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[Zum Zeugen gewandt:]

Wußten Sie, Herr Zeuge, etwas über den militärischen Plan Fall »Otto«?

VON PAPEN: Ich habe von diesem Fall »Otto« erstmalig hier aus diesen Verhandlungen gehört. Der Fall »Otto« war bekanntlich eine theoretische Vorbereitung des militärischen Einfalles für den Fall, daß infolge der Restauration der Habsburger die Tschechen und Ungarn in Österreich einrücken würden.

VORSITZENDER: Das ist jetzt genau dasselbe, was der Angeklagte eben getan hat, als ich Sie unterbrochen habe. Er hat gesagt, er wisse nichts von dem Dokument und jetzt versucht er es zu erklären. So etwas ist Argumentation und nicht Beweis.

DR. KUBUSCHOK: Ja, sehr richtig, Herr Präsident.

[Zum Zeugen gewandt:]

Wir gehen zur nächsten Frage über.

Sie erwähnten vorhin, daß Sie beschlossen hätten, die Akten, die für Ihre Tätigkeit in Wien ein dokumentarischer Beleg waren, nach der Schweiz zu schaffen. Ist dies dann später durchgeführt worden?

VON PAPEN: Ja, das ist durchgeführt worden. Mein Sekretär, Herr von Ketteler, hat diese Akten anfangs März 1938 nach der Schweiz verbracht.

DR. KUBUSCHOK: Schildern Sie kurz die Umstände der Ermordung Ihres Mitarbeiters Baron von Ketteler nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich. Was haben Sie insbesondere für die Aufklärung des Falles unternommen?

VON PAPEN: In den Tagen des Einmarsches in Wien war mein Sekretär und Freund, Herr von Ketteler, plötzlich verschwunden. Ich alarmierte sofort die Wiener Polizei, Herrn Himmler, Herrn Heydrich und Dr. Kaltenbrunner. Man versprach Nachforschungen. Die Nachforschungen blieben lange erfolglos. Ich hatte zunächst angenommen, daß Herr von Ketteler geflüchtet sei, weil seine Beziehungen zu der österreichischen Partei sehr schlecht waren. Aber dann stellte sich einige Wochen später heraus, daß die Leiche des Herrn von Ketteler in der Donau unterhalb Wiens gefunden wurde. Ich erstattete Anzeige beim Staatsanwalt auf Mord gegen Unbekannt. Auf meine Intervention ersuchte ich um eine Obduktion der Leiche. Die Obduktion findet statt mit dem Resultat, daß keine Anzeichen einer gewaltsamen Tötung zu erkennen sind. Trotzdem ist mir vollkommen klar, daß dieser neue Akt ein Racheakt der Gestapo gegen mich und meine Politik und meine Freunde gerichtet ist. Ich wende mich an Göring, dem die Gestapo untersteht, um Hilfe. Herr Göring fordert die Akte an von der Gestapo und sagt mir, es bestünden Beweise, daß Herr von Ketteler einen Attentatsversuch gegen Hitler vorbereitet habe. Ich erkläre das für völlig ausgeschlossen. Aber dann wird von Herrn Göring festgestellt durch die Gestapo, daß ich meine Akten in die Schweiz verbracht habe und daß Herr von Ketteler dabei geholfen habe. Herr Göring verspricht mir, mit Hitler zu verhandeln und die Bestrafung der Gestapoleute zu verlangen, die an diesem Falle beteiligt sind. Ich glaube auch, daß er es getan hat, aber ein Erfolg auf diese Intervention ist nicht gewesen.

DR. KUBUSCHOK: Sie haben sich nach Ihrer Abreise aus Wien ins Privatleben zurückgezogen. Sind Ihnen neue Auslandsposten angeboten worden?

VON PAPEN: Ich habe mich ins Privatleben zurückgezogen, da meine Erfahrungen nach dem 30. Juni und jetzt in Österreich ja nicht so waren, daß ich erneut einen Posten hätte anstreben wollen. Ich kann nur feststellen, daß Herr von Ribbentrop in der nachfolgenden Zeit mich zweimal gebeten hat, als Botschafter nach Ankara zu gehen und daß ich es zweimal abgelehnt habe.

DR. KUBUSCHOK: Als letzte Frage au dem Komplex Österreich: Nach dem Einmarsch in Wien hat Hitler Ihnen das goldene Parteiabzeichen verliehen. Bitte äußern Sie sich dazu.

VON PAPEN: Das ist zutreffend. Hitler pflegte, wie wir wissen, Akte einer plötzlichen Entlassung, und er hatte mich ja am 4. Februar kurzerhand entlassen und die österreichische Frage ohne mich gelöst, solche Akte pflegte er nach außenhin durch freundliche Briefe und Dekorationen zu camouflieren. Vielleicht hätte ich damals dieses goldene Parteiabzeichen ablehnen sollen, denn ich befand mich ja in keiner offiziellen Position mehr und hätte an sich keinen Grund gehabt, es anzunehmen. Aber die Lage, in der ich mich in diesen Tagen befand, war doch so schwierig, daß ich sie nicht noch verschlechtern wollte. Mein Mitarbeiter Ketteler war verschwunden, und ich mußte gewärtig sein, in einen Staatsprozeß verwickelt zu werden, weil ich meine Akten nach der Schweiz verbracht hatte. Also habe ich das Abzeichen angenommen. Aber ich bestreite, daß damit meine Parteizugehörigkeit bewiesen ist. Ich glaube, daß niemand, der mich kennt, auch unter den Herren, die mit mir zusammen auf dieser Bank sitzen, behaupten wird, daß ich jemals in meinem Leben ein Nationalsozialist gewesen bin.

DR. KUBUSCHOK: Ich stehe jetzt vor der Erörterung eines verhältnismäßig kurzen Zeitabschnitts, nämlich der türkischen Zeit. Darf ich damit jetzt beginnen?

VORSITZENDER: Warum ist es in Anbetracht dessen, was die Anklagebehörde vorgebracht hat, notwendig, auf die Vorkommnisse nach dem Anschluß im März 1938 einzugehen? Ich meine, wirft das auch ein Licht auf die Vergangenheit? Soviel ich weiß...

DR. KUBUSCHOK: Herr Präsident! Ich bin dann fertig mit dem gesamten Österreich-Komplex. Ich habe jetzt nur noch einen kurzen Komplex, die Tätigkeit des Angeklagten während seiner Botschafterzeit in Ankara. Ich frage nur, ob es an der Zeit ist, jetzt damit zu beginnen oder ob das Gericht eine Pause wünscht. Ich werde ungefähr in einer Stunde völlig fertig sein.

VORSITZENDER: Das werde ich in ein paar Minuten tun. Aber, was ich Sie fragen wollte, war, warum es im Hinblick auf die seitens der Anklagebehörde gegen den Angeklagten erhobenen Beschuldigungen notwendig ist, auf die Geschichte des Angeklagten in Ankara einzugehen. Soviel ich weiß, hat die Anklage erklärt, daß sie in Verbindung mit seiner Tätigkeit in Ankara keine Beschuldigungen gegen den Angeklagten erhebt. Wenn die Geschichte jener Zeit kein Licht auf die Vergangenheit wirft, auf die Zeit bis zum März 1938, so scheint es für diesen Prozeß nicht wichtig zu sein.

DR. KUBUSCHOK: Ich beschränke mich bei der Erörterung der türkischen Tätigkeit auf wenige Punkte, und zwar sehr richtig lediglich zur Beleuchtung der vorherigen Tätigkeit des Angeklagten von Papen. Die Beweisführung wird sich darauf erstrecken, daß der Angeklagte in dieser Tätigkeit klar zu erkennen gegeben hat, daß er ein ausgesprochener Gegner des Krieges in allen Phasen gewesen ist und daß er in allen Phasen des Krieges lediglich bemüht gewesen ist, zu einem Frieden zu kommen. Es soll also dieses Material aus der türkischen Tätigkeit den Gegenbeweis dafür liefern, daß der Angeklagte vorher sich irgendwie aktiv an einer Kriegspolitik hatte beteiligen können. Wir müssen ja wohl auch ein vollständiges Bild von einem Mann bekommen, der unter der Anklage der Konspiration steht. Wir müssen, wenn er auf einem offiziellen Posten unmittelbar vor Ausbruch des Krieges und während des Krieges gestanden hat, doch unbedingt untersuchen, ob sein Verhältnis in dieser Zeit nicht gerade den Gegenbeweis liefert, daß er vorher irgendwie mit den Planen, die ja erst während des Zeitraumes seiner ersten Zeit zur Durchführung gekommen sind, in Übereinstimmung gestanden hat. Die Fragen sind kurz, wir werden...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich.