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[Das Dokument wird dem Angeklagten übergeben.]

VORSITZENDER: Haben Sie nun das Originaldokument? Wollen Sie Ihrer Antwort noch etwas hinzufügen?

JODL: Ich wollte nur noch hinzusetzen, wenn man sich schon mit dem Generalmajor Kübler hier befaßt, daß es. nicht sicher ist, ob dieser Befehl nicht eine Spezialkampfhandlung betrifft, zum Beispiel die Säuberung irgendeines bestimmten Gebietes von Banden, die in diesem Augenblick nicht als reguläre Truppen angesehen wurden, sondern als ein Aufstand der Bevölkerung. Das wäre möglich.

Aber alle diese Fragen kann ich nicht beantworten, weil ich ja nicht der Generalmajor Kübler bin.

VORSITZENDER: Sie können nun auf 470 übergehen.

JODL: Ich würde das Gericht bitten, daß ich meinen Einspruch gegen dieses Dokument einer Korrektur unterziehen darf.

VORSITZENDER: Von welchem Dokument sprechen Sie?

JODL: Von USSR-470.

VORSITZENDER: Was wollen Sie dazu sagen?

JODL: Ich habe das Dokument vorhin als einen Unsinn erklärt, weil ich es im ersten Moment für einen deutschen Befehl angesehen habe. Inzwischen habe ich festgestellt, daß es sich offenbar um einen kroatischen Befehl handelt, denn er ist an drei Ustachi-Bataillone gerichtet. In diesem kroatischen Befehl, da erzählt der kroatische Befehlshaber dieses Gebirgsregiments seiner Truppe, was er scheinbar von der deutschen 4. Gebirgsdivision für Anordnungen bekommen hätte, wie man die Gefangenen zu behandeln habe. Und er führt das nun zurück auf einen Befehl von Keitel, der aber falsch dargestellt ist, der aber, wenn er richtig wäre, am besten sofort dem Verteidiger des Feldmarschalls Keitel auszuhändigen wäre, denn er ist die beste Darstellung völkerrechtsmäßigen Verhaltens gegenüber den Banden in Jugoslawien, wenn er richtig ist. Also es ist kein deutscher Befehl, sondern es ist offenbar der Entwurf oder die Übersetzung eines kroatischen Befehls des IV. Gebirgsjägerregiments. Aber was das IV. kroatische Regiment auch mit dem General oder mit dem Angeklagten Jodl zu tun hat, ist mir auch rätselhaft. Das verstehe ich auch nicht.

VORSITZENDER: Fahren Sie bitte fort, Oberst Pokrowsky.

OBERST POKROWSKY: Ich frage Sie, Zeuge Jodl, wußten Sie von einer Weisung Keitels, die die Divisionskommandeure oder höheren Offiziere zu der Anordnung ermächtigte, daß niemand gefangengenommen werden solle. Wissen Sie etwas von einer solchen Anweisung?

JODL: Nein, das ist mir nicht bekannt, ist auch nicht sicher, daß das je so herausgekommen ist. Aber in bestimmten Fällen ist es völkerrechtlich zulässig.

OBERST POKROWSKY: Gut. Ich habe zu diesem Dokument keine weitere Frage mehr zu stellen. Der Verteidiger wird sicher noch Fragen stellen, wenn das Originaldokument dem Gerichtshof vorgelegt wird.

Ich gehe jetzt zur nächsten Fragengruppe über. Wenn ich mich nicht irre, haben Sie die Echtheit Ihrer sogenannten Notizen zum Plan »Grün« bestätigt, wo es um die Konstruierung eines Zwischenfalles an der tschechoslowakischen Grenze ging. Dort heißt es ganz offen, daß die Konstruierung dieses Zwischenfalles der Abwehr übertragen werden sollte. Habe ich den Sinn Ihrer Notizen richtig verstanden?

JODL: Nein, so wie ich ihn in der Übersetzung bekommen habe, ist er völlig entstellt; aber darüber ist auch schon eingehend gesprochen worden.

OBERST POKROWSKY: Um die Aufgabe der Übersetzer zu erleichtern, werde ich die Frage einfacher stellen.

Ich glaube, Sie haben die Echtheit dieses Dokuments über die Konstruierung eines Zwischenfalles bestätigt. Das ist das Dokument der Verteidigung Jodl-14.

VORSITZENDER: Ich glaube, die Übersetzung ist nicht richtig durchgekommen?

JODL: Nein. Sie hat für mich keinerlei Sinn.

OBERST POKROWSKY: Ganz recht! Ich werde es wiederholen. Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie die Echtheit des Dokuments Jodl-14 nicht bestreiten?

JODL: Wenn es sich um das Schreiben von mir an den Major Schmundt handelt, so ist das absolut ein echtes Dokument, das ich geschrieben habe.

OBERST POKROWSKY: Um dies klarzustellen, möchte ich Ihnen die eine präzise Frage stellen: Bestätigen Sie, daß die Provokation, welche Sie die Konstruierung eines Zwischenfalles nennen, zwei Ziele hatte; erstens, einen Vorwand für einen Angriff auf die Tschechoslowakei zu geben und zweitens – um Ihre eigenen Worte zu gebrauchen, die wir hier am 4. Juni hörten –, die Schuld am Kriege auf einen anderen Staat zu wälzen. Hatten Sie diese zwei Ziele im Auge als Sie vorschlugen, einen Zwischenfall zu schafften? Haben Sie die Frage verstanden?

JODL: Ich habe ungefähr die Worte verstanden.

OBERST POKROWSKY: Können Sie darauf eine Antwort geben?

JODL: Ja, ich kann meine Antworten von gestern wiederholen. Ich habe...

OBERST POKROWSKY: Sie bestätigen dies?

JODL: Meine gestrige Aussage, selbstverständlich; was ich gestern gesagt habe, halte ich auch heute aufrecht.

OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Wollen Sie bitte dem Gerichtshof alles sagen, was Ihnen über die Versorgung des Sudetendeutschen Henlein-Korps mit Waffen bekannt ist. Sie haben vor dem Gerichtshof schon kurz darüber gesprochen. Sie sagten, daß in diesem Korps eine Anzahl von Offizieren war. Erinnern Sie ach daran?

JODL: Ja, ich erinnere mich daran.

OBERST POKROWSKY: Um Ihnen zu helfen, werde ich Ihnen ein Dokument vorlegen.

Das sind die Aussagen von Karl Hermann Frank. In dieser Aussage bestätigt er, daß das Henlein-Korps eine gewisse Menge an Waffen bekommen hat. Wissen Sie etwas darüber?

JODL: Ich weiß nur von der Bewaffnung des Freikorps Henlein in dem Augenblick, als es auf deutschem Boden gebildet worden ist. Daß vorher oder ob vorher Waffen in die Tschechoslowakei für diese Sudetendeutschen eingeschmuggelt worden sind, ob es geschehen ist oder wie es geschehen ist, darüber weiß ich nichts. Damit war die Wehrmacht auch niemals befaßt, wie sie auch mit dem Freikorps Henlein nachher nicht befaßt war.

OBERST POKROWSKY: Wissen Sie, welche Waffen dahin geschickt wurden? Waren sie deutschen Ursprungs?

JODL: Ich weiß von der Tatsache, daß Waffen in die Tschechoslowakei gekommen sind, gar nichts. Ich war ja kein Waffenschmuggler. Ich war Generalstabsoffizier.

OBERST POKROWSKY: Deshalb frage ich Sie ja gerade. Da Sie erklärten, Sie seien über die Bewaffnung des Freikorps Henlein informiert worden, als es auf deutschem Gebiet eintraf, trage ich Sie als Generalstabsoffizier, waren es deutsche Waffen oder nicht? Sie müssen es doch wissen?

JODL: Das Freikorps Henlein, das am 17. September in dem Raum von Hof und nördlich davon gebildet worden ist, hat meiner Ansicht nach die früheren österreichischen oder auch deutschen Waffen, ich glaube aber österreichische Waffen, bekommen. Aber mit Sicherheit weiß ich es nicht.

OBERST POKROWSKY: In diesem Falle brauchen Sie darauf nicht zu antworten. Wir können nur präzise Antworten über feststehende Tatsachen gebrauchen. Wir werden Ihnen gleich eine Photokopie der Mappe »Grün« vorlegen lassen.

Sehen Sie sich die angestrichene Stelle an. Dort ist folgendes gesagt:

»Zum Erfolg dieser Operation wird das Eindringen nach Sudetendeutschland durch Fallschirmtruppen großen Wert haben.«

Der Angeklagte Keitel hat am 6. April 1946, als er über diese Stelle des Dokuments befragt wurde, geantwortet, daß Sie die erforderliche Erklärung zu diesem Dokument geben könnten.

JODL: Zu diesem Absatz kann ich sagen, daß hier in einer Vorbereitung für einen möglichen Kriegsfall im Auftrage des Heeres eine Ziffer steht, daß man die Befestigungen rasch durchstoßen muß oder daß man sie von rückwärts öffnen muß und daß für den Erfolg dieser Zusammenarbeit, eventuell mit Luftlandetruppen, auch die Mitwirkung der sudetendeutschen Grenzbevölkerung und sudetendeutscher Überläufer von Wert sein kann; denn es war selbstverständlich eine Tatsache, daß von den Eingezogenen, sagen wir rund 100000 Deutschen, nicht einer eine Waffe auf uns gerichtet hätte, sondern auf der Stelle übergelaufen wäre. Das haben sie mir – auch in tschechischer Uniform – in ihren Briefen persönlich geschrieben. Diese Deutschen wären auf der Stelle übergelaufen. Das haben wir hier selbstverständlich erwartet und in unsere militärische Kalkulation mit einbezogen.

OBERST POKROWSKY: Ich befürchte, daß Sie die Frage nicht ganz richtig verstanden haben oder die Ihnen gestellte Frage vielleicht nicht verstehen wollten. Mich interessiert etwas anderes, Angeklagter Jodl. Können Sie bestätigen, daß Sie vor dem Angriff auf die Tschechoslowakei verschiedene Ablenkungsmanöver in der Tschechoslowakei geplant hatten? Das interessiert mich. Wollen Sie bitte mit Ja oder Nein antworten?

JODL: Erstens hat überhaupt kein Angriff auf die Tschechoslowakei stattgefunden; das ist eine historische Unrichtigkeit. Zweitens handelt es sich hier um eine Generalstabsarbeit, die für einen möglichen Kriegsfall angefertigt worden ist. Dazu gibt es weiter gar nichts zu sagen.

VORSITZENDER: Das ist keine Antwort auf die Frage. Die Frage lautete, ob Sie vor dem Kriege oder vor einem möglichen Krieg ein Ablenkungsmanöver in der Tschechoslowakei planten. War das Ihr Plan? Können Sie das beantworten?

JODL: Nein, das habe ich nicht. Da müßte man Admiral Canaris tragen. Ich war mit solchen Dingen nicht befaßt.

OBERST POKROWSKY: Keitel riet uns, Sie zu befragen, und Sie raten uns, Canaris zu befragen. Gut!

Ich habe eine andere Frage: Wurde die Vereinigung aller profaschistischen Kräfte und bewaffneten faschistischen Banden in Jugoslawien, die gegen den Block der alliierten Streitkräfte kämpften, mit Ihrem Wissen durchgeführt? Oder wissen Sie nichts darüber?

JODL: Sie meinen die militärische Organisation unter Marschall Tito. Die ist mir wohl bekannt.

OBERST POKROWSKY: Nein, ich meine die Organisation einer einheitlichen Front aller profaschistischen Banden unter Führung des deutschen Oberkommandos; die Banden eines Neditsch, Michailowitsch und andere, die von Deutschland finanziert und unterstützt wurden und unter Führung des deutschen Oberkommandos standen. Wissen Sie etwas darüber oder nicht?

JODL: Ich weiß nicht, ob Sie dabei die Tschetniks im Auge haben. Die standen unter italienischer Führung. Deswegen gab es immer einen großen Krach zwischen uns und Italien. Dann gab es die Ustascha, das waren Kroaten. Aber sonstige profaschistische Banden sind mir nicht bekannt.

OBERST POKROWSKY: Gut. Wollen Sie sich jetzt das Dokument USSR-288 ansehen. Dem Gerichtshof ist dieses Dokument schon vorgelegt. Es ist die Aussage des Generals Neditsch. Zwei oder drei Sätze in diesem Dokument haben eine direkte Beziehung zu den Fragen, die ich Ihnen gestellt habe. Neditsch sagte unter Eid aus, mit wessen Hilfe und auf wessen Kosten er seine Bande organisierte und finanzierte. Er nennt die Vertreter des deutschen Oberkommandos und der Gestapo, die ihm halfen, diese bewaffneten Kräfte zusammenzustellen. Haben Sie diese Stelle gefunden?

JODL: Ja, es ist richtig. Der Neditsch hat einige serbische Truppen aufgestellt. Das habe ich vorhin vergessen. Neditsch hatte eine, ich weiß nicht, serbische...

OBERST POKROWSKY: Können Sie sich daran erinnern?

JODL: Ja. Neditsch hatte eine kleine Truppe. Das ist richtig, es waren vielleicht fünf- bis sechstausend Mann. Das waren Serben.

OBERST POKROWSKY: Haben Sie dieses Unternehmen geldlich unterstützt?

JODL: Ich nicht, ich hatte kein Geld. Ich habe diese ganzen Dinge nicht veranlaßt.

OBERST POKROWSKY: Ich spreche nicht von Ihren persönlichen Mitteln, sondern den Mitteln des Deutschen Reiches.

JODL: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe mich tun Bezahlung in diesem Krieg nicht gekümmert.

OBERST POKROWSKY: Hat das deutsche Oberkommando die Organisation dieser Banden kontrolliert oder nicht?

JODL: Ich habe sie nicht organisiert. Nein. Das hat wahrscheinlich der Oberbefehlshaber Südost mit Neditsch besprochen. Aber das ist ja eine private Angelegenheit von Neditsch, ob er Serben zum Kampf zusammenrufen will.

OBERST POKROWSKY: Ich weiß nicht, ob es eine private Angelegenheit war. Aber für mich ist es wichtig, daß Sie bestätigen, daß solche Banden wirklich geschaffen wurden; wie Neditsch sie jedoch organisierte, das interessiert uns weiter nicht.

JODL: Das kann ich bestätigen. Es gab etwa 5000 bis 6000 Mann serbischen Ordnungsdienst.

OBERST POKROWSKY: Sehr gut! Jetzt wird Ihnen noch ein Dokument aus derselben Fragengruppe vorgelegt. Es ist ein offizieller Bericht der Polnischen Regierung an den Militärgerichtshof in Nürnberg. Hier finden Sie einige sehr wertvolle Mitteilungen über die Tätigkeit der Fünften Kolonne. Sie sind in Ihrem Exemplar angemerkt. Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf den Absatz B zu lenken. Dort ist folgendes gesagt:

»Außer den Agenten, die aus den Reihen der jungen Leute einberufen und zur Mitarbeit mit der deutschen Zivilbevölkerung herangezogen wurden, gab es noch eine Gruppe von Leitern und Instrukteuren, die aus Offizieren bestand, welche, mit regelrechten Pässen versehen, bereits Wochen vor Ausbruch der Feindseligkeiten nach Polen kamen.«

Wissen Sie als unmittelbarer Leiter der Abteilung Abwehr, die Ihnen doch unterstand, etwas über diese Tätigkeit der Fünften Kolonne in Polen?

JODL: Es sind zwei kleine Irrtümer von Ihnen, Herr Oberst. Erstens unterstand die Abwehr nicht mir, sondern sie unterstand dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Zweitens habe ich des längeren gestern ausgeführt, daß ich von den gesamten Vorbereitungen des Polenkrieges weder operativ noch auf irgendeinem anderen Gebiete überhaupt etwas weiß, weil ich Artilleriekommandeur in Wien und Brünn war. Was Canaris in dieser Zeit mit Polen gemacht hat, entzieht sich völlig meiner Kenntnis. Ich kann Ihnen leider nicht helfen.

OBERST POKROWSKY: Gut! Jetzt wollen wir zur nächsten Fragengruppe übergehen. Am 8. November wurde Ihnen von dem Vertreter der Sowjetischen Anklagebehörde die Frage gestellt, ob Deutschland beim Angriff auf die Sowjetunion Eroberungsziele verfolgte. Erinnern Sie sich an diese Frage?

JODL: Ganz genau, ja.

OBERST POKROWSKY: Sie werden jetzt eine Kopie Ihrer Aussage bekommen, Sie haben folgendermaßen geantwortet:

»Ich gebe zu, daß der Gedanke der Erweiterung des Lebensraumes und die Ausnützung der Wirtschaft Rußlands für die deutschen Bedürfnisse eine gewisse Rolle spielten. Aber das war nicht der Hauptgrund für den Überfall auf die Sowjetunion.«

Erinnern Sie sich, daß Sie in diesem Sinne geantwortet haben?

JODL: Es ist möglich. Ich habe es nicht unterschrieben. Jedenfalls habe ich gesagt: Der Hauptgrund war es nicht.

OBERST POKROWSKY: In derselben Antwort sagten Sie auch:

»Es war nicht unsere Absicht, unseren Lebensraum ständig zu erweitern und uns damit neue Feinde zu schaffen.«

Sie scheinen sich daran zu erinnern?

JODL: Jawohl.

OBERST POKROWSKY: Gut! Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, daß der Zeuge Ohlendorf hier vor dem Gerichtshof bestätigt hat, Himmler habe vor Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion in seiner Rede ein Programm entworfen, das die Vernichtung von zehn Millionen Slawen und Juden im Osten vorsah?

JODL: Ich erinnere mich, eine solche Aussage hier gehört zu haben, ja.

OBERST POKROWSKY: Würden Sie vielleicht angesichts dieser Aussage von Ohlendorf Ihre Antwort auf die Frage genauer fassen, ob Deutschland mit dem Krieg gegen Sowjetrußland Eroberungsziele verfolgte, Land erobern und die Bevölkerung vernichten wollte, um die auf diese Weise freigewordenen Gebiete – wie Hitler sagte – »in Paradiesgärten für die Deutschen« zu verwandeln. War es nicht so?

JODL: Was der Führer später beabsichtigte, weiß ich nicht, aber die militärischen und strategischen Gründe, die er uns gegenüber vorgestellt hat und die durch viele Nachrichten eindeutig bestätigt waren, habe ich gestern in allen Einzelheiten auseinandergesetzt. Der Hauptgrund war das Gefühl einer ganz unerhört gewaltigen Bedrohung durch einen russischen Aufmarsch. Das war der entscheidende Punkt.

OBERST POKROWSKY: Wir lassen Ihnen jetzt das Dokument C-57 vorlegen. Dieses Dokument ist dem Gerichtshof bereits vorgelegt worden. Am Abend des 5. April 1946 wurde dem Angeklagten Keitel dieses Dokument unter der Nummer USSR-336 vorgelegt. Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf Absatz 4 und 7 dieses Dokuments zu lenken. Der Angeklagte Keitel sagte, daß gerade Sie nähere Erklärungen zu diesem Dokument geben könnten. Absatz 4 handelt von der aktiven Teilnahme Spaniens an der Besetzung von Gibraltar noch im Jahre 1941. Sagen Sie bitte, worin sollte die aktive Teilnahme Spaniens an der Besetzung Gibraltars bestehen? Haben Sie die Stelle in dem Dokument gefunden?

JODL: Ja. Ich kenne das Dokument schon von früher. Aber es ist von niemand unterschrieben. Ich muß zuerst zu dem Dokument eine Erklärung abgeben, um was es sich handelt, damit man das nicht für einen Befehl hält.

OBERST POKROWSKY: Ich glaube, ich habe nicht gesagt, daß es ein Befehl sei?

JODL: Dann ist es gut. Es ist kein Befehl. Ich kann nicht sagen, was sich die Leute, die das gemacht haben, in diesem Augenblick dabei gedacht haben. Es war offenbar ein Entwurf, den Generalstabsoffiziere – vermutlich meiner Abteilung -zusammen mit dem Operationsbearbeiter der Kriegsmarine bei mir vorbereitet haben und den sie dann zur Überprüfung der Seekriegsleitung gegeben haben nach dem Grundsatz, daß der Generalstabsoffizier immer weit vorausdenken, weit vorausarbeiten muß. Da haben sie sich solche privaten Gedanken gemacht und haben das zu Papier gebracht, ohne daß ich es je gesehen habe.

VORSITZENDER: Wie lautete Ihre Frage, Oberst Pokrowsky? Sie fragten, ob der Entwurf nicht...

OBERST POKROWSKY: Ich habe eine Frage gestellt, auf die ich keine Antwort erhalten habe.

Ich habe gefragt, ob er sich kurz darüber äußern kann, welche aktive Rolle Spanien bei einer Besetzung von Gibraltar im Jahre 1941 spielen sollte.

JODL: Ich kann mich zu Gedanken anderer Menschen nicht äußern. Ich kann mich nur äußern zu dem, was bezüglich Spaniens im Jahre 1940 ernsthaft beabsichtigt war. Dazu kann ich mich äußern, zu diesem Papier nicht. Denn damals habe ich diese Sache längst als undurchführbar abgeschrieben gehabt. Ich kenne das erst hier seit Nürnberg, das habe ich nie gesehen.

OBERST POKROWSKY: Daß dieser Plan nicht ausgeführt werden konnte, ist eine andere Frage. Der Angeklagte Keitel hat jedoch gesagt, Sie könnten eine Erklärung zu diesem Dokument geben. Sie sagen, Sie können es nicht.

JODL: Das habe ich ja eben gesagt, es ist eine Vorarbeit von jüngeren Generalstabsoffizieren, die ich mit großem Interesse und mit Schmunzeln hier im Dokumentensaal zum erstenmal gesehen habe. Damals wurde sie mir nicht gezeigt; denn nach acht Tagen war bereits zu sehen, daß die Lage anders werden würde.

OBERST POKROWSKY: Sie wissen auch nichts darüber, daß ein Expeditionskorps über Transkaukasien zum Persischen Golf nach dem Irak, Syrien und Ägypten bei einem möglichen Zusammenbruch Sowjetrußlands, wie es hier heißt, gesandt werden sollte? Darüber wissen Sie auch nichts?

JODL: Zu einem solchen ernsthaften Gedanken ist es nie gekommen. Im Gegenteil, ich habe sogar den größten Krach meines Lebens mit dem Führer gehabt, weil ich mich geweigert habe, noch über den Kaukasus hinweg in Richtung auf Baku anzugreifen. Aber Generalstabsoffiziere haben sich in dem ersten Optimismus der großen Siege im Sommer solche Ideen gemacht. Dazu sind sie ja auch da, sie dürfen sich ruhig Ideen machen. Das, was entschieden wird, machen die Älteren, die etwas ruhigeren Leute.

OBERST POKROWSKY: Bestätigen Sie, daß die Erfolge der Boten Armee diese weitgehenden gewagten Pläne Hitlers, ein Expeditionskorps nach dem Irak, Syrien und Ägypten zu senden, zum Scheitern gebracht haben? Ist das richtig?

JODL: Wenn die Sowjetunion zusammengebrochen wäre, dann hätte man zur Fortsetzung des Krieges ähnliche Ideen haben können, aber niemals eine Idee, zum Beispiel mit Waffengewalt gegen die Türkei vorzugehen. Diese wäre dann ohnehin auf unsere Seite getreten, freiwillig, das war die Auffassung des Führers.

OBERST POKROWSKY: Woher wissen Sie das?

JODL: Woher ich das weiß? Das steht sogar im Dokument drinnen, in Tagebucheintragungen vom Wehrmachtführungsstab, die hier im Gericht sind. Da steht drinnen:

»Die Türkei wird bei großen Erfolgen Deutschlands ohnehin auf unsere Seite treten. Ich befehle, daß sie mit Munition und Waffen und Panzern besonders bevorzugt beliefert werden soll.«

Sie hat nämlich solche Wünsche geäußert und war sehr dankbar, von uns ausgezeichnete, mit Waffen ausgestattete Panzer zu bekommen. Das hätte der Führer nie getan, wenn er die Türkei auf der gegnerischen Seite erwartet hätte.

OBERST POKROWSKY: Jetzt gehen wir zu einer anderen Gruppe von Fragen über. Am Vorabend des Feldzugs gegen die Sowjetunion fand eine Besprechung zwischen Vertretern des OKW, OKH und des sogenannten RSHA statt. Die Teilnahme der Unterabteilung Sipo wurde erwogen und erörtert. Wissen Sie etwas von dieser Besprechung, bei der der Zeuge Ohlendorf zugegen war?

JODL: Davon weiß ich gar nichts. Ich war mit ganz anderen Dingen beschäftigt, und ich habe niemals mit dem Reichssicherheitshauptamt irgendeine Besprechung oder Beziehung gehabt.

OBERST POKROWSKY: Kennen Sie den Mitarbeiter der Abteilung »Kriegsgefangene« im OKW, Wilhelm Scheidt?

JODL: Ja, den kenne ich, er war ein Gehilfe von General Scherf.

OBERST POKROWSKY: Sind Sie mit seiner Aussage vertraut, die hier im Gericht verlesen wurde? Herr Vorsitzender, sie steht im Sitzungsprotokoll vom 7. Januar vormittags (Band IV, Seite 518). Er sagt aus, daß die verbrecherische Tätigkeit der Strafmaßnahmen gegen die friedliche Zivilbevölkerung den Offizieren des Wehrmachtführungsstabes und des Generalstabs des Heeres bekannt war. Erinnern Sie sich daran?

JODL: Ich weiß nicht, was er im Wortlaut gesagt hat. Verbrecherische Dinge waren dem Wehrmachtführungsstab und mir niemals bekannt. Verbrecherische Dinge habe ich abgelehnt und bekämpft. Das habe ich zur Genüge hier klargemacht.

OBERST POKROWSKY: Soll ich Sie so verstehen, daß Sie jegliche Kenntnis von den verbrecherischen Strafmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung ableugnen? Wollen Sie sagen, daß Sie nichts davon wußten?

JODL: Ich kenne selbstverständlich den Kampf gegen Ihre Partisanen. Das ist klar. Ich habe ja zwei Vorschriften gezeigt, die vom Wehrmachtführungsstab dafür erlassen worden sind.

OBERST POKROWSKY: Der Zeuge von dem Bach- Zelewski hat am 7. Januar 1946 ausgesagt, daß das eigentliche Ziel der Partisanenbekämpfung die Vernichtung der Slawen und der Juden war und daß die Methoden dieses Kampfes dem Oberkommando bekannt waren. Wollen Sie das ebenfalls leugnen?

JODL: Es war vielleicht die Absicht von Bach-Zelewski; meine war das nicht. In meiner Vorschrift stand es anders. Diese Absicht habe ich auch gestern schon als völlig unsinnig erklärt. Die Zahlen des Bandenkampfes spielten in dem gewaltigen Ringen zwischen den deutschen und sowjetischen Armeen überhaupt gar keine Rolle. Das war ein verschwindender Prozentsatz.

OBERST POKROWSKY: Vielleicht erinnern Sie sich daran, Angeklagter Jodl, wann und unter welchen Umständen Sie persönlich bei einer Besprechung bei Hitler gesagt haben, daß die deutschen Truppen das Recht hätten, mit den Partisanen nach Belieben zu verfahren, sie allen möglichen Foltern auszusetzen, sie zu vierteilen, verkehrt zu hängen und so weiter. Haben Sie etwas Ähnliches damals gesagt?

JODL: Über diese mehr komische als ernste Angelegenheit haben wir uns in der Vorvernehmung längere Zeit unterhalten.

OBERST POKROWSKY: Vielleicht könnten Sie weniger ausführlich, dafür aber um so genauer über diese Angelegenheit hier berichten? Wollen Sie auf meine Frage antworten? Haben Sie diesen Satz oder einen ähnlichen Satz gesagt und unter welchen Umständen?

JODL: Ich will das kurz erläutern: Es war am 1. Dezember 1942. Wie sich das Gericht erinnern wird, ist am 11. November eine Vorschrift über Bandenbekämpfung vom Wehrmachtführungsstab ausgegeben worden, die wir am 6. Mai 1944 durch die neue Ausgabe als überholt bezeichnet haben. In dieser Vorschrift, die am 11. November herausgegeben ist, hatte ich den Satz geschrieben:

»Das Niederbrennen von Dörfern als Repressalie ist verboten, da es zwangsläufig nur neue Partisanen schafft.«

Der Entwurf dieser Denkschrift lag wochenlang beim Führer. Er beanstandete unaufhörlich, daß hier durch eine Vorschrift die Truppe in der rücksichtslosen Führung des Bandenkampfes eine Einschränkung erfahren würde. Und da ich ohne seine Genehmigung damals schon diese Vorschrift ausgegeben hatte und er seine Genehmigung immer noch nicht erteilte, wurde ich nun etwas ausfällig, und als er wieder mit langen Erörterungen aus seiner Kampfzeit kam, aus Erfahrungen von Chemnitz im Kampfe gegen die Kommunisten, da sagte Ich, um endlich dieses Eis zu brechen: »Mein Führer, was die Leute im Kampf tun, das steht ja gar nicht in der Vorschrift. Von mir aus können sie sie vierteilen oder verkehrt aufhängen.« Wenn ich gewußt hätte, daß die russischen Herren Ironie so schlecht verstehen, hätte ich noch hinzugesetzt: »und am Spieß braten«. Das habe ich gesagt und dann hinzugefügt; »Aber es dreht sich in dieser Vorschrift um Repressalien nach dem Kampfe, und die müssen verboten werden.«

Daraufhin helles Gelächter der gesamten versammelten Offiziere, auch vom Führer, und er gab mir die Genehmigung, diese Vorschrift auszugeben. Das wird Ihnen die Aussage eines Zeugen, des Generals Buhle, der dabei war, noch bestätigen. Daß seit dem 16. Jahrhundert in Deutschland das Vierteilen nicht mehr üblich war, ebensowenig wie das Aufhängen verkehrt, das ist ja wahrscheinlich allgemein in der Welt bekannt. Deswegen konnte diese Bemerkung nur eine ironische sein.

OBERST POKROWSKY: Ich bitte den Gerichtshof noch um eine Minute Zeit, um diese Fragengruppen zu beenden. Es wird nicht länger als eine Minute dauern.

VORSITZENDER: Verzeihung! Was haben Sie soeben gesagt?

OBERST POKROWSKY: Ich bitte noch um eine Minute Zeit, um noch die letzte Frage aus dieser Gruppe stellen zu können.