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[Zum Zeugen gewandt:]

Wie waren, Herr Zeuge, Ihre Entschlüsse für die Zukunft?

VON PAPEN: Was konnte ich tun? Ich konnte entweder Protest erheben, dann mußte ich, um nicht als Hochverräter in Deutschland erschossen zu werden, im Auslande bleiben. Ich konnte in die Emigration gehen. Das würde ich niemals getan haben, denn ich habe immer gefunden, daß man in seinem Lande besser arbeiten kann als in der Emigration. Ich konnte meine Demission geben; dann kehrte ich nach Deutschland zurück und würde Soldat. Das beste schien mir, ich bleibe dort, wo ich war und wo ich am ehesten meinem Vaterlande helfen konnte.

DR. KUBUSCHOK: Ich komme auf Ihre verschiedenen Friedensbemühungen zu sprechen. Bitte schildern Sie zunächst Ihre Verhandlungen mit dem Holländischen Gesandten Dr. Visser.

VON PAPEN: Ich hatte unmittelbar nach dem Polenfeldzug Verhandlungen mit dem damaligen Holländischen Gesandten in Ankara, Dr. Visser, der sich bereit erklärte zu einer Vermittlung seines Außenministers in London. Die Voraussetzung eines Friedens wäre naturgemäß gewesen die Restauration Polens mit einer entsprechenden Regelung der Korridorfrage, der deutschen Teile. Ich habe Herrn von Ribbentrop diese Möglichkeit einer Friedensvermittlung unterbreitet, aber es schien mir, daß sie in Berlin nicht weiter verfolgt wurde, und deshalb begab ich mich im November 1939 persönlich nach Berlin. Herr von Ribbentrop sagte mir: »Der Führer will nichts von Friedensverhandlungen wissen, ich bitte Sie also, keine Schritte zu unternehmen.«

Ich bin trotzdem zu Hitler gegangen, habe ihm das Angebot der Holländer unterbreitet und den Wunsch des Holländischen Gesandten Dr. Visser, persönlich nach Berlin zu kommen. Hitler hat leider alle meine Argumente abgelehnt.

DR. KUBUSCHOK: Ich weise darauf hin, daß mit Genehmigung des Gerichts an den Gesandten Dr. Visser ein Fragebogen über dieses Beweisthema hinausgegangen ist, der Fragebogen ist noch nicht eingetroffen.

[Zum Zeugen gewandt:]

Machten Sie 1939 weitere Vorschläge in Richtung einer Kriegsbeendigung? Ich denke dabei an einen Bericht über die Wiederherstellung des Rechtslebens in Deutschland.

VON PAPEN: Ja; ich habe im Dezember 1939 einen ausführlichen Bericht an Herrn von Ribbentrop für Hitler gerichtet und habe in diesem Bericht ausgeführt, daß die erste Bedingung für jeden Friedensschluß und für jede Friedensbereitschaft des Auslandes die Abkehr von den jetzigen Regierungsmethoden Deutschlands sein müsse, das heißt eine Rückkehr in Deutschland zu verfassungsmäßigen Zuständen. Dann habe ich Hitler gesagt: »Wenn Sie das getan haben, werden Sie mehr Kredit im Auslande finden, und es wird vielleicht möglich sein, eine Friedensvermittlung anzubahnen.«

DR. KUBUSCHOK: Wie war die Instruktion, die Sie von Berlin erhalten hatten in Bezug auf Friedensbemühungen, und was taten Sie trotzdem?

VON PAPEN: Die Missionschefs haben wiederholt vom Reichsaußenminister den strikten Befehl erhalten, unter keinen Umständen irgendwelche Friedensfühler auszustrecken. Solche Versuche würden nach Ansicht des Auswärtigen Amtes ein Zeichen der Schwäche sein. Ich habe mich an dieses Gebot nicht gehalten, weil ich entschlossen war, von mir aus alles zu versuchen, um den Krieg abzukürzen. Daher habe ich mich im Frühjahr 1941 vor der Balkankrise an Seine Majestät den König von Schweden gewandt mit der Bitte, eine Friedensvermittlung einzuleiten. Ich habe auch den Präsidenten der Türkei, Ismed Inönü, gebeten, die Möglichkeiten einer Vermittlung zu erwägen. Präsident Inönü hat das zugesagt, während seine Majestät der König von Schweden es ablehnte und sagte, daß ihm die Lage nicht geeignet erscheine. Der Türkische Staatspräsident verlangte nur, daß für eine Vermittlung er offiziell darum gebeten werde. Das ist natürlich nicht erfolgt.

DR. KUBUSCHOK: Wie dachten Sie über die Ereignisse des 10. Mai 1940, des Einmarsches der deutschen Truppen in Holland und Belgien, und was haben Sie diesbezüglich kundgetan?

VON PAPEN: Am 10. Mai 1940 stand vor meiner Seele der Eindruck, der den ganzen ersten Weltkrieg beherrscht hatte, weshalb und warum Deutschland die belgische Neutralität gebrochen habe. Es war mir völlig unerklärlich, daß dieser psychologische Fehler ein zweites Mal wiederholt würde, und ich habe dieser meiner Meinung Ausdruck gegeben in einem Briefe, den ich am 10. Mai an den Holländischen Gesandten Dr. Visser gerichtet habe.

DR. KUBUSCHOK: Was taten Sie um der Ausweitung des Krieges auf dem Balkan zu steuern?

VON PAPEN: Als die jugoslawische Krisis ausbrach und unsere Truppen durch Bulgarien marschierten, veranlaßte ich Hitler, einen persönlichen Brief an den Türkischen Staatspräsidenten zu richten. In diesem Briefe versicherte er dem Türkischen Staatspräsidenten, daß er unter keinen Umständen beabsichtigen werde, sich auch gegen die Türkei zu richten und daß er deshalb den deutschen Truppen den Befehl gegeben habe, sich 40 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt zu halten.

DR. KUBUSCHOK: Im Juni 1941 schlossen Sie mit der Türkei einen Freundschaftspakt. Geben Sie bitte ganz kurz die Gründe hierzu an.

VON PAPEN: Die Gründe waren sehr einfach; Begrenzung des Krieges. Die Türkei sollte wissen, daß trotz unseres Bündnisses mit Italien, trotz des Krieges auf dem Balkan, trotz des Krieges mit Griechenland, wir die Türkei niemals bedrohen würden. Sie sollte auch wissen, daß wir nicht versuchen würden, durch die Türkei nach dem Suezkanal vorzustoßen. Die Verhandlungen waren sehr lang und schwierig, weil Herr von Ribbentrop wünschte, daß in diesem Vertrage keine Erwähnung getan würde über die vertraglichen Bindungen der Türkei mit den Alliierten. Ich habe dann Herrn von Ribbentrop darauf hingewiesen und ihm gedrahtet, daß die türkischen Herren sich an ihre Verträge halten.

DR. KUBUSCHOK: Wußten Sie von Hitlers Absichten gegen Rußland? Was dachten Sie über diesen Krieg?

VON PAPEN: Der Kriegsbeginn gegen Rußland war selbstverständlich eine vollkommene Überraschung für uns. Wir hatten von Truppenmassierungen auf beiden Seiten gehört, aber ich habe selbstverständlich angenommen und gehofft, daß Hitler seinen Pakt mit Rußland halten werde und daß er diesen Krieg nicht beginnen werde. Ich habe den Beginn des Krieges gegen Rußland vom Gesichtspunkt sowohl der deutschen wie der europäischen Interessen als ein Verbrechen betrachtet.

DR. KUBUSCHOK: Haben Sie, nachdem Sie im Herbst 1943 von einem Besuch in Deutschland zurückgekehrt waren, Ihre Bemühungen für den Frieden noch weiter fortgesetzt?

VON PAPEN: Im Herbst 1943, nach Stalingrad, war es klar geworden, daß man einen Frieden nicht herstellen konnte mit der Hitler-Regierung. Darüber ist zwischen mir und meinen Freunden, auch militärischen Freunden, sehr viel gesprochen worden. Im Herbst 1943 wurde ich in den sogenannten Beck-Plan eingeweiht, von dem hier die Rede gewesen ist durch den Zeugen Gisevius. Dieser Plan sah damals nicht eine Beseitigung Hitlers durch ein Attentat vor, sondern es bestand die Absicht, sein Hauptquartier durch Truppen zernieren zu lassen und dann Hitler einen Prozeß zu machen. Die Gründe dafür lagen auf der Hand. Denn wenn auch viele Generale der Ansicht waren, daß man diesem Kriege ein Ende machen müßte, so scheuten sie sich vor Aktionen gegen Hitler, weil sie der Ansicht waren, daß Hitler immer noch ein sehr großes Prestige besitze. Außerdem bestand die weitere Schwierigkeit, daß, wenn man Hitler beseitigt hätte, man ja nicht wußte, was die Alliierten mit uns tun würden.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Meinung, daß dies kürzer behandelt werden sollte, Dr. Kubuschok.

VON PAPEN: Ich habe infolge all dieser Erwägungen versucht zu erfahren, was die Alliierten mit Deutschland machen würden in einem solchen Falle und habe mich dieserhalb an den damaligen Gesandten, den Amerikanischen Gesandten Earle gewandt, der darüber auch in der Presse berichtet hat.

DR. KUBUSCHOK: Ich verweise auf Dokument 93, Seite 214. Es ist dort enthalten der Fragebogen des Freiherrn von Lersner, den ich selbst als Zeuge vor Gericht stellen wollte, der aber wegen Verkehrsschwierigkeiten nicht hierher kommen konnte. Auf Seite 214 ist die Antwort auf Frage 7:

»Meine Aktionen zur Vermittlung von Friedensverhandlungen beruhten stets auf meiner eigenen Initiative und erstreckten sich auf den Versuch der Vermittlung des allgemeinen Weltfriedens zwischen allen kriegführenden Staaten. Vor allen Friedensschritten habe ich mich mit dem Botschafter von Papen eingehend ins Benehmen gesetzt und bin von ihm immer mit Verve in weitgehendstem Maße unterstützt worden, trotzdem jeder Friedensschritt ihm verboten und für ihn mindestens ebenso lebensgefährlich war wie für mich.

Er hat mich auch mit einer Reihe von Ausländern, vor allem mit dem Apostolischen Delegierten zu Istambul, Erzbischof Roncalli, zusammengebracht.

Als ich 1942 den Entschluß faßte, in den Vatikan zu fahren, hat Botschafter von Papen mir nicht nur dringend zu der Reise geraten, sondern er hat mir persönlich alle notwendigen Papiere und Pässe nach Rom verschafft, wo ich trotz speziellem, ausdrücklichem Verbot der Reichsregierung dem Kardinalstaatssekretär, Kardinal Maglione, und dem diplomatischen Direktor der Kurie, Bischof Montini, eine Weltfriedensaktion des Papstes Pius XII. bei allen kriegführenden Mächten vorschlug.

Als sich mir im April 1944 die Gelegenheit bot, mit dem Freunde des mir seit langem persönlich bekannten Präsidenten Roosevelt, dem früheren Amerikanischen Gesandten in Wien und Sofia, George Earle, in Verbindung zu treten, hat Papen mir wiederum in jeder Weise geholfen. Er hat es sogar auf sich genommen...«

VORSITZENDER: Dies sind Einzelheiten. Genügt es nicht, daß der Angeklagte erklärt, er sei in jeder Weise bestrebt gewesen, Frieden zu machen? Wenn Sie wollen, können Sie dann auf irgendwelche Verhöre oder Affidavits verweisen, die die Aussagen des Angeklagten bestätigen.

DR. KUBUSCHOK: Gut. Ich verzichte dann auf die weitere Verlesung dieser Antwort auf Frage 7, verweise dann weiterhin auf Dokument 94, Seite 217, ein Brief des Zeugen Lersner an Mr. Kirkpatrick. In dem Brief nimmt er darauf Bezug, daß bereits im Jahre 1939 die Absicht des Angeklagten von Papen bestand, Lersner nach der Türkei zu bringen, damit er auf Grund seiner internationalen Beziehungen für den Frieden wirken könnte. Er schildert die Schwierigkeiten gegen diesen Plan, der dann aber doch von Papen durchgeführt worden ist. In dem Brief sind auch weitere Friedensbemühungen bei Admiral von Horthy und König Boris von Bulgarien erwähnt. Ganz kurz möchte ich den vom Zeugen Gisevius aufgeworfenen Fragenkomplex dokumentarisch erhärten. Ich will den Beweis dafür führen, daß Papen in den Kreisen der Verschwörer des 20. Juli keinesfalls ungünstig aufgenommen worden ist, daß man ihm im Gegenteil das Amt eines Außenministers zugedacht hatte. Ich verweise auf die eidesstattliche Versicherung des Grafen Bismarck, Dokument Nummer 90, Seite 201. Graf Bismarck ist im Zug der Ereignisse des 20. Juli in ein Konzentrationslager gebracht worden – das zur Charakterisierung des Zeugen. Im Dokument 90 weist Bismarck darauf hin, daß Papen sich für den Fall einer Regierungsänderung zur Verfügung gestellt hätte. Es ist ein Nachrichtendienst über den im Auswärtigen Amt tätig gewesenen Herrn von Trott verabredet worden. Trott ist im Zuge der Ereignisse des 20. Juli zum Tode verurteilt worden.

Ich verweise letztlich auf das Dokument 89, Seite 199, ein Brief von Pfeil an den Sohn des Zeugen Papen. Dort weist Pfeil darauf hin, daß der Attentäter des 20. Juli, Oberst Graf von Stauffenberg, dem Angeklagten die Tätigkeit als späterer Außenminister in Aussicht gestellt hätte. Die Vorlegung dieses Briefes ist bereits durch das Gericht zugelassen.