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[Zum Zeugen gewandt:]

Sehen Sie sich das Dokument 865-PS an! Haben Sie das Dokument?

JODL: Das Dokument habe ich, ja.

OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Auf die Frage Ihres Verteidigers haben Sie geantwortet, daß Lammers Sie ganz zufällig als Rosenbergs Mitarbeiter bezeichnet habe. Vor Ihnen liegt ein kurzes Dokument, welches ich gleich vorlesen werde. Das Dokument ist von Keitel unterschrieben; es ist eine Geheime Kommandosache vom 25. April 1941. Es ist an Rosenberg »eigenhändig« gerichtet. Der Brief lautet wie folgt:

»Der Chef der Reichskanzlei hat mir eine Abschrift des Führererlasses, mit dem der Führer Sie zu seinem Beauftragten für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes bestellt hat, zugeleitet. Mit der Bearbeitung dieser Fragen von seiten des Oberkommandos der Wehrmacht habe ich den Chef des Wehrmachtführungsstabes, General der Artillerie Jodl, sowie als dessen Vertreter den Generalmajor Warlimont beauftragt. Ich darf bitten, mit diesem allein seitens Ihrer Dienststelle verkehren zu wollen. Heil Hitler. Ihr sehr ergebener gezeichnet Keitel.«

Was werden Sie angesichts dieses Dokuments auf die Frage antworten? Erinnern Sie sich, daß Sie und Warlimont als Ihr Vertreter vom Oberkommando der Wehrmacht schon im April 1941 beauftragt wurden, sich mit den praktischen Problemen der Hitlerschen Expansion nach dem Osten gemäß den Richtlinien des Stabes Rosenberg zu beschäftigen?

Haben Sie meine Frage verstanden?

JODL: Alles, was zu dieser Formalität zu sagen ist, habe ich gestern dem Gericht bereits gesagt. Der Minister Lammers hat an sämtliche Reichsministerien genau denselben Wortlaut dieses Schreibens gerichtet. Er hat jedes Ministerium gebeten, einen Beauftragten und einen Stellvertreter zu ernennen. Daraufhin hat der Feldmarschall Keitel hier selbstverständlich die zwei Offiziere genannt, die im Hauptquartier waren. Gearbeitet habe ich mit Rosenberg nie – war auch nicht notwendig –, außer einer einzigen Besprechung, die ich gestern auch erwähnt habe. Nur meine Propagandaabteilung hat die Flugblätter mit dem Ostministerium besprochen – ganz selbstverständliche Dinge, die jeder Soldat ohne weiteres versteht.

OBERST POKROWSKY: Da fällt mir eben ein, was die Soldaten betrifft: Sie behaupten hartnäckig, daß Sie sich nur mit militärischen Einsatzfragen beschäftigten und mit politischen Fragen nichts zu tun hatten. Habe ich Sie richtig verstanden?

JODL: Auch diese Erläuterung habe ich gestern schon gegeben; soweit nicht die Politik ein Bestandteil der Strategie ist. In gewissem Maße floß sie natürlich mit hinein; denn es gibt ohne Politik keine Strategie. Sie ist ein Bestandteil der Strategie. Aber da ich nicht der Stratege war, sondern nur der Generalstabsoffizier dafür, so hatte ich nicht direkt damit zu tun.

OBERST POKROWSKY: Sie beschäftigten sich nicht damit? Sie werden sich jetzt das Dokument USSR-477 ansehen! Ich möchte Sie fragen, ob Sie auf der letzten Seite dieses Dokuments Ihre eigene Unterschrift finden?

JODL: Jawohl, die Unterschrift sehe ich.

OBERST POKROWSKY: Es ist eine Weisung für die Propagandaorganisation im Zusammenhang mit dem Fall »Barbarossa«. Nicht wahr?

JODL: Ja.

OBERST POKROWSKY: Werden Sie nun bestreiten, daß in dieser von Ihnen herausgegebenen Weisung die klare Frage gestellt ist, daß die USSR als souveräner Staat vernichtet werden sollen; haben Sie das als eine rein militärische Frage angesehen? Sie, ein Offizier des Generalstabs, sollten an politischen Dingen nicht interessiert gewesen sein?

JODL: Ich habe die Stelle nicht gefunden, wo Rußland zerstört werden soll.

OBERST POKROWSKY: Sie haben recht, wenn Sie auf die Ausdrucksweise aufmerksam machen wollen. Es ist dort nicht gerade mit diesen Worten gesagt. Ich spreche vom allgemeinen Sinn dieser Anweisung. Bitte, sehen Sie sich besonders Punkt d der Anweisung an:

JODL: Ja, aber ich kenne das Dokument.

OBERST POKROWSKY: Ich werde einen Satz verlesen:

»Propagandatendenzen, die auf den Zerfall der Sowjetunion in Einzelstaaten gerichtet sind, dürfen zunächst nicht zur Anwendung gebracht werden«.

Es folgen einige technische Bemerkungen, und dann heißt es in dem gleichen Absatz:

»Unbeschadet dessen müssen jedoch die Ausdrücke ›Rußland‹, ›Russen‹, ›russische Wehrmacht‹ und so weiter vermieden und durch ›Sowjetunion‹, ›Völker der Sowjetunion‹, ›Rote Armee‹ und so weiter ersetzt werden.«

Haben Sie diese Stelle gefunden?

JODL: Jawohl.

OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Was wollen Sie sagen, wenn Sie sich überhaupt dazu äußern wollen?

JODL: Ja, sicher will ich dazu was sagen.

OBERST POKROWSKY: Bitte!

JODL: Wie aus der Überschrift hervorgeht, dreht es sich bei dieser Weisung um die Handhabung der Propaganda. Nun waren wir in der Propaganda gegenüber der Sowjetunion und gegenüber den Angelsachsen ohnehin Waisenknaben. Aber, daß die Propaganda erstens etwas völlig Rechtliches und durch keinerlei völkerrechtliche Bestimmungen Eingeschränktes ist, das wissen Sie vielleicht. Es ist darüber einmal lange in Genf debattiert worden, und man hat es abgelehnt, irgendeine Einschränkung der Propaganda völkerrechtlich festzulegen; das habe ich in der Vorvernehmung schon gesagt: Propagandistisch kann ich tun und lassen, was ich mag. Eine Strafrechtlichkeit weder kriminell noch völkerrechtlich gibt es da nicht. Vielleicht wissen Sie das nicht. Diese Propaganda mußte abgestimmt sein auf die politische Direktive des Führers, und das ist hiermit geschehen. Die Propaganda kenne ich sehr genau. Ich habe sie nämlich fünf Jahre studiert, auch Ihre. Da gibt es ganz andere Propagandaanweisungen noch.

OBERST POKROWSKY: Sie haben es vorgezogen, keine direkte Antwort auf die an Sie gestellte Frage zu geben. Ich bin auch damit vollkommen zufrieden, denn ich habe Ihre diesbezügliche Stellungnahme verstanden. Jetzt mochte ich eine Antwort auf folgende Frage haben: Was hatte das Propagandaministerium mit der Herausgabe dieser Weisung zu tun? Beteiligte es sich an der Ausarbeitung dieser Direktive, oder wurde diese Direktive nur von Ihnen und dem OKW vorbereitet? Haben Sie mich verstanden?

JODL: Ja, ich habe Sie verstanden. Meine Propagandaabteilung arbeitete in Berlin. Wie sie im einzelnen in der Zusammenarbeit bei so einem Schriftstück – sowohl mit dem Minister Rosenberg wie mit dem Propagandaministerium – gearbeitet hat, kann ich im Einzelfall nicht sagen. Das könnte Ihnen aber der General von Wedel, der Chef dieser Abteilung, sagen. Ich weiß nur, daß das im Einvernehmen mit dem Ministerium Rosenberg entstanden ist; denn da legte ich immer großen Wert darauf, daß wir nicht eigene Wege gingen, sondern im Rahmen der zuständigen zivilen Stellen arbeiteten. Aber es ist nur Propaganda, es ist keine Anweisung zur Zerstörung Rußlands; die Propaganda ist eine geistige Waffe.

OBERST POKROWSKY: Ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen in eine Diskussion einzutreten, was die Propaganda darstellt und ob Sie die Verantwortung für die Propaganda tragen. Wir haben noch genügend andere Fragen.

Glauben Sie nun, daß diese Direktive nach einer bestimmten Übereinkunft mit anderen Verwaltungsstellen herausgegeben wurde? Ich habe Sie so verstanden. Stimmt das? Insbesondere im Einvernehmen mit dem Stab Rosenberg?

JODL: Ja, das glaube ich sicher.

OBERST POKROWSKY: Gut. Dann werde ich zu einem anderen Fragenkomplex übergehen. Bestreiten Sie, daß sich das Dokument von der Besprechung in Hitlers Hauptquartier am 27. März 1941 mit Jugoslawien befaßt? Sie erinnern sich doch an die Besprechung?

JODL: Ja, ich erinnere mich daran.

OBERST POKROWSKY: Wollen Sie also bestreiten, daß die Dokumente über diese Besprechung und die Weisung für die Operationen gegen Jugoslawien – beide Dokumente tragen das Datum vom 28. März 1941, wurden also am nächsten Tag herausgegeben –, wollen Sie noch bestreiten, daß diese Dokumente vom Operationsstab der Wehrmacht, das heißt also, von Ihnen selbst herrührten? Wenn Sie wollen, können Sie sich das Dokument 1746-PS ansehen. Vielleicht wird es Ihnen helfen, sich an die Ereignisse zu erinnern.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Es ist Ihnen wohl nicht entgangen, daß dieses Thema schon von Herrn Roberts im Kreuzverhör des Angeklagten ausführlich besprochen wurde?

OBERST POKROWSKY: Herr Vorsitzender! Wenn Sie glauben, daß diese Frage schon vollständig geklärt ist, werde ich davon Abstand nehmen. Ich glaube aber, daß er, soweit ich ihn verstanden habe, die Frage in einer ganz anderen Hinsicht behandelt hat. Wenn Sie aber glauben, daß die Sache geklärt ist, werde ich die Frage zurückziehen.

VORSITZENDER: Ich weiß es noch nicht. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, daß diese Frage schon sehr ausführlich von Herrn Roberts behandelt wurde. Ich weiß aber nicht, welches Dokument Sie vorbringen wollen.

OBERST POKROWSKY: Ich habe den Angeklagten auf zwei Dokumente aufmerksam gemacht, Herr Vorsitzender, auf die Weisung für die Operationen gegen Jugoslawien vom 28. März, und die Niederschrift über die Besprechung. Beide Dokumente liegen dem Gerichtshof vor. Wenn Sie glauben, daß diese Angelegenheit völlig geklärt ist, werde ich keine Fragen stellen. Es scheint mir jedoch noch ein Grund gegeben zu sein, die Frage zu stellen.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof möchte nur wissen, ob wirklich ein vollständig neuer Gesichtspunkt vorgebracht wird. Sie haben doch Herrn Roberts Kreuzverhör des Angeklagten über den Angriff auf Jugoslawien gehört. Ich kenne diese Dokumente vom 22. und 28. März nicht und weiß nicht, was Sie durch Ihre Fragen aus ihnen herausholen wollen. Wenn es wirklich etwas Neues ist, können Sie es natürlich anbringen, wenn das aber nicht der Fall ist, dann gilt die Verfügung des Gerichtshofs, daß im Kreuzverhör nicht zweimal dasselbe Thema behandelt wird.

OBERST POKROWSKY: Wenn Sie mir gestatten zu bemerken, Herr Vorsitzender, ich habe Jodl dahin verstanden, daß für ihn...

VORSITZENDER: Ich bitte darum.

OBERST POKROWSKY: Ich habe die Aussage, die Jodl bei dem Verhör durch Herrn Roberts gemacht hat, zwar dahingehend verstanden, aber es ist noch nicht ganz klar, wer eigentlich die Operation gegen Jugoslawien leitete. Nur diesen Punkt möchte ich genau geklärt haben. Wenn der Gerichtshof der Ansicht ist, daß diese Frage schon beantwortet ist, werde ich sie selbstverständlich zurückziehen.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof kann nicht einsehen, was an dieser Fragestellung neu ist. Wenn Sie nicht selbst darauf bestehen, weil Sie es für sehr wichtig halten, sollten Sie meines Erachtens zum nächsten Punkt Ihres Kreuzverhörs übergehen.

OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Herr Vorsitzender, ich werde fortfahren.