[Zum Zeugen gewandt:]
Äußern Sie sich bitte zu dem Vertrag vom 11. Juli 1936.
VON PAPEN: Den Vertrag vom 11. Juli hat Sir David als ein Betrugsmanöver gekennzeichnet, als einen hinterhältigen Versuch, die Österreichische Regierung in neue Schwierigkeiten zu bringen, sie zu unterminieren durch die Einfügung von deutschdenkenden Männern wie Glaise-Horstenau oder den Gesandten, den Außenminister Schmidt. Diese Beurteilung des Vertrags ist völlig falsch, und ich glaube, historisch unhaltbar, und ich glaube, das ist auch durch die Vernehmungen hier und die Aussagen des österreichischen Außenministers bereits festgestellt.
Der Vertrag war das Ergebnis meiner zweijährigen Bemühungen, normale Beziehungen zwischen den Bruderstaaten wiederherzustellen. Der Vertrag war der Wunsch beider Regierungen, nicht nur der deutschen, das hat der Kanzler Schuschnigg selber zugegeben, das findet sich in einem Bericht von mir vom 1. September 1936 über eine Rede, die Schuschnigg an die österreichischen Arbeiter gehalten hat. Warum hätte denn die Österreichische Regierung diesen Vertrag schließen sollen? Es lag ja kein Zwang vor, ihn zu schließen, wenn sie nicht selber gewünscht hätte, die Beziehungen zum Deutschen Reiche wieder normal und freundschaftlich zu gestalten.
Eben deshalb hatte ich Hitler ja ersucht, in seiner Reichstagsrede die österreichische Souveränität zu erklären. Dieser Vertrag sollte keineswegs einen Verzicht bedeuten auf einen späteren Zusammenschluß, den wir anstrebten, aber er anerkennt die volle Handlungsfreiheit Österreichs. Aber das Ziel des Zusammenschlusses beider Staaten sollte nun auf einem ordnungsmäßigen und evolutionären Wege weiterverfolgt werden.
Das entsprach der Abmachung, die ich am 26. Juli mit Hitler getroffen hatte. Dieser Vertrag hatte einen zweiten Teil, der nicht veröffentlicht worden ist. Dieser zweite Teil enthielt alle die Elemente, die für eine Befriedung notwendig waren, eine Amnestie, eine Regelung unserer Pressebeziehungen und die Aufhebung der sogenannten »Tausendmark-Sperre«. Das war die Einreisesperre gewesen, die Hitler nach Österreich verhängt hatte. Es mußte damals jeder Deutsche, der nach Österreich reisen wollte, 1.000 Mark bezahlen. Diese Sperre wurde aufgehoben. Auf der Gegenseite hat in diesem nicht veröffentlichten Teil des Vertrags Herr Schuschnigg versprochen, Männer seines Vertrauens der nationalen Opposition zur Mitarbeit in Österreich heranzuziehen. Es schien uns die Eingliederung der österreichischen Opposition in den parlamentarischen Gang der Dinge in Österreich als die Voraussetzung jeder weiteren friedlichen Lösung. Mit anderen Worten, die Partei sollte allmählich aus ihrer Illegalität zu einem legalen Faktor werden.
Mr. Messersmith, darf ich noch hinzufügen, hat in seinem Affidavit fälschlicherweise gesagt: Teil II dieses Vertrags enthalte eine Bestimmung, eine Reihe von Persönlichkeiten, die das Vertrauen des Kanzlers genießen, in Kabinettsstellen zu berufen. Das ist offensichtlich ein Gedankenfehler des Herrn Messersmith, denn es handelt sich nicht um Persönlichkeiten, die das Vertrauen Hitlers besitzen, sondern um solche, die das Vertrauen Schuschniggs besitzen. Es war ja eine Abmachung, die Schuschnigg getroffen hatte. Außerdem sagt Mr. Messersmith zu diesem Vertrage, das erste Eindringen Deutschnationaler in die Österreichische Regierung wurde erreicht durch die Ernennung von Dr. Guido Schmidt als Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten. Das ist völlig unzutreffend. Dr. Schmidt war ein Österreicher, und er hat österreichische Interessen vertreten, wie das selbstverständlich war, und niemals ist von deutscher Seite irgendwie eingewirkt worden, ihn, den Dr. Schmidt, zum Außenminister zu machen.
Im ganzen gesehen hat damals die öffentliche Meinung der Welt diesen Vertrag als ein Instrument des Friedens und als einen großen Fortschritt betrachtet. Es ist der Anklage vorbehalten geblieben, ihn als ein Betrugsmanöver zu kennzeichnen.
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise auf das Affidavit Prinz Erbach, Dokument 96, im englischen Buch Seite 233/34. Die Fragen 4 bis 7 und die Fragen 12 und 13 befassen sich mit dem eben erörterten Thema. Fragen 4 bis 7, Fragen 12 und 13.