitte zuerst das Dokument vom 2. Februar 1945 an. Ich glaube, es ist das oberste.
JODL: Da sind keine Notizen von mir; da kann ich nicht sagen, ob ich es gesehen habe.
MR. ROBERTS: Sehen Sie es sich einmal an, und sagen Sie mir, ob Sie es kennen.
JODL: Ich glaube nicht, daß ich es gesehen habe. Es ist mir... Ich habe keinerlei Erinnerung daran, es je gelesen zu haben.
MR. ROBERTS: Dann halte ich es nicht für richtig, über dieses Dokument ein Kreuzverhör anzustellen.
Euer Lordschaft! Ich bitte in diesem Falle um die Erlaubnis, dieses Dokument zurückziehen zu dürfen. Ich will es nicht als Beweisstück vorlegen.
VORSITZENDER: Ich glaube, der Angeklagte sagte, es stamme von seiner Dienststelle.
MR. ROBERTS: Jawohl. Dann werde ich... Er hat das gesagt. Sie sehen, was im Dokument steht, Angeklagter. Das Datum ist der 2. April 1945.
JODL: 2. Februar 1945.
MR. ROBERTS: Der 2. Februar 1945. Es befaßt sich mit dem Bericht des Reichskommissars Terboven an den Führer und lautet folgendermaßen:
»1. Träger der Sabotage- und Mordanschläge sind die innernorwegische Illegalität mit einer bürgerlich-na tionalen Mehrheit und einer kommunistischen Minderheit und weiterhin Einzelgruppen, die unmittelbar von England bzw. Schweden kommen...
2. Die bürgerlich-nationale Mehrheit hat in der Auffassung über Sabotage- und Mordanschläge überhaupt, insbesondere aber über Umfang und Art, im Gegensatz zur kommunistischen Minderheit gestanden. Dieser Widerstand ist... innerhalb des letzten Jahres laufend schwächer geworden.
3. Offizielle Stellen der Exilregierung, so der Kronprinz Olaf als sogenannter Oberkommandierender der norwegischen Streitkräfte und verschiedene mehr haben in Reden und Befehlen die Heimatbevölkerung zur Sabotage aufgerufen. Daher besteht hier besonders gute Möglichkeit, jeden Anhänger der Exilregierung als intellektuellen Urheber, bezw. Mittäter zu stempeln.
4. Ziel kommender Maßnahmen muß daher sein
a) durch Bedrohung der sehr einflußreichen Führungsschicht im bürgerlichen Lager die Kräfte und den Willen zu stärken, sich erneut gegen die Sabotage zu wenden;
b) damit die Gegensätze zwischen Bürgerlichen und Kommunisten... steigend zu verschärfen.«
Dann folgen »Vorschläge«. Das sind anscheinend Vorschläge Ihrer Dienststelle. Ich verlese:
»1. Besonders einflußreiche Vertreter der ausgesprochen deutsch- und NS-feindlichen, wirtschaftführenden Schicht werden unter der Beschuldigung der intellektuellen Urheberschaft bezw. Mittäterschaft und der Feststellung, daß sie im Rahmen von polizeilichen Erhebungen überführt sind, ohne Gerichtsverfahren erschossen.
2. Aus dem gleichen Kreise werden ähnliche Männer nach Deutschland zum Schanzeinsatz... verschickt.
3. In besonders geeignet gelagerten Fällen Durchführung von Verfahren vor dem SS- und Polizeigericht mit Todesurteilsvollstreckung und entsprechender Veröffentlichung.«
Dann folgen noch weitere Vorschläge, die ich nicht zu verlesen brauche. Dann vorletzter Absatz:
»Der Führer hat diese Vorschläge nur zum Teil gebilligt. Er hat insbesondere im Zusammenhang mit den Bemühungen um Sabotageschutz das Mittel, Geiseln zu nehmen, abgelehnt. Er hat die Erschießung einflußreicher norwegischer Vertreter ohne Gerichtsverfahren... abgelehnt.«
Das ist mit einem blauen Stift unterstrichen. Ist das Ihr Blaustift?
JODL: Nein. Das ist nicht von mir.
MR. ROBERTS: Sie sehen, es ist ein bemerkenswertes Dokument, Zeuge, denn hier liegt der Fall vor, daß Ihre Dienststelle ein Verfahren vorschlägt, das man meines Erachtens nur als eine brutale Gewalttätigkeit bezeichnen kann, die sogar der Führer ablehnt.
JODL: Das, glaube ich, Mr. Roberts, ist ein kleiner Irrtum. Hier wird überhaupt kein Vorschlag gemacht, sondern hier unterrichtet der Wehrmachtführungsstab den militärischen Befehlshaber in Norwegen über das, was der Reichskommissar Terboven dem Führer vorgetragen hat. Und zwar hat er ihm zuerst die Beurteilung der Lage vorgetragen, und dann hat er ihm diese Vorschläge, die hier aufgeführt sind, vorgetragen. Und der Wehrmachtführungsstab, der offenbar bei dieser Besprechung einen Vertreter hatte – ich war nicht dabei –, der hat sofort den Militärbefehlshaber davon unterrichtet, was sein »Freund« Terboven für schöne Vorschläge macht. Das ist somit geschehen, und diese Vorschläge waren sogar dem Führer zu viel; aber von uns ist kein Vorschlag.
MR. ROBERTS: Gut, Zeuge. Ich nehme Ihre Antwort zur Kenntnis, und der Gerichtshof wird sie berücksichtigen. Sie könnte angenommen werden. Das Dokument spricht für sich selbst.
VORSITZENDER: Ich bitte Sie, die erste... den Betreff zu lesen: »Orientierung über Führervortrag, Reichskommissar Terboven.«
MR. ROBERTS: Ja.
Das steht als Betreff ganz am Anfang, nicht wahr, Zeuge? Orientierung über den Vortrag von Reichskommissar Terboven. Wessen Orientierung? Ihrer Dienststelle?
JODL: Die Orientierung der 20. Gebirgsarmee, also des Generals Böhm. Der General Böhm als Oberbefehlshaber des Gebirgsarmeeoberkommandos 20 wird unterrichtet über den Vortrag, den der Reichskommissar Terboven beim Führer gehalten hat, damit er weiß, was »sein« Terboven für Vorschläge gemacht hat. Es ist nichts anderes als eine Unterrichtung über die Worte, die Terboven beim Führer gesprochen hat. Ich kann Ihnen nicht sagen, wer dabei war. Ich war nicht dabei, von mir stammt das Ganze nicht, ich habe es auch nie gesehen.
MR. ROBERTS: Jetzt das zweite Dokument. Das Datum ist der 28. Oktober 1944. Es ist von Terboven an Bormann gerichtet und bezieht sich auf die Räumung östlich von Lyngen. Ich glaube nicht, daß eine Verlesung nötig ist.
Das nächste Dokument oder das übernächste ist ein Fernschreiben vom 6. April 1945 von SS-Oberführer Fehlis an den Wehrmachtführungsstab. Es lautet:
»Gemäß Verfügung OKW (WFST)... vom 29. 3. 1945 sind Angehörige der norwegischen Widerstandsbewegung, die in geschlossenen Einheiten auftreten und deutlich durch Armbinden oder sonstige Abzeichen als Kombattanten kenntlich sind, als Kriegsgefangene zu behandeln.«
Der SS-Oberführer sagt dann weiter:
»Halte diese Anordnung zur Zeit für völlig untragbar. Habe dies auch Oberstleutnant Haß und Major Benze vom Wehrmachtführungsstab, die hier weilten, eindeutig erklärt. In Norwegen bisher vereinzeltes Auftreten von uniformierten Gruppen, aber bisher noch keine Gefechtstätigkeit. Aus vorgefundenem Befehl der militärischen Organisation entnommen, daß beim Verteidigungsoberkommando in London angefragt wurde, ob bei Zugreifen der deutschen oder norwegischen Polizei bewaffneter Widerstand geleistet werden soll... noch kein Bandenkrieg oder anderes in Norwegen. In einem Falle haben festgenommene und uniformierte Angehörige der Mil. Org. Anspruch erhoben, als Kriegsgefangene behandelt zu werden. Würde diesem Verlangen in diesem Augenblick nachgekommen werden, so würde es zur Folge haben, daß dadurch eine aktive Kampftätigkeit der Mil. Org. ausgelöst würde. Bitte deshalb Rückgängigmachung des Befehls WFSt zu erwirken.«
Und Sie verlangten, daß die Ausnahmebestimmungen rückgängig gemacht werden, nicht wahr?
»Der Einspruch ist berechtigt. Norwegen hat eine Regierung im eigenen Lande.
Wer im Lande dagegen kämpft, ist ein Rebell.
Anders ist es mit norwegischen Truppen, die nach England gebracht worden sind und von dort aus auf Befehl Englands in den Kampf gesetzt wurden.«
Ist das Ihre Notiz?
JODL: Jawohl.
MR. ROBERTS: Und Sie bleiben dabei, nicht wahr? Ich meine, ist das auch Ihre heutige Anschauung?
JODL: Ja, ja, ich bin völkerrechtlich der Auffassung, daß eine Widerstandsbewegung gegen die eigene Norwegische Regierung zweifellos nicht als normale Truppe anzusehen ist, sondern als ein Aufstand, als eine Rebellion. Wenn aber norwegische Truppen von England nach Norwegen kommen, dann sind es Soldaten. Das ist jedenfalls... und ist auch heute meine völkerrechtliche Auffassung.
MR. ROBERTS: Was bezeichnen Sie als eigene Norwegische Regierung? Die von den Deutschen eingesetzte Marionettenregierung?
JODL: Ja, es gab damals immerhin eine Regierung Quisling, und wir hatten auf jeden Fall – völkerrechtlich gesprochen – das Land besetzt und waren infolgedessen nach den völkerrechtlichen Bestimmungen auch berechtigt, Rechtsanordnungen zu erlassen und ihre Durchführung zu erzwingen. Das ist gültiges Völkerrecht und Widerstand dagegen hieß immer in der Welt Rebellion. Das geht uns in Deutschland heute genau so.
MR. ROBERTS: Jetzt möchte ich mich noch ganz kurz mit drei anderen Angelegenheiten befassen und bin dann am Ende. Ich möchte zuerst auf Ihre Äußerungen über die Absicht Hitlers, die Genfer Konvention zu kündigen, eingehen. Sie behaupten, daß Sie in großem Maße dazu beigetragen hätten, ihn davon abzuhalten, die Konvention zu kündigen?
JODL: Ja.
MR. ROBERTS: Sehen Sie sich bitte Dokument C-158 an. Es ist bereits als GB-209 vorgelegt worden. Ich glaube, Sie haben einzelne Ausfertigungen davon. Es wurde im Zusammenhang mit dem Fall Dönitz vorgelegt. Der Titel ist:
»Teilnahme des Ob.d.M. an der Führerlage am 19. 2., 17.00 Uhr.
Der Führer erwägt, ob das Deutsche Reich nicht aus der Genfer Konvention austreten solle. Da nicht nur die Russen, sondern auch die Westgegner mit ihrem Vergehen gegen die wehrlose Bevölkerung und die Wohngegenden sich außerhalb jedes Völkerrechts setzen, erscheine es zweckmäßig, daß wir uns auf den gleichen Standpunkt stellen, um dem Gegner damit zu bekunden, daß wir entschlossen sind, bis zum Äußersten um unser Dasein zu kämpfen und auch die eigene Bevölkerung durch diese Maßnahme zum äußersten Widerstand aufgerufen werde. Der Führer beauftragt den Ob.d.M., das Für und Wider dieses Schrittes zu erwägen und darüber vorzutragen«.
Ferner etwas weiter unten, Euer Lordschaft.
»Teilnahme des Ob.d.M. an Führerlage am 20. 2. 1945.
Der Ob.d.M. unterrichtet... Generaloberst Jodl und den Vertreter des Reichsaußenministers... Botschafter Hewel, über seine Auffassung betreffend etwaigen Austritt des Deutschen Reiches aus der Genfer Konvention. Militärisch gesehen lägen für die Seekriegführung keinerlei Gründe für diesen Schritt vor, die Nachteile seien im Gegenteil größer als die Vorteile. Auch allgemein scheine dem Ob.d.M. diese Maßnahme keine Vorteile zu bringen. Es sei besser, die für notwendig gehaltenen Maßnahmen ohne Ankündigung zu treffen und nach außenhin auf alle Fälle das Gesicht zu wahren.
Chef WFST und Botschafter Hewel sind durchaus der gleichen Auffassung«.
Sie sagen hier, nicht wahr, daß Sie Raeder zustimmten, als er vorschlug, man solle die Genfer Konvention brechen, aber der Welt gegenüber darüber nichts verlauten lassen?
JODL: Großadmiral Dönitz.
MR. ROBERTS: Ja, Dönitz, Verzeihung. Das haben Sie gesagt, nicht wahr?
JODL: Nein. Das Ganze ist – wie gesagt – eine Notiz von dem Admiral Wagner über eine Besprechung, aus der nur hervorgeht, daß der Großadmiral Dönitz abgelehnt hat, daß er am Schluß diese Bemerkung gemacht haben soll; eine Bemerkung, die ich mir heute schlecht erklären kann; denn uns war damals als Begründung vom Führer nur angegeben, es müßte verhindert werden, daß die ungeheure Zahl deutscher Soldaten im Westen auf Grund der Propaganda über gute Behandlung überlaufen. Also ich kann mir diese Bemerkung nicht erklären, und in meiner schriftlichen Ausarbeitung, die ich dem Führer vorgelegt habe, und die auch die Stellungnahme der Kriegsmarine enthält, kam dieser Satz nicht vor; sondern da waren nur gegenübergestellt diese Vorteile und diese Nachteile; die Nachteile überwiegen weit; das Ganze ist völlig undurchführbar und ausgeschlossen. Und so ist es auch geschehen, mehr kann ich nicht sagen. Zeugen werden das noch bestätigen.
MR. ROBERTS: Ich werde Ihnen jetzt Ihr eigenes Dokument D-606 vorlegen.
Euer Lordschaft! Es ist noch nicht vorgelegt worden. Ich biete es an als GB-492.