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OBERST POKROWSKY: Angeklagter Jodl! Jetzt werden wir uns mit zwei Dokumenten beschäftigen. Ich bitte Sie, das Dokument USSR-132 vorzunehmen. Das ist eine Weisung an die 118. Jägerdivision. Haben Sie das Dokument?

JODL: 118. Jägerdivision.

OBERST POKROWSKY: Sie lautet:

»Richtlinien über das Verhalten der Truppe im Einsatz.«

Absatz 2:

»Gefangene: Wer sich offenbar am Kampf gegen die Deutsche Wehrmacht beteiligt hat und gefangen wird, ist nach Vernehmung zu erschießen.«

Steht es dort so? Hören Sie mich?

JODL: So ähnlich heißt es in dem einen Satz. Aber ich möchte das ganze Dokument haben. Aus einem Satz ist nichts zu entnehmen. Entscheidend ist, was dem vorangeht. Das steht nicht hier.

OBERST POKROWSKY: Die Überschrift lautet:

»Richtlinien über das Verhalten der Truppe im Einsatz.«

Nun zum zweiten Dokument. Es trägt den Stempel des IV. Gebirgsregiments und ist datiert vom 6. Oktober 1943. Darin befinden sich handgeschriebene Weisungen Keitels, wie Gefangene behandelt werden sollen. Ich bitte, Ihre Aufmerksamkeit Absatz 3 zuzuwenden; dort heißt es im zweiten Teil dieses Absatzes:

»... sind Befehlshaber zumindest im Range von Divisionskommandeuren bevollmächtigt anzuordnen, daß niemand gefangengenommen wird, das heißt, daß die Gefangenen und die Bevölkerung im Kampfgebiet erschossen werden darf.«

VORSITZENDER: Einen Augenblick, bitte. Die Übersetzung kam anscheinend nicht richtig durch. Vielleicht sprechen Sie zu schnell. Ich hörte es zwar richtig, aber ich glaube nicht, daß die Angeklagten es richtig gehört haben.

Würden Sie bitte die Frage wiederholen.

OBERST POKROWSKY: Im Absatz 3 des an das IV. Gebirgsregiment herausgegangenen Dokuments heißt es...

VORSITZENDER: Haben Sie uns die Nummer angegeben?

OBERST POKROWSKY: Ja, Herr Vorsitzender, es ist das Dokument USSR-470 oder J-127. Es hat zwei Nummern.

[Zum Zeugen gewandt:]

Haben Sie Absatz 3 gefunden, Angeklagter Jodl?

JODL: Ja, nur kann man das unmöglich als ein Dokument bezeichnen. Das ist kein Dokument.

OBERST POKROWSKY: Es ist ein Dokument, wie man die Gefangenen behandeln soll. Ich weiß nicht, was Sie darüber denken, aber mir ist es ganz klar.

JODL: Es ist aber kein Originaldokument. Es ist eine Phantasiedarstellung einer Übersetzung. Jeder Soldat würde das sofort in den Papierkorb werfen. Das ist eine Fälschung. Aber ich erkenne, daß es vielleicht nur an der törichten Übersetzung liegt. Hier steht für meinen Verstand nur lauter Unsinn drin. Der Kopf lautet IV. Gebirgsregiment. Das »vierte« ist römisch geschrieben; das wird bei uns arabisch geschrieben. Niemals heißt es Gebirgsregiment. Es heißt dann:

»Die Kommandeure der IV. Gebirgsdivision, Abtl. Ic, stellte unter Nummer... folgendes zu.«

Das ist alles Unsinn, barer Unsinn, das ist kein Dokument, das ist ein Fetzen Papier.

OBERST POKROWSKY: Ich bin für die Übersetzung nicht verantwortlich.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte gern das Original dieser Dokumente sehen. Die Dokumente sind anscheinend als USSR-132 und USSR-470 vorgelegt worden. Ist USSR-470 ein neues Dokument?

OBERST POKROWSKY: Nein, Herr Vorsitzender, dieses Dokument wurde bereits vorgelegt. Das Original ist im Protokoll enthalten. Ich lege jetzt nur eine Kopie der Übersetzung vor, über die wir verfügen. Beide Originaldokumente wurden kürzlich vorgelegt. Wenn es unbedingt notwendig ist, können wir diese Originale wieder beschaffen und sie nochmals vorlegen.

VORSITZENDER: Ein Sekretär des Gerichtshofs erklärt, daß das Dokument USSR-470 bisher noch nicht als Beweisstück vorgelegt wurde. Sind Sie dessen sicher?

OBERST POKROWSKY: Vielleicht ist hier ein technischer Fehler unterlaufen. Mir hat man gesagt, daß es bereits vorgelegt ist. Wir. werden die Sache gleich gründlich nachprüfen. Herr Vorsitzender, das zweite Dokument haben Sie, soviel ich weiß, im Original vorliegen.

JODL: Ich kann zur Aufklärung etwas beitragen.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof ist sich im Zweifel über die Zulässigkeit des Dokuments 470. Können Sie uns ganz genau sagen, worum es sich bei diesem Dokument handelt und unter welchem Gesichtspunkt es jetzt als Beweismittel vorgelegt wird? Woher kommt das Dokument, und worum handelt es sich dabei?

OBERST POKROWSKY: Auf die letzte Frage kann ich Ihnen eine ganz genaue Auskunft geben. Aber auf die erste Frage kann ich erst später antworten, da gerade Nachforschungen deshalb angestellt werden.

Auf der zweiten Seite des Dokuments 470 befindet sich unten eine eidesstattliche Versicherung.

»Es wird hiermit bestätigt, daß diese Abschrift genau dem Originaldokument entspricht, welches im Laufe der militärischen Operationen im Juni 1944 seitens der Jugoslawischen Nationalbefreierischen Armee in Pakrac beschlagnahmt wurde. Das Original wird im Archiv der Staatlichen Kommission zur Feststellung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfer in Belgrad verwahrt.«

Es ist vom 4. Januar 1946 in Belgrad datiert und vom Präsidenten der Staatskommission, Universitätsprofessor Dr. Nedeljkovic, unterschrieben.

Ich will jetzt feststellen lassen, ob es bereits vorgelegt wurde, durch welches Mitglied der Sowjetischen Delegation und unter welchem Datum. Wenn dieses Dokument noch nicht vorgelegt wurde – es ist ein erbeutetes Dokument in deutscher Sprache – werden wir entweder das Original, das sich in Belgrad befindet, oder eine beglaubigte Photokopie des Originaldokuments anfordern, wie es dem Gerichtshof beliebt. Wir werden es dann als Beweisstück unterbreiten.

Herr Vorsitzender! Ich habe eben eine Mitteilung erhalten, daß dieses Dokument noch nicht vorgelegt wurde. Es wird daher jetzt zum erstenmal vorgelegt; das Original werden wir zusätzlich anfordern.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof möchte für einen Augenblick auf das Dokument USSR-132 zurückkommen, welches, wie ich höre, bereits als Beweisstück vorgelegt sein soll. Der Gerichtshof möchte das Original dieses Dokuments sehen, weil die uns vorliegende Abschrift nur zwei Absätze enthält. Diesen Standpunkt nahm auch der Angeklagte Jodl ein, als er das gesamte Dokument zu sehen wünschte.

Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof glaubt vor allem, daß das Dokument USSR-132, das seiner Ansicht nach bereits als Beweisstück angeboten wurde, dem Angeklagten vollständig vorgelegt werden sollte, damit er Erklärungen dazu abgeben kann. Bezüglich des Dokuments 470, das Sie nun zum Beweis anbieten, ist der Gerichtshof der Meinung, daß Sie das Kreuzverhör darüber fortsetzen sollten, vorbehaltlich einer baldigen Vorlage des Originals oder der Photokopie des Originals und unter Vorbehalt des Rechtes des Verteidigers des Angeklagten, die Streichung des Kreuzverhörs zu verlangen, falls die Übersetzung in jugoslawischer Sprache, die dem Angeklagten jetzt vorgelegt oder die für das Kreuzverhör des Angeklagten verwendet wird, vom Originaldokument wesentlich abweichen sollte.

Ist das Ihnen und Dr. Exner klar?

OBERST POKROWSKY: Das wird geschehen, Herr Vorsitzender.

PROF. DR. EXNER: Herr Vorsitzender! Ich glaube, man sollte eine Besprechung dieses Dokuments vorläufig nicht zulassen, es hat allzu viele Mängel. Es kann unmöglich so stimmen. Da heißt es: »IV. Gebirgs-Regiment«. Die römische IV ist falsch. Dann heißt es weiter: »Die Kommandeure... stellte... zu...« Das ist undeutsch. Dann ist in der vierten Zeile erwähnt...

VORSITZENDER: Dr. Exner! Der Gerichtshof möchte wissen, von welchem Dokument Sie sprechen. Sprechen Sie über 470?

PROF. DR. EXNER: Jawohl. Ich will nur zeigen, daß das kein echtes Dokument sein kann, weil es ganz undeutsch ist.

So zum Beispiel in der vierten Zeile heißt es: »Abteilung Wehrmachtführungsstabe – Ob. H.« Der Wehrmachtführungsstab ist aber beim OKW, nicht aber beim Ob. H.

Dann weiter: Es fehlt eine Unterschrift. Es ist zwar hier auf der ersten Seite »Keitel« unterschrieben als Generaloberst, aber er ist, wie ich höre, damals schon Feldmarschall gewesen.

Ferner gehört diese Unterschrift zu dem Zitat. Da heißt es: »Das Oberkommando der Wehrmacht stellte folgendes zu« – und nun das Zitat, zu dem Keitels Unterschrift gehört, während das Dokument selbst angeblich vom IV. Gebirgsregiment stammt, und da ist keine Unterschrift vom IV. Gebirgsregiment.

Ich glaube, es ist wirklich nicht sinnvoll, über dieses Dokument zu sprechen, bevor nicht das Original da ist.

Es heißt zum Beispiel auf Seite 2 an die Kommandeure 6, 7 und so weiter. Die Kompaniechefs sind keine Kommandeure; das hat kein deutscher Militärmann gemacht.

VORSITZENDER: Dr. Exner! Der Gerichtshof bleibt bei der Entscheidung, daß dieses Schriftstück jetzt verwendet werden kann. Eine Beanstandung der von Ihnen angeführten Punkte und eventuell noch auftretenden Unklarheiten steht Ihnen später frei, wenn das Original vorgelegt worden ist und Sie eine Streichung des Kreuzverhörs beantragen.

PROF. DR. EXNER: Ich verstehe.

VORSITZENDER: Aus Gründen der Zeitersparnis hält der Gerichtshof es für vorteilhafter, das Kreuzverhör zu diesem Dokument jetzt vorzunehmen. Es bleibt Ihnen überlassen, später eine Streichung des Kreuzverhörs zu beantragen.

PROF. DR. EXNER: Jawohl.

VORSITZENDER: Nun, Oberst Pokrowsky, hier ist das Originaldokument 132, das dem Angeklagten zur Verfügung gestellt werden sollte, falls er dazu irgendwelche Erklärungen abgeben will.

OBERST POKROWSKY: Wir werden den Anordnungen des Gerichtshofs nachkommen, Herr Vorsitzender, und das Original vorlegen.