[Zum Zeugen gewandt:]
In den folgenden Jahren wurde die öffentliche Erörterung kirchenpolitischer Fragen fast völlig unterdrückt, da man die katholische Presse unter Verletzung des Konkordats, sogar die katholischen Kirchenblätter, vielfach verboten hatte.
Was haben Sie hiergegen getan?
VON PAPEN: Es schien mir notwendig, nachdem die katholische Presse völlig abgedrosselt war, etwas zu tun, um die öffentliche Diskussion über den Kampf, den Kampf gegen die kirchenfeindlichen Tendenzen, fortzuführen. Ich hatte über diese Frage sehr häufig gesprochen mit dem Bischof Dr. Hudal, einem hervorragenden Kleriker in Rom. Meine Verteidigung wird dem Gericht das Buch dieses Bischofs vorlegen, das er im Jahre 1936 geschrieben hat. Dieses Buch enthält neben meiner scharfen Kritik der religionsfeindlichen Tendenzen eine objektive Würdigung der positiven sozialen Gedanken des Nationalsozialismus, und es ist deswegen bemerkenswert, weil im Jahre 1936 von so hoher kirchlicher Stelle noch einmal der Versuch unternommen wird, eine Synthese zwischen den christlichen Gedanken und den gesunden Doktrinen des Nationalsozialismus herzustellen.
DR. KUBUSCHOK: In welcher Beziehung halten Sie das Buch für wichtig gegenüber dem von der Anklage gemachten Vorwurf?
VON PAPEN: Ich halte es aus folgendem Grunde für sehr erheblich. Die Anklage macht es sich sehr leicht. In Ansehung des verbrecherischen Endes des Nationalsozialismus schiebt sie alle Schuld auf die ersten Entwicklungsjahre; und alle Menschen, die aus reinen Motiven versucht haben, der Bewegung einen aufbauenden und schöpferischen Charakter zu geben, werden von der Anklage zu Verbrechern gestempelt. Aber hier steht im Jahre 1936 ein Kleriker von hohem Rang auf und versucht von sich aus, eine Besserung der Zustände zu erzielen. Wir wissen heute, daß das Ziel nicht erreicht worden ist und daß eine Welt in Trümmer gegangen ist. Aber darf man deswegen Millionen von Menschen des Verbrechens bezichtigen, weil sie versucht haben, in jener Zeit etwas Gutes hinzustellen?
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise auf Auszüge aus dem erörterten Buch des Bischofs Hudal, Dokument 36, Seite 116, und bitte, die Stelle amtlich zur Kenntnis zu nehmen. Ich verweise für die vom Zeugen eben angeschnittene Frage der Stellung kirchlicher Würdenträger zu der Frage der Synthesen auf Dokument 50, Seite 135, einen Aufruf der österreichischen Bischöfe, der in ihrem Auftrage vom Kardinal Innitzer abgegeben wurde.
[Zum Zeugen gewandt:]
Das Hudal-Buch war, Herr Zeuge, wie Sie ausgeführt haben, dazu bestimmt, Hitler auf dem nunmehr von ihm vorgeschlagenen Weg auf eine Änderung zu bringen. Wie nahm Hitler das Buch auf?
VON PAPEN: Hitler schien mir zunächst sehr beeindruckt zu sein von diesem Buch, aber dann gewannen die antichristlichen Tendenzen seiner Umgebung wieder die Oberhand und überzeugten ihn, daß es im höchsten Maße gefährlich sei, ein solches Buch in Deutschland zuzulassen. Das Buch war in Österreich gedruckt und mußte eine Zulassungsgenehmigung erhalten. Das einzige, was ich erreichen konnte, war eine Zulassung von 2000 Exemplaren, welche er zum Studium der Frage an führende Parteigenossen verteilen wollte.
DR. KUBUSCHOK: Haben Sie festgestellt, daß die Außenpolitik des Deutschen Reiches im Sinne der bei der Regierungsbildung vorgesehenen Richtlinien weitergeführt wurde?
VON PAPEN: Ja, während der Zeit, der ich dem Kabinett angehörte, wurde sie absolut im Sinne der vorgesehenen Richtlinien durchgeführt. Ich erwähne den Freundschaftspakt mit Polen, der damals abgeschlossen wurde, der ein bedeutender Schritt zum Frieden war; und er wurde von Hitler abgeschlossen, trotzdem er sehr unpopulär war wegen der Korridorfrage. Ich erwähne den Viermächte-Pakt, der im Sommer 1933 abgeschlossen wurde. Er bekräftigte die Verträge von Locarno und den Kellogg-Pakt. Ich erwähne den Besuch von Mr. Eden im Januar 1934, dem wir Vorschläge unterbreiteten für eine Entmilitarisierung der SA und der SS. Auf diesem Wege versuchen wir die Diskriminationen Deutschlands auf dem friedlichen Weg auszuräumen. Nach meiner Ansicht war es ein katastrophaler Fehler der Großmächte, Deutschland in dieser Phase nicht entgegenzukommen und durch ein Entgegenkommen dem Radikalismus zu steuern.
DR. KUBUSCHOK: Am 14. Oktober 1933 trat Deutschland aus der Abrüstungskonferenz aus. War das eine Abkehr von der bisherigen von Ihnen soeben erläuterten Politik?
VON PAPEN: Der Austritt aus der Abrüstungskonferenz sollte in keiner Weise eine Abkehr von unserer grundsätzlichen politischen Linie sein. Der Austritt aus der Abrüstungskonferenz erfolgte, weil die uns am 11. Dezember 1932 versprochene und zugesagte Gleichberechtigung damals wieder aufgehoben wurde.
VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Können Sie mir sagen, ob der Angeklagte ausgesagt hat, daß die im Jahre 1933 angenommenen Grundsätze in irgendeinem Dokument enthalten sind oder nicht?
DR. KUBUSCHOK: Es gibt eine Regierungserklärung der Reichsregierung vom 1. Februar 1933. In dieser Regierungserklärung sind die Grundsätze der Politik des neuen Kabinetts enthalten. Sie werden ergänzt durch die Erklärung der Reichsregierung vom 23. März 1933. Diese Erklärung wurde damals zum Ermächtigungsgesetz abgegeben.
VORSITZENDER: Können Sie mir sagen, wo das erste Dokument, das Sie erwähnt haben, zu finden ist?
DR. KUBUSCHOK: Ich werde es nach der Pause angeben, Herr Präsident.