[Zum Zeugen gewandt:]
Ihre Erinnerungen an diese Konferenz scheinen nicht ganz klar zu sein.
BÜCHS: Darf ich fragen, an welche Konferenz?
MR. ROBERTS: Bitte, möchten Sie die Antwort wiederholen, ich hatte die Kopfhörer noch nicht aufgesetzt.
BÜCHS: Darf ich fragen, an welche Konferenz?
MR. ROBERTS: Ich meine die von Ihnen zuletzt erwähnte, bezüglich der Räumung des Offizierslagers in Sagan.
BÜCHS: Ich bin mir nicht bewußt, in welchem Punkt sie nicht korrekt gewesen sein soll.
MR. ROBERTS: Sie haben gesagt, daß Sie sich keiner Äußerung entsinnen, laut der die Kriegsgefangenen ohne Stiefel durch den Schnee hätten marschieren sollen.
BÜCHS: Jawohl, das habe ich gesagt.
MR. ROBERTS: Es ist Ihnen aber bekannt,... ich kann jetzt die Stelle nicht finden, da ich keine Ahnung hatte, daß auf dieses Beweisstück Bezug genommen werden würde... daß dies tatsächlich in den stenographierten Niederschriften enthalten ist?
BÜCHS: Das ist ja gesagt worden.
MR. ROBERTS: Nun, stimmen Sie mir zu, daß die Stenographen diese Bemerkung wohl kaum notiert hätten, wenn sie nicht gefallen wäre?
BÜCHS: Jawohl.
MR. ROBERTS: Aber Sie selbst haben die Bemerkung nicht gehört? Daher wissen Sie nicht, von wem sie stammt?
BÜCHS: Jawohl.
MR. ROBERTS: Das ist alles, was ich Sie darüber fragen wollte. Nun noch eine andere Sache: Im April 1945 wurde Fegelein, als Hitler sich verheiratete, sein Schwager?
BÜCHS: Jawohl.
MR. ROBERTS: Zwei Tage später wurde Fegelein auf Befehl seines neuen Schwagers erschossen?
BÜCHS: Jawohl.
MR. ROBERTS: Das ist alles.
PROF. DR. JAHRREISS: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen.
VORSITZENDER: Dann kann sich der Zeuge zurückziehen.
[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]
PROF. DR. JAHRREISS: Mit Erlaubnis des Hohen Gerichts rufe ich dann den Zeugen Professor Dr. Schramm.
[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Wie heißen Sie?
ZEUGE PERCY ERNST SCHRAMM: Percy Ernst Schramm.
VORSITZENDER: Bitte leisten Sie den folgenden Eid: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«
[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]
VORSITZENDER: Bitte nehmen Sie Platz.
PROF. DR. JAHRREISS: Herr Zeuge! Waren Sie während des Krieges im Wehrmachtführungsstab tätig?
SCHRAMM: Jawohl, ich bin vom März 1943 an im Wehrmachtführungsstab tätig gewesen.
PROF. DR. JAHRREISS: Bis zum Ende?
SCHRAMM: Bis zum Ende, also Anfang Mai 1945.
PROF. DR. JAHRREISS: Welche Funktionen haben Sie im Wehrmachtführungsstab innegehabt?
SCHRAMM: Ich habe in dieser ganzen Zeit im Wehrmachtführungsstab das Kriegstagebuch des Wehrmachtführungsstabes geführt.
PROF. DR. JAHRREISS: Hat es einen besonderen Grund dafür gegeben, daß Sie diese Aufgabe bekamen?
SCHRAMM: Meine Berufung in den Wehrmachtführungsstab ergab sich dadurch, daß ich in meinem Zivilberuf Professor der Geschichte an der Universität Göttingen bin. Es wurde damals ein Bearbeiter gesucht, bei dem die Gewähr sachlicher Bearbeitung gegeben war. Auf den Vorschlag des stellvertretenden Chefs hat mich dann Generaloberst Jodl in diese Funktion eingesetzt.
PROF. DR. JAHRREISS: Wenn Sie ein Kriegstagebuch führen wollten mit dem Anspruch, den ein Historiker selbstverständlich stellt, mußten Sie doch einen genauen Einblick in alle Geschehnisee des Wehrmachtführungsstabes haben. Ist das richtig?
SCHRAMM: Jawohl. Ich habe nicht an der Führerlage teilgenommen und nicht an den inneren Besprechungen, aber dauernd, also jeden Tag, an den Lagebesprechungen des Wehrmachtführungsstabes, und alle wichtigen Dokumente sind im Laufe dieser zwei Jahre durch mein Büro hindurchgegangen.
PROF. DR. JAHRREISS: Ich möchte gerne, Herr Zeuge, daß Sie, nachdem Sie vielleicht wie kein anderer Einblick in die Tätigkeit des Wehrmachtführungsstabes gehabt haben, uns hier sagen, was Sie wissen vom äußeren Umfang der Tätigkeit des Generalobersten Jodl.
SCHRAMM: Der Umfang der Tätigkeit des Generalobersten kann ja nicht groß genug angenommen werden. Ich gebe als einen Beleg dafür, daß allein im Jahre 1944 über die Fernschreibstelle des Wehrmachtführungsstabes nach einer Mitteilung des zuständigen Offiziers an mich 60000 Fernschreiben hindurchgegangen sind. Dazu kommt weiter der große Kurierschriftverkehr, der natürlich sehr viel umfangreicher war, und dann der innere Verkehr zwischen den einzelnen Abteilungen. Der größte Teil dieses Schriftverkehrs ist auch einmal über den Schreibtisch des Generalobersten gelaufen. Von der anderen Seite aus gesagt, handelt es sich darum, daß der Generaloberst zuständig war für vier Kriegstheater, das heißt Nord, Finnland-Norwegen, West, Holland-Belgien- Frankreich und dann der Südwesten, zuerst Afrika und Italien und dann der Südosten.
PROF. DR. JAHRREISS: Etwas langsamer, bitte!
SCHRAMM: Es war die Aufgabe des Generalobersten, eben sich nicht nur auf Grund der eingehenden Meldungen auf dem laufenden zu halten, sondern auch wohl eben als der operative Berater des Führers seines Amtes zu walten.
PROF. DR. JAHRREISS: Habe ich Sie richtig verstanden, die von Ihnen genannten vier Theater, das waren die sogenannten OKW-Kriegsschauplätze.
SCHRAMM: Genau so. Der Osten unterstand ja dem Generalstab des Heeres, und insofern war der Generaloberst daran beteiligt, weil es ja immer die große Schwierigkeit war, die Interessen der anderen Wehrmachtkriegsschauplätze abzustimmen auf die Interessen der Ostfront.
PROF. DR. JAHRREISS: Habe ich richtig verstanden, 60000 Fernschreiben im Jahr?
SCHRAMM: 60000 Fernschreiben, jawohl, ich entsinne mich genau. Ich entsinne mich weiter der Zahl, die mein Schreiber berechnet hat, daß durch das Büro des Kriegstagebuches 120 Aktenhefte hindurchgegangen sind. Das hatte diese Dicke, so daß das, was bei mir durchging, eine Länge von ungefähr 12 laufenden Metern hatte. Das sind also 10000, wenn nicht 100000 Blatt Papier.
PROF. DR. JAHRREISS: Dann können Sie uns vielleicht in einer Frage helfen, die hier wiederholt angeschnitten, aber nie exakt beantwortet worden ist. Wissen Sie etwas über ein Verbot Hitlers, daß Generale nicht zurücktreten durften?
SCHRAMM: Ja, ich entsinne mich sehr genau eines Befehls aus der Mitte des Jahres 1944, der noch einmal in sehr schroffer Weise wiederholt, was schon vor meiner Zeit – das muß 1940/1941 gewesen sein – befohlen worden ist. Dieser Befehl umfaßte etwa anderthalb Schreibmaschinenseiten, war in einer sehr wuchtigen Form gefaßt. Sein Inhalt steht mir deutlich vor Augen, weil ich mich mit einigen Kameraden anschließend darüber unterhalten habe. Dieser Befehl lief darauf hinaus, daß jeder Oberbefehlshaber – und entsprechend auch die nachgeordneten Kommandobehörden – das Recht habe, Bedenken gegen Maßnahmen der Obersten Führung vorzubringen, daß er dann aber bedingungslos diesen Befehl auszuführen habe, den er von oben bekommen, also etwas zu tun, was gegen seine Absichten ging. Weiter war dazu gesagt, daß es unmöglich wäre, daß daraufhin ein Oberbefehlshaber seinen Rücktritt erkläre. Dies war damit begründet, daß es ja auch nicht dem Unteroffizier im Graben möglich sei, seinem Kompanieführer den Rücktritt zu erklären, wenn er mit dessen Befehlen nicht einverstanden sei.
Ich wiederhole, das war so nachdrücklich abgefaßt, daß wir viel darüber gesprochen haben. Es gab eben von da an erst recht keine Möglichkeit für die Oberbefehlshaber, einem Befehl der Obersten Führung auszuweichen.
PROF. DR. JAHRREISS: Herr Professor Schramm! Dürfte ich Sie bitten, ein klein wenig langsamer zu sprechen?
Galt dieser Befehl, den Sie uns jetzt dem Inhalt nach geschildert haben und unter dem Sie auch das Datum der letzten scharfen Formulierung gegeben haben, auch für einen Mann wie Generaloberst Jodl?
SCHRAMM: Wenn er für die Oberkommandierenden galt, galt er natürlich erst recht für den Generaloberst Jodl.
PROF. DR. JAHRREISS: Ich komme zu einer anderen Frage. Der Generaloberst Jodl ist als politischer General bezeichnet worden; Sie sind ja Zivilist – was mehr ist: Professor – haben also, nehme ich an, die Distanz, die nötig ist, um zu einer solchen Frage Stellung zu nehmen und Tatsachen dem Gericht dafür zu geben, die dann ein Urteil des Gerichts darüber erlauben. Können Sie uns Tatsachen nennen, die als Unterlage für ein Urteil pro oder contra verwendet werden müßten?
SCHRAMM: Wenn die Frage in dem Sinne gestellt ist, ob der Generaloberst ein Parteigeneral gewesen ist, dann verneine ich sie auf das strikteste. Ob die Mitglieder seines Stabes der Partei angehörten oder nicht, ist dem Generaloberst sicher völlig gleichgültig gewesen. Ich persönlich könnte nicht angeben, obwohl ich diesem Stabe zwei Jahre angehörte, welche von den Offizieren nun der Partei angehörten oder nicht. Eine so geringe Rolle spielte das. Die Frage in dem Sinne, ob der Generaloberst einen politischen Einfluß anstrebte, ja, da verweise ich noch einmal auf diese ungeheure Arbeitslast, die auf den Schultern des Generalobersten lag. Dazu hätte er schon gar nicht die Zeit gehabt, und aus meinen Dokumenten kann ich nur sagen, daß kein Schriftstück in meiner Erinnerung haften geblieben ist, aus dem man das schließen könnte. Das, was der Generaloberst da zu Papier gebracht hat – und diese Papiere gehen natürlich, wie ich gesehen habe, in die Tausende – beschränkte sich immer nur auf das Militärische und hielt genau die Grenzen inne gegenüber der Politik, also noch genauer gesagt, ich kann mich nicht entsinnen, irgendwie ein Exposé politischer Art, das auf Veranlassung des Chefs des Wehrmachtführungsstabes verfaßt war oder von ihm selbst stammte, in den zwei Jahren in meinen Akten gesehen zu haben.
PROF. DR. JAHRREISS: Ja, aber vielleicht hatte er eine stille Liebe zum Parkett und viel Ehrgeiz, und außerhalb der Akten...
SCHRAMM: Diese Frage kann ich mit einem strikten »Nein« beantworten, denn ich weiß aus seiner Umgebung und aus Unterhaltungen mit ihm selbst, daß ihm das ganze diplomatische Getriebe eben unangenehm gewesen ist, da er es ablehnte, weil das eben mit Soldaten nichts zu tun haben wollte. Außerdem war seine Arbeit zu sehr damit ausgefüllt. Von Ehrgeiz habe ich auch nichts gemerkt; denn wenn der Generaloberst ehrgeizig gewesen wäre, dann hätte er sich jedenfalls die Stelle ausgesucht, die dafür am ungeeignetsten gewesen ist. Denn dabei hat er sich der Kritik von unten ausgesetzt, die die tieferen Gründe nicht wußte, so daß er von da an viel kritisiert worden ist; und von oben aus ist er auch nicht entsprechend gewürdigt worden. Mir persönlich ist es immer sehr merkwürdig, ja grotesk vorgekommen, daß der Generaloberst im Augenblick, als Adolf Hitler den Tod findet, nicht viel mehr Kriegsauszeichnungen besessen hat, deutsche Kriegsauszeichnungen, als ich als Major der Reserve. Ob er ausländische besessen hat, das habe ich nie gesehen. Ich habe ihn nie mit einem fremden Orden gesehen. Also die Indizien für Ehrgeiz und für politische Aspirationen, mir sind sie nicht vorgekommen.
PROF. DR. JAHRREISS: Nun ist aber hier im Prozeß wiederholt gesprochen worden von einem Vortrag, den der Generaloberst im Winter 1943 auf 1944 gehalten hat, und zwar vor Gauleitern. Ich weiß nicht, ob Sie was wissen von diesem Vortrag.
SCHRAMM: Ja, ich erinnere mich genau.
PROF. DR. JAHRREISS: Was erinnern Sie sich genau?
SCHRAMM: Ich will vorher sagen, ich erinnere mich genau, weil ich die Unterlagen für diese Rede bekommen habe, nachdem sie nicht mehr gebraucht wurden, für mein Kriegstagebuch. An sich ist das absolut so:
Das ist eine Rede gewesen, für die das Material in den einzelnen Abteilungen gesammelt wurde. Dazu gehörte eine riesige Karte, deren Herstellung Schwierigkeiten machte, weil sie größer war als die Büroräume, in denen wir arbeiteten. Es handelt sich da um eine Rede, 8. oder 9. November, zu diesen jährlichen Zusammenkünften in München.
Der besondere Anlaß dafür, daß der Generaloberst hier einmal außerhalb des militärischen Kreises sprach, war folgender:
Im September 1943 war ja durch den Ausfall Italiens im Süden die Front auf einer Ausdehnung von 4000 Kilometern aufgerissen von Marseille bis Athen. Es war dann gelungen, diese Lücke wieder zu füllen; aber es bestand doch nun große Unruhe bei denen, die eben die Lage wußten.
MR. ROBERTS: Herr Vorsitzender! Ich erhebe gegen derartige ausführliche Erläuterungen der Rede Einspruch. Die Rede ist ein Beweisstück, und meiner Ansicht nach sind die Gründe für die Rede durchaus unerheblich.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof gibt dem Einspruch statt.
PROF. DR. JAHRREISS: Herr Zeuge! Fahren Sie bitte fort, über die Angriffe zu sprechen!
SCHRAMM: Dies war der eine Anlaß...
VORSITZENDER: Nein, nein. Ich sagte, der Gerichtshof habe dem Einspruch von Herrn Roberts bezüglich der Aussage des Zeugen stattgegeben.
PROF. DR. JAHRREISS: Es war ein Mißverständnis; es tut mir leid, die Übersetzung ist falsch durchgegeben worden.