[Zum Zeugen gewandt:]
Gut, wir wollen nun auf etwas anderes übergehen, wofür Sie sich interessierten. Sie haben auch berichtet, wo die österreichischen Munitionsvorräte gelagert werden sollten und die Herstellung von Munition stattfinden sollte, nicht wahr?
VON PAPEN: Ich erinnere mich nicht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Wenn Sie sich nicht erinnern, dann können Sie es sich ansehen. Es ist Dokument D-694. Sie finden es ein paar Seiten weiter.
Es ist Seite 110 im englischen Text, Euer Lordschaft, Seite 108 des deutschen Buches. Es wird GB-505 werden. Das Datum ist der 26. November 1935. Es ist Seite 110, und die Stelle, die ich verlesen werde, steht auf Seite 111.
Angeklagter, Sie werden es oben auf Seite 112 der deutschen Übersetzung finden. Sie sprechen hier über den Einfluß Mandels, dessen jüdische Abstammung Sie erwähnt haben, und gehen dann auf Fürst Starhemberg über. Es heißt hier:
»Nachdem auf italienischen Einspruch die Munitionsfabrikation für Italien in Hirtenberg habe eingestellt werden müssen, habe er, Mandel, die ganze Fabrik auf die Eisenbahn geladen, um sie in Italien weiterzubetreiben.«
Und dann beachten Sie den nächsten Satz, der in Klammem steht:
»ein übrigens interessanter Zustand für die Munitionsversorgung Österreichs!«
Gehörte das zu Ihrer Auffassung, normale Beziehungen wieder herzustellen, daß Sie über die Bewegungen in der österreichischen Munitionsversorgung und -herstellung Bericht erstatten sollten?
VON PAPEN: Nein, das war an sich nicht meine Aufgabe, aber dieser Bericht ergibt ja, Sir David, daß ich ein Gespräch mit dem Polnischen Gesandten Gawronski wiedergab, der mir erzählte, diese einzige Munitionsfabrik, die in Österreich existiere, werde nach Italien verlegt. Und ich schrieb darüber, daß es ein merkwürdiger Zustand ist, daß ein Land seine Munitionsversorgung aus dem Auslande beziehen soll.
Sie müssen doch zugeben, daß das eine sehr merkwürdige Angelegenheit ist und daß man das in einem Bericht schreiben kann.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist also Ihre Erklärung; ich werde keine Zeit damit verschwenden.
VORSITZENDER: Sie haben uns das Datum gegeben, aber woher stammt es?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Es ist in Dokument D-694. Es ist ein Bericht des Angeklagten vom 26. November 1935 an Hitler. Es steht auf Seite 110 im Dokumentenbuch 11a.
VORSITZENDER: Wir haben es, aber es enthält kein Datum.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, Euer Lordschaft, darum habe ich das Datum angegeben.
VORSITZENDER: Woher haben Sie das Datum?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe im Original nachgesehen, das heißt, Major Barrington hat es nachgesehen, Euer Lordschaft, Sie werden sehen, daß das Datum ausgelassen wurde. Es ist zwischen einem Dokument vom 11. November und einem vom Januar.
VORSITZENDER: Falsch geschrieben?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja.
[Zum Zeugen gewandt:]
Ich möchte nun weitergehen und ganz kurz Ihre eigenen persönlichen Erfahrungen in Österreich besprechen. Erinnern Sie sich daran, wie Sie die Salzburger Festspiele im Jahre 1935 besuchten, als Sie etwa ein Jahr dort waren? Erinnern Sie sich noch? Ich weiß nicht, Sie sind wahrscheinlich jedes Jahr hingegangen.
Ich möchte Sie besonders an folgendes erinnern: Erinnern Sie sich, daß, als Sie dort ankamen, 500 Nationalsozialisten Sie mit Musik begrüßten und eine solche Demonstration veranstalteten, daß andere Gäste im Hotel an das Bundeskanzleramt telephonieren oder telegraphieren wollten, um zu sagen, daß der Deutsche Botschafter eine große Nazi-Demonstration hervorgerufen habe? Erinnern Sie sich daran?
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ein Hinweis darauf, Euer Lordschaft, befindet sich auf Seite 102, es ist Dokument D-689, von dem ich bereits gesprochen habe, Seite 102 des Dokumentenbuches 11a.
Jetzt möchte ich noch ein anderes Beispiel anführen. Erinnern Sie sich an die Versammlung der Kameraden des ersten Weltkrieges in Wels?
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn ich mich recht entsinne, war das im Jahre 1937, nicht wahr?
VON PAPEN: Ganz richtig, ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und alle Vorbereitungen waren getroffen worden für eine unpolitische Versammlung, ein Zusammentreffen der österreichischen Regimenter und der alten Kameraden der deutschen Regimenter. Nach der Versammlung sollte ein gemeinsames Essen stattfinden, und der Abend sollte in Sang und Klang enden. Das war doch das Programm oder nicht?
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und bei diesem Zusammentreffen haben General Glaise-Horstenau und Sie Ansprachen gehalten?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, daß General Glaise-Horstenau – ohne ihm nahetreten zu wollen – keine sehr eindrucksvolle Rede gehalten hat. Das war doch Ihr Eindruck, stimmt das nicht, eine nicht sehr eindrucksvolle Rede? Sie war interessant, aber nicht sehr dynamisch. Sie dürfen mir glauben, ich will den General nicht beleidigen. Ich versuche nur, diesen Punkt klarzumachen.
VON PAPEN: Nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben eine Rede gehalten, die nur sehr kurze Zeit dauerte. Erinnern Sie sich daran?
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nach Ihrer Rede kam es zu Schlägereien und Schießen in den Straßen von Wels, nicht wahr? Und es war ein Aufruhr, stimmt das?
VON PAPEN: Darf ich Ihnen das näher beschreiben?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, wenn Sie können. Ich wollte nur die Tatsache feststellen. Sie sind vollkommen berechtigt, nun Ihre Erklärung dazu zu geben.
VORSITZENDER: Haben wir ein Dokument darüber?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, darüber ist kein Dokument vorhanden.
VON PAPEN: Es war in Wels ein Zusammentreffen verabredet von Organisationen der alten deutschen Armee aus dem ersten Weltkriege, den sogenannten Kriegervereinen, und den Veteranenvereinen Österreichs. Es war durchaus legitim und im Sinne unserer gemeinsamen Politik, daß die gemeinsamen Erlebnisse aus dem ersten Weltkrieg zwischen diesen Verbänden erneuert werden sollten. Als dieses Zusammentreffen stattfand, das nach meinem Wunsch und nach dem Wunsche der Österreichischen Regierung einen vollkommen unpolitischen Charakter haben sollte, stellte sich folgendes heraus: Der Platz, auf dem diese Vereinigung der Veteranenverbände stattfand, war, als ich eintraf, von vielleicht 5000 bis 10000 Menschen umgeben. Die Österreichische Regierung hatte zum Empfang der deutschen Gäste eine Ehrenkompanie des Heeres aufgestellt, und als bei meinem Eintreffen die Musikkapelle die österreichische Nationalhymne spielte, haben diese 10000 Menschen, die den Platz umsäumten, die deutsche Nationalhymne dazu gesungen, denn bekanntlich ist die Melodie die gleiche. Als ich sodann im Laufe der Feier meine kurze Rede hielt, stellte es sich heraus, daß ich demonstrativ von diesen Tausenden von Menschen dauernd unterbrochen wurde. Natürlich erkannte ich sofort, daß hier von seiten der österreichischen Nationalsozialisten eine große politische Demonstration geplant war; und deshalb habe ich meine Rede abgebrochen, und ich habe kurz hinterher den Platz verlassen und habe auch Wels verlassen.
Es ist richtig, wie Sir David dargestellt hat, daß, als nun die Feier sich auflöste und die österreichische Polizei gegen die Tausende von Demonstranten vorgehen wollte, es zu sehr unerfreulichen Zwischenfällen gekommen ist.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, wenn das Ihre Erklärung ist, habe ich die Tatsachen dieses Vorfalles zutreffend geschildert.
Nun will ich auf einen anderen Punkt übergehen, denn ich kann ja nur Beispiele für Ihre Tätigkeit in Österreich geben.
Erinnern Sie sich, den Ausdruck der Technik des »Trojanischen Pferdes« mit Bezug auf Österreich gehört zu haben, ehe Sie die Aussage des Angeklagten Seyß-Inquart hörten?
VON PAPEN: Ja. Seyß-Inquart wollte nicht ein trojanischer Pferdeführer sein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, aber Sie haben doch vorher von einer Technik des Trojanischen Pferdes gesprochen.
Euer Lordschaft! Es ist im Dokumentenbuch 11a, Seite 133. Die Stelle, auf die ich mich beziehe, ist auf Seite 134. Das Dokument ist D-706, welches GB-506 werden wird.
Es ist Ihr Bericht vom 21. August 1936, in dem Sie eine Anweisung des Prager Geheimdienstes an seine Wiener Filiale zitieren; sie lautet:
»›Man muß leider feststellen, daß die wüsten nationalsozialistischen Ausschreitungen vom 29. Juli d. J. nicht das von uns erwartete Ergebnis zur Folge hatten. Die Annäherung Österreichs an das Dritte Reich auf außenpolitischem Gebiet macht weitere Fortschritte, ebenso wie der Prozeß der kulturellen Zusammenarbeit der beiden Brudervölker. Ihren jüngsten Berichten ist auch zu entnehmen, daß das Trojanische Pferd des Nationalsozialismus immer größere Verwirrungen in die Reihen der Vaterländischen Front und insbesondere in die Reihen des Heimatschutzes bringt. Nichtdestoweniger scheint die Opposition gegen die für die österreichische Unabhängigkeit äußerst gefährliche Normalisierung der deutsch-österreichischen Beziehungen verhältnismäßig sehr groß zu sein; sie leidet offenkundig nur an einer guten Organisation...‹«
Nun, beschreibt dieser tschechische Bericht die Vorgänge richtig, wie an der Oberfläche die Beziehungen normalisiert wurden und das Trojanische Pferd innerhalb des Landes arbeitete?
VON PAPEN: Sir David! Das ist die Auffassung des tschechischen Geheimdienstes und vielleicht der Tschechischen Regierung.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Darf ich Sie erinnern, Angeklagter, daß das die Meinung ist, die von Ihnen in Ihrem Bericht an den Führer angegeben und nicht widersprochen wurde. Es ist keine Andeutung in dem Bericht enthalten, daß er nicht der Wahrheit entspricht, ganz im Gegenteil. Sie sagen, Sie fügen es ein »zur Beleuchtung der gegenwärtigen Lage in Österreich«.
Sie führen es als wahrheitsgetreue Information für den Führer an und können es daher meiner Ansicht nach nicht jetzt damit abtun, daß Sie sagen, es sei nur ein tschechischer Bericht.
VON PAPEN: Doch, doch. Ich mache darauf aufmerksam, daß dieser Bericht am 21. August 1936 geschrieben ist. Das ist also ein Monat nach dem Abschluß unseres Juli-Abkommens, von dem Sie behauptet haben, daß es ein Betrugsmanöver gewesen sei und von dem wir und der österreichische Außenminister festgestellt haben, daß es ein sehr ernstgemeintes Abkommen war. Wir befinden uns also jetzt mit Österreich auf einer völlig anderen Ebene, und daher führe ich diesen merkwürdigen tschechischen Bericht an als ein interessantes Dokument, wie man trotz unserer Bemühungen um Normalisierung in der Tschechei die Dinge in Österreich betrachtet.
VORSITZENDER: Gehen Sie von diesem Dokument nun auf etwas anderes über?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich war gerade im Begriffe, das zu tun, Euer Lordschaft.
VORSITZENDER: Was ist mit dem letzten Absatz?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Euer Lordschaft gestatten, werde ich ihn jetzt besprechen.
VORSITZENDER: Es ist Seite 134.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, Euer Lordschaft. Es heißt dann weiter:
»Außerdem scheint es uns hoffnungslos und auch unzweckmäßig, sich um einen Einfluß auf den österreichischen Legitimismus oder auf die Heimwehrbewegung zu bemühen. Dagegen sind im österreichischen Katholizismus verhältnismäßig starke Elemente vorhanden, die mit einigen Vorbehalten als demokratisch bezeichnet werden könnten. Diese Elemente, die sich allmählich um den Freiheitsbund gruppieren und grundsätzlich geneigt sind, auf eine Verständigung mit der Sozialdemo kratie hinzuarbeiten, stellen unserer Meinung nach jene Gruppe dar, die unter Umständen geneigt wäre, eine innerpolitische Umwälzung in Österreich herbeizuführen.«
Haben Sie das auch als Darstellung Ihrer Ansicht niedergeschrieben?
VON PAPEN: Sir David! Ich habe ja dem Gericht gestern eine sehr genaue Darstellung der Ziele und des Charakters des Freiheitsbundes gegeben, und das Gericht weiß aus den Berichten, daß die Tschechische Regierung sich bemühte, auf diesen Freiheitsbund eine gewisse Einflußnahme auszuüben. Das geht aus diesem Zusammenhang ganz klar hervor; das ist ja alles der tschechische Bericht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben ihn aber als Ihre Ansicht Hitler vorgetragen, um zu sagen, daß Sie sozusagen die katholische Linke als ein Annäherungsmittel benützen könnten. Das sagen Sie doch in Wirklichkeit.
VON PAPEN: Sir David! Sie werden mir doch nicht zumuten wollen, daß ich einen tschechischen Bericht Hitler vorlege, um mich mit diesem Bericht zu identifizieren.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Doch, dessen bezichtige ich Sie. Wenn Sie dem Staatsoberhaupt schreiben: »Zum Schluß füge ich zur Beleuchtung der gegenwärtigen Lage in Österreich einen Passus aus einer Anweisung des Prager Geheimdienstes, bei«, dann behaupte ich, daß das bedeutet, daß dieser Bericht die Lage genau so zeigt, wie ich sie sehe. Das ist, was ich Ihnen vorhalte.
VON PAPEN: Nein, denn es geht ja aus einem anderen Bericht, den Sie auch dem Gericht vorgelegt haben, hervor, daß ich Hitler ersuche, diese Bestrebungen der Tschechischen Regierung um Einflußnahme auf den Freiheitsbund dadurch zu konterkarieren, daß wir selber ihn an uns fesseln. Ich bin ganz anderer Ansicht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Sie ersuchten Hitler, dem Freiheitsbund 100000 Reichsmark zur Verfügung zu stellen. Damit verfolgten Sie genau das Ziel, das Sie hier angedeutet haben, nämlich, daß diese Körperschaft Ihnen behilflich sein könne, in einem anderen Sektor der österreichischen Meinung Einfluß zu gewinnen. Ich halte Ihnen vor, daß diese zwei Dinge ganz aufeinander passen. Sie sagten Hitler, sie wären nützlich.
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie unterstützten sie mit 100000 Reichsmark. Das halte ich Ihnen vor.
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Daß Sie die ganze Zeit einen Teil der österreichischen öffentlichen Meinung nach dem anderen unterwühlt haben, um auf die Unterdrückung der österreichischen Freiheit hinzuarbeiten. Das halte ich Ihnen vor. Ich glaube nicht, daß da irgendwelche Zweifel bestehen.
VON PAPEN: Sir David! Wenn etwas aus diesem Bericht klar hervorgeht, dann ist es die Tatsache, daß außerhalb der Nationalsozialisten in Österreich auch andere Gruppen waren, und zwar waren das die Christlichen Gewerkschaften und der Freiheitsbund, die sich für den Zusammenschluß, für die Vereinigung der beiden Länder politisch einsetzten. Und Sie können mir wohl nicht zum Vorwurf machen, wenn ich als Diplomat, der ein solches Ziel auf dem evolutionären Wege erreichen will, mich den Interessen dieser Gruppen anschließe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es war doch nichts sehr Evolutionäres um das Trojanische Pferd. Aber das mag ja ein Kommentar sein.
Wir wollen nun einen anderen Punkt betrachten. Kannten Sie Baron Gudenus?
VON PAPEN: Nein, ich habe ihn nicht gekannt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen doch, daß er der engste Vertraute des Erzherzogs Otto war; erinnern Sie sich?
VON PAPEN: Ja, das geht aus meinem Bericht hervor.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Nun wollen wir einmal sehen, was Baron Gudenus zu sagen hatte.
Euer Lordschaft werden das auf Seite 93 finden, Seite 72 bis 75 der deutschen Fassung, Dokument D-687, das GB-507 werden wird. Es ist Paragraph 2 (b), und zwar auf Seite 74, Angeklagter:
»Der Baron Gudenus, engster Vertrauter des Erzherzogs Otto in Steenockerzeel, schreibt unter dem 30. 3. an einen meiner Bekannten: ›... Aus Österreich habe ich über das Fortschreiten unserer Bewegung manch erfreuliche Eindrücke mitgenommen; hingegen kann ich nicht leugnen, daß mich die Politik der Regierung in mancher Hinsicht mit schwerer Sorge erfüllt. Was nutzt es, daß die Rädelsführer vom Februar und Juli 1934 – soweit man ihrer habhaft wird – abgestraft werden, während die Regierung zu schwach, zu ›schlampert‹ oder wissentlich zu duldsam ist, um zu verhindern, daß unter der Hand ungeniert in Kino, Presse und Radio braune und rote Propaganda betrieben werde, und zwar hauptsächlich von staatlichen Angestellten oder Organen der V. F., unterstützt und besoldet durch die reichlich aus Deutschland einströmenden Geld- und sonstigen Mittel. Was macht eigentlich Schuschnigg? – Dieser gelehrte Idealist! Merkt er denn nicht, daß ihm Papen und die anderen braunen Agenten im eigenen Land fortwährend in die beharrlich ›dargebotene Hand‹ spucken? Er soll sich doch nicht einbilden, er werde so Österreich erhalten und retten, solange Hitler in einem innen und außen braun gestrichenen Deutschland regiert. Die dortigen Methoden sind allerdings klüger und vorsichtiger, dadurch aber nur noch gefährlicher geworden!‹«
Das ist ungefähr sieben Monate nach Ihrer Ankunft.
»...›Unheimlich sind auch die beständigen Differenzen bald zwischen Schuschnigg und Starhemberg...‹«
und so weiter.
Stimmt es nicht, Angeklagter, daß wirklich jeder, sogar ein monarchistischer Agent, der nur zu Besuch war, wußte, daß diese Betätigung vor sich ging mit Ihnen an der Spitze, während die Österreichische Nationalsozialistische Partei unterirdisch arbeitete?
Es wäre nur recht und billig, daß Sie sich Ihren eigenen Kommentar anschauen, ehe Sie antworten:
»Anschaulicher wie dieser Brief könnte man die Schwierigkeiten der innerösterreichischen Lage kaum darstellen.«
Warum haben Sie, wenn das so Tatsache war, nicht Hitler gesagt: »Der Baron Gudenus redet hier Unsinn. Ich führe nur eine anständige moralische Aufgabe zur Normalisierung der Beziehungen mit Österreich durch.« Warum haben Sie das nicht abgestritten, wenn es nicht wahr war?
VON PAPEN: Mir scheint, daß aus dieser Berichterstattung zunächst einmal hervorgeht, daß ich mit vollkommener Offenheit Hitler alle diese Berichte, die ich bekomme, vorlege, auch den Bericht eines Anhängers der Habsburger Restauration. Ja, selbstverständlich hundertprozentig...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich halte Ihnen vor, Angeklagter, daß Sie sie weitergeleitet haben, weil sie wahr waren. Sie übernahmen sie und leiteten sie an Hitler weiter, weil es wahre Berichte waren. Ich behaupte, daß sie ein richtiges Bild der Lage gaben. Das halte ich Ihnen vor. Sagen Sie dem Gerichtshof, waren die Berichte richtig oder nicht? Wenn sie nicht gestimmt haben, weshalb haben Sie sie weitergeleitet, ohne zu erwähnen, daß sie unwahr seien? Das frage ich Sie.
VON PAPEN: Sie werden, wenn Sie diesen Bericht des Barons Gudenus lesen, feststellen, daß er sich über die inneren Verhältnisse in Österreich ausläßt und sagt, daß es unheimlich ist, die bestehenden Differenzen zwischen Schuschnigg und Starhemberg, die Konkurrenz ihrer Garden und der bleibende unterirdische Republikanismus...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das sind drei Zeilen von 20. Es steht noch sehr viel mehr dort, ehe man zu dieser Stelle kommt, und danach, nach den übrigen 17 Zeilen, frage ich Sie gerade.
VON PAPEN: Sir David! Die von mir eben angezogenen Punkte beweisen die inneren Schwächen der Österreichischen Regierung, über die ich berichte. Wenn Sie sagen wollen, ich hätte Herrn Hitler erklären müssen, daß ich kein brauner Agent wäre, ja, mein Gott, am 26. Juli haben wir sehr klar ausgemacht, unter welchen Bedingungen ich meine Arbeit in Österreich auszuführen habe, das habe ich Herrn Hitler nicht in einem Bericht zu erklären brauchen. Ich habe ihm lediglich diesen Bericht zur Kenntnisnahme zugeschickt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn das Ihre Erklärung ist, sehen Sie sich bitte Absatz 3 Ihres Briefes an. Hier ist Ihre Tätigkeit von einem anderen Gesichtspunkt aus zu ersehen.
Der Film »Der alte und der junge König«. Der Gerichtshof mag sich nicht mehr erinnern, aber Sie können mich verbessern. Das ist ein Film, wenn ich mich recht erinnere, über Friedrich – über die Beziehungen zwischen Friedrich Wilhelm I. und Friedrich dem Großen; habe ich recht?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE:
»Der Film, ›Der alte und der junge König‹, ist hier voriger Tage in Anwesenheit von Herrn Jannings erstmalig aufgeführt worden« – das ist Emil Jannings, der Schauspieler –. »Er löste begeisterte Kundgebungen aus, insbesondere führte die Szene, wo der König betont, daß ›französischer Plunder und römische Bücher für Preußen nichts zu bedeuten hätten‹, zu lauten Demonstrationen. Die Polizei wollte zu einem Verbot schreiten. Im Verein mit Herrn Jannings haben wir ihr erklärt, daß, wenn sie diesen Film verbiete, wir zu einer vollständigen Ausschaltung der gesamten österreichischen Filmproduktion in Deutschland schreiten würden. Das wirkte. Der Film – mit Ausnahme der obengenannten gestrichenen Stelle – läuft jetzt und wird nächster Tage auch in Klagenfurt und Graz über die Bühne gehen. Gestern hatte ich Jannings im Kreise einer Anzahl von Schauspielern des Burgtheaters bei mir zu Gast. Er sprach sich sehr befriedigt über seinen Erfolg aus, und wir haben eingehend den Plan eines Bismarck-Films besprochen, zu dessen Herstellung ich ihm Beumelburg für die Verfassung des Buches empfohlen habe.«
Das heißt also, Sie zwangen Österreich dazu, einen Film zu zeigen, der preußische Propaganda enthielt, und zwar mit der Drohung, Fräulein Wessely und »Maskerade« und andere österreichische Filme jener Zeit vom deutschen Markt auszuschließen. Sie haben Ihre Propaganda dort aufgezwungen mit der Drohung, sonst österreichische Filme auszuschließen. Ist das richtig?
VON PAPEN: Ja, und ich werde Ihnen auch sagen weshalb. Ich muß Ihre geschichtliche Kenntnis dieser Dinge etwas erweitern, Sir David.
Friedrich der Große hat in dem Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland, wie Sie wissen, eine sehr bedeutende Rolle gespielt, und wir waren bemüht damals, in dem Verhältnis zwischen unseren beiden Ländern die geschichtlichen Unrichtigkeiten, welche aus der Zeit Friedrichs des Großen stammten, zu beseitigen. Zu diesem Zwecke hat der berühmte österreichische Historiker Professor Srbik ein großes Werk geschrieben. Dieser Film, von dem hier die Rede ist, gilt dem Zweck, zu zeigen, daß wir eine gemeinsame große deutsche Geschichte haben, die beide Völker gemeinsam betrifft. Darum, das heißt für die kulturelle Annäherung zwischen beiden Ländern, habe ich darauf bestanden, daß dieser Film vorgeführt werde; und so ist es auch geschehen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe keinerlei Zweifel an den Motiven, aus denen Sie diesen Film vorgeführt haben wollten, Angeklagter, aber was ich Sie fragen wollte, ist: Warum haben Sie es gegen den Wunsch der Österreichischen Regierung erzwungen, indem Sie drohten, österreichische Filme von dem deutschen Markt auszuschalten? Warum haben Sie den österreichischen Behörden damit gedroht?
VON PAPEN: Es kam sehr häufig vor, daß die österreichische Polizei Bedenken hatte gegen gewisse Filme, daß sie zu Demonstrationen benutzt würden. Nachdem wir aber mit ihr besprochen hatten, daß gewisse Stellen aus diesem Film wegfallen sollten, war sie durchaus bereit, den Film zuzulassen, und selbstverständlich habe ich ihr auch gesagt, wenn wir uns nicht einigen, dann wird die Konsequenz davon sein, daß von Deutschland her überhaupt keine Filme mehr nach Österreich geliefert werden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich lasse dies wieder für sich selbst sprechen. – Erinnern Sie sich, daß Sie dem Gerichtshof gesagt haben, daß Sie keine Verbindung mit der NSDAP in Österreich unterhalten haben? Stimmt das?
VON PAPEN: Nein, das ist unkorrekt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie hatten Verbindungen aufrechterhalten?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Enge Verbindungen?
VON PAPEN: Ich habe nicht verstanden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hatten Sie vertrauliche Verbindungen, waren Ihre Beziehungen eng?
VON PAPEN: Nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn das nicht der Fall war, wollen Sie bitte eine Seite zurückblättern. Es steht wahrscheinlich auf Seite 72 in Ihrem Bericht. Es ist noch immer der gleiche Bericht. Es ist Seite 93 in dem Buch Euerer Lordschaft.
Sie fangen diesen Bericht an, indem Sie sagen:
»Ich habe zunächst über die Entwicklung der hiesigen NSDAP zu berichten: Am 23. 3. ist es in Krems zu einer vollkommenen Einigung zwischen Hauptmann a. D. Leopold und Generaldirektor Neubacher gekommen. Danach hat sich Neubacher Leopold in aller Form unterstellt und ihn als Führer für Österreich anerkannt. Sobald Schattenfroh aus dem Konzentrationslager entlassen wird, soll er stellvertretender Führer werden, während Neubacher als engster Vertrauter Leopolds bei jeder wichtigen Frage gehört werden wird.
Leopold hat des weiteren...« jemand anderen »... als dessen Stellvertreter ernannt.«
Und dann möchte ich den letzten Satz lesen:
»Zur Beratung im strengsten Vertrauen wird Generalmajor a. D. Klupp hinzugezogen. Leopold hat des weiteren den Wunsch geäußert, daß endlich die fortgesetzten Intriguen gegen ihn seitens der im Reich lebenden Emigranten vom Schlage Frauenfeld und Genossen abgestellt werden sollten.«
Dies ist ein ziemlich vollständiges Bild des Parteiaufbaues in Österreich, nicht wahr?
VON PAPEN: Ja, Sir David, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß dieser Bericht vom 4. April 1935 datiert ist, also zu einem Zeitpunkt, der vor dem Juli-Vertrag liegt, wo also meine Befassung mit diesen Parteiangelegenheiten noch sehr erklärlich war.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie dem Datum Bedeutung beilegen, dann wollen wir den Bericht vom 1. September 1936 ansehen, der auf Seite 33 des Dokumentenbuches 11 zu finden ist, auf Seite 26 des deutschen Buches. (Dokument Nummer 2246-PS.) Sie erinnern sich an den Bericht, auf den Sie sich bezogen haben, in dem Sie sagten:
»Für unsere Marschroute empfehle ich nach der taktischen Seite weiterhin geduldige, psychologische Behandlung bei langsam zunehmendem Druck in der Richtung auf eine Änderung des Regimes.«
Sie haben dem Gerichtshof gesagt, daß das bedeutete, daß Sie einen Wechsel der Beamten im Innenministerium wünschten. Ich will über eine derartige Feststellung nicht weiter diskutieren, sondern einen Augenblick weitergehen:
»Hierbei werden die für Ende Oktober vorgesehenen Wirtschaftsverhandlungen ein sehr brauchbares Werkzeug für die Durchsetzung einiger unserer Wünsche sein.
In Besprechungen, sowohl mit Regierungsmitgliedern wie mit den Führern der illegalen Partei (Leopold und Schattenfroh), die durchaus auf dem Boden des Abkommens vom 11. Juli stehen, versuche ich, die nächste Entwicklung dahin vorzubereiten, daß eine korporative Vertretung der Bewegung in der Vaterländischen Front angestrebt,... wird.«
Es ist ganz klar, nicht wahr, daß Sie am 1. September 1936, nach diesem Abkommen, Besprechungen hatten mit den Führern der illegalen Partei, mit Leopold und Schattenfroh. Wir können deshalb annehmen – ich will weiter keine Zeit darauf verwenden –, daß Sie während der ganzen Zeit Ihrer Tätigkeit in Österreich in enger und beständiger Verbindung mit den Führern der Österreichischen Nationalsozialistischen Partei standen?
VON PAPEN: Nein, Sir David. Die von Ihnen eben angezogene Unterhaltung bezieht sich und wird gerechtfertigt durch das Juli-Abkommen; das habe ich bereits gestern dem Gericht auseinandergesetzt. In dem Juli-Abkommen hat der Bundeskanzler Schuschnigg zugesagt, Mitglieder der nationalen Opposition zur Mitarbeit heranzuziehen. Infolgedessen war es meine selbstverständliche Pflicht, mich dafür zu interessieren, ob und inwieweit die Mitarbeit solcher Kräfte von Schuschnigg angestrebt wurde. Das beinhaltet diese Besprechung mit den Führern, und ich darf ausdrücklich feststellen, daß mein Kontakt mit der österreichischen Partei nach dem Juli-Abkommen sich lediglich in dieser Richtung bewegt hat.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verstehe. Ich will darauf weiter nicht eingehen. Ich habe den Gerichtshof auf zwei Dokumente hingewiesen, und es gibt weitere Stellen, mit denen ich mich nicht aufzuhalten brauche.
Kommen wir jetzt zum November 1937. Können Sie so sorgfältig und genau wie möglich angeben, wann Sie den Angeklagten Seyß-Inquart in Garmisch getroffen haben?
VON PAPEN: Ja, ich habe den Angeklagten Seyß-Inquart zufällig, das heißt ohne Verabredung, bei der Winter-Olympiade in Garmisch-Partenkirchen im Januar 1938 getroffen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Im Januar 1938?
VON PAPEN: Ganz richtig.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte diese Daten nur vergleichen. Sie hatten sich sehr mit dem Außenminister Guido Schmidt angefreundet, der hier vor dem Gerichtshof als Zeuge ausgesagt hat, nicht wahr?
VON PAPEN: Ich war mit dem Außenminister in sehr freundschaftlichen Beziehungen, ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Sie waren per »Du« mit ihm, obwohl Sie 20 Jahre älter waren als er. Sie waren doch schon längere Zeit per »Du« mit ihm? Sie waren sehr eng mit ihm befreundet? Ist das richtig?
VON PAPEN: Ich finde, daß 20 Jahre kein Maßstab sind für eine Freundschaft, 20 Jahre Lebensunterschied. Ich habe Herrn Schmidt geschätzt, wie ich gesagt habe, als einen aufrichtigen Mann.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber ich glaube, daß Sie mit mir darüber übereinstimmen, daß es doch ungewöhnlich ist, wenn ein Botschafter auf so vertraulichem Fuß mit einem um 20 Jahre jüngeren Außenminister ist, daß er ihm das freundschaftliche »Du« anbietet? Stimmen Sie mit mir darin überein, daß es eine ganz ungewöhnliche Art von Vertrautheit ist zwischen einem Botschafter und einem Außenminister?
VON PAPEN: Sir David! Wenn Sie in Ihrem Leben einmal in Österreich gewesen wären, dann würden Sie wissen, daß in Österreich fast alle Menschen sich »Du« nennen, und zur Aufklärung dieses Zwischenfalls darf ich folgendes hinzufügen: Ich habe den Außenminister Schmidt, den ich sehr schätzte, am Tage unseres Auseinandergehens, unserer Trennung, als ich Österreich verließ, da habe ich ihm gesagt: »Lieber Freund, wir haben soviel zusammen gearbeitet, jetzt können wir auch ›Du‹ zueinander sagen.«
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was mich interessiert, ist folgendes: Es war im November 1937, als Sie und Dr. Guido Schmidt erstmalig die Frage einer Zusammenkunft Herrn von Schuschniggs und Hitlers aufwarfen, stimmt das?
VON PAPEN: Ich glaube, daß ich sie nicht nur mit dem Außenminister Schmidt, sondern auch mit Herrn von Schuschnigg selbst besprochen habe zu diesem Zeitpunkt. Nach einer Aussprache zwischen den beiden...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Moment, antworten Sie bitte auf meine Frage. Sie haben mit Schmidt darüber gesprochen. Sie hörten Dr. Schmidts Aussage hier, daß der Angeklagte Göring ihm mit großer Offenheit erzählt hatte, so wie es der Angeklagte Göring auch sonst allen Leuten und auch diesem Gerichtshof erzählte, daß er die Vereinigung Deutschlands mit Österreich unter allen Umständen und um jeden Preis erreichen wollte. Sie hörten, wie Dr. Schmidt sagte, daß Göring ihm sagte, es sei dies seine Ansicht; und um ganz gerecht zu sein, will ich sagen, daß das zu allem übrigen paßt. Das ist der Standpunkt, den er hier und anscheinend einer ganzen Menge von Leuten gegenüber vertrat. Erinnern Sie sich, daß Dr. Schmidt das sagte? Sie können es mir glauben.
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir haben gehört, daß der Angeklagte Göring dies nicht nur Dr. Schmidt, sondern auch Mussolini und auch dem Hohen Gerichtshof gesagt hat, und ich glaube, einigen anderen Leuten. Hat er es niemals Ihnen gegenüber gesagt?
VON PAPEN: Nein, Sir David, ich habe mich über die österreichische...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wußten Sie, daß dies seine Ansicht war?
VON PAPEN: Nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben nicht gewußt, daß das Görings Ansicht war?
VON PAPEN: Lassen Sie mich einen Moment reden, ja?
Selbstverständlich wußte ich, daß es Görings Wunsch war, eine Vereinigung dieser beiden Staaten herbeizuführen. Bei der Unterhaltung mit Mussolini bin ich ja selbst zugegen gewesen.
Aber Sie wollen bitte betrachten, daß Herr Göring damals für die Außenpolitik nicht zuständig war. Die Frage, welche Politik in Österreich gemacht werden sollte, war ausschließlich zwischen Hitler und mir verabredet worden, und ich erinnere mich nicht, daß ich in diesen Jahren zwischen 1936 und 1938 darüber mit dem Marschall Göring gesprochen hätte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich spreche jetzt vom November 1937, und drei Monate später war doch der Angeklagte Göring höchst zuständig für die Außenpolitik in der österreichischen Frage. Das müssen Sie doch wissen, da Sie doch die Berichte über seine Telephongespräche gehört haben.
Beachten Sie bitte die Daten, wie wir sie vor uns haben. Göring hat Schmidt seine Ansichten dargelegt; Sie und Schmidt erörterten diese Zusammenkunft zwischen Schuschnigg und Hitler. Im Januar hatten Sie eine politische Besprechung mit Dr. Seyß-Inquart in Garmisch.
Ach – ich habe ein Datum ausgelassen. Am 11. November hat, wie Herr Dodd Dr. Seyß-Inquart vorgehalten hat, dieser einen Brief an Dr. Jury geschrieben: »Ich glaube, dieses Jahr wird sich nichts ereignen, aber im Frühjahr wird sicher etwas passieren.« Dann nach diesem Brief sah er Sie in Garmisch im Januar, und im Februar haben Sie schließlich diese Zusammenkunft Schuschnigg und Hitler arrangiert.
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wußten Sie denn nicht sehr gut, daß der ganze Zweck dieses Treffens war, auch Herrn von Schuschnigg zu veranlassen, auf die Wünsche des Reiches einzugehen? Nämlich Seyß- Inquart. zu ernennen, eine allgemeine politische Amnestie zu erlassen, derzufolge alle Mitglieder der Partei in Österreich freigelassen und ihren Führern zur Verfügung gestellt werden sollten, und eine Erklärung der Gleichberechtigung für die Partei zu erlassen? Wußten Sie nicht, daß der ganze Sinn dieses Treffens war, Herrn von Schuschnigg dazu zu bringen, diese Bedingungen anzunehmen, so daß Sie die österreichische NSDAP ungehindert und frei hätten, um für Deutschlands Interessen in Österreich zu arbeiten?
VON PAPEN: In meiner Besprechung mit Dr. Seyß- Inquart in Garmisch-Partenkirchen ist über die Notwendigkeit gesprochen worden, die österreichische Nazi-Partei selbständig zu machen, das heißt, sie unter allen Umständen dem Einflusse des Reiches zu entziehen in der Form, wie es im Juli-Vertrag abgemacht worden war, und in der Absicht, daß ein Zusammenschluß unserer beiden Länder von Österreich aus angeregt und fortgeführt werden mußte nach der außenpolitischen Seite hin und nicht vom Reiche. Als ich Seyß-Inquart in Garmisch traf, ist niemals die Rede gewesen von dieser Zusammenkunft zwischen Hitler und Schuschnigg, denn wir konnten – ich persönlich konnte zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht wissen, ob eine solche Unterredung jemals stattfinden würde. Das hat sich ja erst entschieden am 5. Februar, wie Sie sich erinnern werden.
Also es wurde zwischen uns nur die ganz grundsätzliche Frage erörtert: »Wie kommen wir weiter«.
Ich darf weiter in Ihre Erinnerung zurückrufen: Der Dr. Seyß-Inquart war vom Bundeskanzler offiziell beauftragt, alle Wege zu erforschen, die möglich wären, die nationale Opposition, also die Nazi-Partei Österreichs in die politische Arbeit Schuschniggs einzuschalten. Das war seine offizielle Mission; also hatte ich doch ein Recht, mit ihm über diese Dinge zu sprechen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: War nicht Dr. Rainer, der Zeuge, den der Gerichtshof hier gehört hat, bei dieser Zusammenkunft in Garmisch-Partenkirchen zugegen?
VON PAPEN: Bitte?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dr. Rainer?
VON PAPEN: Es scheint, Sir David, daß es der Fall war; ich erinnere mich nicht mehr daran. Seyß-Inquart hat mir gesagt, es sei möglich, daß sich Dr. Rainer uns beiden auf einem Spaziergang angeschlossen habe, ich persönlich habe mich nicht daran erinnert und habe auch mit Rainer kein politisches Gespräch geführt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, Sie haben jetzt Ihre Erklärung abgegeben zu den Geschehnissen um die Jahreswende. Ich möchte Sie nur noch an einen Punkt erinnern. Sie kannten sehr wohl die Blomberg- und Fritsch-Krise in der Wehrmacht. Ich will nicht näher auf unerfreuliche Einzelheiten eingehen, denn gegenwärtig liegt dem Gerichtshof das nicht vor. Aber Sie wußten doch, daß diese Krise entstanden ist?
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bin sicher, daß Sie die Bedeutung der Sache richtig einschätzen. General von Fritsch war doch mit Ihnen zusammen auf der Kriegsakademie, nicht wahr?
VON PAPEN: Ganz recht. Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er war ein alter Freund. Sie wußten-und ich glaube, daß jeder das gesagt hat, der hier vor dem Gerichtshof über ihn gesprochen hat –, daß General von Fritsch ein Mann von untadeligem Charakter war und daß, wenn es nicht so tragisch gewesen wäre, die gegen ihn erhobene Anklage jedem, der ihn kannte, lächerlich erscheinen und mit Verachtung angesehen werden mußte. War das Ihre Ansicht?
VON PAPEN: Ganz und gar.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie hatten, abgesehen von der Behandlung des Feldmarschalls von Blomberg, eine sehr gute Vorstellung, daß von Fritsch das Opfer einer künstlich aufgezäumten Beschuldigung geworden war, um zu verhindern, daß er Oberbefehlshaber der Wehrmacht würde. Sie wußten das doch, nicht wahr?
VON PAPEN: Das ist mir jedenfalls später, nachdem ich die Umstände erfahren habe, auch klar geworden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, nein, das ist nicht das Wesentliche, Angeklagter. Ihre Ansicht vom 5. Februar 1938. Sie wußten schon damals, daß die Nazi-Clique in der Regierung eine künstlich geschmiedete Anklage gegen einen Mann erhoben hat, den Sie als die Verkörperung der Ehre kannten, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, in Kenntnis dieser Tatsache sagen Sie Hitler, als Sie ihn am 5. Februar treffen, daß Schuschnigg möglicherweise eintreffen könne, und er geht sofort darauf ein. Er sagt: »Holen Sie Schuschnigg sofort!«, nicht wahr? Er ist sehr verärgert – wenn ich so sagen darf – über das, was Sie ihm bis dahin gesagt hatten. Sobald Sie sagen, daß die Möglichkeit eines Treffens mit Schuschnigg bestehe, greift Hitler dies auf, wie eine Forelle nach einer Maifliege oder wie ein Löwe nach seinem Opfer schnappt. Das stimmt doch, nicht wahr?
VON PAPEN: Ja, Sir David. Ich habe hier vor Gericht ausgeführt, welchen Eindruck die Ereignisse in Berlin und meine eigene Entlassung am 4. Februar auf mich gemacht haben. Finden Sie – es kann doch nicht erstaunlich gefunden werden, daß ich nun versuchte – gerade weil ich befürchte, es wird ein anderer Kurs eingeschlagen –, daß ich versuche, diese von lange her gewünschte Aussprache der beiden Staatschefs zustande zu bringen, weil ich mir davon eine Bereinigung der Differenzen und eine Vermeidung eines radikalen Kurses erhoffte. Das habe ich ja dem Außenminister Schmidt und habe ich auch dem Kanzler Schuschnigg gesagt, als ich sie beide bat, wenn irgend möglich, an einer solchen bereinigenden Aussprache teilzunehmen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, Angeklagter, ich will nicht auf die näheren Umstände des Treffens vom 12. Februar eingehen, denn ich bin bereits mit dem Angeklagten von Ribbentrop all das durchgegangen, und der Gerichtshof ist darüber wohl unterrichtet.
Ich will Ihnen nur diese eine Frage vorlegen und bitte Sie, diese sorgsam zu erwägen, da die Frage Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit davon abhängt.
Behaupten Sie jetzt, daß bei dieser Unterredung kein Druck auf Herrn von Schuschnigg ausgeübt worden ist?
VON PAPEN: Sir David, ich habe es nie behauptet – das wissen Sie selbst, es steht in meinen Berichten –, ich habe ja selber konstatiert, daß der Druck ausgeübt worden ist.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ich Sie frage ist dies – ich möchte es ganz klarstellen, denn der Gerichtshof hat ja die Aussage Ihres Freundes Dr. Schmidt gehört und eine Menge anderer Aussagen –, ich möchte Ihnen nur die eine Frage vorlegen, und bitte beantworten Sie sie ganz klar:
Sagen Sie jetzt heute, daß auf Bundeskanzler von Schuschnigg kein Druck ausgeübt worden ist, um ihn zu veranlassen, die Bedingungen des 12. Februar anzunehmen? Das ist die eine Frage, die ich Ihnen vorlegen möchte, und ich gebe Ihnen Gelegenheit zur Antwort. Was sagen Sie nun heute? Wurde Druck auf Herrn von Schuschnigg ausgeübt oder nicht?
VON PAPEN: Ja! Ich habe das auch niemals geleugnet. Ich verstehe nicht, warum Sie mich das fragen. Ich habe es niemals geleugnet.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr von Ribbentrop hat es sehr entschieden abgestritten, aber das wollen wir nicht mehr erörtern.
Nun noch eine Frage, und dann bin ich mit dem Kapitel Österreich fertig.
Haben Sie ein Zusammentreffen zwischen Hitler und Kardinal Innitzer arrangiert?
VON PAPEN: Jawohl, das habe ich getan, und das war...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie dafür gesorgt, daß die Kirchenführer und das diplomatische Korps mit Ausnahme der britischen und französischen Vertreter bei Hitlers Eintreffen in Wien anwesend sein sollten?
VON PAPEN: Was die Kirchenführer anbetrifft, so ist es nicht üblich, daß sie bei Paraden zugegen sind, und ich habe es bestimmt nicht angeregt. Was die Diplomaten anbetrifft...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie arrangiert, daß das diplomatische Korps dort anwesend sein sollte?
VON PAPEN: Es ist möglich, daß ich einigen diplomatischen Kollegen, die mich gefragt haben, ob sie der Feier beiwohnen können, gesagt habe: »Selbstverständlich!« Warum sollten sie nicht beiwohnen?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich will nicht über die Art streiten, in der Sie sich ausgedrückt haben.
Euer Lordschaft! Ich bin jetzt fertig mit dem Kapitel Österreich, ich habe nur noch drei unbedeutende Sachen, die, wie ich hoffe, nur eine kurze Zeit in Anspruch nehmen würden, aber vielleicht wäre es gut, jetzt die Pause einzuschalten.
VORSITZENDER: Ja.