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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Wie hat Reichskanzler von Schleicher auf diese politische Lage reagiert?

VON PAPEN: Der Reichskanzler von Schleicher, nachdem seine Bemühungen, die Partei zu spalten und eine Mehrheit im Reichstag zu schaffen, gescheitert waren, hatte nunmehr den Reichspräsidenten gebeten, ihm diktatorische Vollmachten zu geben, das heißt, unter Bruch der Verfassung – also genau das gleiche, was ich am 1. Dezember 1932 dem Reichspräsidenten vorgeschlagen hatte – als einzigen Ausweg aus dieser Angelegenheit, was der Reichspräsident damals angenommen hatte, was aber durch den General von Schleicher verhindert worden war.

DR. KUBUSCHOK: Am 22. Januar fand im Hause Ribbentrops eine Unterredung statt, an der außer Ihnen Göring, Meißner und Oskar von Hindenburg teilnahmen. Fand diese Unterredung auf Ihre Initiative hin statt, oder von wem ging die Anregung zu diesem Gespräch aus?

VON PAPEN: Die Anregung zu dieser Unterredung am 22. Januar ist von Hitler ausgegangen. Auf seine Veranlassung hatte Herr von Ribbentrop sein Haus zur Verfügung gestellt. Der Reichspräsident wünschte zu erfahren, welche Ansichten Hitler über die Lösung der politischen Krise habe und welche Vorschläge er zu machen habe. Infolgedessen drehte das Gespräch dieses 22. sich ausschließlich um die Ansprüche der Nationalsozialisten, aber über die Bildung einer Regierung, wie sie am 30. erfolgte, wurde damals noch nicht gesprochen.

DR. KUBUSCHOK: Am 28. Januar mittags wurden Sie vom Reichspräsidenten beauftragt, Verhandlungen wegen einer Regierungsbildung zu führen. Welche Möglichkeiten zur Regierungsbildung ergaben sich für Sie aus der politischen Lage?

VON PAPEN: Die Bildung einer parlamentarischen Mehrheitsregierung war seit dem 20. Januar aufgegeben, weil unmöglich. Hitler war nicht bereit, die Führung einer solchen Regierung zu übernehmen, noch sich an ihr zu beteiligen.

Zweitens, die weitere Unterstützung des Präsidialkabinetts Schleicher durch die Erklärung des Staatsnotstandes und verfassungswidriger Vertagung des Reichstags hatte der Reichspräsident am 23. abgelehnt. Er hatte sie abgelehnt, wie wir wissen, weil von Schleicher ihm im Dezember erklärt hatte; »Verfassungsbruch bedeutet Bürgerkrieg, und Bürgerkrieg bedeutet Chaos, weil ich mit der Armee und der Polizei nicht in der Lage bin, die Ordnung aufrechtzuerhalten.«

Drittens, da Hitler seine Beteiligung an einem Präsidialkabinett in Aussicht stellte, so blieb uns nur diese letzte Möglichkeit, und dafür standen jene Kräfte und jene Fraktionen zur Verfügung, die schon im Jahre 1932 hinter meiner Regierung gestanden haben.

DR. KUBUSCHOK: Wie lautete der Auftrag, den Ihnen der Reichspräsident gegeben hatte?

VON PAPEN: Der Auftrag Hindenburgs lautete: Vorschlag zur Bildung einer Regierung unter Führung Hitlers mit möglichster Beschränkung des Einflusses der Nationalsozialisten und im Rahmen der Verfassung.

Ich darf hinzufügen, daß es sehr außergewöhnlich war, daß der Reichspräsident eine Persönlichkeit bittet, eine Regierung zusammenzustellen, die nicht von dieser Persönlichkeit selbst geführt werden soll. Normalerweise hätte Hindenburg natürlich Hitler selbst mit der Bildung einer Regierung beauftragen müssen. Er hat mich beauftragt, weil er wünschte, den Einfluß Hitlers in dieser Regierung nach Möglichkeit zu beschränken.

DR. KUBUSCHOK: Mit wem haben Sie verhandelt?

VON PAPEN: Ich habe verhandelt mit den Führern der für diese Kabinettsbildung in Frage kommenden Gruppe der Rechten, also der NSDAP, der Deutschnationalen Volkspartei, dem Stahlhelm und der Deutschen Volkspartei.

DR. KUBUSCHOK: Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie dem Reichspräsidenten die Zusammensetzung der neuen Regierung vorgeschlagen?

VON PAPEN: Ich habe entsprechend der einzigen Möglichkeit, die in Frage kam, dem Reichspräsidenten eine Kabinettsbildung im Rahmen einer Koalition mit diesen Kräften vorgeschlagen.

VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß der Angeklagte viel zu viel auf Einzelheiten eingeht. Er hat seine Aussage darüber abgegeben, warum der Präsident ihn kommen ließ und weshalb er mit der Sache befaßt wurde. Lediglich das betrifft ihn. Nachdem er diese Erklärung gegeben hat, dürfte es unnötig sein, überhaupt auf weitere Einzelheiten einzugehen.

DR. KUBUSCHOK: Da die Anklage ihm vorwirft, daß in der Bildung der Regierung ein Verbrechen liegt, verteidigt er sich dahingehend, daß er bemüht gewesen ist, für die Sicherung gegen die Überhandnähme des Hitlerschen Einflusses in die Regierung einzutreten. Wesentlich dafür ist ja...

VORSITZENDER: Ja, das habe ich ja gerade gesagt. Er hat uns das erklärt. Er braucht nicht noch alle möglichen Einzelheiten hinzuzufügen, um seiner Erklärung Nachdruck zu verleihen.

Ich habe eben notiert, daß der Präsident ihn kommen ließ, weil er den Einfluß Hitlers verringern wollte. Nun fährt er fort mit allen möglichen Einzelheiten.

DR. KUBUSCHOK: Herr Präsident! Er will ja hier nur ausführen, in welcher Weise er den Einfluß Hitlers beschränken wollte. Dies ist ja ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt. Er wird uns jetzt erzählen, welche Sicherung er eingebaut hat in diese Regierung. Die Wahl der Persönlichkeiten, denen er... die ganzen weiteren Beschränkungen, die hier vereinbart worden sind, um den Einfluß Hitlers nicht überragend werden zu lassen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt zur Erwiderung der Anklage.

VORSITZENDER: Wenn der Angeklagte sich so kurz wie möglich faßt und uns nicht so viele Einzelheiten gibt, dann ist der Gerichtshof einverstanden.

VON PAPEN: Ich will es ganz kurz sagen, Mylord. Die Sicherungen, die ich auf Wunsch des Reichspräsidenten eingeschaltet habe, waren folgende:

Erstens: Eine sehr geringe Anzahl nationalsozialistischer Minister in diesem Kabinett, nämlich von elf nur drei, einschließlich Hitler.

Zweitens: Die entscheidenden Wirtschaftsressorte dieses Kabinetts in Händen von Nichtnationalsozialisten.

Drittens: Weitgehende Besetzung der Ministerien mit Fachministern.

Viertens: Gemeinsamer Vortrag des Reichskanzlers Hitler und des Vizekanzlers Papen bei Hindenburg, um eine zu weitgehende persönliche Einflußnahme Hitlers bei Hindenburg auszuschließen.

Fünftens: Ich versuchte, als Gegengewicht gegen die NSDAP, die Bildung eines parlamentarischen Blocks, als inneres Gegengewicht gegen die politischen Auswirkungen der Nationalsozialistischen Partei.

DR. KUBUSCHOK: Inwieweit hat der Reichspräsident von Hindenburg die Auswahl der in Frage kommenden Persönlichkeiten selbst mit vorgenommen?

VON PAPEN: Der Reichspräsident behielt sich persönlich vor, die Besetzung des Außenministerpostens und des Reichswehrministeriums. Diese beiden entscheidenden Posten wurden besetzt durch Herrn von Neurath, ein Vertrauensmann des Reichspräsidenten, und das Reichswehrministerium durch den General von Blomberg, der ebenfalls ein besonderer Vertrauensmann des Reichspräsidenten war. Im übrigen befanden sich in diesem Kabinett als Nationalsozialisten lediglich: Der Reichsinnenminister Frick, dessen Tätigkeit als thüringischer Innenminister in der Thüringischen Regierung durchaus maßvoll gewesen war, und als Minister ohne Portefeuille und preußischer Innenminister später Herr Göring.

DR. KUBUSCHOK: In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im dritten Dokumentenbuch als Dokument Nummer 87 und 93 enthaltene eidesstattliche Versicherung des früheren Ministers Dr. Alfred Hugenberg und auf den Fragebogen des Freiherrn von Lersner.

VORSITZENDER: Auf welcher Seite im dritten Dokumentenbuch sagten Sie?

DR. KUBUSCHOK: Seite 194 und 195 ist Hugenberg. Lersner ist Seite 210 bis 212.