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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Sie haben vorhin erklärt, daß Sie mit Hitler vor der Regierungsbildung keine Fühlungnahme gehabt haben. Wann haben Sie Hitler zum erstenmal gesehen, und welche Abmachungen haben Sie hierbei getroffen?

VON PAPEN: Ich sagte schon, daß ich Hitler zum ersten Male am 9. oder 10. Juni gesehen habe. Diese Besprechung diente dem Ziel, festzustellen, unter welchen Bedingungen Hitler bereit sein würde, meine Regierung zu tolerieren. Mein Programm enthielt so viele Punkte auf sozialem Gebiet, daß eine Billigung dieses Programms durch den Nationalsozialismus durchaus zu erwarten war. Hitlers Forderung für eine solche Behandlung des Regierungsprogramms war die Aufhebung des Uniformverbotes der SS, das heißt, die politische Gleichstellung seiner Partei mit anderen Parteien. Ich bin damals darauf eingegangen, um so mehr, als das Verbot der SS seitens der Regierung Brüning eine offenbare Ungerechtigkeit war. Man hatte die SS... die SA verboten, aber die uniformierten Verbände der Sozialisten und der Kommunisten, nämlich Rotfront und das Reichsbanner, hatte man nicht verboten.

Der Erfolg meiner Zusage an Hitler war, daß Hitler sich verpflichtete, meine Regierung zu tolerieren.

DR. KUBUSCHOK: Ich mochte einen Fehlausdruck des Zeugen berichtigen. Er sprach von »SS«, und meinte »SA«. SS gab es damals nicht.

Ich verweise auf das Dokument 1, Seite 3, und zwar betrifft das eine Erklärung des Reichspräsidenten zu der Aufhebung des Verbotes der SA. Der Reichspräsident weist darauf hin, daß er die Aufhebung unter ausdrücklicher Voraussetzung dekretiert hätte, daß Gewalttätigkeiten in Zukunft unterbleiben würden. Er sagt weiterhin, daß er entschlossen sei, daß er mit allen ihm verfassungsmäßig zustehenden Mitteln gegen Ausschreitungen jeder Art vorgehen würde, falls sich diese Erwartung nicht erfülle.

[Zum Zeugen gewandt:]

Geben Sie, Herr Zeuge, eine kurze Darstellung Ihrer Bemühungen und über den Verlauf der Lausanner Konferenz im Juni 1932, die einen so großen Einfluß auf das Anwachsen der NSDAP hatte.

VON PAPEN: Ich bitte, mir zu erlauben, über die Konferenz etwas eingehender zu sprechen, weil ihr Ergebnis in einem effektiven Zusammenhang steht mit dem ungeheueren Anwachsen der NSDAP unmittelbar hinterher. Diese Konferenz war bekanntlich lange vorbereitet. Sie sollte die Reparationen abschaffen.

Aber ich bin nach Lausanne gegangen mit sehr viel weiteren Zielen und Hoffnungen; denn die Beseitigung der Reparationen, das war sozusagen eine »cause jugée«. Was aber notwendig war, war die moralische Malaise Deutschlands zu beheben, wenn Europa in friedlicher Ordnung seine Wohlfahrt wiederfinden sollte. Diese moralische Unzufriedenheit hatte mehrere Gründe; Deutschland war eine »second rate nation« geworden. Es war wichtiger Attribute seiner Souveränität beraubt; keine Wehrhoheit, Rheinland ungeschützt, Korridor, Saargebiet und anderes.

Die wirtschaftlichen Zustände habe ich schon geschildert. Diese wirtschaftlichen und politischen Nöte hatten den politischen Radikalismus gefördert, und die Extremisten nahmen bei jeder Wahl zu.

Wenn also eine Hilfe kommen sollte, so mußte nicht nur die Reparationsfrage gelöst werden, das war eine negative Hilfe, es mußte eine positive, eine moralische Hilfe kommen. Mein Programm war die Wiederherstellung der Souveränität des Reiches. Erstens sollte der berühmte Paragraph 231 des Versailler Vertrags gestrichen werden. Es war der Paragraph, der die Alleinschuld Deutschlands am Kriege feststellte. Die Historiker aller Länder hatten längst festgestellt, daß wir nicht die Alleinschuldigen waren. Zweitens: Vertrauensvolle Beziehungen zu Frankreich sollten hergestellt werden.

VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Der Gerichtshof glaubt nicht, daß dies für ihn von besonderer Bedeutung ist.

VON PAPEN: Ich werde dann ganz kurz nur...

DR. KUBUSCHOK: Darf ich nur allgemein erklären, daß die Ereignisse aus dem Jahre 1932, innen- und außenpolitische Ereignisse, den Schlüssel bildeten für die Beurteilung des Wachsens der NSDAP, die ja schließlich zum 30. Januar 1933 geführt hat. Wir... wenn wir verschiedene Fragen hier behandeln, werden wir dann bei der Erörterung der Verhältnisse im Jahre 1933 darauf zurückkommen können. Ich glaube, dann werden wir Zeit ersparen. Ich bitte deswegen, doch in etwas größerem Umfange auch die Erörterungen dieser Zeit zuzulassen.

VON PAPEN: Ich werde es so kurz als möglich machen, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Wir tun wohl besser, vom Jahre 1933 an fortzufahren, wie Sie bereits vorschlugen. Das war es doch wohl, was Sie vorschlugen, daß Sie jetzt zum Jahre 1933 übergehen, um dann möglicherweise auf 1932 zurückzukommen, wenn das nötig sein sollte.

DR. KUBUSCHOK: Nein, das hatte ich nicht vorgeschlagen. Ich sagte, daß die Erörterung der Verhältnisse des Jahres 1932 den Schlüssel für das Anwachsen der NSDAP und der Regierungsbildung Hitlers ist.

VORSITZENDER: Ja; aber der Angeklagte hat doch die Zustände im Jahre 1932 ziemlich lange besprochen. Jetzt können wir doch wohl zu etwas übergehen, was mit der Nationalsozialistischen Partei etwas zu tun hat.

VON PAPEN: Darauf komme ich sofort, Herr Präsident, jetzt. Ich wollte nur sagen, daß ich in Lausanne alle diese Themen angeschnitten habe und mich bemüht habe, ein Verständnis für die innere Lage Deutschlands dort zu finden. Ich habe mit dem französischen Ministerpräsidenten Herriot verhandelt über die Streichung dieses berühmten Paragraphen. Ich habe über einen Konsultativpakt mit ihm verhandelt, und daraus ist alles nichts geworden, aus Gründen, die ich nicht weiter erörtern will. Der Endeffekt der Konferenz von Lausanne war jedenfalls negativ, und zwar so, daß die Wahlen, die hinterher stattgefunden haben...

DR. KUBUSCHOK: Wie war Ihr Standpunkt in der Rüstungsfrage, den Sie vertreten haben?

VON PAPEN: Ich habe meinen Standpunkt in der Rüstungsfrage, der ja eine Rolle spielte, auch im Jahre 1933, schon damals in Lausanne festgelegt, mit Premierminister Macdonald und M. Herriot gesprochen. Ich habe später in einem Interview an M. Herriot diesen Standpunkt umrissen, so daß er festliegt. Das ist das Dokument 55. In diesem Dokument sage ich, es handelt sich nicht um die deutsche Aufrüstung, sondern um die Einlösung des Abrüstungsversprechens der anderen Mächte. Von deutscher Aufrüstung ist keine Rede, sondern nur von deutscher Gleichberechtigung und der gleichen Behandlung Deutschlands.

Ich darf es mir schenken, dieses Dokument weiter zu zitieren. Es ist in Händen des Gerichts, Dokument Nummer 55.

DR. KUBUSCHOK: Ich überreiche das Dokument Nummer 55 als Exhibit 55 und nehme weiterhin Bezug auf das Dokument 1, das bereits überreicht ist, auf Seite 9, und Dokument Nummer 6, das ich als Exhibit Nummer 3 überreiche und auf Seite 22 verweise.

VON PAPEN: Ich hatte am Abschluß der Lausanner Konferenz Macdonald und M. Herriot gesagt: »Sie müssen nur einen außenpolitischen Erfolg geben, denn meine Regierung ist die letzte bürgerliche Regierung in Deutschland. Nach mir werden nur die Extremisten von rechts und von links kommen.«

Aber man hat mir nicht geglaubt, und ich bin nur mit einem halben Erfolg von Lausanne zurückgekommen.

VORSITZENDER: Ich denke, es ist wohl ein geeigneter Augenblick, um die Sitzung zu unterbrechen.