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[Dem Angeklagten wird das Dokument überreicht.]

Es ist ein Bericht von Koch, der von ihm persönlich unterschrieben ist. Vielleicht bestätigen Sie, daß dort ganz klar erwähnt wird, daß wegen der Brände in Kiew, für welche Koch die Zivilbevölkerung verantwortlich macht, die ganze jüdische Bevölkerung der Stadt vernichtet wurde; und zwar insgesamt 35000 Menschen, darunter mehr als die Hälfte Frauen. So heißt es in dem Bericht. Ist das richtig?

JODL: Das ist mir wohl bekannt, aber ich habe dieses Dokument erst hier im Dokumentenraum gefunden; ich habe es als ein gutes Beweismittel für die Vorgänge in Kiew benützt. Die Tatsache dieses Schriftstückes selbst war mir bis zu meinem Auftreten in Nürnberg nicht bekannt. Es ist auch nie an das OKW gegangen. Also jedenfalls ist es niemals in meine Hände gekommen. Ob es je abgeschickt worden ist, das weiß ich nicht.

OBERST POKROWSKY: Sie wußten auch nicht, daß Juden vernichtet wurden, nicht wahr?

JODL: Das glaube ich heute absolut. Darüber kann kein Zweifel mehr sein. Das ist bewiesen.

OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Im Dokument 1780-PS, Beweisstück Jodl-3, das von Ihrem Verteidiger vorgelegt wurde, auf Seite 6 Ihres Dokumentenbuches in der letzten Niederschrift, die sich auf dieser Seite befindet, ist folgendes zu lesen:

»Ein großer Teil der älteren Generale wird gehen...«

Das ist aus Ihrer Tagebucheintragung vom 3. Februar 1938. Erinnern Sie sich daran?

JODL: Aus meinem Tagebuch, jawohl.

OBERST POKROWSKY: Soll man es so verstehen, daß das Ausscheiden aus dem Militärdienst jederzeit möglich war, das heißt, daß jeder General, wenn er wollte, aus dem Militärdienst ausscheiden konnte. Das sagen Sie doch hier?

JODL: Zu der damaligen Zeit, glaube ich, ist das durchaus möglich gewesen. Im Jahre 1938 kannte ich keinen Befehl, der das verboten hat.

OBERST POKROWSKY: Gut. Im Dokument Jodl- 64 Beweisstück Jodl-11, das von Ihrem Verteidiger hier verlesen wurde, finden wir eine Stelle, die aus irgendeinem Grunde im Protokoll nicht aufgenommen wurde und die ich jetzt zitieren möchte. Es ist die Aussage des Generals von Vormann. Er sagt unter Eid aus, daß Sie und General Hammerstein in Bezug auf Hitler öfters Ausdrücke wie »Verbrecher« und »Scharlatan« gebraucht hatten. Bestätigen Sie die Richtigkeit dieser Aussage, oder hat Vormann vielleicht falsch ausgesagt?

JODL: Ich glaube nach meinem besten Wissen und Gewissen, daß er zwei Dinge vermischt hat. Ich habe zwar sehr oft von dem Führer gesprochen, daß ich ihn für einen »Scharlatan« hielte; ihn für einen »Verbrecher« zu halten, dazu hatte ich keinerlei Anlaß und Grund. Den Ausdruck ›Verbrecher‹ habe ich oft gebraucht, aber nicht bezüglich der Person Hitlers, die ich damals noch gar nicht kannte, sondern bezüglich der Person Röhms. Den habe ich wiederholt – nach meiner Ansicht – als einen Verbrecher bezeichnet, und ich glaube, daß Vormann diese Äußerungen hier etwas durcheinanderwirft. »Scharlatan«, das habe ich öfters gesagt, das war damals meine Auffassung.

OBERST POKROWSKY: Also Sie hielten Röhm für einen Verbrecher und den Führer für einen Scharlatan. Ist das richtig?

JODL: So ist es richtig. Das war damals meine Auffassung. Röhm kannte ich, aber Adolf Hitler kannte ich nicht.

OBERST POKROWSKY: Womit kann man es erklären, daß Sie führende Posten in der Militärmaschinerie des Deutschen Reiches annahmen, nachdem ein Mann, den Sie selbst als einen Scharlatan bezeichneten, zur Macht gekommen war?

JODL: Weil ich mich dann im Laufe der Jahre überzeugt habe – wenigstens in den Jahren 1933 bis 1938 –, daß er kein Scharlatan war, sondern eine gigantische Persönlichkeit, die letzten Endes allerdings zu einer infernalischen Große geworden ist, aber eine Größe war er damals unbedingt.

OBERST POKROWSKY: Sie erhielten das goldene Parteiabzeichen, das Ehrenzeichen der Hitler-Partei?

JODL: Das habe ich schon ausgesagt und bestätigt, ja.

OBERST POKROWSKY: In welchem Jahre haben Sie das Abzeichen erhalten?

JODL: Am 30. Januar 1943.

OBERST POKROWSKY: Das war also, nachdem Sie die Schlußfolgerung gezogen hatten, daß Hitler kein »Scharlatan« sei? Haben Sie meine Frage gehört?

JODL: Ja, in der damaligen Zeit war mir klar geworden, daß er, wie ich vorhin sagte, eine gigantische Persönlichkeit war, wenn auch mit gewissen Vorbehalten.

OBERST POKROWSKY: Und nachdem Sie zu dieser Schlußfolgerung gekommen waren, haben Sie das goldene Parteiabzeichen erhalten. Ich danke Ihnen.

Ich habe keine Fragen mehr an diesen Angeklagten, Herr Vorsitzender.

DR. NELTE: Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichts auf das Dokument USSR-151 lenken, das von Oberst Pokrowsky vorgelegt worden ist. Ich bitte, dieses Dokument nur zuzulassen, wenn der General Österreich als Zeuge zum Kreuzverhör bestellt wird. Zur Begründung darf ich darauf hinweisen:

1. Das vorgelegte Dokument enthält die Überschrift »Aussagen«, ohne zu erkennen zu geben, vor welcher Stelle diese Aussagen gemacht worden sind.

2. Das Dokument enthält keine Angabe des Ortes, wo die Niederschrift erfolgt ist.

3. Das Dokument ist kein Affidavit, obwohl es nach dem letzten Absatz von dem General von Österreich eigenhändig niedergeschrieben worden ist, also auch mit einer Versicherung an Eides Statt hätte versehen werden können.

Bei der Schwere der Anklagen, die in diesem Dokument gegen die Verwaltung des Kriegsgefangenenwesens enthalten sind, ist es meines Erachtens notwendig, anzuordnen, daß dieser General hier erscheint.

VORSITZENDER: Ja, setzen Sie fort.

DR. NELTE: Das ist meine Begründung für den Antrag. Ich bemerke nur noch abschließend, daß der General von Graevenitz nicht lebt, jedenfalls nicht auffindbar gewesen ist. Ich habe ihn für den Angeklagten Keitel gesucht, um ihn als Zeugen hier vorführen zu können.

VORSITZENDER: Stimmt es, daß dieses Dokument schon früher, im Februar oder im März, als Beweismittel angeboten worden ist?

DR. NELTE: Es ist mir weder in Erinnerung noch ist es – das weiß ich bestimmt – durch die Dokumentenabteilung zugeleitet worden. Ich habe dieses Dokument hier zum erstenmal gesehen.

Aber vielleicht kann Herr Oberst Pokrowsky darüber Auskunft geben.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird Ihren Wunsch in Erwägung ziehen.

DR. NELTE: Darf ich nur noch darauf aufmerksam machen, daß das die Niederschrift vom 28. Dezember 1945 ist, also anzunehmen ist, daß der General Österreich von der Stelle, die das entgegengenommen hat, auch vorgeführt werden kann.

OBERST POKROWSKY: Herr Vorsitzender! Ich glaube, daß ich einige Auskunft über das Dokument erteilen kann. Es ist von der Sowjet-Delegation am 12. Februar 1946 vorgelegt und als Beweismaterial von dem Gerichtshof angenommen worden.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, Oberst Pokrowsky! Ist es damals ins Deutsche übersetzt oder im Gerichtssaal verlesen worden?

OBERST POKROWSKY: Ich habe eben ein Memorandum von unserer Dokumentenabteilung erhalten. Das Dokument ist am 13. Februar während der Vorlage des Beweismaterials über die Kriegsgefangenen durch mich überreicht worden.

Das ist alles, was ich darüber habe. Ich persönlich vermute, daß es damals selbstverständlich ins Deutsche übersetzt war. Ich habe fast keine Zweifel darüber. Wir können es auch leicht feststellen.

VORSITZENDER: Will ein anderer Verteidiger den Angeklagten wieder verhören?

PROF. DR. EXNER: Ich möchte zunächst eine Frage stellen, die durch die Befragung der Verteidiger neuerlich aufgeworfen wurde und, wie mir scheint, einer Erklärung bedarf: