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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Dr. Exner?

PROF. DR. EXNER: Ich habe vier Zeugen dem Gericht vorzuführen, beginne aber mit einer Bitte: Darf ich es mit Rücksicht auf mein krankes Bein meinem Kollegen Jahrreiss überlassen, diese vier Zeugen auszufragen?

VORSITZENDER: Ja gewiß, Dr. Exner!

Der Gerichtshof bittet mich jedoch, Ihnen mitzuteilen, Dr. Exner, daß wir es nur als Ausnahme von unserer allgemeinen Vorschrift, nach der nur ein Verteidiger vor Gericht auftreten und die Sache eines Angeklagten vertreten darf, gestatten, daß ein anderer Verteidiger die Zeugen verhört. Wir wollen Ihnen zuliebe diese Ausnahme machen.

PROFESSOR DR. HERMANN JAHRREISS, STELLVERTRETENDER VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN JODL: Dann rufe ich mit Erlaubnis des Gerichts als ersten Zeugen den General Horst Freiherr von Buttlar-Brandenfels.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE HORST FREIHERR VON BUTTLAR- BRANDENFELS: Horst Freiherr von Buttlar-Brandenfels.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir den Eid nachsprechen: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

PROF. DR. JAHRREISS: Herr Zeuge! Sind Sie während des Krieges im Wehrmachtführungsstab tätig gewesen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ja.

PROF. DR. JAHRREISS: Seit wann?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ich war vom 1. Januar 1942 bis zum 15. November 1944 im Wehrmachtführungsstab.

PROF. DR. JAHRREISS: In welcher Stellung waren Sie da?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ich war dort als 1. Generalstabsoffizier des Heeres tätig und hatte als Abteilungschef die Operationsabteilung Heer.

PROF. DR. JAHRREISS: Ich lasse Ihnen jetzt zunächst ein Dokument vorlegen, 823-PS, Exhibit RF-359, im Dokumentenbuch Jodl, zweiter Band, Seite 158. Würden Sie die Güte haben, sich das einmal anzusehen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Soll ich das ganze Schriftstück durchlesen?

PROF. DR. JAHRREISS: Es liegt mir zunächst daran, daß Sie sich einen Überblick verschaffen. Wer ist der Aussteller?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Das Schriftstück ist vom Wehrmachtführungsstab, Abteilung Qu, Gruppe Verwaltung, ausgestellt worden.

PROF. DR. JAHRREISS: Von wem ist es unterschrieben?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Das ist von mir unterschrieben.

PROF. DR. JAHRREISS: Von Ihnen selbst. Inwiefern hat dieses Dokument mit dem Angeklagten Jodl zu tun?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Das Dokument hat mit dem Angeklagten Jodl überhaupt nichts zu tun.

PROF. DR. JAHRREISS: Ja, wenn Sie einmal bitte auf der ersten Seite oben rechts bei den Abzeichnungen sehen, da ist ein Buchstabe, der wie ein »J« gelesen werden könnte.

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Das muß ein Irrtum sein, denn der Buchstabe ist genau derselbe, der unten bei der Abzeichnung der Vortragsnotiz auch steht. Und diese Abzeichnung ist von dem Chef der Quartiermeisterabteilung gemacht, dem Oberst Polleck.

PROF. DR. JAHRREISS: Oberst Polleck.

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Wenn Sie auf die zweite Seite unten sehen, sind zwei Abzeichnungen, die erste Abzeichnung muß erfolgt sein von dem Referenten. Ich kann es nicht genau erkennen, ich halte es für die Abzeichnung des Oberverwaltungsrates Niehments.

PROF. DR. JAHRREISS: Sie meinen den Buchstaben, hinter dem das Datum steht, 4. oder 9., ja?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Nein, der obere.

PROF. DR. JAHRREISS: Der obere?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Der obere! Der untere Buchstabe ist die Unterschrift, die Abzeichnung von dem Oberst Polleck. Das Schriftstück ist dann, nachdem es dem Chef des OKW vorgelegen hat, an mich zurückgegangen, ist oben nochmals von mir abgezeichnet worden und ist dann von mir für die Quartiermeisterabteilung ausgezeichnet, das ist oben das unterstrichene »Qu«. Dann ist es von dem Chef »Qu« nochmals abgezeichnet, dahinter steht Verwaltungsgruppe, und ist dann von dem eigentlichen Bearbeiter nochmals hier abgezeichnet. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß es sich hier ja um Kriegsgefangene handelt, und das war ein Arbeitsgebiet, mit dem Jodl eigentlich nie befaßt war. Wir hatten ja im Wehrmachtführungsstab in der Quartiermeister- und Organisationsabteilung mehrere Arbeitsgebiete, die, trotzdem sie aus seinem Stabe kamen,...

PROF. DR. JAHRREISS: Einen Augenblick, Herr Zeuge! Ich habe nichts dagegen, daß Sie uns hier instruieren, aber ich möchte noch zur Sache kommen. Es sind Randbemerkungen an diesem Schriftstück, sehen Sie das?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ja.

PROF. DR. JAHRREISS: Ist da eine von Jodl dran?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Nein! Die sind abgezeichnet mit dem Buchstaben »K« für Feldmarschall Keitel.

PROF. DR. JAHRREISS: Die Französische Anklage behauptet nun aber, daß es sich hier um Bemerkungen Jodls zu dieser Kriegsgefangenenfrage handle. Wenn ich Sie recht verstanden habe, wollen Sie sagen, das sei aus Zuständigkeitsgründen gar nicht möglich?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Abgesehen davon, daß keinerlei Abzeichnung von Jodl auf diesem Dokument zu sehen ist, ist es auch aus Gründen der Bearbeitung nicht wahrscheinlich, daß Jodl überhaupt eine Kenntnis von dieser Sache hat.

PROF. DR. JAHRREISS: Ist es nicht richtig, Herr Zeuge, daß diese Abteilung »Qu« Jodl unterstand?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Das ist an sich richtig. Aber in der Abteilung »Qu«, ebenso wie in der Abteilung »Org.«, gab es verschiedene Arbeitsgebiete, von denen sich der Generaloberst abgesetzt hatte und die von den Abteilungschefs entweder unmittelbar oder über den Stellvertretenden Chef mit dem Chef OKW bearbeitet worden sind.

PROF. DR. JAHRREISS: Sie sagen, die Kriegsgefangenenfragen gehörten hierher. Stimmt das?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Hierher gehörten unter anderem auch die Kriegsgefangenenfragen.

PROF. DR. JAHRREISS: Welche anderen Aufgaben hatte diese Abteilung »Qu«?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Die Abteilung »Qu« hatte in ihrer Hauptsache oder in ihrer ersten Abteilung »Qu-1« eine reine Versorgungsaufgabe und überwachte die Versorgung der dem OKW unmittelbar unterstellten Kriegsschauplätze. In ihrer zweiten Abteilung beschäftigte sie sich hauptsächlich mit der Militärverwaltung, und in der dritten Abteilung mit allgemeinen Fragen, wie zum Beispiel hier das Kriegsgefangenenwesen, Völkerrechtsfragen und ähnlichem.

PROF. DR. JAHRREISS: Nun habe ich noch eine Frage zu diesen organisatorischen Dingen. Waren alle Abteilungen des Wehrmachtführungsstabes im Führerhauptquartier?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Nein, wir hatten auch zum Beispiel die »Organisationsabteilung«, eine Organisationsabteilung, die nicht im Hauptquartier, sondern in der Gegend von Berlin untergebracht war.

PROF. DR. JAHRREISS: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurden also die Geschäfte der Abteilung »Qu« sozusagen an Jodl vorbeigeführt und mit dem Chef des OKW bearbeitet?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Nicht in allen Fragen, sondern in einer gewissen Anzahl.

PROF. DR. JAHRREISS: Also die Kriegsgefangenenfragen sicher?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Die Kriegsgefangenenfrage sicher.

PROF. DR. JAHRREISS: Danke. Welche Stellung, Herr Zeuge, hatten Sie bei Kriegsausbruch?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ich war bei Kriegsausbruch 2. Generalstabsoffizier in der Zentralabteilung des Generalstabs des Heeres.

PROF. DR. JAHRREISS: Wenn Sie etwas langsamer sprechen wollen! Und welche Aufgabe hatten Sie da?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Meine Abteilung bearbeitete die Mobilmachungs-Stellenbesetzung der höheren Kommandobehörden.

PROF. DR. JAHRREISS: Auch die der Generalstabsoffiziere des OKW?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Jawohl, auch der.

PROF. DR. JAHRREISS: Herr General! Wissen Sie, wer für den Mobilmachungsfall ab 1. Oktober 1939 als Chef Wehrmachtführungsstab vorgesehen war?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ja, es war für diese Stelle für das nächste Mobilmachungsjahr der General von Sodenstern vorgesehen.

PROF. DR. JAHRREISS: Habe ich das so zu verstehen, daß, wenn der Krieg nach dem 1. Oktober – sagen wir am 5. oder 6. – ausgebrochen wäre, dann Jodl überhaupt nicht Chef des Wehrmachtführungsstabes geworden wäre?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ich weiß nicht genau, wann das neue Mobilmachungsjahr 1939 und 1940 datumsmäßig begann. Von diesem Zeitpunkt an war...

MR. ROBERTS: Diese Aussage ist meines Erachtens für keine hier vorliegende Frage erheblich. Die Antworten mögen vielleicht ziemlich interessant sein, aber sie sind absolut unerheblich.

VORSITZENDER: Auch ich verstehe nicht, worin die Bedeutung dieser Aussage jetzt bestehen soll.

PROF. DR. JAHRREISS: Herr Präsident! Wenn die Anklage recht hat, daß der Angeklagte Jodl zu einer Gruppe von Verschwörern für eine Welteroberung gehört und wenn diese Verschwörergruppe den deutschen Staatsapparat als Mittel für ihre Ziele in ihre Hand gebracht hat, wie die Anklage sagt, dann muß es doch eine etwas seltsame Staatsordnung sein, wenn man Verschwörer terminsmäßig auswechselt. Insofern meine ich, müßte das schon zur Erwägung des Gerichts gestellt werden.

VORSITZENDER: Hat er das Datum seiner Auswechslung schon ohne Kreuzverhör angegeben? Er ging zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Wien und kam zu einem anderen Zeitpunkt zurück. Niemand hat das bestritten.

PROF. DR. JAHRREISS: Herr Präsident! Das ist aber eine andere Frage. Der Angeklagte Jodl hat gesagt, daß er, wenn der Mobilmachungsfall vor dem 1. Oktober eintrat, Chef Wehrmachtführungsstab war, dann mußte er aus Wien nach Berlin kommen. Jetzt sagt der Zeuge, daß das nur bis zum neuen Mobilmachungsjahr war und daß dann einfach der andere kam, wenn der Krieg 14 Tage später ausbrach. Ich denke doch...

VORSITZENDER: Das ist doch sicher ziemlich weit herbeigezogen. Sie zeigen nur eine Vermutung, was hätte geschehen können, wenn etwas anderes geschehen wäre. Das hilft uns nicht sehr viel.

PROF. DR. JAHRREISS: Herr Präsident! Das, was der Zeuge sagt, ist doch keine Vermutung. Er sagte nur, daß diese wichtige Stelle personell ganz in der Routine verfügt war, schon datumsmäßig. Nur dies war darzutun.

Darf ich fortfahren, Herr Präsident?

VORSITZENDER: Nein! Aus Zeitersparnisgründen und um den Prozeß zu beschleunigen, entscheidet der Gerichtshof, daß Sie darauf nicht weiter eingehen können.

PROF. DR. JAHRREISS: Herr Zeuge! Wenn ich Sie jetzt nach einem Tätigkeitsgebiet frage, von dem Sie eben gesprochen haben, so geschieht es, weil ich annehme, daß Sie da besondere Sachkenntnis haben. Ist es richtig, daß Sie mit der Bandenbekämpfung dienstlich zu tun hatten?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ja. Meiner Abteilung ist die Federführung im Bandenkampf etwa vom Spätsommer 1942 an übertragen worden, und die taktischen Grundlagen für den Bandenkampf sind dann auch bei meiner Abteilung von diesem Zeitpunkt an bearbeitet worden.

PROF. DR. JAHRREISS: Ist Ihnen das Merkblatt für die Bandenbekämpfung vom Mai 1944 bekannt?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ja, das Merkblatt ist in meiner Abteilung zusammengestellt.

PROF. DR. JAHRREISS: Ist es das erste gewesen, oder hat es vorher schon eine Regelung für den Bandenkampf gegeben?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ja. Im Herbst 1942 ist eine kurze, allerdings lückenhafte Anweisung für die Bandenbekämpfung herausgegangen. Wir hatten damals noch verhältnismäßig wenig Erfahrungen, und da der Bandenkampf im Frieden nicht vorhergesehen war, war es natürlich, daß erst weitere Erfahrungen nachher gesammelt werden mußten.

PROF. DR. JAHRREISS: Mich interessiert nun in diesem Zusammenhang besonders der Bandenkampf im Osten und Südosten, für den die Anklage hier eine ganz bestimmte Auffassung vorgetragen hat. Ist es richtig – wie es hier mehrfach geschehen ist –, von einem Bandenkrieg zu sprechen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Nach der Ausdehnung und Gefährlichkeit, den der Bandenkampf örtlich und zeitlich begrenzt angenommen hat, ist das richtig.

PROF. DR. JAHRREISS: Soll das heißen, daß die Erscheinungen dieses Kampfes über das, was man sich so unter Franktireurwesen vorstellt, hinausgingen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Im Umfange ja, in den Methoden nein.

PROF. DR. JAHRREISS: Was heißt das, im Umfange?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Unter Umfang verstehe ich die räumliche Ausdehnung der durch den Bandenkampf betroffenen Gebiete.

PROF. DR. JAHRREISS: War es also territorial etwas Außergewöhnliches oder menschenmäßig?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Der Bandenkampf war sowohl in seiner territorialen Ausdehnung wie auch hinsichtlich der daran beteiligten Menschen zweifellos außergewöhnlich.

PROF. DR. JAHRREISS: Wissen Sie, Herr Zeuge, ob es in diesen Banden im Osten und Südosten viele Juden gegeben hat?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ich kann mich nicht entsinnen, daß in den vielen hundert Meldungen, die ich über den Bandenkampf bekommen habe, überhaupt einmal von Juden die Rede gewesen ist. Wenn in den Banden Juden waren, kann das nur in einem beschränkten Umfange der Fall gewesen sein.

PROF. DR. JAHRREISS: Es ist aber hier behauptet worden, daß dieser Bandenkampf geführt worden sei zur Ausrottung der Juden, stimmt das?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Davon ist mir nie etwas bekanntgeworden.

PROF. DR. JAHRREISS: Oder zur Ausrottung der Slawen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Auch hiervon ist mir nie auch nur andeutungsweise etwas gesagt worden. Diese Auslegung hätte ja auch der Absicht der militärischen Führung vollkommen widersprochen.

PROF. DR. JAHRREISS: Wieso?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Die militärische Führung hatte ein ausgesprochenes Interesse daran, hinter allen Fronten ein befriedetes Land und eine produktive Bevölkerung zu haben; alle Maßnahmen, die dahin zielten, sind von der Militärbehörde sehr begrüßt worden. Wir hatten jeden Soldaten, den wir im Bandenkampf festlegen mußten, an der Front dringend notwendig.

PROF. DR. JAHRREISS: Ist denn nun im Osten die Politik so geführt worden, wie es die Wehrmachtführung für ihre Zwecke sich wünschte?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Zweifellos ist das nicht der Fall gewesen, denn die Wehrmacht hätte gerade auch im Interesse ihrer Freiwilligenverbände sehr gerne eine anders gerichtete Politik im Osten gesehen. Von uns selber aus ist versucht worden, den Banden die Spitze zu bieten, um eine unblutige Befriedung des Landes mit eigenen Mitteln zu erreichen. Es sind dort große Propagandaaktionen gemacht worden, die veranlassen sollten, daß die Banden von dem Bandenkrieg abließen. Teilweise sind auch Sonderverhandlungen mit vereinzelten Banden geführt worden, die auch örtlich und zeitlich begrenzt zu recht guten Erfolgen geführt haben.

PROF. DR. JAHRREISS: Kennen Sie einen General von Pannewitz?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ja, der General von Pannewitz war Kommandeur der 1. Kosaken-Division.

PROF. DR. JAHRREISS: Wann bitte?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Das muß im Laufe des Jahres 1943 gewesen sein.

PROF. DR. JAHRREISS: Ist es richtig, daß dieser General als Kommandeur dieser 1. Kosaken-Division, dieser Freiwilligen-Division, im OKW einmal Beschwerde geführt hat über Schwierigkeiten, die er in seiner Division hätte?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ja, der General von Pannewitz ist ein alter Regimentskamerad von mir und hat mich im Hauptquartier besucht. Er hat mir damals im Sommer 1943, oder es kann auch im Herbst gewesen sein, eingehend über den Stand der Aufstellungen und der Schwierigkeiten berichtet, die er insbesondere auf Grund der Ostpolitik der Regierung mit der moralischen Festigung seines Verbandes gehabt hat. Er beklagte damals insbesondere, daß die Politik der Regierung kein nationales Ziel für seine Division aufzeigen könnte; er hatte auch gewisse Beschwerden über Schwierigkeiten, die die Angehörigen seiner Division, die sich teilweise in Trecks befanden und angesiedelt werden sollten, damals hatten.

PROF. DR. JAHRREISS: Ist Jodl mit der Sache befaßt worden?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Jawohl. Ich habe damals dem Generaloberst nach dem Besuch den Inhalt des Gespräches vorgetragen und habe ihn gebeten, im Interesse unserer Freiwilligen-Verbände hier einen Einfluß auszuüben.

PROF. DR. JAHRREISS: Auf wen einen Einfluß?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Einen Einfluß auf den Führer auszuüben.

PROF. DR. JAHRREISS: Aber Sie sagten mir doch, das wäre gar nicht Jodls Zuständigkeit gewesen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Der Generaloberst Jodl hat mir...

VORSITZENDER: Dr. Jahrreiss, worin soll die Erheblichkeit der Tatsache liegen, daß ein General, der eine Kosaken-Division kommandierte, mit der moralischen Festigung Schwierigkeiten hatte? Was hat dies mit diesem Fall zu tun?

PROF. DR. JAHRREISS: Herr Präsident! Das ist eine vorbereitende Frage gewesen. Die eigentliche Frage kommt jetzt, denn es geht um die Frage der Zuständigkeitsverteilung der Verantwortlichkeit. Ich war jetzt eben dabei, aus dem Zeugen das für mich Entscheidende herauszufragen.

Herr General...

VORSITZENDER: Aber welche Bedeutung haben denn die vorbereitenden Fragen für die eigentliche Frage? Was kann ein Besuch dieses Generals damit zu tun haben? Was ist die eigentliche Frage?

PROF. DR. JAHRREISS: Herr Präsident! Wenn ich das begründen soll, muß ich dem Zeugen sagen, was er mir sagen soll; dann aber wird meine Frage eine suggestive Frage.

VORSITZENDER: Nun, das ist vor diesem Gerichtshof nichts Ungewöhnliches.

PROF. DR. JAHRREISS: Jawohl, aber ich wollte diesen Fehler nicht begehen.

VORSITZENDER: Gut, setzen Sie fort, Dr. Jahrreiss; der Gerichtshof hofft, daß Sie nicht zuviel Zeit auf die Vorfrage verwenden, die zur eigentlichen Frage führt.

PROF. DR. JAHRREISS: Verzeihung, ich habe nicht verstanden.

VORSITZENDER: Ich sagte, der Gerichtshof hofft, daß Sie nicht zuviel Zeit auf diese Vorfragen verwenden werden, ehe Sie zur eigentlichen Frage kommen.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich kann die Befragung des Zeugen sehr abkürzen aus dem Grunde, weil ich im Besitze einer eidesstattlichen Erklärung dieses Zeugen bin.

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Warum stehen Sie denn am Mikrophon?

DR. LATERNSER: Ich dachte, Mylord, Dr. Jahrreiss sei mit der Befragung fertig, er hätte keine Fragen an den Zeugen mehr.

PROF. DR. JAHRREISS: Herr Präsident! Das ist ein Mißverständnis. Der Zeuge hat meine Fragen praktisch schon beantwortet.

VORSITZENDER: Er hat sie beantwortet?

PROF. DR. JAHRREISS: Ja, er hat schon geantwortet. Ich wollte nur noch etwas mehr herausholen, aber...

VORSITZENDER: Dann sind Sie also fertig, Dr. Jahrreiss?

PROF. DR. JAHRREISS: Ja. Ich habe jetzt keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen zu stellen.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich kann die Befragung außerordentlich abkürzen, weil ich im Besitze einer eidesstattlichen Erklärung des Zeugen bin, die er am 20. Mai 1946 abgegeben hat. Ich beabsichtige, wenn ich an der Reihe bin, diese eidesstattliche Erklärung dem Gericht dann vorzulegen. Damit mir aber dann nicht vorgehalten werden kann, daß ich bei der Anwesenheit des Zeugen durch Befragung diesen Sachverhalt hätte feststellen sollen, will ich jetzt den Zeugen fragen, ob der Inhalt der nur gegebenen eidesstattlichen Erklärung vom 20. Mai 1946 zutreffend ist.

Herr Zeuge! Ist der Inhalt der mir gegebenen eidesstattlichen Erklärung vom 20. Mai 1946 zutreffend?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Der Inhalt ist zutreffend.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge! Kennen Sie den General Heusinger?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: General Heusinger ist mir bekannt.

DR. LATERNSER: Die Anklage hat im Verfahren gegen den Generalstab ein Affidavit Nummer 20, Exhibit US-564, vorgelegt, und auf Seite 2, Ziffer 4, gibt dieser General folgendes an; ich zitiere:

»Es war schon immer meine persönliche Ansicht, daß die Behandlung der Zivilbevölkerung im Operationsgebiet und die Methoden der Bandenbekämpfung im Operationsgebiet der obersten politischen und militärischen Führung eine willkommene Gelegenheit bot, ihre Ziele durchzuführen, nämlich die systematische Reduzierung des Slawen- und Judentums.«

Ich möchte Sie nun fragen, können Sie sich erklären, wie General Heusinger zu dieser Meinung gekommen sein kann?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Ich habe mit dem General Heusinger eng zusammengearbeitet und sehr oft mit ihm auch über Fragen des Bandenkrieges gesprochen.

DR. LATERNSER: Ja.

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Mir gegenüber hat er nie eine Äußerung in dieser Hinsicht getan, und ich kann mir diese Äußerung von ihm auch nicht erklären, weil sie den grundlegenden Ansichten der militärischen Führung über die Führung des Bandenkrieges absolut widerspricht.

DR. LATERNSER: Danke schön. Warum wurde die Gesamtführung des Bandenkampfes im Osten 1943 und in Italien um die Wende 1943/1944 durch Befehl des Führers auf Himmler übertragen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Es ist schon immer die Ansicht des Führers gewesen, daß der Bandenkrieg vorwiegend eine polizeiliche Aufgabe ist, und die Polizeikräfte zu seiner Durchführung geeigneter sind als die teilweise überalterten Sicherungskräfte des Heeres, die wir für diese Aufgaben zur Verfügung stellen konnten. Wieweit es Himmler darauf ankam, hier eine neue Machtposition zu bekommen, weiß ich nicht, auch nicht wieweit er dem Führer das suggeriert hat.

DR. LATERNSER: Wie stellte sich das OKW, und zwar der Wehrmachtführungsstab, zu diesem Befehl Hitlers?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Es muß hierbei zunächst betont werden, daß für das Operationsgebiet eine Änderung nicht eintrat. Das Operationsgebiet ist bis zum Schluß auch in der Bandenbekämpfung unter dem Befehl der Oberbefehlshaber geblieben. In den übrigen Gebieten war dem Wehrmachtführungsstab diese Regelung nicht unangenehm, weil wir hofften, daß der Reichsführer-SS in der Lage sein würde, von seinen uns meist unbekannten Reserven etwas in diesen Gebieten einzusetzen und wir Kräfte für die Front freibekamen.

DR. LATERNSER: Entsinnen Sie sich, Herr Zeuge, daß der Oberbefehlshaber Südwest dringend darum gebeten hat, ihn von dieser Maßnahme, also der Übertragung der Bandenbekämpfung von ihm auf Himmler, auszunehmen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Es ist mit dem General Westphal fernmündlich öfter über diese Fälle gesprochen worden. Ich halte das für möglich, daß er das damals angeregt hat.

DR. LATERNSER: Sie selbst haben mit dem Oberbefehlshaber Südwest darüber nicht gesprochen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Mit dem Chef?

DR. LATERNSER: Mit dem Chef, ja. Sie waren vor dem Kriege, wie Sie eben ausgesagt haben, in der Zentralabteilung des Generalstabs des Heeres. Wie mir bekannt ist, wurde auch dort die Besetzung der höheren Führerstellen bearbeitet. Ich möchte Sie nun fragen, nach welchen Grundsätzen wurden die Oberbefehlshaber von Heeresgruppen und Armeen ausgewählt?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Die Stellenbesetzung erfolgte nach der Befähigung und nach dem Dienstalter, wobei die Friedensstellenbesetzung das Gerippe für die Mobilmachungs-Stellenbesetzung bildete.

DR. LATERNSER: Erfolgte diese Stellenbesetzung der höheren Führer also rein nach militärischem Gesichtspunkt?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Die Stellenbesetzung erfolgte rein nach militärischen Gesichtspunkten. Es wurden auch ausgeschiedene Offiziere, von denen einige nach meiner Überzeugung auf Grund eines politischen Druckes ausgeschieden waren, für den Mobilmachungsfall in verantwortlichen Stellen wiederum eingesetzt. Ich möchte hier als Beispiel den General von Leeb, den General von Kressenstein, den General von Kleist, den Generaloberst von Hammerstein anführen.

DR. LATERNSER: Und diese eben genannten Offiziere waren vor Ausbruch des Krieges bereits verabschiedet, aber für den Mobilmachungsfall für höhere Kommandostellen vorgesehen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Jawohl.

DR. LATERNSER: Ist der Zentralabteilung, die also diese Stellenbesetzung vorzunehmen hatte, jemals bekanntgeworden, daß die militärischen Führer eine Gruppe gebildet hatten mit dem Ziel, Angriffskriege zu führen und in diesen Angriffskriegen das Völkerrecht nicht zu achten?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: In der Zentralabteilung war uns von einer derartigen Gruppenbildung nichts bekannt. Ich kann hier vielleicht ausführen, daß in den Jahren 1937 bis 1939 ein großer Teil der Generalstabsoffiziere den Oberstleutnant von Zielberg und mich auch – als Personalbearbeiter der Generalstabsoffiziere – aufgesucht haben und mit uns gesprochen haben. Diese Offiziere waren zum großen Teil Chefs und Ia's des Truppengeneralstabs, also die vertrauten und verantwortlichen Berater der Kommandeure und Befehlshaber. Diese Offiziere waren ebenso wie der Befehlshaber Teilnehmer des ersten Weltkrieges und haben uns gegenüber als Ansicht immer nur geäußert, daß dem deutschen Volk ein zweiter Krieg erspart bleiben müßte. Trotz aller positiven Einstellungen zu den Erfolgen des Führers war zunächst eine gewisse Besorgnis über die Politik und besonders über die schnelle Aufrüstung des Heeres, die eine sorgfältige Arbeit erschwerte, festzustellen.

Nach den Münchener Verhandlungen hat das Zutrauen sehr zugenommen, und die Offiziere waren durchweg der Ansicht, daß es dem Führer auch weiter gelingen würde, den Frieden zu erhalten.

DR. LATERNSER: Und wie war dann die Einstellung der höheren Führer zu Hitler nach dem Münchener Abkommen?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Nach dem Münchener Abkommen war Ich aus den Gesprächen mit den Generalstabsoffizieren der Auffassung, daß sie durchweg der Ansicht waren, daß der Führer durch seine Politik auch weiterhin den Frieden erhalten würde. Ich entsinne mich, daß ich noch am 25. oder 26. August sah, daß der Führer im Hauptquartier in Zossen ein Gespräch mit Oberstleutnant von Zielberg und einigen anderen Offizieren hatte und damals diese Offiziere noch der Auffassung waren, daß es nicht zum Kriege kommen würde und es nur darauf ankäme, die politischen Unternehmen des Führers dadurch zu ermöglichen, daß man die Truppen fest am Zügel halten müsse, damit nicht durch das Weglegen der Gewehre ein politisches Malheur geschehe.

DR. LATERNSER: Herr Zeuge! Das genügt bezüglich dieser Frage. Nun hinsichtlich der Ardennenoffensive im Dezember 1944. Von wann ab wurde diese Offensive vorbereitet?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Soweit mir erinnerlich ist...

VORSITZENDER: Wie kann das nach einer Kriegsdauer von fünf Jahren erheblich sein?

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich will als nächste Frage die Frage an den Zeugen richten: Wer von den Oberbefehlshabern und ab wann diese von der Offensive benachrichtigt worden sind; das ist wichtig, um festzustellen, wie die Zusammenarbeit innerhalb dieser Gruppe gewesen ist. Ich bitte, diese Frage zuzulassen, das ist die vorletzte; die ebengenannte wird die letzte Frage sein.

VORSITZENDER: Gut. Setzen Sie fort.

DR. LATERNSER: Von wann ab wurde die Ardennenoffensive vorbereitet?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Soweit mir erinnerlich ist, haben wir mit den ersten Vorbereitungen etwa im September 1944 begonnen.

DR. LATERNSER: Wann wurden die Oberbefehlshaber von den Absichten orientiert, und wurden auch Oberbefehlshaber vor Beginn der Offensive benachrichtigt, soweit sie nicht beteiligt waren?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Die letzte Frage kann ich verneinen. Die erste Frage kann ich datumsmäßig nicht angeben. Ich weiß jedoch, daß von der Obersten Führung bereits Truppenverschiebungen in dem beabsichtigten Aufmarschraum der Offensive erfolgten, bevor der verantwortliche Oberbefehlshaber West unterrichtet war und daß er dadurch mehrfach Rückfragen an uns stellte und Aufklärung über diese Bewegungen haben wollte.

DR. LATERNSER: Der Oberbefehlshaber West, der nachher diese Offensive zu leiten hatte, war über die Bewegungen und Verlegung von Divisionen zu diesem Zweck in seinem Raum vorher nicht orientiert?

VON BUTTLAR-BRANDENFELS: Zu einfach! Nachher wurde er natürlich orientiert.

DR. LATERNSER: Ich danke. Ich habe keine weiteren Fragen zu stellen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich vertagen.