[Zum Zeugen gewandt:]
Wie war Ihre Stellung, Herr Zeuge; während Ihrer türkischen Zeit zur Partei?
VON PAPEN: Meine Stellung zur Partei war außerordentlich schlecht. Ich habe einen jahrelangen Kampf mit dem Landesgruppenleiter der Partei in der Türkei geführt. Dieser Mann hat gegenüber meinem Botschaftsbeamten geäußert, »Herr von Papen gehört in ein Konzentrationslager, oder er muß erschossen werden«. Ich habe einen langen Kampf um die Beseitigung dieses Mannes führen müssen.
DR. KUBUSCHOK: Was haben Sie während dieser Zeit in kirchlichen Dingen getan?
VON PAPEN: Ich habe während des Krieges alles in meinen Kräften stehende getan, um einer Verschärfung des Kampfes gegen die Kirche entgegenzuarbeiten, das heißt, ich habe alle diese Institutionen in der Türkei unter meinen persönlichen Schutz genommen.
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise nun dabei auf Dokument 53, Seite 141, und Dokument 51, Seite 138.
[Zum Zeugen gewandt:]
Was haben Sie in der Judenfrage während Ihrer türkischen Zeit getan?
VON PAPEN: Ich habe mich allen Maßnahmen der Deutschen Reichsregierung gegen deutsche Juden widersetzt. Es hat ein langer Parteiprozeß stattgefunden, weil deutsche Angehörige, Mitglieder meiner Botschaft, einen jüdischen Arzt konsultiert hatten. Ich habe diese meine Beamten gegen diesen Vorwurf verteidigt, und ich habe mich geweigert, den in der Türkei befindlichen deutschen Juden die Pässe zu entziehen und sie der Reichsbürgerschaft zu entkleiden.
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise auf Dokument 95, Seite 227, der beantwortete Fragebogen von Professor Martionini. Er befaßt sich in Frage 4, 5 und 6 mit diesem Problem. In der Antwort auf Frage 6 ist der letzte Absatz sehr bemerkenswert, und andererseits ist er von dem Zeugen Papen noch nicht erwähnt, so daß ich ihn zitieren möchte. Seite 229, letzter Absatz der Antwort auf Frage 6:
»Besonders deutlich habe ich eine Aktion aus dem Frühling 1944 in Erinnerung, bei der ich auf Ersuchen des Herrn Barlas, des Flüchtlingskommissars der Jewish Agency, Herrn von Papen aufsuchte, um ihn um seine Mitwirkung bei der Errettung von 10000 Juden in Frankreich vor der Verschickung nach Polen zum Zwecke der Vernichtung zu bitten. Diese Juden hatten früher die türkische Nationalität besessen, diese aber später aufgegeben. Herr von Papen entsprach meiner Bitte, und durch sein Eintreten wurde das Leben dieser Juden gerettet, was ich später durch Herrn Barlas selbst erfuhr.«
Ich setze die Verlesung fort:
»Einzelheiten dieser Aktion, über die auch die Herren Steinhardt, damals Botschafter der Vereinigten Staaten in Ankara, und Nunan Menemencioglu, damals Außenminister der Türkei, unterrichtet waren, konnten bei Herrn Barlas angefragt werden.«
VORSITZENDER: Ich möchte Ihnen nochmals vorhalten, daß Sie schon viel mehr Zeit in Anspruch genommen haben, als Sie vorher angegeben hatten, Herr Dr. Kubuschok.
DR. KUBUSCHOK: Ich bin in ganz kurzer Zeit, in wenigen Minuten, fertig.
[Zum Zeugen gewandt:]
Ich stelle die letzte Frage an den Zeugen: Als die Türkei die Beziehungen zu Deutschland am 2. August 1944 abbrach, kehrten Sie nach Deutschland zurück? Warum blieben Sie nicht in der Türkei und trennten sich nicht endgültig von Deutschland?
VON PAPEN: Ich kann feststellen, daß am Tage des Abbruches der Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland der englische Premierminister Churchill im Unterhaus das Folgende gesagt hat: »Der Abbruch der Beziehungen der Türkei zu Deutschland wird viele Folgen haben, unter anderem auch für Herrn von Papen. Am 30. Juni ist er dem Blutbad entronnen. Dieses Mal wird es ihm nicht gelingen.«
Infolgedessen sind an mich von alliierter Seite Aufforderungen gerichtet worden, in der Türkei zu bleiben. Ich habe das abgelehnt. Ich habe gesagt: »Ich gehe nach Deutschland zurück, wo ich hingehöre. Ich gehe nicht in die Emigration, denn vielleicht ist es immer noch möglich, daß ich irgend etwas für mein Vaterland tun kann.« So bin ich nach Deutschland zurückgekehrt. Als ich dort angekommen war, habe ich festgestellt, daß infolge der Terrormethoden, ausgelöst durch den 20. Juli, keine Möglichkeit bestand, irgend etwas zu tun. Man hat mir für den Rest der Zeit einen Posten der Gestapo vor meine Türe gesetzt.
DR. KUBUSCHOK: Ich verweise auf Dokument 95, Seite 226, dem schon erwähnten Fragebogen des Professors Martionini. Ich verweise auf die Antwort zu Frage 3 und möchte nur ganz kurz die letzte Hälfte dieser Antwort, die sich mit dem soeben vom Zeugen erörterten Problem beschäftigt, zitieren.
»Die letzte diesbezügliche Unterredung fand am 2. Au gust 1944 statt, am Tage vor seiner endgültigen Abreise aus Ankara nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei.
Auf meinen Rat, die Türkei nicht zu verlassen, sondern von hier aus einen Aufruf an das deutsche Volk und die deutsche Armee zu richten, Hitler zu stürzen und den sinnlosen Krieg sofort einzustellen, antwortete von Papen dem Sinne nach das Folgende: Ich habe aus der Geschichte gelernt, daß man Diktaturen nicht aus der Emigration beseitigen kann; man muß in das Land selbst gehen, um dort das Regime wirksam zu bekämpfen. Ich habe mich deshalb entschlossen, nach Deutschland zurückzukehren, um dort den Kampf gegen das Hitler-Regime zu führen und damit das Kriegsende schneller herbeizuführen.«
Ich bin am Ende meiner Vernehmung des Zeugen von Papen.
VORSITZENDER: Hat irgendein anderer der Herren Verteidiger Fragen zu stellen?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr von Papen! Ich möchte einige Fragen an Sie richten mit Erlaubnis des Gerichts.
Seit wann kennen Sie Herrn von Neurath?
VON PAPEN: Seit 1932.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ist es richtig, daß es der ausdrückliche Wunsch des damaligen Reichspräsidenten von Hindenburg war, daß Herr von Neurath als Reichsaußenminister von Ihnen in Ihre Regierung, die Sie damals 1932 bildeten, berufen wurde?
VON PAPEN: Jawohl, das ist vollkommen zutreffend.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: War Ihnen bekannt oder wußten Sie aus der früheren Tätigkeit des Herrn von Neurath auf seinen verschiedenen Botschafterplätzen, besonders aber auf dem letzten in London, daß Herr von Neurath ein unbedingter Anhänger und passionierter Verfechter einer Friedenspolitik war?
VON PAPEN: Das war mir und allen Menschen in Deutschland bekannt.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und Sie selbst billigten es auch?
VORSITZENDER: Ich glaube, Sie fragen etwas zu schnell. Bitte weiter.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und Sie selbst billigten auch diese Friedenspolitik?
VON PAPEN: Natürlich habe ich diese Politik gebilligt, denn sonst hätten wir uns ja nicht in diesem Kabinett zu gemeinsamer Arbeit zusammengefunden.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Hat Herr von Neurath ein paar Monate später bei Verhandlungen irgendwie mitgewirkt, die zur Übertragung der Reichskanzlerschaft an Hitler führten?
VON PAPEN: In keiner Weise.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ist Ihnen aber bekannt, daß der Reichspräsident von Hindenburg damals ausdrücklich die Bedingung stellte, daß Herr von Neurath als Reichsaußenminister auch in der neuen Regierung Hitlers verbleibe?
VON PAPEN: Ich habe hier schon erwähnt, daß dies eine ausdrückliche Bedingung Hindenburgs war.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und wie stellte sich im Prinzip Hitler dazu, hat er das nur angenommen oder akzeptiert, um überhaupt die Regierung bilden zu können, oder hat er die Wahl Hindenburgs gebilligt?
VON PAPEN: Ich glaube, daß Hitler mit der Wahl Neuraths zum Außenminister durchaus einverstanden war.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Haben Sie selbst darüber mal mit Hitler gesprochen?
VON PAPEN: Ja, häufig. Und ich habe von Hitler erfahren, daß er von der Person und Umsicht des Herrn von Neurath große Stücke hielt.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und haben Sie mit Herrn von Neurath selbst darüber gesprochen?
VON PAPEN: Jawohl.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Hat er sich leicht dazu entschlossen, dieses Kabinett zu bilden?
VON PAPEN: Ich möchte glauben, daß dieselben inneren Vorbehalte, die ich damals gehabt habe, auch Herr von Neurath gehabt hat.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Welches waren denn nun nach Ihrer Kenntnis, soweit Sie sie aus Äußerungen von Hitler entnehmen konnten, damals die außenpolitischen Ziele und Bestrebungen Hitlers?
VON PAPEN: Die außenpolitischen Ziele Hitlers damals waren sehr eng begrenzt: Beseitigung der Diskrimination auf friedlichem Wege und Stärkung der deutschen Stellung in der Welt.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Haben Sie überhaupt bis zum Ende 1937 von Hitler jemals irgendwelche Äußerungen gehört, die darauf schließen ließen, daß er auch Waffengewalt anzuwenden entschlossen wäre, falls seine friedlichen Bemühungen nicht zum Ziele führten?
VON PAPEN: Ich habe niemals von solchen Absichten von Hitler gehört.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und dann wird immer behauptet, er habe in den führenden Parteikreisen derartige blutige Absichten geäußert?
VON PAPEN: Es ist mir niemals bekannt geworden, daß in der Partei, auch von den radikalsten Nationalsozialisten, irgend jemand von der Idee eines Krieges gesprochen hätte.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sie waren also durchaus mit den von Herrn von Neurath beabsichtigten und vertretenen Zielen der friedlichen Politik einverstanden?
VON PAPEN: Durchaus.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Nun wurde doch Herrn von Neurath zum Vorwurf gemacht, daß er die Wiederaufrüstung Deutschlands mitgemacht habe. Was war der Grund und das Motiv Hitlers für diese Wiederaufrüstung, die ja wohl schon vor der eigentlichen Übernahme der Wehrhoheit begann?
VON PAPEN: Ich habe gestern ausgeführt, daß die eigentliche Aufrüstung erst begonnen hat nach meinem Rücktritt aus dem Kabinett. Aber soweit ich unterrichtet bin, herrschte bei allen meinen früheren Kollegen die Ansicht vor, daß eine Aufrüstung lediglich zu dem Zweck geschehen solle, um Deutschland einen defensiven Schutz seiner Grenzen zu ermöglichen.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Nun komme ich zu dem Problem Österreich. Kennen Sie die Stellungnahme Herrn von Neuraths zu dem österreichischen Problem?
VON PAPEN: Die Stellung des Herrn von Neurath zum österreichischen Problem war die gleiche wie meine Stellungnahme. Er hat, wie ich selbst, im Kabinett ständig protestiert gegen die von der Partei inszenierten Terrormaßnahmen während der Jahre 1933/1934.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Unterstanden Sie selbst, als Sie seinerzeit von Hitler in außerordentlicher Mission nach Wien gesandt wurden, Herrn von Neurath und erhielten von diesem Ihre Weisungen oder nur von Hitler?
VON PAPEN: Ich habe Herrn von Neurath nicht unterstanden, sondern hatte gebeten, daß ich unmittelbar Hitler unterstellt wurde. Aber ich habe selbstverständlich Herrn von Neurath und das Auswärtige Amt über jeden meiner Schritte unterrichtet, wie das sich ja auch aus den Dokumenten, die hier vorgelegt worden sind, ergibt.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Wie war nun die Einstellung Herrn von Neuraths zu den Verhandlungen im Sommer 1936, die zu dem Vertrage vom 11. Juli zwischen Deutschland und Österreich führten?
VON PAPEN: Herr von Neurath war genau der gleichen Auffassung wie ich, daß dieser Vertrag der endgültigen Befriedung der beiden Brudervölker dienen solle und müsse.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Hat er auch in diesem Sinne auf Hitler eingewirkt?
VON PAPEN: Mir ist es nicht bekannt, aber ich nehme es durchaus an.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und daß er es mit diesem Vertrag ehrlich gemeint hat und aufrichtig? Was ist Ihre Ansicht? Ich bemerke hierzu, daß die Anklage nämlich behauptet und Herrn von Neurath vorwirft, daß dieser Vertrag in betrügerischer Absicht geschlossen worden sein soll.
VON PAPEN: Ich habe darüber gestern ausführlich gesprochen und dagegen protestiert, daß die Anklage uns eine betrügerische Absicht unterschiebt. Herr von Neurath hat ebensowenig solche Absicht gehabt wie ich selbst.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und noch zwei kurze Fragen. Ist Ihnen bekannt, welche Einstellung Herr von Neurath zu dem Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund und aus der Abrüstungskonferenz im Jahre 1933 hatte?
VON PAPEN: Ja, das ist mir sehr genau bekannt. Herr von Neurath war der Auffassung, daß es geboten sei, aus der Abrüstungskonferenz auszutreten. Er war aber gleich mir der Auffassung, daß es ein Fehler sei, aus dem Völkerbund auszutreten. Mit seinem Einverständnis bin ich damals, wie ich gestern dem Gericht vorgetragen habe, Hitler nach München nachgereist, um ihn zu überreden, nicht aus dem Völkerbund auszutreten.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich habe keine weitere Frage mehr, Herr Präsident.
DR. SEIDL: Ich bitte, mit Genehmigung des Gerichts, in Vertretung des abwesenden Kollegen Dr. Stahmer eine Frage für den Angeklagten Göring stellen zu dürfen.