[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]
PROF. DR. EXNER: Herr Präsident! Ich habe zum Abschluß lediglich zwei Fragebogen vorzulegen und aus einem einige Zeilen vorzulesen, was vergessen worden ist. Es ist zunächst der Fragebogen AJ-8, ein Fragebogen Waizenegger, den ich jetzt überreiche, und ich bitte, das Gericht möge den Inhalt zur Kenntnis nehmen, und AJ-6, ein Fragebogen Brudermüller; ich schließe dieselbe Bitte an. Und aus dem letzten vorzulegenden AJ-12, einer Aussage des Generals Greiffenberg, möchte ich das Wesentlichste vorlesen. Es handelt sich um die Frage des Angriffs auf Jugoslawien und um die Frage, ob nach dem Simowitsch- Putsch Jugoslawien gegen uns aufmarschiert gewesen wäre. Es ist das in meinem Dokumentenbuch Band 3, Seite 211. Also der Simowitsch-Putsch war vorbei, und es hat sich darum gehandelt, ob jetzt eine unmittelbare Bedrohung seitens Jugoslawiens vorliegt.
»Frage: Entspricht es den Tatsachen, daß Jugoslawien nach dem Staatsstreich der Armee sofort damit begann, seine Armeen an allen seinen Grenzen aufmarschieren zu lassen?
Antwort: Ich kenne nur die Front, die der deutschen 12. Armee gegenüberlag, welche an der bulgarischen Grenze stand. Hier hatten die Jugoslawen ihre Armeen an der Grenze aufmarschieren lassen.
Frage: Entspricht es den Tatsachen, daß die Armee ›List‹, deren Befehlshaber Sie damals waren, vor dem Staatsstreich Jugoslawiens den Befehl hatte, die Neutralität Jugoslawiens während des bevorstehenden Angriffs auf Griechenland streng zu achten und daß nicht einmal Nachschubzüge durch jugoslawisches Gebiet geleitet werden dürfen?
Antwort: Ich kann bekunden, daß strengster Befehl gegeben war, die Neutralität Jugoslawiens zu achten.
Frage: Sind Ihnen irgendwelche Verletzungen dieses Befehls bekanntgeworden?
Antwort: Nein.«
Hohes Gericht! Einige Fragebogen sind noch ausständig. Ob wir sie bekommen, weiß ich nicht. Ich muß mir jedenfalls vorbehalten, sie nachzutragen. Sonst bin ich mit dem Vortrag meines Falles fertig.
VORSITZENDER: Am Montag wird der Gerichtshof den Fall Seyß-Inquart behandeln, nicht wahr? Also können wir uns jetzt vertagen.
[Das Gericht vertagt sich bis
10. Juni 1946, 10.00 Uhr.]
Einhunderteinundfünfzigster Tag.
Montag, 10. Juni 1946.
Vormittagssitzung.
VORSITZENDER: Ich rufe den Verteidiger für den Angeklagten Seyß-Inquart auf.
DR. STEINBAUER: Euer Lordschaft, Hohes Militärgericht! Ich eröffne das Beweisverfahren mit den letzten Worten Dr. Schuschniggs, als er am 11. März 1938 als Bundeskanzler zurücktrat, nämlich den Worten: »Gott schütze Österreich.«
Es ist eine Verflechtung der Geschichte, daß zum selben Zeitpunkt, wo hier über die Anschlußfrage im Zusammenhang mit der Person Seyß-Inquarts verhandelt wird, die vier Außenminister unter Zugrundelegung gleicher Vorgänge die Friedensverträge vorbereiten. Ich möchte Sie daher bitten, dem Vortrag meiner Dokumente in dieser Frage Aufmerksamkeit zu schenken und mir zu gestatten, sie etwas breiter zu zitieren, als ich ursprünglich vorhatte.
Ich beginne mit Erlaubnis des Gerichts mit der Einvernahme des Angeklagten als Zeugen.