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[Pause von 10 Minuten.]

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Darf ich die Bitte an das Gerecht richten, meinen Klienten, Herrn von Neurath, morgen und übermorgen von der Sitzung zu dispensieren zwecks Vorbereitung und Vollendung seiner eigenen Verteidigung?

VORSITZENDER: Natürlich, jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Sie haben dem Gerichtshof ziemlich viel über Ihre Marburger Rede gesagt. War nicht einer Ihrer Mitarbeiter ein Herr Jung?

VON PAPEN: Ganz richtig, jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und hat er Ihnen nicht – glauben Sie mir, ich will Ihnen in keiner Weise nahetreten – aber hat er Ihnen nicht beträchtlich bei der Abfassung der Marburger Rede geholfen?

VON PAPEN: Herr Jung hat sehr häufig für mich Skizzen zu Reden entworfen und auch zu dieser Marburger Rede.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Er wurde nach dem 30. Juni erschossen, nicht wahr?

VON PAPEN: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er war ein Mann, dem Sie nicht nur persönlich sehr zugetan waren, sondern dessen politischen Ansichten – ich glaube, Sie pflegten ihn einen fortschrittlichen Konservativen zu nennen – Sie großen Respekt und viel Verständnis entgegenbrachten, nicht wahr?

VON PAPEN: Ganz richtig, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben uns von Herrn von Bose erzählt. Er ist auch erschossen worden? Herr von Tschirschky wurde nach diesem Vorfall von zwei verschiedenen Gruppen von Leuten verhaftet?

VON PAPEN: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist Herr von Savigny auch verhaftet worden?

VON PAPEN: Ich kann mich nicht erinnern, ich glaube nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, insgesamt wurden – die Namen spielen keine Rolle – doch zwei Mitglieder Ihres Stabes erschossen, und drei wurden verhaftet?

VON PAPEN: Ein Mitglied meines Stabes wurde erschossen und zwei verhaftet. Herr Jung gehörte nicht zu meinem Stabe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Jung war kein Mitglied Ihres Stabes, aber er war doch einer Ihrer engen Mitarbeiter...

VON PAPEN: Er war ein Mitarbeiter, der, wie ich gesagt habe, mir sehr häufig half, wenn ich sehr beschäftigt war, Skizzen zu meinen Reden zu machen und mit dem ich meine konservativen Ideen austauschte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und es ist natürlich ganz allgemein bekannt, daß General von Schleicher und seine Frau auch erschossen worden sind, und ich glaube, wenn ich mich recht erinnere, ist auch General von Bredow erschossen worden, nicht wahr?

VON PAPEN: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie Sie uns sagten, waren Sie auch drei Tage lang verhaftet, und Ihre Akten wurden beschlagnahmt, nicht wahr?

VON PAPEN: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hat das Ihren Glauben an das Regime erschüttert?

VON PAPEN: Meinen Glauben woran? Ich bitte um Entschuldigung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hat dieser Vorgang Ihren Glauben an das Regime und Hitler erschüttert?

VON PAPEN: Allerdings. Ich habe dem Gericht gestern ausgeführt, daß mit diesem Akt der Pakt vom 30. Januar zerbrochen war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben dann am 2. Juli, glaube ich, Ihren Rücktritt angeboten.

VON PAPEN: Nein, ich habe ihn schon vorher angeboten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das stimmt, Sie hatten ihn schon am 18. oder 19. Juni angeboten und haben Ihr Rücktrittsgesuch am 2. Juli noch einmal wiederholt.

VON PAPEN: Ganz richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, richtig, das war ein Fehler meinerseits. Wollen Sie hier vor dem Gerichtshof behaupten, daß Sie Ihr Rücktrittsgesuch wiederholten, weil Sie den Glauben an das Regime verloren hatten oder weil Sie sich durch Ihre Verhaftung, die Beschlagnahme Ihrer Akten und die Erschießung Ihrer Sekretäre in Ihrer Ehre gekränkt fühlten?

VON PAPEN: Ich habe meine Demission gegeben, einmal wegen des unmöglichen Affronts gegen meine eigene Person und meinen Stab, zweitens, weil durch diesen Akt der Pakt vom 30. Januar seitens Hitlers gebrochen war und weil jede innerpolitische Zusammenarbeit mit ihm für mich unmöglich geworden war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verstehe. Schauen Sie sich bitte das Dokument D-714 an.

Euer Lordschaft, es wird GB-497.

Es ist ein Brief, den Sie am 4. Juli an Hitler geschrieben haben und in dem Sie sagen:

»Gestern 10 Uhr vormittags hatte ich die Ehre, nachdem am 2. 7. 9 Uhr abends die Polizeihaft gegen mich aufgehoben wurde, Ihnen mündlich meinen Standpunkt zu den Ereignissen der letzten Tage darzulegen. Dabei führte ich aus, daß ich meinen Sitz im Kabinett unmöglich einnehmen könne, bevor nicht meine Ehre und die Ehre meiner Beamten wiederhergestellt sei.

Am 30. 6. sind fünf meiner Mitarbeiter verhaftet, einer davon erschossen worden. Meine Akten sind beschlagnahmt, mein Amtszimmer versiegelt, meine Privatsekretärin gleichfalls verhaftet. Dieser Zustand dauert zur Stunde noch an.

Ein solches Vorgehen gegen den zweithöchsten Beamten des Reiches könnte nur gerechtfertigt sein, wenn er und seine Beamten sich einer Mittäterschaft an dem Komplott gegen Führer und Volk schuldig gemacht hätten.

Es liegt nicht nur im Interesse des Schutzes meiner persönlichen Ehre, sondern mehr noch der Autorität und Sauberkeit des Staates, daß hier die Schuld unverzüglich festgestellt oder die Ehre wiederhergestellt werde.«

Und dann sagen Sie weiter:

»Dem Auslande sind die Vorgänge in zum Teil entstellter Form bekannt geworden.«

und daß aus diesem Grunde keine Stunde verloren werden sollte. Sie haben an sein soldatisches Ehrgefühl appelliert und verlangt, daß der Fall dem Oberreichsanwalt überwiesen werden oder aber eine Erklärung veröffentlicht werden solle, die besagt,

»... daß die Untersuchung keinen Beweis für irgendeine Mittäterschaft an dem Komplott ergeben habe und damit die Ehre meiner Beamten und die meine wiederhergestellt« werden soll. »Falls Sie den letztgenannten Weg nicht beschreiten wollen, wäre mein weiteres Verbleiben im Kabinett unmöglich.«

Schauen Sie sich nun den Schluß des Briefes an:

»Mein Amt hatte ich Ihnen, Herr Kanzler, bereits am 18. und 19. 6. zur Verfügung gestellt. Ich kann diese Demission um so leichteren Herzens heute fordern, als das von uns am 30. 1. 33 gemeinsam begonnene Werk nunmehr gegen jeden Aufruhr gesichert scheint. Gleichzeitig bitte ich um meine Entbindung von dem Amt als Saarkommissar.

Ich nehme an, daß Sie die Entscheidung über die Wiederherstellung meiner Ehre, um die ich Sie gestern bat, in den nächsten Stunden treffen werden.

Ich bleibe Ihnen und Ihrer Arbeit für unser Deutschland in Treue verbunden.«

Stimmt es, daß es Ihr Herz erleichterte, Hitlers Arbeit jetzt gegen irgendwelche weiteren Aufstände gesichert zu sehen?

VON PAPEN: Ich habe die Frage nicht verstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist es richtig, daß, wie Sie hier sagen, Ihr Herz erleichtert war, daß Hitlers Werk gegen weiteren Aufruhr gesichert schien?

VON PAPEN: Ja. Ich stand unter dem Eindruck, daß es eine Revolution gewesen sei, die er niedergeschlagen habe. Dieser Brief ist ja einen Tag nach meiner Haftentlassung geschrieben. Ich habe das Gefühl gehabt, hier ist eine Revolution gewesen; das ist nunmehr erledigt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wußten Sie, daß General von Schleicher und seine Frau getötet worden waren?

VON PAPEN: Ich glaube nicht, daß ich das in diesem Augenblick gewußt habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten also nur, daß Herr von Bose erschossen worden war?

VON PAPEN: Ja, das steht ja in dem Brief.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie wußten, daß auch nicht der geringste Grund auf der Welt bestanden hätte, um General von Schleicher, Jung und Bose zu erschießen, nicht wahr?

VON PAPEN: Nein, den Grund habe ich nicht gewußt. Soviel ich mich erinnere...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein. Sie wußten, daß kein Grund dafür vorlag, nicht wahr?

VON PAPEN: Nein. Hitler hat auf meine Frage nach dem Grund geantwortet, daß Herr von Bose verwickelt sei in eine Angelegenheit der Weitergabe von Informationen an die ausländische Presse.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Wir haben also anzunehmen, daß Sie mit Kopf und Herz, in vollem Vertrauen und mit voller Aufrichtigkeit gesprochen haben, als Sie am 4. Juli 1934 sagten: »Ich verbleibe Ihnen und Ihrer Arbeit für unser Deutschland in Treue verbunden.« Ist das richtig?

VON PAPEN: Ja, weil ich hoffen mußte, daß seine weitere Arbeit, auch wenn er sich innenpolitisch von mir trennte, für Deutschland nicht zu einem Nachteil führen würde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie brauchen nicht weiter in den Briefen zu lesen, Sie können sich darauf verlassen, daß ich sie rechtzeitig behandeln werde. Lesen Sie also die anderen nicht im voraus.

Die Folge Ihres Briefes war, daß Sie Hitler an jenem Tage sahen, nicht wahr?

Wollen Sie bitte nur meine Fragen beantworten. Ich versichere Sie, ich werde die Briefe mit Ihnen durchgehen. Sie sahen Hitler an jenem Tage?

VON PAPEN: Ich habe ihn früher gesehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie sahen ihn auch nachher?

VON PAPEN: Ich habe ihn an dem Tage zuvor gesehen. In dem Brief steht...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie sahen ihn nach dem Brief, und Sie trafen doch mit Hitler die Vereinbarung, bis September Vizekanzler zu bleiben und dann im Auswärtigen Amt eine Stelle anzunehmen?

VON PAPEN: Ich glaube nicht, nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie das nicht glauben, schauen Sie sich bitte den nächsten Brief an, D-715, der GB-498 wird.

Es ist ein Brief vom 10. Juli 1934, der anfängt:

»Unsere Vereinbarung vom 4. Juli« – das ist das Datum des letzten Briefes – »dahingehend, daß ich bis September in meiner Stellung als Vizekanzler verbleibe und sodann im auswärtigen Dienst Verwendung finden solle, war zwischen uns auf folgender Voraussetzung begründet: Sofortige, völlige Wiederherstellung meiner Autorität und Ehre, die es mir ermöglichen würden, im Dienste des Reiches – in welcher Form auch immer – zu verbleiben.«

Wollen Sie nun etwa dem Gerichtshof sagen, daß Sie am 10. Juli nicht wußten, daß General von Schleicher und seine Frau und auch General von Bredow getötet und auch Jung und Bose ermordet worden waren? Bestreiten Sie, daß Sie das am 10. Juli gewußt haben?

VON PAPEN: Das bestreite ich keineswegs, daß ich das gewußt habe, aber ich habe ja gefordert, wie ich dem Gericht schon gesagt habe, daß eine Untersuchung über all diese Dinge angestellt wird, damit wir genau die Gründe erfahren. Es ist dargestellt worden in der Öffentlichkeit, als sei Schleicher erschossen worden im Zustande der Notwehr. Also alle diese Dinge waren damals noch völlig unklar.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist aber doch richtig, daß Sie, wie Sie hier schreiben, mit Hitler vereinbart hatten, bis September Vizekanzler zu bleiben und unter der genannten Bedingung dann in den Auswärtigen Dienst einzutreten. Stimmt das?

VON PAPEN: Nein, das stimmt nicht, denn ich habe schon ausgeführt...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Brief ist von Ihnen, wie Sie wissen?

VON PAPEN: Ja, dieser Brief ist geschrieben, weil Hitler mir in Aussicht gestellt hatte eine Klarstellung, eine Untersuchung, die es mir ermöglichen würde, nach Wiederherstellung meiner Ehre und Aufklärung der ganzen Verbrechen im Dienste des Reiches zu verbleiben. Aber das ist niemals erfolgt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Bose und Jung waren doch enge Mitarbeiter von Ihnen, und wenn jemand wissen mußte, ob sie unschuldig waren oder nicht, dann waren es doch Sie. Warum sind Sie dann, obwohl Sie das wußten, mit Hitler übereingekommen, noch länger Vizekanzler zu bleiben und dann in das Auswärtige Amt einzutreten?

VON PAPEN: Ich habe ja festgestellt, daß ich meine Demission genommen hatte; dieser Satz, der über mein mögliches Verbleiben im Amte spricht, ist ja nur eine Supposition. De facto hatte ich meinen Abschied genommen, und ich habe de facto seit 4. Juli überhaupt keine Regierungstätigkeit mehr ausgeübt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Schauen Sie sich doch die nächsten Worte in diesem Brief an:

»Ich hatte Ihnen zu diesem Zweck am 5. Juli einen Vorschlag für eine amtlich zu erlassende Erklärung unterbreitet, welche die Gründe darlegte, weshalb zu der Verhaftung einer Anzahl von Mitgliedern meines Büros geschritten worden sei, auf welche Weise Herr von Bose ums Leben kam und worin die Nichtbeteiligung sämtlicher Mitglieder meines Büros an der SA-Revolte festgestellt wurde. Diese von mir erbetene Erklärung ist von Ihnen nur in einem Auszug genehmigt und veröffentlicht worden, nämlich insoweit die Enthaftung und die Nichtschuld von den Herren von Tschirschky, von Savigny und meiner Privatsekretärin Stotzingen bekanntgegeben wurden.«

Sie hatten also Hitler Ihre eigene Darstellung vorgelegt und ihn gebeten, sie durchzulassen, was er aber nicht tat. Er wollte die Leute, die mit Ihnen zusammenarbeiteten ganz und gar nicht für schuldlos erklären, und trotz alledem kamen Sie mit ihm überein, als Vizekanzler weiterzuarbeiten und dann ins Auswärtige Amt einzutreten.

Sie verstehen, was ich Ihnen vorhalte? Ich halte Ihnen vor, daß Sie einzig und allein um Ihre persönliche Stellung besorgt waren und darum, Ihr Ansehen wiederherzustellen. Sie waren bereit, diesen Mördern zu dienen, solange Ihrem Ansehen kein Abbruch getan wurde.

VON PAPEN: Herr Ankläger! Einen besseren Beweis für meine Absichten, mich von dem Regime zu trennen, kann ich nicht geben, als daß ich de facto meinen Abschied genommen habe. Wenn alles klargestellt worden wäre, wenn die Unschuld klargestellt worden wäre, in der meine Beamten und Angestellten ermordet und verhaftet worden sind, dann wäre vielleicht eine Möglichkeit eines Verbleibens im Reichsdienst, nicht als Vizekanzler – als solcher hatte ich ja demissioniert – möglich gewesen. Sie entnehmen aber aus dem Brief, daß Hitler keine Anstalten gemacht hat, eine solche Erklärung abzugeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und als Antwort darauf, daß er keine Anstalten machte, gaben Sie Ihrer Bewunderung für seine Handlungsweise auf eine noch widerlichere Weise Ausdruck. Betrachten Sie Nummer D-716; dies wird GB-499.

»Sehr verehrter Herr Reichskanzler!

Über unsere gestrige Aussprache habe ich lange nachgedacht und die mir gemachten Ausführungen, speziell die mir von Ihnen mitgeteilten Absichten in bezug auf Ihre Reichstagsrede haben mich angesichts der ungeheueren Wichtigkeit der Rede und ihrer besonderen Wirkung auch auf Deutschlands außenpolitische Stellung andauernd beschäftigt. Es drängt mich daher, ja ich fühle mich verpflichtet, Sie meine Ansicht wissen zu lassen, wie ich es auch des öfteren bei anderen Gelegenheiten früher tat.

Sie haben mir gestern auseinandergesetzt, daß Sie vor der Öffentlichkeit die ganze Verantwortung zu übernehmen beabsichtigen für alles, was auch neben der Niederschlagung der SA-Revolte geschehen sei. Wie männlich und menschlich groß ich das finde, gestatten Sie mir, Ihnen sagen zu dürfen. Die Niederschlagung der Revolte, Ihr tapferes und entschlossenes persönliches Eingreifen haben in der ganzen Welt ausnahmslos nur Anerkennung gefunden. Was im Augenblick jedoch erschwerend auf Deutschland lastet, sind lediglich die Geschehnisse, die außerhalb Ihrer eigenen Initiative und nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Revolte stattfanden, wie Sie mir an Beispielen selbst erläuterten. Das ist besonders in der englischen und amerikanischen Presse zum Ausdruck gekommen.«

Dann lasse ich drei Absätze ans und lese weiter, wo Sie sagen:

»Lassen Sie mich noch einmal sagen, daß meine eigene Person oder mein Amt – abgesehen von der Wiederherstellung der persönlichen Ehre – keinerlei Rolle spielen und nur insofern zur Debatte stehen, als die Vorgänge in der Vizekanzlei am 30. Juni in der Öffentlichkeit als Folge eines Bruches zwischen Ihnen und mir ausgewer tet werden.«

Und nachdem Sie noch eine Weile in derselben Art fortfahren, schließen Sie:

»In unveränderter Verehrung und Treue.«

Lief das nicht darauf hinaus, Angeklagter, daß, wenn nur Ihr Ansehen wiederhergestellt wurde, es Ihnen nichts ausmachte, ob Ihre Mitarbeiter erschossen würden oder ob sich die Regierung, der Sie als Mitglied angehörten, des Mordes zur Verwirklichung ihrer politischen Ideen bediente? Das alles machte Ihnen nichts aus, solange Sie Ihr eigenes Ansehen und die Aussicht auf eine spätere Stellung im Auswärtigen Dienst behalten konnten.

VON PAPEN: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Warum haben Sie dann solche Dinge an den Führer einer Verbrecherbande, die Ihre Mitarbeiter ermordet hatten, geschrieben? Warum haben Sie an ihn geschrieben:

»Die Niederschlagung der Revolte, Ihr tapferes und entschlossenes persönliches Eingreifen haben in der ganzen Welt ausnahmslos nur Anerkennung gefunden.«

Warum schrieben Sie das?

VON PAPEN: Weil ich zu diesem Datum der Ansicht war, daß in der Tat eine Revolution stattgefunden hatte, daß Hitler sie beseitigt hatte. Daß auf der anderen Seite viele Leute umgebracht waren, Angehörige meines eigenen Büros, da sollte Hitler ja wieder – sollte er die Wahrheit feststellen. Wenn er mir sagte, daß er selber dafür die Verantwortlichkeit übernehmen wolle, so hielt ich das für einen ausgezeichneten Akt, aber nicht in dem Sinne, wie Hitler es getan hatte nachher, indem er erklärte im Reichstag, daß diese Vorgänge rechtens sind. Ich habe darunter verstanden, daß, wenn er selber die Verantwortung übernehmen wollte für diese Vorgänge, daß er sie vor der Welt aufklären wird, aber nicht durch ein Gesetz erklären vor der Welt, daß sie rechtens sind ohne Nachforschung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie etwa dem Gerichtshof sagen, daß Sie am 12. Juli dachten, es bestünde der geringste Zweifel oder die Möglichkeit, daß Ihr Freund Jung des Hochverrats gegen das Reich schuldig sei oder einer Verschwörung gegen Hitler schuldig gewesen sei? Haben Sie das auch nur einen Augenblick lang geglaubt?

VON PAPEN: Herr Hitler hat mir damals erklärt, daß die Erschießung Boses erstens mal nur eine...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, ich habe Sie zuerst nur über Ihre eigene Meinung gefragt. Ich habe gefragt, ob Sie für einen Moment geglaubt haben, daß Jung des Hochverrats gegen das Reich oder einer Verschwörung gegen Hitler schuldig war.

VON PAPEN: Nein, sicherlich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, Sie wußten doch sehr wohl, daß Hitler sich im Hinblick auf die öffentliche Meinung im Auslande wegen der Veröffentlichungen über den Bruch zwischen Ihnen und ihm Sorgen machte?

Sie wußten doch, daß nach diesem Blutbad die Unterstützung eines Exreichskanzlers, der, wie Sie sagten, aus einer katholischen und alten Familie stammte und hochangesehen in katholischen Kreisen war, daß die Unterstützung eines solchen Mannes mach diesem Blutbad, das die Meinung im Auslande sehr beunruhigt hatte, für ihn sehr wertvoll sein werde? Sie wußten das, nicht wahr?

VON PAPEN: Nein, aus diesem Brief scheint hervorzugehen, daß ich Herrn Hitler andauernd gebeten habe festzustellen, weshalb und warum gegen meine Mitarbeiter und mich in dieser Weise vorgegangen worden ist. Er sollte das der Welt sagen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber, Herr von Papen, wenn Sie als ehemaliger Reichskanzler und, wie Sie selbst sagen, als einer der führenden Katholiken in Deutschland und ehemaliger Offizier der Kaiserlichen Armee, wenn Sie damals gesagt hätten: »Ich will mit Mord, mit kaltblütigem Mord als Werkzeug der Politik nichts zu tun haben«, dann hätten Sie doch wahrscheinlich, wenn auch unter einem gewissen persönlichen Risiko, diese ganze verfaulte Regierung gestürzt. Stimmt das nicht?

VON PAPEN: Das ist möglich; aber wenn ich es öffentlich gesagt hätte, würde ich wahrscheinlich ebenso irgendwo verschwunden sein wie meine Mitarbeiter, und im übrigen wußte ja die Welt durch meinen Rücktritt, daß ich mich mit dieser Sache nicht identifizierte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann wollen wir uns einmal ansehen, was Sie geschrieben haben. Schauen Sie sich Dokument D-717 an, das GB-500 wird, und Sie sehen, wie es die Bedeutung, die Hitler Ihrer Unterstützung beigelegt hat, noch unterstreicht. Sehen Sie sich bitte den zweiten Absatz an – ich will ihn verlesen, da er ganz kurz ist. Sie sagen hier:

»Ich hoffe, Sie haben meinen gestrigen Brief erhalten und so aufgenommen, wie er gemeint war.

Heute bitte ich Sie aus persönlichen Gründen, mich von der Teilnahme an der Reichstagssitzung zu dispensieren. Sie vertraten zwar gestern die Auffassung, mein Fernbleiben könne den Eindruck erwecken, als sei zwischen uns Unstimmigkeit. Dieser Eindruck wird aber sicherlich nicht bestehen können, wenn Sie in Ihren Ausführungen den Fall der Vizekanzlei in der von Ihnen mir zugesagten Form behandeln.

Ich habe in all diesen Tagen größte Zurückhaltung nach außen geübt und mich so wenig als möglich gezeigt, und Sie wenden es sicherlich verstehen, wenn ich erst dann wieder vor die Öffentlichkeit treten möchte, wenn jeder Schatten von mir genommen ist.

Den Fraktionsvorsitzenden habe ich gleichfalls gebeten, mein Fernbleiben zu entschuldigen.«

Wer war der Fraktionsvorsitzende? War das der Vorsitzende der Nazi-Partei?

VON PAPEN: Nein, ich glaube, daß der Fraktionsvorsitzende Dr. Frick war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war die Regierungspartei, nicht wahr?

VON PAPEN: Ja, aus diesem Schreiben geht ja hervor, daß ich Hitler gebeten habe, vor dem Reichstag Rechenschaft abzugeben über die gegen mich und meine Mitarbeiter unternommenen Sachen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wollten, daß er eine Erklärung dahingehend abgebe, daß Ihre Loyalität ihm gegenüber stets die gleiche geblieben sei. Das wollten Sie doch?

VON PAPEN: Nein, ich wollte...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie anderer Meinung sind, dann schauen Sie sich D-718 an, welches GB-501 wird, und Sie werden sehen, was Sie am nächsten Tag sagen:

»Sehr verehrter Herr Reichskanzler! Nachdem Sie gestern abend der Nation und der Welt den großen Rechenschaftsbericht der inneren Entwicklung, die zum 30. Juni führte, gegeben haben, habe ich das Bedürfnis, Ihnen, wie einst am 30. Januar 1933, die Hand zu drücken und zu danken für alles, was Sie durch die Niederschlagung der beabsichtigten zweiten Revolution und durch die Verkündung unverrückbarer staatsmännischer Grundsätze dem deutschen Volke neu gegeben haben.

Schmerzvolle tragische Umstände haben verhindert, daß ich zum erstenmal seit dem 30. Januar nicht an Ihrer Seite erscheinen konnte. Sie selbst haben mich dispensiert und haben Verständnis dafür gehabt, daß der Vizekanzler nicht auf der Ministerbank Platz nehmen kann, solange er sich unter einem Sonderregime befindet. (Meine beschlagnahmten Akten sind trotz Görings und Ihres eigenen Befehls mir auch bis heute noch nicht wieder zugestellt worden.)

Ihre Feststellungen legen es vor der Geschichte klar, daß jede Verdächtigung einer Verbindung meiner Person mit den hochverräterischen Umtrieben eine bewußte Verleumdung und Ehrabschneidung gewesen ist. Ich danke Ihnen für diese Feststellung.«

Dann, nachdem Sie sagen, daß die Leute das aber immer noch glaubten, sagen Sie im vorletzten Absatz:

»Ich wäre deshalb dankbar, wenn Sie bald einmal Gelegenheit fänden, positiv festzustellen, daß ich bis heute« – das war der 14. Juli – »in Loyalität für Sie, Ihre Führerschaft und Ihr Werk um Deutschland eingestanden bin und gekämpft habe.«

Nun, Herr Angeklagter, wollen Sie immer noch bestreiten, was ich Ihnen eben vorgehalten habe, daß Sie nichts anderes wollten, als vor der Welt Ihre Loyalität für das Regime klar festgestellt haben? Sie machten sich keine Gedanken darüber, daß Schleicher und seine Frau, Bose und Jung und alle die anderen Leute von der Reichsregierung ermordet worden waren. Wie hätten Sie sonst einen solchen Brief schreiben können?

VON PAPEN: Ich habe diesen Brief geschrieben, wie das ja aus diesem Brief hervorgeht, weil ich weiterhin angeklagt wurde eines Einverständnisses mit den Mordversuchen an Göring, Goebbels und anderen Konspirationen. Deswegen liegt mir daran, festzustellen oder es liegt mir daran, daß der Reichskanzler Hitler feststellte, daß ich keine Konspirationen gegen ihn im Gesamtbetrieb dieses Aufstandes unternommen habe. Natürlich befasse ich mich in diesem Schreiben zunächst mit meiner Position, den Positionen meiner Mitarbeiter. Die Wiederherstellung der Ehre des Generals von Schleicher war ja die Aufgabe der Armee und war ja nicht meine Aufgabe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde darauf zurückkommen, wenn wir die Wehrmacht behandeln. Im Augenblick halte ich Ihnen folgendes vor: Obgleich Sie wußten, daß außer Ihren alten Kollegen Ihre eigenen Freunde ermordet worden waren, haben Sie immer wieder Ihre Loyalität beteuert und sich auf die Tatsache berufen, daß Sie mit Hitler immer zusammengearbeitet und seine Arbeit unterstützt haben; war das ehrlich? Ist der Inhalt dieses Briefes ehrlich gemeint, oder wollen Sie sagen, daß es nur Lügen waren, die Sie selbst schützen sollten?

VON PAPEN: Nein, ich habe das geschrieben, weil ja in der Tat das ganze Vorgehen gegen mich, der versuchte Mord an mir durch Himmler, die Tatsache, daß ich verhaftet wurde, alle basiert waren auf der Annahme, daß ich teilgenommen hätte an einer Konspiration gegen die Regierung Hitlers. Es mußte also klargestellt werden, daß ich gegen diese Regierung, solange wie ich ihr angehört habe, in vollster Loyalität gehandelt hatte. Das ist der Grund, warum ich um diese Feststellungen bitte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie Sie sich erinnern werden, hat Ihr geschätzter Verteidiger dem Baron von Lersner auf Ihre Veranlassung hin einen Fragebogen vorgelegt. Es ist Nummer 2a auf Seite 212 des dritten Dokumentenbuches der Verteidigung. Frage 2a:

»... der Angeklagte von Papen an der Hoffnung festgehalten,... die Politik Hitlers mit der Durchtränkung konservativer Ideen auf den von ihm erstrebten Weg zu bringen, bis die am 30. 6. 1934 erfolgten Morde und deren Rechtfertigung durch Hitler ihn überzeugten, daß seine Bemühungen und seine Hoffnung umsonst gewesen seien?«

Und Baron von Lersner hat natürlich diese Frage bejaht.

VORSITZENDER: Welche Frage war das?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: 2a auf Seite 212.

VORSITZENDER: Es ist nicht in dem uns vorliegenden Exemplar enthalten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihung...

VORSITZENDER: 2h?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihung, das ist meine Schuld, das »h« ist so verwischt, daß ich es für ein »a« gehalten habe. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Die Frage ist wirklich 2h.