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[Das Schriftstück wird dem Gerichtshof ausgehändigt.]

VORSITZENDER: Wollen Sie dieser Notiz eine Beweisstücknummer geben, Dr. Steinbauer?

DR. STEINBAUER: Nummer 61, weil ich die anderen sonst durcheinanderbringe.

VORSITZENDER: Jawohl.

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich bin mir immer noch nicht recht im klaren; meine Kollegen gewiß auch nicht. Wir haben niemals eine Abschrift der Notizen in die Hand bekommen, von welchen der Angeklagte behauptet, daß er sie zur Zeit der Besprechungen mit Hitler oder kurz danach niedergeschrieben hat. Eine solche Abschrift haben wir nicht in unseren Akten. Und ich möchte mich vergewissern, ob er jetzt behauptet, daß diese Abschrift, die dem Gerichtshof vorgelegt ist, eine Abschritt des Originals ist welches er nach seiner Behauptung uns überreicht hat?

VORSITZENDER: Angeklagter! Habe ich Sie richtig verstanden, laß das Dokument, welches Sie jetzt Ihrem Verteidiger gegeben laben, die Abschrift Ihres Dokuments ist, welches Sie behaupten, der Anklagebehörde während Ihres Verhörs übergeben zu haben und welches eine Übertragung der stenographischen Notizen darstellt, die Sie damals machten?

SEYSS-INQUART: Herr Präsident! Die Originalnotiz habe ich mir am Nachmittag des 17. Feber gemacht. Einige Wochen später ich diese in Kurzschrift verfaßte Notiz meiner Sekretärin in die Maschine diktiert. Davon hatte ich mehrere Abschriften. Eine dieser Abschriften, die ich hatte, habe ich im Sommer bei meinem Verhör durch die Anklage einmal der Anklage vorgelegt. Eine zweite habe ich jetzt dem Verteidiger überreicht. Das sind Abschriften nach der Originalnotiz, wenige Wochen nach der Unterredung. Das Original war in Wien in meinen Geheimakten.

VORSITZENDER: Sehr gut.

MR. DODD: Vielleicht können wir erfahren, wem dieser angeklagte eigentlich die Notizen ausgehändigt hat. Herr Vorsitzender, ich möchte sie suchen lassen und dafür sorgen, daß sie gefunden werden.

VORSITZENDER: Wissen Sie, wer Sie damals verhört hat?

SEYSS-INQUART: Herr Dodd selbst.

MR. DODD: Wir haben sie nicht.

SEYSS-INQUART: Es wird schon so sein.

DR. STEINBAUER: Herr Präsident! Es deckt sich der Inhalt im wesentlichen auch mit der freiwilligen Erklärung, die der Angeklagte...

MR. DODD: Ich halte es für wichtig genug, das jetzt aufzuklären, Herr Vorsitzender. Ich habe das Protokoll des Verhörs, das ich zuerst mit diesem Angeklagten vorgenommen habe. Daraus geht deutlich hervor, daß er sich auf die Notizen bezog. Aber er sagte damals deutlich, daß er sie nicht habe, daß er sie in einer schwarzen Ledermappe mit anderen Dokumenten in Mondorf gelassen habe; er bat mich zu versuchen, sie zu beschaffen. Ich sagte das zu; aber es ist uns nie gelungen, sie zu finden. Hier ist das Vernehmungsprotokoll.

SEYSS-INQUART: Darf ich bemerken, daß ich sie bekommen habe. Ich habe die schwarze Aktenmappe ins Gericht bekommen, und da war sie drin, und ich habe bei einem nächsten Verhör die Abschrift vorgelegt.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort, Dr. Steinbauer.

DR. STEINBAUER: Ich möchte bemerken, daß wesentlich gleichlautend die Urkunde Nummer 49. Seite 113, ist, und daß der Angeklagte, der heutige Zeuge, vom Inhalt dieser Unterredung auch Schuschnigg verständigt hat. Das ergibt sich aus der Urkunde Nummer 65, Seite 158. Ich frage Sie nun, Herr Zeuge, war Hitler mit Ihren Vorschlägen einverstanden?

SEYSS-INQUART: Er hat zu vielen Dingen ausdrücklich Ja gesagt, bei anderen Dingen hat er gezweifelt, ob die österreichische Regierung darauf eingehen wird; aber der Gesamteindruck war, daß diese Politik möglich erschien.

DR. STEINBAUER: Es wird Ihnen weiter in diesem Zusammenhang der Vorwurf gemacht, daß Sie als Innen- und Polizeiminister die Exekutive unter die Kontrolle der Nazis gebracht haben.

SEYSS-INQUART: Ich möchte die Hauptausführungen zu dieser Frage dem von nur beantragten Zeugen Dr. Skubl Überlassen. Dr. Skubl ist nach dem Tod Dollfuß' ein besonderer Vertrauensmann der österreichischen Regierung gewesen und wurde mir als Staatssekretär und Generalinspekteur für das Sicherheitswesen zur Seite gegeben, offenbar auch für eine gewisse Kontrolle. Ich hatte dagegen gar nichts einzuwenden und war sehr zufrieden, einen solchen Fachmann zu haben.

Ich möchte nur kurz erwähnen, die Befehlsgebung über die gesamte Exekutive führte Skubl. Ich habe an die österreichische Polizei niemals einen direkten Befehl gegeben. Skubl bekam Weisungen von Dr. Schuschnigg, insbesondere am 10. und 11. März. Ich habe nicht einen einzigen Nationalsozialisten in die österreichische Polizei gebracht.

DR. STEINBAUER: Gut, das genügt.

SEYSS-INQUART: Vielleicht darf ich noch auf die öffentliche Aufforderung verweisen...

DR. STEINBAUER: Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Urkunden verweisen. Es ist dies die Nummer 51 und die Nummer 52, Seite 117 respektive 119; es geht dann schon in das zweite Dokumentenbuch über. Die erste Rede ist eine Rede des Angeklagten als Minister zu seinen Polizeileuten, und die zweite Rede ist eine Rundfunkrede, die er in Linz gehalten hat. Wir kommen nun zu den kritischen Märztagen. Haben Sie und von wem haben Sie von dem Abstimmungsplan Schuschniggs erfahren?

SEYSS-INQUART: Am Tage bevor Dr. Schuschnigg in Innsbruck den Abstimmungsplan verkündet hat, hat er mich zu sich gerufen und mir seinen Plan mitgeteilt. Ich habe ihn damals gefragt, ob dieser Entschluß unabänderlich sei, er hat mir das bestätigt. Ich habe meiner Besorgnis Ausdruck gegeben, daß das zu Schwierigkeiten führen könnte, habe ihm aber zugesagt, ihm nach Möglichkeit zu helfen, entweder über diese Abstimmung hinwegzukommen oder sie zu einem brauchbaren Ergebnis zu führen, nämlich auch für die Nationalsozialisten. Mit den österreichischen Nationalsozialisten hatte ich natürlich dauernde Verbindung, denn ich war ja der Verbindungsmann. Ich habe in verschiedenen Versammlungen mit Wissen Zernattos und Dr. Schuschniggs gesprochen und das ausgeführt, was ich mit Adolf Hitler gesprochen, beziehungsweise wie ich zu Adolf Hitler gesagt habe. Ich habe jede Demonstrationsmöglichkeit vermieden und solche Demonstrationen als Innenminister auch untersagt. Ich verweise auf das allgemeine Versammlungsverbot, das ich miterlassen habe, und auf das ausdrückliche Verbot einer Demonstration in Graz, wie sich aus dem Fragebogen des Zeugen Uiberreither ergibt.

DR. STEINBAUER: Haben Sie nun von Schuschnigg irgendeine Zusage bekommen?

SEYSS-INQUART: Nein. Ich bemerke, daß ich noch am selben Abend von Dr. Jury angesprochen wurde, der auf irgendeine Weise bereits den Abstimmungsplan erfahren hat. Im Sinne einer Zusage an Dr. Schuschnigg habe ich mich hierzu nicht geäußert, obwohl ich mir eigentlich ein Schweigeverbot nicht hätte auflegen lassen dürfen im Hinblick auf meine Verbindungsmann-Funktion im Vertrag vom 12. Feber. Ich habe es aber gehalten.

DR. STEINBAUER: Herr Präsident! Ich meine, daß es eine gute Zeit zur Vertagung wäre.

VORSITZENDER: Sehr gut, wir werden uns jetzt vertagen.