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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie haben später versucht, aus der Universität Leyden eine nationalsozialistische Hochschule zu machen, nicht wahr?

SEYSS-INQUART: Wenn Sie die Tatsache der Ernennung von zwei oder drei Professoren von etwa 100 Professoren als das bezeichnen wollen, müßte ich Ja sagen – oder 50 Professoren. An andere Maßnahmen kann ich mich nicht erinnern. Es ist einmal eine Idee mir vorgetragen worden, in Leyden eine Hochschule zu kreieren, an der deutsche und niederländische Hochschüler studieren können, wobei das Studium auch in Deutschland eine entsprechende Anerkennung finden soll. Dazu ist es nicht gekommen.

M. DEBENEST: Jedenfalls geben Sie zu, daß Sie die Absicht hatten, eine Schule dieser Art zu gründen?

SEYSS-INQUART: »Absicht« ist schon etwas zuviel gesagt, es wurden diese Ideen erörtert. Es war auch noch eine Idee: Wir hatten in den Niederlanden, und zwar in der deutschen Wehrmacht, eine Reihe von Hochschülern, die ihr Studium begreiflicherweise nicht fortsetzen konnten. Es war damals erwogen worden, für diese deutschen in der Wehrmacht befindlichen Hochschüler in Leyden Kurse abzuhalten, die eine Art Fortsetzung ihrer Studien bedeuten sollten.

M. DEBENEST: Gut, ich lasse Ihnen ein Dokument vorlegen, F-803, das ich unter Nummer RF-1525 dem Gerichtshof vorlege.

Wie Sie sehen, handelt es sich um einen Bericht des Unterrichtsministeriums der Niederlande; es ist auf Seite 23 des französischen, auf Seite 16 des deutschen Textes.

Ich werde Ihnen die betreffende Stelle verlesen.

»Es wurden Versuche unternommen, um durch Ernennung von nationalsozialistischen Professoren aus der Universität Leyden eine nationalsozialistische Universität zu machen. Jedoch scheiterten diese Versuche infolge der selbstbewußten Haltung der Professoren und Studenten. Manche Professoren haben sogar...«

VORSITZENDER: Ist das auf Seite 15?

M. DEBENEST: Es ist auf Seite 23 des französischen Textes im letzten Absatz, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Was ist das?

M. DEBENEST: Es ist F-803.

VORSITZENDER: Ich habe nicht nach der Dokumentennummer gefragt. Ich fragte nach der Art des Dokuments.

M. DEBENEST: Ich habe dem Gerichtshof angegeben, daß es sich um einen Bericht des Unterrichtsministeriums der Niederlande handelt.

VORSITZENDER: Wurde er durch den Angeklagten ernannt, oder ist er schon vor dem Kriege ernannt worden?

M. DEBENEST: Er ist der jetzige Erziehungsminister. Ich möchte den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß ich mich weiter in Einzelheiten auslassen muß, denn als die Französische Anklage hier ihren Fall vortrug, hatten wir nicht alle diese Dokumente zur Verfügung, und die Regierung der Niederlande möchte, daß diese Tatsachen so ausführlich wie möglich vorgetragen werden. Ich darf hinzufügen, daß ich heute Dokumente vorbringe, die von der Holländischen Regierung stammen.

VORSITZENDER: Ist es Seite 23?

M. DEBENEST: Im französischen Text Seite 23, Zeile 6 vor dem Schluß des letzten Absatzes.

VORSITZENDER: Ja.

M. DEBENEST:

»Es wurden Versuche unternommen, um durch Ernennung von nationalsozialistischen Professoren aus der Universität Leyden eine nationalsozialistische Universität zu machen. Jedoch scheiterten diese Versuche infolge der selbstbewußten Haltung der Professoren und Studenten. Manche Professoren haben sogar im Mai 1942 um ihre Gesamtentlassung gebeten, und da keine Reaktion erfolgte, taten sie dies im September desselben Jah res zum zweiten Male.«

VORSITZENDER: Gewiß; der Angeklagte hat das bereits gesagt, nicht wahr? Sie sprechen von der Universität Leyden, nicht wahr?

M. DEBENEST: Jawohl, Herr Vorsitzender. Wenn ich richtig verstanden habe, hat der Angeklagte gesagt, daß die Gründung einer nationalsozialistischen Hochschule in Leyden in Frage stand, aber nicht in die Tat umgesetzt wurde. Nun geht aus dem Schriftstück hervor, daß das nicht auf den Angeklagten zurückzuführen ist, sondern auf das Verhalten der Lehrkräfte. Auf das wollte ich hinweisen.

SEYSS-INQUART: Darf ich dazu eine Bemerkung machen.

M. DEBENEST: Gewiß.

SEYSS-INQUART: Daß es hier ein Versuch ist, Leyden zu einer nationalsozialistischen Universität zu machen, steht lediglich in diesem Dokument. Ich bleibe bei meiner Behauptung, daß ich zwei, höchstens drei Professoren ernannt habe, die Nationalsozialisten waren. Damit ist die Universität noch lange nicht nationalsozialistisch. Aber aus diesem Dokument ergibt sich deutlich, wie ich mich verhalten habe. Gegenüber der demonstrativen Niederlegung der Professoren habe ich überhaupt nichts gemacht. Die zweite Niederlegung blieb ebenso unbeantwortet. Daß dann Verhaftungen vorkamen, wird damit in Zusammenhang stehen, daß ein Teil der Professoren ansonsten für uns verdächtig war, und diese Professoren kamen nach Michelgestell. Das ist dieses Anhaltelager, in dem die Mitglieder Golf gespielt haben.

M. DEBENEST: Dann war das also Zufall?

SEYSS-INQUART: Das würde ich nicht einmal behaupten. Wir haben sicherlich nach dem zweiten Demonstrationsversuch die Herren ein bißchen überprüft.

M. DEBENEST: Haben Sie nicht Maßnahmen ergriffen, um die Studenten zum Arbeitseinsatz zu zwingen?

SEYSS-INQUART: Ich glaube, solange sie studiert haben, nicht. Denn ich hatte ausdrücklich Ausnahmebestimmungen für alle Studierenden getroffen. Ich weiß, daß Gewerbeschüler höheren Grades et cetera mit Freilassungsscheinen beteilt wurden. Auch die Hochschüler, die studierten und die die Bedingungen der Zulassung zum Studium erfüllt hatten, waren meines Erachtens auch nicht im Arbeitseinsatz.

M. DEBENEST: Nun, ich lese Ihnen kurz den zweiten Absatz Ihrer Verordnung vor.

Es handelt sich um die Verordnung vom 11. März 1943, Nummer 27:

»Jeder Studierende, der nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung in einem der im Paragraph 1 erwähnten Studienfächer die Abschlußprüfung oder eine ihr nach Anordnung des Generalsekretärs im Ministerium für Erziehung, Wissenschaft und Kulturverwaltung gleichzuachtende Prüfung mit Erfolg abgelegt hat, ist verpflichtet, eine bestimmte Zeit im Rahmen des Arbeitseinsatzes zu arbeiten.«

Ist das Ihre Verordnung?

SEYSS-INQUART: Bitte, heißt das Arbeitsdienst?

M. DEBENEST: Ich habe den deutschen Text nicht vor mir. Es ist die Verordnung Nummer 27.

SEYSS-INQUART: Verordnung Nummer 27?

Darf ich um den Paragraphen bitten?

M. DEBENEST: Paragraph 2.

SEYSS-INQUART: Das ist richtig, da heißt es:

»Studierende, die die Abschlußprüfung gemacht haben.«

Das heißt, sie haben also nicht mehr studiert, sondern waren fertig. Ihre Alterskameraden sind inzwischen von mir, wie ich gestern erzählt habe, aufgerufen worden zum Arbeitseinsatz, und die von mir Begünstigten haben jetzt den Arbeitseinsatz nachzuholen gehabt. Aber das Studium von ihnen wurde nicht gestört oder unterbrochen.

M. DEBENEST: Die Studenten waren daher in der Lage, ihre Studien frei fortzusetzen?

SEYSS-INQUART: Ich erinnere mich an kein Hindernis.

M. DEBENEST: Nun, dann möchte ich Sie bitten, sich den folgenden Erlaß, Nummer 28, anzusehen. Es handelt sich um einen Erlaß des Generalsekretärs van Damm. Dieser Erlaß zwingt die Studenten zu einer Loyalitätserklärung.

SEYSS-INQUART: Ja, das ist richtig.

M. DEBENEST: Welches waren die Folgen?

SEYSS-INQUART: Die Folgen waren für mich nicht verständlich. Die Hochschulen waren damals der Sitz antideutscher Umtriebe. Ich habe von den Hochschülern die Erklärung verlangt, daß sie die in den besetzten niederländischen Gebieten geltenden Gesetze befolgen werden, sich jeder Handlung gegen das Deutsche Reich, die Wehrmacht oder die niederländischen Behörden enthalten werden und die öffentliche Ordnung auf den Universitäten nicht gefährden. Es ist mir unbegreiflich, warum ein Hochschüler eine solche Erklärung nicht abgeben konnte. Diejenigen, die sie abgegeben haben, konnten vollkommen unbehindert studieren. Aber niederländische Professoren haben ihnen sabotierend keinen Unterricht erteilt.

M. DEBENEST: Nun, was geschah mit denen, die diese Erklärung nicht abgegeben haben?

SEYSS-INQUART: Die sind nicht mehr Hochschüler gewesen, und wenn sie in die von mir zum Arbeitseinsatz aufgerufenen Jahrgänge gehört haben, sind sie zum Arbeitseinsatz aufgerufen worden.

M. DEBENEST: Haben Sie nicht den Universitäten das Führerprinzip auferlegt?

SEYSS-INQUART: Ich glaube nicht so strikt wie in den Gemeindeverwaltungen, aber ich habe dem Rektor der Universität größere Vollmachten gegeben, weil ich von ihm eine größere Verantwortung verlangt habe.

M. DEBENEST: Nun gut. Wurde nicht auf den Universitäten eine gewisse nationalsozialistische Propaganda getrieben?

SEYSS-INQUART: Ich glaube, das wird sich nicht ganz verhindern haben lassen.

M. DEBENEST: Mußten nicht vor allem die Studenten in gewissen Gegenden Ausstellungen besuchen und an von der Partei oder sogar von Regierungsstellen veranstalteten Vorlesungen teilnehmen?

SEYSS-INQUART: Es ist mir nicht bekannt, aber es ist möglich.

M. DEBENEST: Sie haben sich also in das Verwaltungsgebiet, in das Gebiet des Unterrichts und ebenfalls in stets gleichem Sinne in das kulturelle Leben des holländischen Volkes eingemischt?

SEYSS-INQUART: Jawohl, in dem Maße, wie ich das gestern schon ausgeführt habe.

M. DEBENEST: Sie haben ebenfalls verschiedene Berufskammern eingerichtet? Ist das richtig?

SEYSS-INQUART: Ja, ja.

M. DEBENEST: Sie haben behauptet, daß die Aufnahme in diese Berufskammern nicht obligatorisch gewesen sei und daß Sie niemals die Zahlung der Mitgliedsbeiträge erzwungen haben.

SEYSS-INQUART: Das stimmt nicht. Die Zugehörigkeit zu den Berufskammern war obligatorisch. Ich bin auch überzeugt, daß die Kammervorsteher die Mitglieder aufgefordert haben, die Beiträge zu zahlen. Ich habe es abgelehnt, aus der Nichtzahlung des Mitgliedsbeitrages die Konsequenz zu ziehen, daß einer aus der Kammer und damit aus seinem Beruf ausgeschieden wird, oder die Zahlung der Beiträge im Wege gerichtlicher Exekution einzutreiben.

M. DEBENEST: Sie werden sich jedoch der Schwierigkeiten erinnern, die auf diese Weise in der Ärztekammer entstanden?

SEYSS-INQUART: Ich habe gerade an die Ärztekammer gedacht. Bei der Ärztekammer verlangten gewisse Kreise, daß die Mitglieder, die die Beiträge nicht zahlen, von der Berufsausübung ausgeschlossen werden sollen oder daß wenigstens die Beiträge durch gerichtlichen Zwang eingetrieben werden sollen. Ich habe diesen Herren gesagt, wenn es ihnen nicht möglich ist, durch Überzeugung die Mitglieder zur Zahlung zu bringen, werde ich keinen Zwang ausüben.

M. DEBENEST: Welche Kreise waren das?

SEYSS-INQUART: Vielleicht sagen Sie mir das gleich, dann werden wir Zeit sparen.

M. DEBENEST: War das nicht der NSB zum Beispiel?

SEYSS-INQUART: In welchem Zusammenhang, bitte?

M. DEBENEST: Sagten Sie nicht selbst, daß gewisse Kreise die Zahlung der Beiträge verlangten? Ich habe Sie gefragt, um welche Kreise es sich dabei handelt.

SEYSS-INQUART: Meinen Sie, welche Freunde oder Mitarbeiter von mir in mich gedrungen sind, auf der Zahlung zu bestehen? Ich bin mir über den Sinn der Frage nicht ganz im klaren.

M. DEBENEST: Ich bitte Sie nur, genau zu erklären, welche Kreise Sie damit meinen. Sie gebrauchten selbst das Wort »gewisse Kreise«, vielleicht ist es schlecht übersetzt worden.

SEYSS-INQUART: Milieux? Milieux?

VORSITZENDER: Herr Debenest! Der Gerichtshof ist der Meinung, daß Sie mit diesen verschiedenen geringfügigen Fragen wirklich zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Wir haben uns schon den ganzen Nachmittag mit den von dem Angeklagten in den Niederlanden eingeführten verschiedenen Maßnahmen befaßt. Es ist doch vollkommen klar, daß er nach seinem eigenen Zugeständnis die ganze Verwaltung Hollands abänderte.

M. DEBENEST: Haben Sie sich nicht auch an der Verfolgung der Kirchen beteiligt?

SEYSS-INQUART: Ich weiß nicht, ob man die Maßnahmen gerade als Verfolgung der Kirchen bezeichnen kann. Aber ich habe Maßnahmen getroffen, die sich mit den Kirchen befaßt haben.

M. DEBENEST: Welche Maßnahmen im besonderen?

SEYSS-INQUART: Ich glaube, daß in Ihren Augen als die schwerwiegendste die Einziehung verschiedener niederländischer Klöster in Frage kommen wird, wobei eines dieser Klöster in eine deutsche Schule verwandelt wurde und das Kirchengebäude dieses Klosters niedergerissen wurde.

M. DEBENEST: Gestern haben Sie behauptet, daß es Priestern oder mindestens einem Priester möglich war, Konzentrationslager zu besuchen. Ist das richtig?

SEYSS-INQUART: Nein, das habe ich nicht behauptet. Ich habe nur gesagt, daß in dem Judensammellager Westerborg katholische und protestantische Juden waren, die sonntags durch einen Geistlichen von außerhalb besucht wurden. Ich glaube nicht, daß in den Konzentrationslagern unter der Führung der deutschen Polizei Geistliche Besuche machen konnten oder Geistliche Eintritt haben konnten.

M. DEBENEST: Nun eine Frage bezüglich der Presse. Hat die Presse während der Besatzungszeit eine gewisse Freiheit behalten? Ich sage bewußt eine »gewisse« Freiheit.

SEYSS-INQUART: Für meine Begriffe viel zu wenig. Die Presse ist unter einer ziemlich strengen Kontrolle des Propagandaministeriums gestanden. Die Redakteure wurden angestellt auf Grund einer Begutachtung des niederländischen Propagandaministeriums. Ich glaube, es ist für eine Besatzungsmacht selbstverständlich, daß man bei einem so wichtigen Instrument nur Leute nimmt, die eine gewisse positive Einstellung haben. Ich hätte gewünscht, daß man diesen Männern dann viel mehr Redefreiheit gibt, und ich glaube, sagen zu können, soweit ich den Einfluß ausgeübt habe, ist das auch geschehen. Aber auch der Reichskommissar in den Niederlanden war nicht allmächtig.

M. DEBENEST: Wurden nicht auch Vergeltungsmaßnahmen gegen gewisse Zeitungen durchgeführt?

SEYSS-INQUART: Ich weiß nicht...

VORSITZENDER: Wir könnten vielleicht etwas schneller weitergehen. Es treten sehr lange Pausen zwischen Fragen und Antworten ein.

SEYSS-INQUART: Ich muß mir natürlich erst den Gegenstand vergegenwärtigen. Wenn man mir unvermutet eine Frage vorlegt über ein Gebiet vor fünf Jahren, so erfordert das ein genaues Nachdenken, was sich wirklich in einzelnen Fällen ereignet hat. Ich kann zum Beispiel gleich nein sagen, bin aber sicher, daß die Antwort falsch ist.

Also zum Beispiel Repressalien: Ich weiß, daß einmal im Haag die Redaktion einer Zeitung in die Luft gesprengt wurde. Das war eine Maßnahme, die von der Sicherheitspolizei ausgegangen ist, und zwar war das der Sitz einer illegalen propagandistischen Gruppe.

M. DEBENEST: Gestern sprachen Sie von der Sterilisierung der Juden in Holland. Wer hat diese Maßnahme eingeführt?

SEYSS-INQUART: Wenn Sie »einführen« sagen, dann glaube ich, die Frage richtig beantworten zu können. Die Sicherheitspolizei teilte mir mit, daß eine Anzahl von Juden sich sterilisieren ließ durch jüdische Ärzte und daß sie daraufhin diese Juden von allen Beschränkungen und vom Tragen des Judensterns befreit hat. Es handelt sich nicht um Juden, die sonst evakuiert, worden wären, sondern um solche, die unter Beschränkung in Holland hätten bleiben sollen. Ich habe den Leiter meiner Gesundheitsabteilung beauftragt, die Frage zu prüfen. Er teilte mir mit, daß dieser Eingriff bei Frauen eine schwere Operation wäre. Daraufhin habe ich den Höheren SS- und Polizeiführer veranlaßt, jedenfalls einmal bei Frauen diese Aktion zu unterbinden. Dann haben die christlichen Kirchen sich an mich gewandt mit einem Protest. Ich habe den christlichen Kirchen geantwortet, ich nehme an, Sie haben das Schreiben im Akt, in dem ich den Sachverhalt geschildert und ausdrücklich darauf verwiesen habe, daß hier kein Zwang ausgeübt werden dürfe. In kurzer Folge war diese Aktion vorüber. Wie ich gehört habe, haben die christlichen Kirchen die Juden verständigt, und wie sie sicher waren, daß auf sie kein Zwang ausgeübt worden ist, haben sie sich dieser Operation nicht mehr unterzogen.

Ich selbst habe den hier in Frage kommenden Juden dann auch noch ihr Vermögen zurückgegeben. Damit war die Angelegenheit beendet, wenngleich ich heute sagen muß, je weiter man von diesem Zeitpunkt sich entfernt, um so weniger wird sie einem erklärlich.

M. DEBENEST: Aber sind Sie es gewesen, der diese Idee der Sterilisierung gehabt hatte?

SEYSS-INQUART: Nein, der Vorgang wurde mir von der Sicherheitspolizei gebracht.

M. DEBENEST: Gut. Ich werde Ihnen jetzt ein Dokument vorlegen, 3594-PS, das ich dem Gerichtshof als RF-1526 vorlege. Es handelt sich um eine eidesstattliche Erklärung von Hildegard Kunze, einer Agentin des Reichssicherheitshauptamtes. Ich verlese den dritten Absatz:

»Ich erinnere mich auch, daß er in diesem oder einem anderen Bericht in Vorschlag brachte« – er, das ist Seyß-Inquart – »daß alle jene Juden, die vorzugsweise in Holland verbleiben sollten, sterilisiert werden sollten.«

Es handelt sich also nicht um polizeiliche Dienststellen.

SEYSS-INQUART: Es handelt sich hier um die Richtigkeit des Gedächtnisses einer Stenotypistin, die außerdem in dem dritten Punkt gar nicht behauptet, daß diese Berichte des dritten Punktes jene sind, die sie im zweiten Punkt erwähnte und die sie mir zuschreibt. Es ist ausgeschlossen, daß sie einen Bericht von mir gesehen hat, wo ich eine solche Anregung gab, denn der Fall wurde mir als ein Faktum seitens der Sicherheitspolizei mitgeteilt; also eine bereits geschehene Sache, also eine im Zug befindliche Sache.

M. DEBENEST: Sie behaupten also, daß nicht Sie, sondern die Polizei es gewesen ist? Aber jedenfalls haben Sie es geduldet?

SEYSS-INQUART: Ich habe den Vorgang bezüglich der männlichen Juden eine Zeitlang geduldet, das ist richtig; wobei mir klargelegt wurde, daß auf diese Juden kein direkter Zwang ausgeübt wurde durch Androhung eines Nachteils.

VORSITZENDER: Wir werden uns jetzt für zehn Minuten vertagen.