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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Schuschnigg machte im Sommer 1937 Anstrengungen, die nationale Opposition zur Mitarbeit heranzuziehen. Was ist Ihnen davon bekannt, und wie war die weitere Entwicklung?

VON PAPEN: Im Sommer 1937 machte Schuschnigg Anstrengungen, das Versprechen zu erfüllen, die nationale Opposition zur Mitarbeit heranzuziehen. Der Besuch des Ministers von Glaise-Horstenau bei Hitler im Juni 1937 erfolgte mit dem Einverständnis Schuschniggs. Später gründete er den sogenannten »Siebener-Ausschuß« mit Dr. Jury und Tafs. Die Auswahl der Personen, die er traf, ist völlig ohne meine Mitwirkung erfolgt. Aber bezüglich dieses »Siebener-Ausschusses« möchte ich eine Feststellung machen: Offensichtlich gingen diese Befriedungsmaßnahmen des Kanzlers der österreichischen Partei nicht weit genug oder zu langsam. Die österreichische Polizei fand im November 1937 in dem Büro dieses »Siebener-Ausschusses« Papiere, bekannt unter dem Namen »Tafs-Papiere«, die auf neue radikale und illegale Absichten schließen ließen. Ich bin zwar von der Österreichischen Regierung mit diesen Papieren nicht befaßt worden, es hat keine offizielle Demarche stattgefunden, aber es wurde mir bekannt, daß unter diesen Papieren sich ein Mordplan gegen mich befunden hat. Es wurde der Vorschlag gemacht, ein Attentat auf mich zu machen und aus diesem Grund in Österreich einzumarschieren. Der österreichische Außenminister Schmidt hat vorgestern diese Tatsache hier bestätigt, und mir scheint, daß dieser Vorschlag, dieser Plan gegen mich, am allerbesten beweist, wie groß die von der Anklage angenommene Harmonie meiner Politik mit jener der österreichischen oder der deutschen Nationalsozialisten war. Ich habe dann mich damals gefreut, daß der österreichische Bundeskanzler auch den mir bekannten Seyß-Inquart in die Befriedungsarbeit eingeschaltet hat, und ich halte es für fair, daß ich hier eine Korrektur vornehme. Der österreichische Außenminister hat über ein Gespräch berichtet mit mir vom Oktober 1943 in Ankara. Damals habe ich ihm gesagt und habe das auch hier in der Voruntersuchung wiederholt, daß Dr. Seyß-Inquart die größte Enttäuschung meines Lebens gewesen sei. Ich habe angenommen, daß er es gewesen sei, der nach dem Einmarsch der deutschen Truppen gerufen hat am 11. März und der verantwortlich sei für die Nazifizierung Österreichs nach dem Anschluß. Diese meine Beurteilung muß ich korrigieren nach den Kenntnissen, die wir heute aus den Dokumenten erhalten haben.

DR. KUBUSCHOK: Ende 1936 wurde Ihr erster Mitarbeiter, Botschaftsrat Prinz Erbach, von Wien abberufen. Sein Nachfolger war Botschaftsrat von Stein. Da dieser dann nach Ihrer Abberufung am 4. Februar 1938 Ihr Amt übernommen hat, interessiert es zu wissen, wie dessen Einstellung zur Partei und zu Ihnen gewesen ist.

VON PAPEN: Ich habe später erfahren, daß der Botschaftsrat Freiherr von Stein auf den speziellen Wunsch der Partei zu meinem Botschaftsrat gemacht wurde, weil er eine Kontrolle meiner Politik im Sinne der Partei durchführen sollte. Herr von Stein war ein überzeugter Nationalsozialist. Sein Verhältnis zu mir war völlig verschieden von dem Verhältnis zu seinem Vorgänger Erbach. Aber ich stelle fest, daß ich auch in dieser Zeit meine politische Linie weitergeführt habe und Herrn von Stein lediglich die Führung der technischen Geschäfte überlassen habe.

DR. KUBUSCHOK: Das Hoßbach-Dokument vom 5. November 1937 ist mehrfach erwähnt worden. Wußten Sie von der diesem Bericht zugrunde liegenden...

Wußten Sie von dieser Besprechung in Berchtesgaden, die diesem Dokument zugrunde liegt?

VON PAPEN: Von dieser aufsehenerregenden Besprechung, diesem wirklich sehr wichtigen Dokument der Anklage, habe ich selbstverständlich niemals auch nur eine Andeutung gehört. Ich habe dieses Dokument zum erstenmal kennengelernt hier in diesem Saal. Aber wenn ich etwas zu diesem Dokument sagen darf: Der Zusammenhang der Ereignisse des 11. März mit diesem Dokument scheint mir trotz allem sehr lose zu sein; denn aus diesem Dokument geht hervor, daß Hitler den zwangsweisen Einmarsch in Österreich, den zwangsweisen Anschluß, erst dann durchführen wollte, wenn eine europäische Konstellation es ermöglichte. Diese Konstellation erwartete er für das Jahr 1943 bis 1945.

VORSITZENDER: Das ist doch nur Argumentation, Dr. Kubuschok. Er sagt, er habe das Dokument nicht gesehen, bevor er vor diesen Gerichtshof kam, und jetzt spricht er doch von seinen Beziehungen zu den Geschehnissen vom März 1938. Das zu tun ist Ihre Angelegenheit und nicht die des Angeklagten.

DR. KUBUSCHOK: Jawohl, das wird dann später vorgebracht.