[Zum Zeugen gewandt:]
Herr Zeuge! Ich möchte Ihnen jetzt ein Dokument vorlegen, das vor zwei Tagen dem Gericht von der Anklagebehörde vorgelegt worden ist, 1808-PS.
Wenn Sie sich bitte einmal einen Gesamtüberblick verschaffen wollen.
[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]
VORSITZENDER: Ist es unter den Jodl-Dokumenten?
PROF. DR. JAHRREISS: Nein, das ist ein Dokument, das vorgestern der Herr Anklagevertreter im Kreuzverhör überreicht hat.
MR. ROBERTS: Dieses Dokument wurde von mir während des Kreuzverhörs gesondert vorgelegt, und ich fürchte, es ist nicht im Buch. Es ist eines von den Dokumenten, die eine neue GB-Nummer bekamen, und es wurde gegen Ende des Kreuzverhörs lose übergeben; es ist 1808-PS.
PROF. DR. JAHRREISS: Thank you. Darf ich fortfahren?
VORSITZENDER: Fahren Sie fort, Dr. Jahrreiss!
PROF. DR. JAHRREISS: Herr Zeuge! Ist auf der vorletzten Seite rechts unten Ihre Unterschrift?
SCHRAMM: Ja, es handelt sich um eine Sammelakte, die ich nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 angelegt habe, um festzustellen, was im Wehrmachtführungsstab geschehen ist. Ich bemerke dazu, daß der Wehrmachtführungsstab bei der Verschwörung in keiner Weise betroffen gewesen ist. Dieses Exemplar wird aus dem Kriegsarchiv stammen, die Unterschrift und die Korrekturen stammen teils von mir, teils von meinem Schreiber.
PROF. DR. JAHRREISS: Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf die fünfte Nummer in diesem Konvolut.
SCHRAMM: Jawohl.
PROF. DR. JAHRREISS: Datiert vom 25. Juli, haben Sie dieses?
SCHRAMM: Ja.
PROF. DR. JAHRREISS: Ist das, was da steht, von Ihnen verfaßt?
SCHRAMM: Das ist von mir persönlich verfaßt.
PROF. DR. JAHRREISS: Ich bitte auszusagen, auf welchen Grundlagen diese Ihre Arbeit beruht?
SCHRAMM: Die Offiziere des Stabes wurden kurzfristig in unseren Eßraum gerufen. Wir erfuhren, daß der Generaloberst zu seinen Stabe sprechen wolle. Ich habe dann noch den Befehl bekommen, da nicht alle Offiziere sich einfinden konnten, Notizen zu machen, damit auch die anderen Offiziere in die Ausführungen des Generalobersten eingewiesen werden konnten. Ich entsinne mich deutlich, daß ich im Stehen Stichworte aufgeschrieben habe. Es ist also kein Stenogramm; ich kann gar nicht stenographieren. Es war nicht möglich, in der Eile noch einen Stenographen heranzuholen.
PROF. DR. JAHRREISS: Nun, haben Sie auf Grund Ihrer Notizen dieses ausgearbeitet?
SCHRAMM: Ja. Da habe ich anschließend, vermutlich am nächsten Tage, so gut wie möglich an Hand meiner Stichworte das rekonstruiert, was der Generaloberst gesagt hat. Ich bin natürlich nicht sicher, ob ich das einzelne genau getroffen habe; dazu waren meine Notizen, die ich im Stehen machte, viel zu bruchstückartig. Über die einzelnen Wendungen, da bin ich mir natürlich erst recht unklar, wie weit ich da alles getroffen habe, was tatsächlich gesagt wurde. Ich sehe jetzt, daß es sich um ein, zwei, drei, viereinhalb Seiten handelt. Es handelte sich natürlich um eine Rede, die sehr viel länger war. Es ist also eine komprimierte Wiedergabe.
PROF. DR. JAHRREISS: Eine komprimierte Wiedergabe nur...
SCHRAMM: Ja.
PROF. DR. JAHRREISS: Ich wüßte gerne noch Näheres über die Umstände, unter denen der Generaloberst diese Ansprache gehalten hat, von der wir also nicht den Wortlaut hier haben. Das war...
MR. ROBERTS: Darf ich im Interesse der Zeitersparnis darauf hinweisen, daß all dies völlig unerheblich ist. Wir wissen, daß ein Attentat auf Hitler gemacht wurde, und daß Jodl zu seinem Stab gesprochen hat. Ich behaupte, daß die Umstände überhaupt nicht erheblich sind.
PROF. DR. JAHRREISS: Herr Präsident...
VORSITZENDER: Der Gerichtshof hofft, daß Sie es sehr kurz machen werden.
PROF. DR. JAHRREISS: Ja danke. Ich bitte, Herr Zeuge, ganz kurz die persönlichen Umstände anzugeben.
SCHRAMM: Der Generaloberst erschien mit einer weißen Haube aus Verbandstoff, die so weit reichte. Wir waren alle überrascht, daß er die Folgen dieses Attentates, wobei er unmittelbar neben der Explosion gestanden hatte, so schnell überwunden hatte und waren damals, so muß ich sagen, auf das tiefste beeindruckt durch die gestraffte Energie, mit der er jetzt wieder vor seinen Stab trat und dann die moralische Einstellung, die er ihm gegen einen solchen Versuch zum Ausdruck brachte.
PROF. DR. JAHRREISS: Ich danke, Herr Präsident, ich habe keine Fragen weiter zu stellen.
VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Verteidiger Fragen zu stellen?
VORSITZENDER: Wünscht es die Anklagevertretung?
MR. ROBERTS: Herr Vorsitzender! Ich habe keine Fragen zu stellen.
VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.
PROF. DR. JAHRREISS: Ich habe keine Fragen weiter.