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[Pause von 10 Minuten.]

DR. KUBUSCHOK: Unter welchen Umständen erfolgte im April 1939 Ihre Berufung als Botschafter nach Ankara? Warum haben Sie diesen Posten angenommen?

VON PAPEN: Ich habe den Posten angenommen, nachdem ich ihn zweimal abgelehnt hatte, unter sehr außergewöhnlichen Umständen. Am Tage der Besetzung Albaniens durch Italien hat Herr von Ribbentrop mich angerufen und mich dringend nach Berlin gebeten. Dort hat er mir auseinandergesetzt, daß der Posten in Ankara, der seit sechs Monaten unbesetzt war, sofort besetzt werden müsse wegen der Komplikationen, die aus der Albanien-Besetzung im Südosten entstehen könnten. Bevor ich diesen Posten annahm, hatte ich mir sehr wohl überlegt, ob ich noch einmal irgend etwas für die Hitler-Regierung tun könne und tun müsse. Wir wußten seit dem 15. März, dem Einmarsch in Prag, daß wir auf einem Pulverfaß saßen. Es gab in dieser europäischen Frage zwei Konfliktmöglichkeiten; das eine war die Polenfrage, da konnte ich nichts tun, das andere war die Südostfrage, die akut geworden war durch die albanische Besetzung. Ich fühlte, daß ich hier etwas tun konnte und dazu beitragen, daß der europäische Friede aufrechterhalten bliebe. Darum habe ich mich zur Verfügung gestellt, in diesem Augenblick nach Ankara zu gehen.

DR. KUBUSCHOK: Sie fuhren zunächst informationshalber nach Ankara, haben dort die Lage geklärt und dann Ihre Ansicht in einem mündlichen und schriftlichen Bericht kundgetan. Bitte äußern Sie sich dazu.

VON PAPEN: Ich erhielt in Ankara sofort ein Bild der Gesamtlage, weil ich ja alle früheren Persönlichkeiten dort kannte.

VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Sie haben doch nicht vor, mit dem Angeklagten all die Verwicklungen der türkischen Politik durchzugehen?

DR. KUBUSCHOK: Nein, das ist nicht meine Absicht. Die Frage mündet aus in einem Bericht, den der Angeklagte in Berlin nicht nur an Hitler, sondern auch an andere Stellen gegeben hat. In der Übergabe des Berichts, in dessen Inhalt, liegt eine positive Tätigkeit für die Erhaltung des Friedens. Deswegen bin ich bloß auf die Dinge eingegangen. Und Herr Zeuge, ich bitte Sie, in der Umgrenzung...

VORSITZENDER: Haben Sie diesen Bericht da?

DR. KUBUSCHOK: Nein, dieser Bericht ist auch bei den Akten des Auswärtigen Amtes, an die ich nicht herankommen kann.

VORSITZENDER: Nun, dann müssen Sie wohl besser auf die Angelegenheit eingehen, aber bitte kurz.

DR. KUBUSCHOK: Zeuge, fahren Sie bitte fort.

VON PAPEN: Ich werde mich ganz kurz fassen, Mylord.

Ich bin zurückgekommen von der Türkei, habe Hitler gesagt in einem Bericht, was man tun muß, um den europäischen Frieden zu erhalten. Ich habe dieses Memorandum auch an Keitel und Brauchitsch gegeben. Ich halbe darin ausgeführt, daß es notwendig sei, um die Lage im Südostraum zu halten, daß Italien sofort tatsächliche Versprechungen gibt, das heißt, Zurückziehung seiner militärischen Kräfte aus Albanien und eine Regelung seines Verhältnisses mit der Türkei, um dort jeden Zweifel an der Aufrichtigkeit der italienischen Politik zu beseitigen. Darüber ist es zu einer sehr erregten Auseinandersetzung zwischen dem Grafen Ciano und nur gekommen. Graf Ciano befand sich an diesem Tage in Berlin zur Unterzeichnung des deutsch-italienischen Bündnisses. Als ich ihm meine Vorschläge machte, war er in hohem Maße entrüstet über diese Zumutungen und beschwerte sich bei Herrn von Ribbentrop über mich. Es folgte daraus eine sehr erregte Auseinandersetzung mit Herrn von Ribbentrop, der nur sagte, daß er die deutsche Außenpolitik führe und nicht ich und daß es schließlich nicht meine Aufgabe sei, Vorschläge für die Befriedung zu machen. Ich habe dann Herrn von Ribbentrop mein Abschiedsgesuch angeboten und habe ihm gesagt, es sei nutzlos, daß ich unter solchen Umständen nach Ankara gesandt werde, aber Herr von Ribbentrop hat dann eingelenkt, und ich bin wieder zurückgefahren.

DR. KUBUSCHOK: Haben Sie in diesem Bericht ganz allgemein gegen ein Kriegsabenteuer gewarnt, und mit welchen Gründen haben Sie diese Warnung unterstützt?

VON PAPEN: Das Memorandum, das ich auch an General Keitel und General Brauchtisch gegeben halbe, enthielt auch eine militärische Darlegung der Lage. Darin habe ich ausgeführt, der Beginn eines Krieges um den Polnischen Korridor muß unbedingt zu einem Weltkrieg führen. Wenn ein solcher Weltkrieg ausbricht, ist die Lage Deutschlands hoffnungslos, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß England sein Versprechen an Polen halten wird und daß England und Frankreich an die Seite Polens tritt.

DR. KUBUSCHOK: Wie war Ihre Reaktion auf die Nachricht über den Ausbruch des Krieges am 1. September 1939?

VON PAPEN: Als mich die Nachricht vom Ausbruch des Polenkrieges in Ankara erreichte, war ich entsetzt. Ich hatte selbstverständlich gehofft, daß Hitler sich von diesem Schritt, der uns in das größte Unglück stürzen müßte, zurückhalten würde.

DR. KUBUSCHOK: Ich verweise auf das Dokument 14, Seite 62, ein Affidavit der langjährigen Privatsekretärin des Zeugen von Papen. Ich zitiere eine kurze Stelle von Seite 64, den zweitletzten Absatz:

»Die Bekanntgabe des Kriegsausbruches am Radio erlebte ich in der Botschaft Ankara zusammen mit dem Botschafter und den sämtlichen Mitarbeitern. Anschließend daran ging ich mit dem Botschafter durch den Park der Botschaft. Der Botschafter war außerordentlich erregt und erschüttert. Ich hatte ihn nie so gesehen, selbst nicht nach den dunkelsten Tagen des 30. Juni 1934 und nicht nach der Ermordung seines Freundes Ketteler.

Deshalb erinnere ich mich genau an jedes Wort, das der Botschafter damals zu mir sagte: ›Denken Sie an meine Worte: Diesen Krieg zu provozieren ist das größte Verbrechen und der größte Wahnsinn, den Hitler und seine Leute begehen konnten. Deutschland kann diesen Krieg nicht gewinnen. Alle werden unter den Trümmern bleiben.‹«