[Zum Gerichtshof gewandt:]
Ich möchte dem Gerichtshof mitteilen, daß es sich auch hier um die Abschrift eines Protokolls handelt, das von der Kommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen in Amsterdam aufgenommen wurde. Sie ist von den vernommenen Personen unterzeichnet und von einem Affidavit begleitet wie im vorhergehenden Fall. Auch hier kann ich, wenn der Gerichtshof es wünscht, das Original später beschaffen.
VORSITZENDER: Jawohl. Sie werden uns das Original wie in dem anderen Fall vorlegen oder es sich von einem Regierungsmitglied beschaffen lassen.
M. DEBENEST: Jawohl, Herr Vorsitzender.
[Zum Zeugen gewandt:]
Angeklagter! Wollen Sie bitte die Erklärung von Dr. Schöngarth betrachten, Seite 5 des französischen Dokuments. Es ist die dritte Erklärung, fünfter Absatz. Haben Sie es?
SEYSS-INQUART: Ja.
M. DEBENEST: Dr. Schöngarth sagt folgendes:
»Nach dieser Untersuchung ging ich persönlich zu Dr. Seyß-Inquart, dem Reichskommissar in den Niederlanden, mit dem ich den Fall besprochen habe. Seyß-Inquart gab mir den Befehl, die Vergeltungsmaßnahmen zu verschärfen durch Hinrichtung von 200 zum Tode verurteilten Gefangenen am Orte der Missetat. Diese Hinrichtung solle eine abschreckende Wirkung auf die Bevölkerung haben. Durch öffentlichen Aufruf wurde mitgeteilt, daß zahlreiche Personen wegen dieses Attentats hingerichtet werden würden.«
SEYSS-INQUART: Also jedenfalls ist bestätigt, daß es sich hier um Erschießungen handelt von Niederländern, die, wie er sich ausdrückt, zum Tode verurteilt waren, das heißt, die im Sinne des Befehls des Führers wegen irgendeiner Sabotage oder einer sonstigen Angelegenheit ohnehin hätten erschossen werden sollen. Das ist das Erste und Wichtigste. Die Frage ist, ob die Ziffer 200 genannt wurde, und die Frage ist, ob ich es verlangt habe. Ich bleibe, bei dem, was ich zu den Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern bereits erklärt habe. Ich bleibe aber auch bei meiner Darstellung, ich hätte gar nicht die Möglichkeit gehabt, Dr. Schöngarth einen solchen Befehl zu geben. Er ist mir gar nicht unterstanden in solchen Dingen. Ich habe allerdings erklärt, wir müssen in diesen Dingen scharf zugreifen, das ist vollkommen richtig. Die Ziffer 200, ich glaube es waren sogar 230, habe ich erst nachher erfahren. Die Kundmachung, von der er hier spricht, ist von Dr. Schöngarth unterschrieben.
M. DEBENEST: Sie sagten nicht »strenge Maßnahmen«, Sie sagten »verschärfte Vergeltungsmaßnahmen«. Das ist nicht genau das gleiche.
SEYSS-INQUART: Ich habe jetzt die Frage nicht verstanden.
M. DEBENEST: Ich wiederhole. Sie sagten nicht »strenge Maßnahmen«, sondern »verschärfte Vergeltungsmaßnahmen«.
SEYSS-INQUART: Die strengen Maßnahmen, die zu treffen waren, sollten natürlich die Wirkung haben, abzuschrecken. Aber es handelt sich nicht um Repressalien, das heißt um die Erschießung von Leuten, die sonst gar nicht in Frage gekommen wären, erschossen zu werden.
M. DEBENEST: Ja, es scheint mir, daß dieses Dokument immerhin recht klar ist. Es handelt sich um Repressalien infolge des Attentats auf Rauter.
SEYSS-INQUART: Die in der Weise durchgerührt werden, daß Vollstreckungen vorgenommen werden, die sonst auf jeden Fall auch vorgenommen werden müssen, denn er bestätigt hier, daß es sich um zum Tode Verurteilte handelt.
M. DEBENEST: Ich bitte, noch einmal zu wiederholen, die Übersetzung ist nicht durchgekommen.
SEYSS-INQUART: Es handelt sich hier um die Erschießung von Männern, die auch sonst erschossen worden wären, denn es heißt ausdrücklich, daß sie bereits zum Tode verurteilt worden waren, und zwar wie im nächsten Absatz steht.
VORSITZENDER: Das haben Sie bereits gesagt, ich habe es vor fünf Minuten niedergeschrieben.
Er hat es schon gesagt. Das Dokument spricht doch für sich, Herr Debenest.
M. DEBENEST: Jawohl, Herr Präsident.