[Der Angeklagte betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Wollen Sie bitte Ihren vollen Namen angeben?
FRANZ VON PAPEN: Franz von Papen.
VORSITZENDER: Sprechen Sie mir den folgenden Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«
[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]
VORSITZENDER: Sie können sich setzen.
DR. KUBUSCHOK: Geben Sie bitte dem Tribunal in kurzen Zügen eine Darstellung Ihres Lebenslaufes, insbesondere von dem Zeitpunkt ab, in dem Sie in die Politik eintraten.
VON PAPEN: Bei einer kurzen Schilderung meines Lebenslaufes werde ich nur die Punkte hervorheben, die wesentlich sein werden für die Beurteilung des Gerichts über meine Persönlichkeit, insoweit sie nämlich von Einfluß auf die Gestaltung meines Lebens, meiner politischen Auffassung, geworden sind.
Ich bin geboren auf einer Scholle, die seit 900 Jahren im Besitze meiner Familie ist, in den konservativen Grundsätzen aufgewachsen, die den Menschen aufs engste mit seinem Volk und seinem heimatlichen Boden verbindet, und da mein Geschlecht immer eine feste Stütze der Kirche gewesen ist, bin ich selbstverständlich auch in dieser Tradition aufgewachsen.
Als der zweite Sohn meiner Eltern wurde ich für die militärische Laufbahn bestimmt. Mit 18 Jahren wurde ich Leutnant in einem Kavallerieregiment, und ich durchschritt die übliche Laufbahn der Berufs...
VORSITZENDER: Ich glaube, Sie haben uns Ihr Geburtsdatum nicht angegeben.
DR. KUBUSCHOK: Geben Sie bitte Ihr Geburtsdatum an.
VON PAPEN: Das Datum meiner Geburt ist der 29. Oktober 1879.
VORSITZENDER: Sie haben gesagt, daß Sie im Alter von 18 Jahren einem Kavallerieregiment beitraten.
VON PAPEN: Wesentlich für meine Entwicklung...
DR. KUBUSCHOK: Es liegt wohl ein Übersetzungsfehler vor, mit 18 Jahren ist der Angeklagte beigetreten, nicht 1918, sondern mit 18 Jahren.
VORSITZENDER: Das habe ich auch gesagt.
VON PAPEN: Wesentlich für meine Entwicklung ist sodann meine Vermählung mit der Töchter des saarländischen Industriellen, des Geheimrats von Boch. Die Verwandtschaft dieser Familie hat mich mit zahlreichen französischen und belgischen Familien zu einer intimen Kenntnis der geistigen und kulturellen Faktoren dieser Nachbarländer geführt, die damals einen lebhaften Eindruck auf mich machten. Es ist schon seit dieser Zeit, seit 1905, daß ich die Überzeugung gewann, wie falsch eine gewisse politische Einstellung sei, daß Frankreich und Deutschland verurteilt seien, einander ewig als Feinde zu betrachten. Ich empfand, wieviel beide Völker sich gegenseitig zu geben hätten, wenn ihre friedliche Entwicklung nicht gestört würde.
In den folgenden Jahren absolvierte ich die Kriegsakademie, und ich wurde 1913, nach fünfjähriger Vorbereitung, in den Generalstab übernommen. Ende 1913 wurde ich auf Befehl seiner Majestät des Kaisers zum Militär-Attaché in Washington und in Mexiko ernannt. In dieser Eigenschaft habe ich im Sommer 1914 das USA-Expeditionskorps begleitet, das nach Vera Cruz geschickt wurde infolge des Zwischenfalles von Tampico. In Mexiko überraschte mich der Ausbruch des ersten Weltkrieges. Bis Ende 1915 verblieb ich in meiner Stellung in Washington.
Dieser Abschnitt ist von einer einschneidenden Bedeutung für mein politisches Leben geworden. Unser mit legalen Mitteln geführter Kampf gegen die einseitige Belieferung unserer Feinde mit Kriegsmaterial führte zu einer heftigen Polemik und Propaganda. Diese von der Feindseite genährte Propaganda suchte die militärischen Attachés Deutschlands mit allen Mitteln zu verdächtigen, illegale Akte, insbesondere Sabotageakte, organisiert zu haben.
Nachdem ich Ende 1915 die United States verlassen habe, habe ich leider niemals versucht, diese falsche Propaganda richtig zu stellen. Aber diese Propaganda hat mich verfolgt bis in die Dreißiger Jahre, ja bis heute, und sie hat mir ihren Stempel aufgedrückt, denn noch nach 1931 stellte beispielsweise, um nur einen Fall zu nennen, die Lehigh Valley Company vor der Mixed Claims Commission die Behauptung auf, ihr Claim an das Deutsche Reich von 50 Millionen Dollar sei gerechtfertigt, weil ich, der Deutsche Militär-Attaché, eine Sprengung verursacht hätte, die im Jahre 1917 stattfand, zwei Jahre, nachdem ich die Vereinigten Staaten verlassen hatte.
Ich erwähne dies, Herr Präsident, weil diese Propaganda mich mit Titeln beehrt hat, wie »Master Spy«, »Chief Plotter« und andere schöne Namen, weil diese Propaganda den Untergrund bildete für die Beurteilung meiner Persönlichkeit, die ich 1932 gefunden habe, als ich in das öffentliche Leben eintrat.
VORSITZENDER: Ich glaube, das wäre ein passender Zeitpunkt, um die Verhandlung zu unterbrechen.