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[Zum Zeugen gewandt:]

Welche Folgen hatte das Scheitern Ihrer Verhandlungen mit den Parteiführern?

VON PAPEN: Das Scheitern meiner Verhandlungen mit den Parteiführern und Hitler führte zu meinem Rücktritt am 17. November. Ich wurde beauftragt, die Geschäfte der Regierung bis zur Neubildung weiterzuführen.

DR. KUBUSCHOK: Welche Anstrengungen sind nach dem Rücktritt Ihres Kabinetts durch den Herrn Reichspräsidenten hinsichtlich einer neuen Regierungsbildung gemacht worden?

VON PAPEN: Mein Rücktritt gab dem Reichspräsidenten die Möglichkeit, nun von neuem den Versuch einer parlamentarischen Mehrheitsbildung zu unternehmen. Er hat die Versuche sofort aufgenommen, am 18. November die Parteiführer von der Rechten bis zum Zentrum empfangen und am 19. Hitler; Thema: Wie könnten wir eine parlamentarische Mehrheitsregierung bilden? Er erteilt Hitler den Auftrag, eine Mehrheitsregierung zu bilden, also Hitler als Kanzler. Am 23. November überreicht Göring die Antwort Hitlers an Hindenburg. Sie lautet: »Hitler könne den Auftrag einer parlamentarischen Mehrheitsregierung nicht übernehmen.« Am 24. empfängt Hindenburg den Monsignore Kaas, den Führer des Zentrums. Dieser stellt fest, daß Hitler nicht einmal den Versuch gemacht habe festzustellen, ob eine Mehrheitsregierung zu bilden möglich sei; aber Monsignore Kaas verspricht dem Reichspräsidenten, noch einmal zu versuchen, eine Mehrheitsregierung zu bilden. Am 25. meldet er Hindenburg, sein Versuch sei resultatlos geblieben; der Führer der Nazi-Fraktion, damals Herr Frick, habe erklärt, die Partei sei an solchen Besprechungen nicht interessiert. Gesamtresultat: Bildung einer Mehrheitsregierung mit Hitler ist unmöglich.

DR. KUBUSCHOK: Ergaben sich andere Koalitionsmöglichkeiten? Waren etwa andere Koalitionsmöglichkeiten möglich?

VON PAPEN: Eben nicht, es war nur die Möglichkeit eines Kabinetts, wie ich es geführt habe, oder eine Mehrheitsbildung.

DR. KUBUSCHOK: Jawohl. Wegen dieser Verhandlungen verweise ich auf Dokument 2, Seite 14 und 15.

[Zum Zeugen gewandt:]

Nachdem die Besprechungen des Reichspräsidenten mit den Parteiführern gescheitert waren, fand am 1. Dezember eine Aussprache bei dem Reichspräsidenten mit Ihnen und General von Schleicher statt.

Diese Zusammenarbeit ist besonders wichtig für die weitere politische Entwicklung und hat einen erheblichen historischen Charakter. Ich bitte Sie infolgedessen, auf diese Unterredung des näheren einzugehen.

VON PAPEN: Der Feldmarschall hat am 1. Dezember den General von Schleicher und mich zu einer Aussprache gebeten. Ich bemerke, daß zwischen Herrn von Schleicher und mir zuvor keine Aussprache über die Möglichkeiten einer weiteren Regierungsbildung gepflogen wurde. Herr von Hindenburg bat uns um unsere Stellungnahme; ich habe folgendes ausgeführt:

Der Versuch, die Nazi-Bewegung in die Präsidialregierung Hindenburgs einzuschalten, ist zweimal mißlungen. Hitler ablehnt ebenso die Bildung einer Mehrheitsregierung. Auf der anderen Seite macht er die größte Opposition und bemüht sich, alle Verordnungen dieser meiner Regierung durch den Reichstag aufheben zu lassen. Wenn also keine Möglichkeit besteht, eine parlamentarische Regierung zu bilden oder Hitler an unserer Regierung, an einer Präsidialregierung, zu beteiligen, ohne ihn zum Kanzler zu machen, dann ist ein Staatsnotstand entstanden, der außerordentliche Maßnahmen erfordert. Ich schlage vor: Beurlaubung des Parlaments für einige Monate, sofortige Ausarbeitung einer Verfassungsreform zwecks späterer Vorlage dieser Verfassungsreform an den Reichstag oder eine Nationalversammlung. Dieser Vorschlag beinhaltet einen Verfassungsbruch. Ich betone, daß ich wisse, wie hoch der große Soldat und der Staatsmann die Heiligkeit des Eides halte, aber meinem Gewissen gegenüber schiene ein Verfassungsbruch gerechtfertigt durch die außerordentliche Lage; denn für diese Lage sehe die deutsche Verfassung keine Heilmittel vor. Dann sprach Herr von Schleicher; er sagte:

»Herr Feldmarschall, ich habe einen Plan, der es Ihnen erübrigt, den Eid auf die Verfassung zu brechen, sofern Sie gewillt sind, mir, Schleicher, die Regierung anzuvertrauen. Ich hoffe, eine parlamentarische Mehrheit im Reichstage herzustellen, und zwar durch Spaltung der Nationalsozialistischen Partei.«

In der Diskussion dieses Planes sagte ich, es schiene mir sehr zweifelhaft, ob eine Spaltung der Partei, die auf Hitler eingeschworen war, zu erreichen wäre. Ich erinnerte den Feldmarschall daran, daß er sich von schwachen, parlamentarischen Mehrheiten freimachen solle durch eine grundlegende Reform. Diese Vorsätze würden über Bord geworfen durch die Lösung Schleichers. Die Lösung Schleichers sei ein Provisorium und ein sehr zweifelhaftes Provisorium.

DR. KUBUSCHOK: Wie war die Entscheidung des Reichspräsidenten?

VON PAPEN: Die Entscheidung des Feldmarschalls war vielleicht die schwierigste seines langen Lebens. Ohne weitere Begründung hat er mir gesagt:

»Ich entscheide mich für die Lösung des Herrn von Papen und ich ersuche Sie, sofort Besprechungen aufzunehmen, um eine Regierung zu bilden, der ich den in Ihrem Vorschlag enthaltenen Auftrag erteilen kann.«

Die Besprechung war beendet.

DR. KUBUSCHOK: Was tat Herr von Schleicher nunmehr?

VON PAPEN: Ich habe mit Herrn von Schleicher nur einige wenige Worte gewechselt und habe versucht, ihn zu bewegen, sich zu der vom Reichspräsidenten getroffenen Entscheidung zu bekennen. Herr von Schleicher sagte Nein. Alsdann schritt ich am selben Abend zu Besprechungen über die neue Regierungsbildung mit mehreren der Minister. Diese Minister sagten mir:

»Der Plan ist ausgezeichnet, aber Herr von Schleicher hat uns gesagt, es gibt Bürgerkrieg, und wenn es Bürgerkrieg gibt, ist die Reichswehr nicht in der Lage, den Frieden im Lande aufrechtzuerhalten.«

Ich unterbreche die Besprechungen, versammle das Kabinett am nächsten Morgen, trage dem Kabinett die Lage vor und die Entscheidung Hindenburgs. Und ich bitte Herrn von Schleicher, jetzt dem Kabinett zu sagen, warum er glaubt, daß es Bürgerkrieg gibt und warum die Reichswehr nicht in der Lage ist, die Ordnung im Lande aufrechtzuerhalten. Herr von Schleicher läßt einen seiner Generalstabsoffiziere kommen, der dem Kabinett erklärt, man habe diesen Fall praktisch und theoretisch erwogen und es habe sich herausgestellt, daß Reichswehr und Polizei nicht in der Lage seien, die Ordnung im Lande aufrechtzuerhalten. Ich sage den Herren: »Das ist eine neue Lage, die ich dem Reichspräsidenten vortragen muß.« Ich begebe mich zu Hindenburg und erstatte ihm Bericht. Herr von Hindenburg, tiefbewegt durch diese Aussprache, sagt zu mir:

»Ich bin ein alter Mann, und ich kann keinem Bürgerkrieg in meinem Lande in irgendeiner Form entgegensehen. Wenn Herr von Schleicher dieser Ansicht ist, dann muß ich, so leid es mir tut, den Auftrag zurücknehmen, den ich Ihnen gestern abend erteilt habe.«

Damit wurde Herr von Schleicher zum Kanzler ernannt unter den Voraussetzungen, die er in dieser Besprechung dem Reichspräsidenten dargelegt hat.

DR. KUBUSCHOK: Hat Herr von Schleicher Ihnen den Posten als Botschafter in Paris nunmehr angeboten?

VON PAPEN: Herr von Schleicher, der mein Interesse für die deutsch-französischen Beziehungen seit langem kannte, fragte mich, ob ich Botschafter in Paris werden wolle. Es hätte das meinen Neigungen durchaus entsprochen, aber der Reichspräsident erhob Einspruch und...

VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das in zu große Einzelheiten führt. Alles ist geschichtlich bekannt, und das meiste haben wir schon gehört.

DR. KUBUSCHOK: Wir gehen jetzt auf das Jahr 1933 über. Am 4. Januar fand eine Besprechung zwischen Hitler und Ihnen beim Bankier Schröder statt. Die Anklage stellt diese Unterredung dar als den eigentlichen Beginn Ihrer gemeinsamen Verschwörung. Geben Sie bitte dem Gericht eine nähere Darstellung über das Zustandekommen dieser Besprechung.

VON PAPEN: Ich befand mich...

VORSITZENDER: Herr Dr. Kubuschok! Wir haben den ganzen Nachmittag über den Hintergrund dieser Konferenz gehört. Wir können doch jetzt sicher von der Konferenz selbst hören?

DR. KUBUSCHOK: Es wird dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht, daß er der Promotor der angeblich am 4, Januar beginnenden Verhandlungen zur Gründung der am 30. Januar gebildeten Reichsregierung gewesen sei. Die Rolle, die Papen dabei gespielt hat, ist von entscheidender Bedeutung. Deswegen halte ich es doch wohl für erforderlich, daß er sich in Kürze über den Hintergrund dieser Verhandlung...

VORSITZENDER: Die Verhandlungen haben nicht am 4. Januar begonnen. Der Angeklagte hat uns vor ungefähr zwei Stunden gesagt, daß sie am 12. August 1932 begannen. Die Verhandlungen haben also früher begonnen.

VON PAPEN: Ich darf vielleicht ganz kurz, Herr Präsident sagen, worum es sich handelt. Die Besprechung am 4. Januar, von der die Anklage behauptet, daß ich mich nun bei dieser dem Nationalsozialismus verschworen hätte, war eine Besprechung, die auf Initiative von Hitler stattfand. In dieser Besprechung ist nichts gegen den Sturz der Regierung Schleicher besprochen worden, und es ist nichts besprochen worden über die Bildung einer Regierung Hitler, wie sie am 30. Januar nachher erfolgt ist.

Wir haben uns lediglich unterhalten über die Notwendigkeit, daß Hitler sich entschließen müsse, sich verantwortlich zu beteiligen, nicht als Kanzler, sondern mit seiner Partei. Und, Mylord, daß diese Besprechung nicht von mir aus inszeniert worden ist, ergibt sich ganz klar aus der Erklärung des Herrn von Schröder, in dessen Hause die Besprechung stattgefunden hat.

DR. KUBUSCHOK: Es ergibt sich dies aus Dokument 9, Seite 26.