[Zum Zeugen gewandt:]
Haben Sie eine derartige Äußerung getan?
VON PAPEN: Meine wirkliche Bemerkung zu Mr. Messersmith ist vielleicht...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mylord! Ich weiß nicht, ob es nicht vielleicht dem Gerichtshof dienlich wäre zu wissen, wo die beiden Stellen stehen. Die Stelle 2385-PS finden Euer Lordschaft im Dokumentenbuch 11a, das ist das zweite Dokumentenbuch, Seite 24 unten; und die Bemerkung aus 1760-PS steht im Dokumentenbuch 11, Seite 22, ungefähr ein Drittel der Seite und reicht bis zum nächsten Drittel derselben Seite.
VON PAPEN: Meine wirkliche... Meine tatsächliche Bemerkung zu Mr. Messersmith ist vielleicht nicht ganz so entfernt von dem letzten Zitat meines Verteidigers, wie es die Differenz zwischen diesen beiden Feststellungen von Mr. Messersmith ergibt. Es ist durchaus möglich, daß wir von der südosteuropäischen Frage gesprochen haben, und es ist auch durchaus denkbar, daß ich darauf hingewiesen habe, daß die wirtschaftlichen und politischen Fragen des Südostraumes für die deutsche Politik wie für Österreich von besonders großer Bedeutung seien, denn die Ausdehnung unseres Handels nach dem Balkan war ja ein durchaus legitimes Ziel. Ich habe laufend nach Berlin berichtet über alles, was ich in Wien über die Politik der Länder des Südostraumes erfuhr, denn das gehörte selbstverständlich zum Aufgabenkreis des Wiener Gesandten. Aber darüber hinaus habe ich während meiner ganzen Tätigkeit in Wien nichts getan, was irgendwie dem entsprechen könnte, was Mr. Messersmith hier behauptet.
Im übrigen darf ich sagen, es wäre doch sehr töricht und den primitivsten Regeln der Diplomatie zuwider, wenn ich in einer ersten Besprechung mit einem fremden Gesandten ihm eine solche Eröffnung gemacht haben würde; das wäre ja sensationell gewesen, und ich hätte sicher sein müssen, daß am nächsten Tage die Österreichische Regierung und die ganze Welt es gewußt hätten.
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise zu dieser Frage auf den Fragebogen Prinz Erbach, Dokument 96, Seite 238. Frage 8 und 9 befaßt sich mit dieser Sache. Im englischen Text Seite 232.
VON PAPEN: Ich darf vielleicht hinzufügen, Mylord, daß die Anklage ja im Besitze meiner gesamten Berichte aus der Wiener Zeit ist und daß diese Berichte ja ergeben müßten, wenn ich eine solche Aufgabe verfolgt hätte.
DR. KUBUSCHOK: Haben Sie jemals während Ihrer Wiener Tätigkeit mit Ungarn und Polen über eine Aufteilung der Tschechoslowakei verhandelt? Mr. Messersmith hat eine entsprechende Behauptung aufgestellt.
VON PAPEN: Nein, ich habe das niemals getan. Für die Politik des Reiches in der Tschechoslowakei war ausschließlich unsere Gesandtschaft in Prag zuständig.
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise auf Fragebogen Horthy, das bereits überreichte Dokument 76. Ich verweise weiterhin auf Dokument 68, Seite 162, ein Bericht Papens vom 31. August 1935 an Hitler.
[Zum Zeugen gewandt:]
Mr. Messersmith behauptet in dem erwähnten Affidavit auch, daß Sie bei dieser Unterredung erklärt hätten, Sie seien in Österreich, um die Österreichische Regierung zu untergraben und zu schwächen. Haben Sie eine derartige Äußerung getan?
VON PAPEN: Ich möchte zu diesem Affidavit ein grundsätzliches Wort sagen. Wenn ich mich diplomatisch ausdrücken soll, muß ich es im höchsten Maße erstaunlich nennen. Herr Messersmith hat in diesem Affidavit selbst erzählt, daß er bei meinem ersten Besuch, bei meinem Antrittsbesuch, mich mit einer eisigen Kühle empfangen hätte. Das ist durchaus zutreffend. Es war mir durchaus bekannt, daß Mr. Messersmith der schärfste Gegner des Nazi-Systems war. Um so erstaunlicher muß es wirken, wenn man hier liest, daß nun bei dem zweiten Besuch ich Herrn Messersmith mein Herz sozusagen ausgeschüttet hätte; auch diese hier zitierte Stelle, daß ich gekommen sei, um die Österreichische Regierung zu untergraben und zu schwächen, ist selbstverständlich nicht richtig, denn auch eine solche Äußerung wäre von Messersmith selbstverständlich sofort der Österreichischen Regierung mitgeteilt worden und sie hätte meine ganze Befriedungsaktion und meine ganze Position von vornherein unmöglich gemacht. Ich darf in dieser Beziehung auf die Aussage des Österreichischen Außenministers Schmidt verweisen, dem von einer solchen Tätigkeit meinerseits nicht das geringste bekanntgeworden ist.
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise insoweit auch auf die Aussage von Glaise-Horstenau im Falle Seyß-Inquart. Mr. Messersmith gibt weiterhin an, Sie hätten ihm bei der Unterredung erklärt, daß Sie Ihren Ruf als guter Katholik unter anderem auf gewisse Österreicher, wie Kardinal Innitzer, ausnützten. An einer weiteren Stelle seines Affidavits behauptet er sogar, daß Sie ohne Gewissensbisse und ohne Bedenken den Ruf Ihrer Frau als glühende und ergebene Katholikin zu diesem Zweck ausgenützt hätten. Bitte äußern Sie sich zu dieser Äußerung von Mr. Messersmith.
VON PAPEN: Ich habe diesen Vorwurf von allen gegen mich erhobenen Anschuldigungen auf das tiefste verletzend gefunden. Ich kann verstehen, daß man die Politik eines Diplomaten kritisiert, mißdeutet; ich kann nicht verstehen, daß man jemandem vorwirft, er hätte seine eigene religiöse Überzeugung zu schmutzigen politischen Handelsgeschäften mißbraucht; und ich verstehe es noch weniger und finde es geschmacklos, daß man behauptet, ich hätte sogar die Religiosität meiner Frau zu solchen Geschäften mißbraucht. Ich darf das der Beurteilung dieses Hohen Gerichts überlassen.
DR. KUBUSCHOK: Mr. Messersmith spricht in seinem Affidavit auch von einem Dokument, dessen Verfasser er allerdings nicht angibt, das Außenminister Berger-Waldenegg im Januar 1935 gezeigt hätte und aus dem der Inhalt Ihrer Rücksprache mit Hitler, Schacht und von Neurath anläßlich Ihres Besuches in Berlin sich ergeben soll. Es soll damals für die nächsten zwei Jahre das Vermeiden einer Intervention in die innerpolitischen Angelegenheiten Österreichs vereinbart worden sein, und schließlich soll Dr. Schacht einen Betrag von 200.000 Mark monatlich zur Unterstützung von Nationalsozialisten in Österreich freigestellt haben. Was sagen Sie zu dieser Erklärung Mr. Messersmiths?
VON PAPEN: Es handelt sich nach den Angaben von Mr. Messersmith ganz offensichtlich um einen Agentenbericht, den der Österreichische Außenminister über meine Reise nach Berlin erhalten hatte. Der Inhalt dieses Berichts ist im wesentlichen falsch. Die Unrichtigkeit bezüglich des Teils, der Dr. Schacht betrifft, ist bereits von Dr. Schacht zeugenschaftlich bekundet. Aber es gibt in diesem Bericht etwas, was wahr ist. Es gab zu dieser Zeit in Österreich einen sogenannten Unterstützungsfonds, der geleitet wurde von einem Herrn Langot.
Es ist hier im Zeugenstand bereits bekundet worden, daß diese Unterstützungsaktion für die Frauen und Kinder der nach Deutschland emigrierten österreichischen Nationalsozialisten mit Wissen der Österreichischen Regierung und Polizei existierte. Aber ich habe weder Herrn Schacht gebeten, offizielle Gelder für diesen Unterstützungsfonds zu geben, noch habe ich selbst solche Gelder gezahlt. Diese Gelder wurden offensichtlich in Deutschland von Parteiseite gegeben.
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise insoweit auf die Zeugenaussage Glaise-Horstenau, der hier bekundet hat, daß die Österreichische Regierung von dem Unterstützungsfonds »Langot« Kenntnis hatte.
Mr. Messersmith glaubt referierend aus einer Mitteilung des Österreichischen Außenministers Berger- Waldenegg folgende Äußerung von Ihnen von Anfang 1935 wiedergeben zu können:
»Ja, Sie haben jetzt Ihre französischen und englischen Freunde, und Sie können Ihre Unabhängigkeit ein bißchen länger behalten.«
Haben Sie eine derartige Äußerung gemacht?
VON PAPEN: Eine derartige Äußerung wäre diplomatisch nicht nur höchst töricht gewesen, sondern unmöglich, denn sie wäre das selbstverständliche Ende jeder diplomatischen Tätigkeit. In keinem Fall ist die von Mr. Messersmith behauptete jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit oder jahrelange Tätigkeit politisch, wie er es nennt, zu vereinbaren mit einem solchen offenen Zugeständnis, daß ich die österreichische Unabhängigkeit nur noch kurze Zeit bestehen lassen wolle.
DR. KUBUSCHOK: Mr. Messersmith sagt weiterhin in diesem Affidavit, Sie hätten öffentlich versichert, Sie wünschten gewisse Mitglieder der Österreichischen Regierung loszuwerden, unter anderem auch Bundeskanzler Schuschnigg. Ob das zutrifft?
VON PAPEN: Das Gegenteil ist wahr. Ich habe nie eine Beseitigung des Kanzlers Schuschnigg angestrebt, vielmehr war mein Bestreben, daß er Vertrauen zu meiner Politik, zur Politik einer Aussöhnung fassen sollte. Ich habe Herrn von Schuschnigg als einen aufrechten österreichischen Patrioten kennengelernt, aber auch als einen Mann, der sein Deutschtum durchaus nicht verleugnete, und trotz vieler sachlicher Differenzen hat diese seine deutsche Linie immer eine sehr gute Grundlage für unsere Zusammenarbeit ergeben. Im übrigen kann ich nur hinzufügen, wenn ein Diplomat wünscht, daß eine Änderung in der Regierung eintritt, bei der er akkreditiert ist, würde er es dann auf offenem Markte ausrufen?
DR. KUBUSCHOK: Die Anklage hat Ihren Bericht an Hitler vom 17. Mai 1935 als Beweis dafür vorgelegt, daß Sie Schuschnigg in eine Regierung mit den Nationalsozialisten lenken wollten. Es ist dies das Exhibit US-64, in meinem Dokumentenbuch nochmals aufgenommen unter Dokument 66, Seite 159 und 160.
Wie waren Ihre Absichten, Herr Zeuge, tatsächlich?
VON PAPEN: Zu diesem Dokument muß ich etwas ausführlicher Stellung nehmen. Dieser Bericht ist geschrieben acht Monate nach dem Dollfußmord, also zu einer Zeit, von der die Anklage selber sagt, daß in den ersten zwei Jahren ich die Instruktion gehabt habe, völlig passiv zu sein. Als dieser Bericht geschrieben wurde, hatten wir Nachrichten, daß Starhemberg mit Mussolini eine Politik verfolge, die einer Aussöhnung mit Deutschland schwerste Hindernisse bereitet haben würde. Deshalb schlage ich Hitler ein akutes Eingreifen vor: Ich schlage vor, Schuschnigg mit den einer Heimwehrdiktatur feindlichen christlich- sozialen Kräften gegen Starhemberg auszuspielen, und zwar durch das Angebot eines endgültigen deutsch-österreichischen Interessenausgleichs. Es heißt in diesem Bericht, wenn Deutschland die staatliche Unabhängigkeit Österreichs anerkennt und sich verpflichtet, die österreichische nationale Opposition, also die Nazis, unbeeinflußt zu lassen, dann müßte dies zu einer Koalition dieser Kräfte führen. Die Folge würde sein, daß Deutschland sich am Donaupakt beteiligt, das heißt also eine friedliche Regelung der gesamt-europäischen Lage.
DR. KUBUSCHOK: Sie haben eben erklärt, daß Sie eine ehrliche Politik des Interessenausgleichs anstrebten?
VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Der Gerichtshof möchte das, was der Zeuge durch seine Aussage ausdrücken will, klarer hören.
DR. KUBUSCHOK: Ich höre eben, daß die Übersetzung sehr schlecht durchgekommen ist; die englische Übersetzung soll sehr schlecht durchgekommen sein. Schlagen Sie, Herr Präsident vor, daß der Angeklagte die ganze Antwort nochmals wiederholt?
VORSITZENDER: Ja, bestimmt, das wäre das beste; ich glaube kaum, daß die englische Übersetzung schlecht durchgekommen ist.
DR. KUBUSCHOK: Herr Zeuge! Bitte beantworten Sie noch einmal, aber etwas langsamer, damit die Übersetzer keine Schwierigkeiten haben.
VON PAPEN: Als dieser Bericht geschrieben wurde, hatten wir Nachrichten, daß Starhemberg – Starhemberg war der Chef der Heimwehr – sich mit Mussolini zu einer Politik verbünden wolle, die alle deutschfreundlichen Tendenzen in Osterreich in der Zukunft bekämpfen würde. Um gegen dieses Manöver des Fürsten Starhemberg vorzugehen, empfehle ich Hitler, Schuschnigg vorzuschlagen, er solle anstatt mit der Heimwehr eine Koalition mit den christlich-sozialen Kräften machen, welche der Aussöhnung Deutschlands mit Österreich nicht abgeneigt waren. Um ihn zu veranlassen – Schuschnigg zu veranlassen – eine solche Koalition einzugehen, soll Hitler ihm einen endgültigen deutsch-österreichischen Interessenausgleich anbieten. Mit anderen Worten, Hitler soll ihm sagen, Deutschland anerkennt die staatliche Unabhängigkeit Österreichs und verpflichtet sich, sich in der Zukunft nicht in die inneren österreichischen Dinge einzumischen.
Und ich sage Hitler weiter, wenn wir diese Befriedung herbeigeführt haben, also mit Österreich auf gutem und freundschaftlichem Fuße sind, dann können wir sogar dem Donaupakt beitreten. Das war die Kombination der Franzosen, der Italiener, der Tschechoslowaken, die immer einen Pakt der Donaumächte mit Einschluß Österreichs befürworteten. Wir hatten uns in Deutschland damals der Politik dieser Mächte entgegengestellt, weil wir befürchteten, wenn Österreich einem Donaupakt beitritt, es endgültig Deutschland entfremdet würde. Wenn wir aber mit Österreich gut Freund wären, wenn die Beziehungen wieder in Ordnung waren, dann könnten wir, so sage ich Hitler, diesem Donaupakt beitreten und damit etwas außerordentlich Konstruktives für die europäische Befriedung leisten.
VORSITZENDER: Sie vergessen doch nicht Ihre Hoffnungen, die Sie heute morgen zum Ausdruck gebracht haben?
DR. KUBUSCHOK: Sie haben eben erklärt, daß Sie eine ehrliche Politik des Interessenausgleichs anstrebten.
Ist es zutreffend, daß Sie Hitler beeinflußten, zu seiner Reichstagsrede am 21. Mai 1936 eine Erklärung für die österreichische Unabhängigkeit abzugeben?
VON PAPEN: Ja, das ist durchaus zutreffend, denn diese Erklärung war die Voraussetzung jeder Normalisierung und jedes Interessenausgleichs evolutionärer Art; denn unsere gemeinsame Politik konnte ja nur von Österreich vorgetrieben werden, Österreich war es anbefohlen im Frieden von St. Germain und durch die Genfer Protokolle, sich Deutschland fern zu halten. Wenn also Österreich eine Initiative ergreifen wollte, um die Beziehungen zu Deutschland besser zu gestalten, dann war es Vorbedingung, daß wir seine Souveränität anerkannten.
DR. KUBUSCHOK: Ich möchte auf einen Übersetzungsfehler hinweisen. In der englischen Übersetzung ist statt der von dem Angeklagten gesprochenen Worte »evolutionärer Art« »revolutionärer Art« ins Englische übersetzt worden.