[Keine Antwort.]
VORSITZENDER: Wünscht die Anklagevertretung ein Kreuzverhör?
M. DEBENEST: Zeuge! Sie wurden von Seyß-Inquart selbst dazu ausersehen, das Amt eines Generalkommissars in den Niederlanden auszuüben?
WIMMER: Ja.
M. DEBENEST: Sie kannten Seyß-Inquart scholl seit mehreren Jahren?
WIMMER: Jawohl.
M. DEBENEST: Gehörten Sie nicht schon seit 1938 zu seinen Mitarbeitern?
WIMMER: Ja.
M. DEBENEST: Stimmt es, daß während der Besetzung der Niederlande eine große Anzahl von Mitgliedern der NSB und prodeutsche Elemente nicht nur in führende Stellungen eingesetzt wurden, sondern auch untergeordnete Posten der holländischen Polizei erhielten, und daß diese Leute dazu bestimmt waren, die Befehle der Besatzungsbehörden auszuführen, wie zum Beispiel Verhaftungen von Juden, Mitgliedern der Widerstandsbewegung und Geiseln?
WIMMER: Daß Mitglieder der NSB und deutschfreundlicher Gruppen in höheren und niedrigen Funktionen durch den Reichskommissar eingesetzt worden sind, kann ich bestätigen. Der prozentuale Anteil an der Gesamtheit der niederländischen Beamtenschaft und Angestelltenschaft des öffentlichen Sektors hat, glaube ich, aber selbst am Ende der Besatzungszeit die Beteiligung dieser Gruppen an der niederländischen Bevölkerung prozentual nicht übertroffen...
M. DEBENEST: Ich habe doch ausdrücklich von der Polizei gesprochen. Antworten Sie darauf.
WIMMER: Meinen Sie nur die Polizei?
M. DEBENEST: Ja, das habe ich schon gesagt: die Polizei.
WIMMER: Ja, das ist mir bekannt. Ich glaube aber nicht, daß diejenigen Mitglieder deutschfreundlicher Gruppen spezielle Aufträge bekommen haben, sondern ich glaube, daß sie die Aufträge genau so bekommen haben wie die anderen gleichgelagerten Beamten auch. Ich kann aber darüber Detailliertes nicht sagen, da ich ja mit der Polizei sehr wenig zu tun gehabt habe.
M. DEBENEST: Wenn Beamte der holländischen Polizei sich weigerten, Befehle, die ihnen von den Besatzungsbehörden gegeben waren, auszuführen und wenn sie dann ihre Posten verließen, haben dann die deutschen Behörden nicht die Mitglieder ihrer Familien als Geisel verhaftet, wie zum Beispiel ihre Frauen oder Kinder?
WIMMER: Daran entsinne ich mich nicht.
M. DEBENEST: In keinem Falle?
WIMMER: Daß die Angehörigen von Polizeibeamten festgenommen worden sind, die Familienangehörigen?
M. DEBENEST: Ja, die Angehörigen derer, die die Befehle der deutschen Behörden nicht ausführten?
WIMMER: Entsinne ich mich nicht.
M. DEBENEST: Nun, sehr gut. Vielleicht erinnern Sie sich daran, daß Familienmitglieder holländischer Staatsangehöriger, die Widerstand leisteten... die in irgendeiner Art Widerstand leisteten, als Geiseln verhaftet wurden?
WIMMER: Davon habe ich gehört.
M. DEBENEST: Es wurden also in solchen Fällen Geiseln verhaftet? Man hat also Geiseln verhaftet?
WIMMER: Sie nennen das »Geiseln«. Meinen Sie auch solche Fälle, verbinden Sie diesen Ausdruck auch mit solchen Fällen, wo die betroffenen Personen nicht damit zu rechnen hätten, daß sie dabei das Leben verlieren, daß es ihnen den Kopf kostet?
M. DEBENEST: Vorläufig stelle ich Ihnen die Fragen, und Sie antworten. Haben Sie nicht zum Beispiel vom Rektorat der Universität Amsterdam einen Einspruch erhalten wegen der Tatsache, daß die Frau und die Kinder eines Professors dieser Universität als Geiseln verhaftet worden waren?
WIMMER: Ich entsinne mich daran nicht, es ist aber möglich, daß eine derartige Beschwerde in der zu meinem Generalkommissariat gehörigen Hauptabteilung »Erziehung« eingelaufen ist.
M. DEBENEST: Jedenfalls bestreiten Sie diese Tatsache nicht?
WIMMER: Ich kann sie nicht hundertprozentig bestreiten, ich weiß aber davon nichts.
M. DEBENEST: Nun zu einer anderen Frage: Nachdem den Studenten an den Hochschulen eine Loyalitätserklärung aufgezwungen wurde, wurden nicht diejenigen, die diese Loyalitätserklärung nicht abgeben wollten, dazu gezwungen, sich sofort zu stellen, um beim Arbeitsdienst eingesetzt zu werden, und wurden sie nicht nach Deutschland transportiert, ehe noch ihr Jahrgang einberufen wurde?
WIMMER: Jawohl, doch nicht beim Arbeitsdienst. Sie meinen den Arbeitseinsatz?
M. DEBENEST: Das spielt doch keine Rolle, sie wurden jedenfalls auf Grund dieser Tatsache nach Deutschland deportiert.
WIMMER: Ja, und zwar auf Grund einer Anordnung des Höheren SS- und Polizeiführers.
M. DEBENEST: Stimmt es nicht, daß zahlreiche tiefgehende Reformen vom Reichskommissar eingeführt wurden auf allen Lebensgebieten des niederländischen Volkes und, daß diese Reformen im Widerspruch zur Verfassung standen?
WIMMER: Das kann man nicht behaupten.
M. DEBENEST: Aber jedenfalls gilbt es doch Reformen, nicht wahr?
WIMMER: Gewiß, ja, die kriegsbedingt gewesen sind und durch die Tatsache der Besetzung bedingt gewesen sind. Es kommt noch ein drittes Moment dazu; die bedingt gewesen sind durch die Abwesenheit von Staatsoberhaupt und Regierung.
VORSITZENDER: M. Debenest! Wäre es nicht besser, ihm genau bestimmte Einzelheiten vorzuhalten, über die Sie etwas wissen wollen, anstatt allgemeine Fragen zu stellen, die es ihm ermöglichen, die Sache in die Länge zu ziehen.
M. DEBENEST: Gewiß, Herr Vorsitzender.