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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Wenn Sie sich vielleicht ganz kurz fassen.

SCHMIDT: Den Schluß?

DR. STEINBAUER: Ja.

SCHMIDT: All dies führte nunmehr zum Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen des Deutschen Reiches, und hiermit tritt der Kampf, der Lebenskampf Österreichs um seine wirtschaftliche Existenz in eine sehr heiße Phase. Aus diesen Erwägungen heraus, also auch aus wirtschaftlichen Gründen, versuchte nunmehr Bundeskanzler Schuschnigg mit dem Deutschen Reich zu einer Verständigung zu gelangen und die wirtschaftlichen Beziehungen, die bis dahin völlig abgebrochen waren, wieder zu normalisieren, also Aufhebung der Tausend-Mark-Sperre, Wiederbelebung des Fremdenverkehrs, Wiederbelebung des Flusses der Wirtschaftsgüter, damit Stillen der Klagen, die ja auch aus den Provinzen in Österreich gekommen waren wegen des Absatzes der landwirtschaftlichen Produkte, Holz, Getreide, Vieh und so weiter. Das sind im großen und ganzen die wesentlichen Erwägungen gewesen.

DR. STEINBAUER: Herr Zeuge! Ich frage Sie nun: Hat Dr. Seyß-Inquart bei Vorbereitung oder beim Abschluß dieses Übereinkommens vom Juli 1936 mitgewirkt?

SCHMIDT: Nein. Der Bundeskanzler Schuschnigg arbeitete bei diesen Verhandlungen ausschließlich mit Minister Glaise-Horstenau, der als Vertreter der sogenannten nationalen Opposition fungierte.

VORSITZENDER: Es tut mir leid, es gibt wieder eine Störung in der Leitung; machen wir also eine Pause.

[Pause von 10 Minuten.]

DR. STEINBAUER: Herr Zeuge! Dr. Seyß-Inquart ist dann im Frühjahr 1937 in die Politik eingetreten, und Sie haben ihn vermutlich damals erst kennengelernt?

SCHMIDT: Ja, ich lernte ihn erst im Sommer 1937 kennen.

DR. STEINBAUER: Ich gehe nun zeitlich weiter und möchte Sie fragen: Welche innen- und außenpolitischen Gründe führten nun zu der bekannten Zusammenkunft Adolf Hitlers und Dr. Schuschniggs in Berchtesgaden?

SCHMIDT: Diese Frage erfordert doch eine sehr eingehende Beantwortung. Ich bitte um die Erlaubnis, mich etwas ausführlicher fassen zu dürfen zu diesem Punkte.

Um die Jahreswende 1937/1938 war neuerdings eine Verschlechterung der außenpolitischen Lage Österreichs eingetreten. Italien war zugunsten Francos in Spanien ein Engagement eingegangen, das sein militärisches und politisches Gewicht in zentral-europäischen Fragen weiter herabsetzte. Was wir die »Wacht am Brenner« nennen, hatte praktisch zu bestehen aufgehört, und Deutschland hatte wohl weitgehend freie Hand gegenüber Österreich bekommen.

VORSITZENDER: Herr Dr. Steinbauer! Der Gerichtshof hat Kenntnis der Geschichte dieser Zeit, und es ist wirklich nicht notwendig, das hier im einzelnen zu behandeln.

DR. STEINBAUER: Herr Zeuge! Dann möchte ich Sie bitten, mir zu sagen, waren Sie damals mit am Obersalzberg?

SCHMIDT: Ja. Ich möchte hinzufügen, wenn ich die geschichtliche Entwicklung übergehen soll – als solche mußte ich die Frage auffassen –, daß der Bundeskanzler die Einladung angenommen hat, um Österreich den Vorwurf zu ersparen, es hätte einen friedlichen Versuch zur Bereinigung der bestehenden Differenzen zwischen Österreich und dem Deutschen Reich ausgeschlagen. Der Bundeskanzler war also keineswegs etwa optimistisch gewesen; dies schon deshalb nicht, weil die bestehenden Meinungsdifferenzen sehr groß waren und auch nicht im Hinblick auf die Persönlichkeit des Gesprächspartners. Ich erinnere mich, daß Schuschnigg mir vor der Abreise sagte, er wäre der Meinung, daß es vielleicht besser gewesen wäre, Professor Wagner-Jauregg, Wiens größten Psychiater, an seiner Stelle zu entsenden. Er hat es aber getan, weil er angesichts der äußerst heiklen und exponierten Lage Österreichs glaubte annehmen zu müssen, um eine Gewaltaktion zu vermeiden und Zeit zu gewinnen; Zeit zu gewinnen, bis sich die internationale Lage zugunsten Österreichs verbessern könnte. Leider haben wir recht gehabt in der Besorgnis eines kommenden Angriffs oder einer kommenden Schwierigkeit, haben wir recht gehabt in der Befürchtung, daß Österreich ganz allein gelassen würde. Die Erkenntnis dieses völligen Verlassenseins war also mit vielleicht einer der wesentlichsten Gründe Schuschniggs, zusammen mit der Erwägung, diese schwierige Zeit zu überbrücken und Zeit zu gewinnen. Österreich mußte diesen schweren Weg in die dunkle Zeit, die sich nun auftat in den letzten Wintertagen 1937/1938, in Berchtesgaden bis März 1938, ohne das Licht einer nahen oder fernen Hilfe gehen. So kam es zu Berchtesgaden.

DR. STEINBAUER: Haben Sie nun von den bekannten Vorgängen in Berchtesgaden als Außenminister die Großmächte verständigt?

SCHMIDT: Ja. Entgegen vielfachen Behauptungen der Presse wurden die interessierten Großmächte eingehend sowohl vor Berchtesgaden wie nach Berchtesgaden unterrichtet. Ich habe dem Leiter der Politischen Abteilung – an diese wendet sich bekanntlich das Diplomatische Korps zuerst – alles Material sowohl materieller wie formeller Natur zur Verfügung gestellt. Der Bundeskanzler selbst und ich haben die in Wien akkreditierten Vertreter eingehend unterrichtet und auch auf die gefahrvolle Lage des Landes aufmerksam gemacht.

VORSITZENDER: Verzeihen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Wir wollen die Einzelheiten nicht. Sie haben gesagt, daß Sie die fremden Staaten vorher und nachher unterrichtet hätten; das genügt.

DR. STEINBAUER: Wir kehren jetzt zum Angeklagten zurück. Ich frage Sie, hat Dr. Seyß-Inquart an diesen Besprechungen teilgenommen?

SCHMIDT: An welchen Besprechungen?

DR. STEINBAUER: In Berchtesgaden.

SCHMIDT: Nein.

DR. STEINBAUER: Er ist dann Innenminister und Polizeiminister geworden und zu Hitler gefahren nach Berlin. Meldete er den Inhalt seiner ersten Besprechung mit Adolf Hitler an Schuschnigg?

SCHMIDT: Das ist mir nicht bekannt. Wohl aber weiß ich einzelne Äußerungen von Staatssekretär Zernatto, aus denen ich schließen kann, daß eine Unterhaltung über diese Besprechung zwischen Minister Zernatto, dem Leiter der Vaterländischen Front, und Seyß-Inquart stattgefunden haben muß.

DR. STEINBAUER: Es ist daher anzunehmen, daß durch Zernatto auch Schuschnigg davon Kenntnis erhalten hat?

SCHMIDT: Ja, ich nehme an.

DR. STEINBAUER: Wir gehen jetzt zeitlich wieder weiter. Es kommen nun die Märztage; Schuschnigg plant eine Volksabstimmung. Ist Ihnen bekannt, ob Schuschnigg hiervon Seyß-Inquart verständigt und mit ihm gesprochen hat?

SCHMIDT: Ja. Seyß-Inquart wurde davon verständigt. Ich habe erfahren, daß auch etwa um den 10. März eine Einigung zwischen Seyß-Inquart und dem Bundeskanzler stattgefunden hat; denn der Kanzler erzählte mir, daß Seyß-Inquart sich sogar bereitgefunden habe, für die Wahl am Radio zu sprechen.

DR. STEINBAUER: Als nun Glaise-Horstenau berichtete, daß ein Einmarsch drohe, haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Außenminister die auswärtigen Mächte hiervon verständigt?

SCHMIDT: Ja. Eine direkte Mitteilung von Glaise- Horstenau habe ich nicht erhalten. Ich erfuhr von der kritischen Lage erst durch das ultimative Schreiben, in dem die Absetzung des vom Bundeskanzler für den 13. März ausgeschriebenen Plebiszites verlangt wurde. Von da ab hat den ganzen März... den 11. März hindurch, Kontakt mit dem diplomatischen Korps in Wien und später, in den Stunden darauf, auch mit unseren Auslandsvertretungen bestanden.

DR. STEINBAUER: Es haben sich dann die Forderungen des Deutschen Reiches überstürzt; insbesondere wurde auch die Forderung gestellt, daß Schuschnigg zurücktreten müsse. Die Minister waren versammelt, und da soll ein Regierungsmitglied zu Seyß-Inquart folgendes gesagt haben: »Wir sehen jetzt klar, daß das Reich mit Österreich Schluß macht. Es ist das beste, daß Seyß-Inquart das Bundesamt übernähme, damit der Übergang wenigstens erträglich wäre.« Erinnern Sie sich an eine derartige Äußerung?

SCHMIDT: Nein. Ich habe lediglich später von einer Äußerung des Ministers Glaise-Horstenau erfahren, die die besagte Aufforderung an Seyß-Inquart beinhaltete.

DR. STEINBAUER: Haben Sie den Eindruck gehabt, daß mit der Abschiedsrede Schuschniggs auch die von ihm geführte Vaterländische Front zusammenbrach?

SCHMIDT: Ich glaube, die Frage trifft nicht die Situation. Es wurde ja die Demission des Kanzlers ultimativ gefordert und schließlich der Staat überrannt, so daß natürlich damit die Existenz der Vaterländischen Front auch hinweggefallen war, denn mit dem Einmarsch der deutschen Truppen war der Nationalsozialismus eine Realität geworden, die wohl, das hat ja die Entwicklung gezeigt, der Vaterländischen Front kein Leben mehr ließ.

DR. STEINBAUER: Seyß-Inquart wurde dann zum Bundeskanzler designiert, hat seine Kabinettsliste zusammengestellt und Sie, Herr Zeuge, als Außenminister in Aussicht gestellt. Ist das richtig?

SCHMIDT: Das ist richtig. Ich habe abgelehnt. Ich wurde noch einmal aufgefordert, habe neuerdings mich geweigert und darauf nach dem Grunde gefragt. Da hat mir Seyß-Inquart erklärt, er habe die Absicht, Österreich, so lange es ginge, selbständig zu halten. Er fürchte, mit seiner Regierung nationalsozialistischer Majorität im Westen auf Schwierigkeiten zu stoßen und wolle daher der Regierung meine diplomatischen Erfahrungen und Beziehungen erhalten. Er fügte hinzu, er habe die Absicht, durch Heranziehung positiver österreichischer Vertreter, eine breitere Plattform für diese Regierung zu schaffen.

DR. STEINBAUER: Haben Sie Namen solcher positiver Österreicher in dieser Ministerliste vorgefunden?

SCHMIDT: Es kamen Namen dieser Art vor. Ich habe mir selbst schon den Kopf zerbrochen, kann mich aber mit Bestimmtheit an einzelne nicht mehr erinnern.

DR. STEINBAUER: Ist Ihnen bekannt, warum dann eine andere Liste von Ministern zustande gekommen ist, die die endgültige war?

SCHMIDT: In den Abendstunden traf Staatssekretär Keppler aus Berlin ein, und wie ich später erfuhr, lehnte er mich und, ich glaube, auch noch andere, wenigstens von einem Mann glaube ich es zu wissen, ab. Ich glaube, daß er auch den Vorschlag machte im Auftrage Berlins, daß Weber das Außenministerium übernehmen solle. So fiel diese Liste weg, und Seyß bemühte sich nicht mehr, mich von meinem negativen Entschluß abzubringen.

DR. STEINBAUER: Glauben Sie, daß Seyß-Inquart die Absicht gehabt hat, Österreich, zwar unter nationalsozialistischer Führung, unabhängig zu erhalten?

SCHMIDT: Als Zeuge kann ich nur sagen, was ich weiß. Meinungsäußerungen sind sehr schwer. Ich habe diese Erklärung, die er mir gegeben hat, festgestellt.

DR. STEINBAUER: Danke, dann habe ich keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.

DR. KUBUSCHOK: Laut einer Erklärung des seinerzeitigen Amerikanischen Gesandten in Wien, Mr. Messersmith, soll Herr von Papen bei Beginn seiner Wiener Tätigkeit sich dahin geäußert haben, seine wirkliche Aufgabe in Wien sei die wirtschaftliche und politische Einverleibung Südosteuropas durch Deutschland. Südosteuropa sei das natürliche Hinterland Deutschlands. Haben Sie, Herr Zeuge, von einer solchen Äußerung einmal Kenntnis erhalten?

SCHMIDT: Nein. Bei dem engen Verkehr, den ich immerhin schon vor meiner Ernennung zum Regierungsmitglied, dann insbesondere später mit dem Gesandten Messersmith hatte, hätte ich wohl davon erfahren. Ich nehme an, daß dieser Frage aber doch nicht irgendeine besondere Bedeutung beigemessen wurde, weil es sich bei ersten Besuchen zwischen Diplomaten in der Regel ergibt, daß sie eine »Tour d'horizon« machen und beide Länder interessierende, allgemeine politische Fragen erörtern.

Ich habe ja auch später nicht festgestellt, daß Südosteuropapolitik von der Deutschen Gesandtschaft aus betrieben worden wäre.

DR. KUBUSCHOK: Nach den gleichen Angaben des Mr. Messersmith soll damals Herr von Papen auch geäußert haben, er arbeite auf die Schwächung und Unterminierung der Österreichischen Regierung hin. Hat der Zeuge Messersmith Ihnen eine derartige Äußerung des Herrn von Papen einmal wiedergegeben?

SCHMIDT: Nein.

DR. KUBUSCHOK: Hielt die Österreichische Regierung es für nützlich und notwendig, die Beziehungen zum Reich durch ein Abkommen, wie es im Juli 1936 geschah, wieder zu normalisieren?

SCHMIDT: Ja. Ich habe die realpolitischen Gründe bereits auseinandergesetzt, die also außenpolitischer und wirtschaftlicher Art waren.

DR. KUBUSCHOK: Waren hierbei und auch bei den späteren Verhandlungen innerpolitische Gründe, insbesondere die Regelung der Parteifrage mitbestimmend?

SCHMIDT: Selbstverständlich war es die Aufgabe der Regierung, die innerpolitische Spannung zu lösen. Der Bundeskanzler mußte sich bemühen, Wege aus der schwierigen Situation, die er von Dollfuß geerbt hatte, durch Abbau der innerpolitischen Fronten zu suchen.

DR. KUBUSCHOK: Glauben Sie, daß Herr von Papen den Julivertrag 1936 in betrügerischer Absicht abgeschlossen hat?

SCHMIDT: Nein. Ich habe keinen Anlaß gehabt festzustellen, daß er in diesem Abkommen nicht einen ernsten Versuch zur Schaffung eines Modus vivendi zwischen Österreich und dem Reich erblickt hätte. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß es schließlich nur ein Modus mali vivendi wurde.

DR. KUBUSCHOK: Wurde deutscherseits darüber Klage geführt, daß auch nach dem Abkommen vom 11. Juli 1936 keine wesentliche Änderung des innerpolitischen Kurses der Österreichischen Regierung eingetreten sei?

SCHMIDT: Ja. Derartige Vorhaltungen kehrten immer wieder. Damit kommen wir auch auf die letzte und wirkliche Ursache des Konflikts mit dem Reich. Kampf dem Nationalsozialismus im Innern im Interesse der Erhaltung der Selbständigkeit des Landes und Zusammenarbeit auf Grund des Vertrags vom 11. Juli mit dem Deutschen Reich, dessen Führung nationalsozialistisch war, waren zwei gebieterische Forderungen, die sich für die Österreichische Regierung auf die Dauer als unvereinbar erwiesen. Damit beleuchten wir auch die Schwierigkeiten der Aufgabe aller, die mit der Durchführung dieses Vertrags in Wien zu tun hatten, auch des Deutschen Gesandten.

DR. KUBUSCHOK: Waren auf Grund dieser Verhältnisse, insbesondere dann des Juli-Abkommens, auch Fragen der inneren Politik, zum Beispiel sachliche und personelle Fragen der sogenannten nationalen Opposition, Gegenstand von Erörterungen zwischen dem Bundeskanzler und Herrn von Papen?

SCHMIDT: Die eben geschilderte Lage zeigt, daß derartige Erörterungen wohl unvermeidlich waren und daß auch zwischen dem Bundeskanzler und dem Deutschen Gesandten, wie ja auch mit dem Italienischen Gesandten, Unterhaltungen über die innerpolitische Lage stattgefunden haben. Dies ist, auch allgemein gesehen, wohl nicht unüblich. Ich kenne keine diplomatischen Memoiren, die nicht auch Aufzeichnungen dieser Art enthalten würden. Zu Einmischungsversuchen hätte es der Bundeskanzler allerdings in keinem Punkte, in keinem Falle, kommen lassen. In personellen Fragen war nun Schuschnigg besonders zurückhaltend, weil er Angst – wenn ich so sagen darf – vor trojanischen Pferden hatte.

Das dürfte ungefähr die Situation darstellen, die in solchen Besprechungen zwischen Kanzler einerseits und dem Deutschen Gesandten andererseits besprochen wurde.

DR. KUBUSCHOK: Trat der Gegensatz des Herrn von Papen zu den Methoden der illegalen Partei deutlich in Erscheinung?

SCHMIDT: Ja. Nach den der Regierung zugekommenen Informationen hat die illegale Parteileitung, also insbesondere Leopold, Papen abgelehnt. Dies ist gewiß auch auf Verschiedenheiten grundsätzlicher Art, also auch grundsätzlich verschiedene politische Auffassungen und verschiedene politische Wege, zurückzuführen, die Papen einerseits und die illegale Parteileitung andererseits zu gehen entschlossen waren.

DR. KUBUSCHOK: Hat Herr von Papen unter Berufung auf das Juli-Abkommen jemals in den österreichischen außenpolitischen Fragen eine aggressive Haltung eingenommen?

SCHMIDT: Es gab zwischen Österreich und dem Reich nicht nur auf kulturellem innerpolitischem Gebiet, sondern auch auf außenpolitischem Gebiet unüberbrückbare Meinungsdifferenzen. Ich erwähne kurz die Forderung des Reiches, Österreich solle aus dem Völkerbund austreten, die wir mit dem Hinweis auf die geographisch-geschichtlich begründete kontinentale Sendung Österreichs und auf die Völkerbundsanleihen zurückwiesen.

Ein zweiter Punkt wäre die Haltung Österreichs...

VORSITZENDER: Ist das überhaupt eine Antwort auf die Frage, die Sie ihm gestellt haben?

DR. KUBUSCHOK: Er bringt erst eine Einleitung zur Antwort.

VORSITZENDER: Bitte, versuchen Sie, die Antwort darauf zu erhalten. Bringen Sie den Zeugen zum Thema und lassen Sie die Einleitung fort.

DR. KUBUSCHOK: Es kommt mir darauf an zu wissen, ob Herr von Papen Möglichkeiten für eine aggressive Einmischung in die österreichische Außenpolitik in den einzelnen von Ihnen genannten Fällen ausgenutzt hat oder nicht.

SCHMIDT: Das wollte ich mit meinen Worten dartun, daß trotz der bestehenden tiefgreifenden Differenz dies nicht geschehen ist und daß vielleicht ein Gesandter radikalerer Einstellung gewisse Gelegenheit und Anlaß zu einem schärferen Vorgehen gegen Österreich genommen hätte. Wir haben nicht in einem einzigen Fall uns mit dem Deutschen Reich über ein gemeinsames außenpolitisches Vorgehen verständigt. Papen hat wohl daran erinnert, aber bei der Erinnerung ist es geblieben. Also von einer Aggression oder von einer aggressiven Tätigkeit, besser gesagt, kann ich auf diesem Gebiete nicht reden.

DR. KUBUSCHOK: Hat im Gegenteil Herr von Papen auch teilweise besonders aktiv vermittelnd gewirkt? Ich möchte an den Fall Pinkafeld erinnern.

SCHMIDT: Der Flaggenzwischenfall von Pinkafeld ist ein Beispiel der vermittelnden Tätigkeit, die Papen ausgeübt hat. An und für sich ein völlig harmloser Zwischenfall führte zu Einmarschdrohungen seitens Hitler. Papen wurde nach Berlin zitiert und hatte alle Mühe, Hitlers Zorn, der, wie ich sagte, bis zu Einmarschdrohungen führte, zu beschwichtigen.

VORSITZENDER: Herr Zeuge! Es wäre dem Gerichtshof willkommen, wenn Sie etwas schneller sprächen.

SCHMIDT: Der Fall ist dann auch ohne irgendwelche Schwierigkeiten durch Herrn von Papen beigelegt worden.

DR. KUBUSCHOK: Ist beigelegt worden. Hat sich Herr von Papen Ihnen gegenüber über die Gründe seiner Abberufung am 4. Februar 1938 ausgesprochen?

SCHMIDT: Er gab bei einem Besuch am 5. früh seiner Verwunderung und seinem Zorn, möchte ich sagen, über seine Abberufung Ausdruck, die nach seiner und auch unserer Meinung durch die personellen Veränderungen des 4. Februar 1938, Abberufung des Generaloberst Fritsch und 30 anderer Generale, Abberufung Neuraths, in einem besonderen Licht standen und die auch für Österreich nicht ohne Auswirkung bleiben sollte, wie er meinte, insbesondere im Hinblick auf die uns damals genannte Person seines Nachfolgers, als der Bürckel oder Generalkonsul Knebel in Aussicht genommen war. Das war ungefähr die Darstellung, die Papen mir und, glaube ich, auch dem Bundeskanzler gegeben hat.

DR. KUBUSCHOK: Er glaubte also und befürchtete, daß nunmehr sein Nachfolger eine verschärfte Politik gegenüber Österreich einschlagen würde?

SCHMIDT: Im Hinblick auf die beiden genannten Personen mußte darauf geschlossen werden.

DIR. KUBUSCHOK: Hat Herr von Papen sich bei den Besprechungen in Berchtesgaden an dem auf Sie und Schuschnigg ausgeübten Druck beteiligt?

SCHMIDT: Nein, Papen hat keinen Druck ausgeübt.

DR. KUBUSCHOK: Hat er vielmehr, soweit er überhaupt Gelegenheit hatte, sich an der Verhandlung zu beteiligen, versucht, die Forderungen Hitlers abzuschwächen?

SCHMIDT: Bei der Atmosphäre der Gewalttätigkeit, die herrschte, und dem Forderungsprogramm, das vorgelegt wurde, war dies, möchte ich sagen, nicht schwer. Ich glaube, daß er wie mancher Anwesende die Ruhe herzustellen bemüht war, um irgendeinen vernünftigen Verlauf der Verhandlungen zu sichern.

DR. KUBUSCHOK: Es sind im Laufe der Verhandlungen ja auch eine Anzahl von Konzessionen gemacht worden. Glauben Sie, daß die Gesamthaltung, die Gesamtbeteiligung des Herrn von Papen bei dieser Verhandlung insoweit mäßigend gewirkt und zu diesem für Sie praktischen Erfolg geführt hat?

SCHMIDT: Die Gesamthaltung war gewiß vermittelnd. Von Erfolg kann man in Berchtesgaden, soweit das Ergebnis zur Diskussion steht, nicht sprechen. Daran ist aber von Papen nicht schuld.

VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Glauben Sie, daß Sie in ein paar Minuten zu Ende sein können?

DR. KUBUSCHOK: Ja.