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[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Geben Sie bitte Ihren vollen Namen.

ZEUGE HANS KROLL: Hans Kroll.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir diesen Eid nachsprechen: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. KUBUSCHOK: Herr Zeuge! Welches war Ihre Stellung in Ankara?

KROLL: Ich war als erster Botschaftsrat und später als Gesandter vom Herbst 1936 bis April 1943 in Ankara tätig, und zwar vom April 1939 bis April 1943 zusammen mit dem Botschafter von Papen, als sein erster Mitarbeiter. Wir haben täglich, meistens am Vormittag und am Nachmittag, mehrere Stunden zusammen konferiert, so daß ich glaube, über die verschiedenen Phasen seiner Tätigkeit während dieser Zeit in der Türkei, das heißt also während seiner Arbeit im Kriege, gut unterrichtet zu sein.

DR. KUBUSCHOK: Ich wollte nur zur Aufklärung sagen: Diese Fragen werden sich im wesentlichen auf die Friedenspolitik des Angeklagten beschränken. Haben Sie Herrn von Papen vor seiner Tätigkeit als Botschafter in Ankara gekannt?

KROLL: Nein. Wir haben uns erst in Ankara kennengelernt.

DR. KUBUSCHOK: Waren Sie Mitglied der NSDAP?

KROLL: Nein.

DR. KUBUSCHOK: Nach Übernahme des Botschafterpostens kam Herr von Papen zu kurzem Aufenthalt nach Ankara. Was war der Zweck dieses dortigen Aufenthaltes?

KROLL: Herr von Papen wollte sich zunächst einmal der Türkischen Regierung vorstellen und sich über die Lage informieren.

DR. KUBUSCHOK: Hat Herr von Papen damals durch sein Verhalten und seine Äußerungen sein Einverständnis mit der deutschen Außenpolitik und insbesondere mit der Politik gegenüber Polen gezeigt, oder hat er im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht, gegen diese Politik zu wirken?

KROLL: Ich war natürlich nach Eintreffen Herrn von Papens daran interessiert, von ihm zu erfahren, wie er sich die weitere Entwicklung der allgemeinen Lage und insbesondere auch der polnischen Frage vorstellte. Ich nahm natürlich an, daß, wenn er von Deutschland kommt, er von Hitler in seine Pläne eingeweiht sei, und ich war enttäuscht, festzustellen, daß er nicht mehr wußte als ich auch, das heißt gar nichts.

Wir haben dann im einzelnen die Lage erörtert; soweit ich feststellte, stand Herr von Papen, der mit mir sehr offen über diese Dinge sprach, der Hitlerschen Außenpolitik voll Mißtrauen gegenüber. Er war ein Gegner des Krieges, ein entschiedener und ehrlicher Gegner des Krieges und natürlich auch ein Gegner des Krieges gegen Polen. Er war allerdings überzeugt, daß man in der polnischen Frage zu einer Verständigung kommen könnte, wenn man es nur Hitler klarmachen könnte, daß ein Konflikt mit Polen unter allen Umständen auch zu einem Weltkrieg führen würde. Er hat sich dann bemüht, und ich muß sagen, in einer sehr offenen und klaren und mutigen Sprache, in seiner Berichterstattung auf diesen Punkt hinzuweisen und aus seinen Gesprächen mit den türkischen Staatsmännern sowie den in Ankara akkreditierten Diplomaten den Beweis dafür zu führen, daß in der Tat ein Konflikt mit Polen unweigerlich zu einem Konflikt mit England und Frankreich führen würde. Er hat mir später oft gesagt, daß er überzeugt sei, daß, wenn jedermann, Deutsche wie Ausländer, in dieser klaren Form zu Hitler gesprochen hätten, der Krieg vermieden worden wäre.

DR. KUBUSCHOK: Wie war nach Ausbruch des Polenkrieges die Einstellung des Herrn von Papen zur Ausweitung dieses Krieges auf die nordischen Staaten, Holland, Belgien und schließlich Rußland?

KROLL: Herr von Papen hoffte natürlich, daß man in dieser Winterpause zu irgendeiner Verständigung oder in irgendein Gespräch kommen würde. Er wußte ja, daß, wenn erst einmal die Kampfhandlungen auf den Westen übergriffen, daß dann das allgemeine Gemetzel losgehen würde und daß es dann allerdings für ein Gespräch wahrscheinlich zu spät sein würde. Er hat natürlich auch nach Möglichkeit eine Vermittlung nach der Türkei gesucht und hat darum freudig und bereitwillig jede Gelegenheit aufgegriffen, wie es sich aus einer Reihe von Gesprächen mit dem ihm befreundeten Holländischen Gesandten in Ankara, van Visser, bot. Das Motiv zu diesem Angebot Vissers war der Wunsch Hollands, den Krieg beendet zu sehen, bevor das Frühjahr herankomme und mit ihm der Kampf im Westen, und das Ziel sollte sein ein Gespräch zwischen Deutschland und England.

DR. KUBUSCHOK: Es interessiert mich zu wissen, wie die Anschauungen des Herrn von Papen für einen derartigen Frieden waren. Glaubte er, auf dem Wege des Friedens eine Annektion erreichen zu können, oder was waren die Ziele dieses Friedens, die er im Auge hatte?

KROLL: Ich glaube, es ist bekannt, und zwar aus der früheren Tätigkeit Herrn von Papens, daß er ein Freund und Anhänger der europäischen Verständigung war. Er wußte auch, daß dieser Krieg ja nicht begonnen hatte wegen eines territorialen Problems, sondern wegen eines Prinzips, nämlich, um künftig eine einseitige aggressive Aktion, das heißt, einen Angriffskrieg zu verhindern. Und es war darum in der Wiederherstellung des Rechtszustandes vor Beginn des Krieges, das heißt in der Wiederherstellung des Status quo ante auf der Grundlage von 1938, das heißt in der Wiederherstellung Polens und der Tschechoslowakei überhaupt die Voraussetzung für die Anknüpfung eines Gespräches.

Die zweite Voraussetzung für die erfolgreiche Führung eines solchen Gespräches war für ihn die Wiederherstellung des Vertrauens in die deutsche Unterschrift, die ja bekanntlich durch die Hitlersche Außenpolitik zerstört worden war. Es kam also nur darauf an, wie man das Vertrauen wiederherstellen könnte. Da war er sich im klaren darüber, daß die Voraussetzung dafür eine wesentliche Reform des Regims war mit dem Ziel, Deutschland wieder zu einem Rechtsstaat zu machen. Schließlich sah Herr von Papen gerade an seinem Posten in der Türkei die Möglichkeit, den Krieg durch eine Verständigung zu beenden, denn die Türkei erfüllte, wie vielleicht kaum ein anderer Staat von dem gleichen außenpolitischen Gewicht, die geradezu ideale Voraussetzung für eine Vermittlung. Sie genoß das Vertrauen beider kriegführender Teile, und das ist ja das Wesentlichste, um ein Gespräch anzuknüpfen. Er hat sich dann auch bemüht, in allen seinen Gesprächen mit den türkischen Staatsmännern die Türkei für eine Vermittlung zu gewinnen; denn das war ja während seiner ganzen Jahre in der Türkei das Leitmotiv seiner Arbeit, den Krieg möglichst rasch zu einem Ende zu bringen. Er hat dann in der Tat den großen Erfolg gehabt, daß der türkische Staatspräsident im Jahre 1942 in einer großen öffentlichen Rede vor der türkischen Nationalversammlung die guten Dienste der Türkei für eine Vermittlung zwischen den beiden Parteien anbot.

DR. KUBUSCHOK: Haben Sie Kenntnis von den Bemühungen Herrn von Papens, eine Kriegsausweitung in Richtung der Türkei, entgegen bestimmten Bestrebungen der Achsenpartner und bestimmter Kreise um Hitler zu verhindern? Es hat in der Kriegszeit insoweit mehrere Krisen gegeben, die Sie vielleicht kurz erwähnen können.

KROLL: Ich möchte zunächst einmal sagen, daß Papens Tätigkeit in der Türkei eigentlich in einem Wort zusammengefaßt werden kann. Er sah es als seine Mission an, die Interessen Deutschlands, seines Vaterlandes, mit den Interessen des Friedens auf eine Formel zu bringen. Das bedeutete in der Praxis, daß er sich bemühte, eine Ausdehnung des Krieges auf die Türkei und den Nahen Osten zu verhindern und damit die Voraussetzung zu schaffen, um im gegebenen Augenblick die Türkei als Vermittler einzuschalten.

Nun zu den Krisen. Ich mochte mich auf die Fälle beschränken, bei denen Herr von Papen den Eindruck hatte, daß die Neutralität der Türkei durch Absichten der Achsenpartner in Gefahr wäre.

VORSITZENDER: Ich glaube, ich habe Sie bereits darauf aufmerksam gemacht, daß mit Bezug auf Papens Tätigkeit in Ankara keine Anklage gegen ihn erhaben worden ist, und ich möchte auch noch bemerken, daß ich dachte, das sollte nur eine Zusammenfassung in einem Wort werden.

DR. KUBUSCHOK: Es sind nur ganz wenige Fälle, Euer Lordschaft, ich werde sie in kurzen Sätzen vortragen lassen, um das allgemeine Bild zu vervollständigen.

VORSITZENDER: Die Beweisführung kann nur erheblich sein, soweit sie die Handlungsweise von Papens beleuchtet, bevor er nach Ankara ging. Das ist es gerade, was ich Ihnen schon neulich sagte.

DR. KUBUSCHOK: Ich sagte neulich, Euer Lordschaft, daß man der Persönlichkeit eines unter Anklage der Kriegskonspiration stehenden Mannes nicht gerecht wird, wenn man nur einen Zeitabschnitt herausgreift. Er war auf einem Posten, wo er nur Negatives oder Positives tun kannte. Es ist doch nicht unerheblich, wenn es wenigstens in Kürze dargetan werden darf.

VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Dieser Zeuge hat uns schon eine beträchtliche Zeitlang erzählt, daß Papens Handlungsweise ganz friedlich gewesen sei und daß seine Bemühungen darauf hinausliefen, die Türkei zu einer Vermittlung zu veranlassen. Und jetzt tut er nichts anderes, als immer mehr Einzelheiten über dasselbe Thema zu bringen, und zwar betrifft das alles eine Zeit, wegen der überhaupt keine Beschuldigung von der Anklagebehörde gegen von Papen erhoben wird.

DR. KUBUSCHOK: Wenn das Gericht unterstellt, daß der Angeklagte von Papen tatsächlich seine Mission in Ankara als eine Friedensmission aufgefaßt hat, so brauche ich weiter keine Fragen an den Zeugen zu richten. Ich komme zu den letzten Fragen.

Wie war die Stellung des Herrn von Papen zur Partei, besonders zur Landesleitung in Ankara?

KROLL: Herr von Papen wurde schon bei seinem Eintreffen mit unverhülltem Mißtrauen empfangen. Es war auch kein Wunder; denn man wußte ja, daß er kein Nationalsozialist ist. Ich habe in der Tat in diesen vier Jahren in der Türkei niemand kennengelernt, der ihn für einen Nationalsozialisten gehalten hat. Das Verhältnis zur Partei verschlechterte sich dann im Laufe der Jahre, und so kam es schließlich zum öffentlichen Konflikt, und zwar im Jahre 1942, als der Landesgruppenleiter der Partei zu seinen Kumpanen einmal erklärte, wenn es auf ihn ankäme, dann würde er Herrn von Papen erschießen lassen. Er ist dann daraufhin gestellt worden und hat sich darauf berichtigt, er hätte das nicht gesagt, er hätte nur gesagt, er würde ihn in das Konzentrationslager stecken.

DR. KUBUSCHOK: Wie war die Einstellung des Herrn von Papen zur Judenfrage?

KROLL: Herr von Papen hat sich sowohl in wiederholten öffentlichen Reden wie in seiner Handlungsweise ganz eindeutig gegen die antijüdische Politik der Partei gewandt. Er hat mit jüdischen oder halbjüdischen Emigranten verkehrt, er hat jüdische Ärzte herangezogen, er hat in jüdischen Geschäften gekauft, kurz und gut, ich glaube, das ist einer der Gründe gewesen, die seine Spannung zur Partei in erster Linie herbeigeführt hat.

DR. KUBUSCHOK: Hat Herr von Papen sogar in der Botschaft eine Jüdin beschäftigt?

KROLL: Soviel ich weiß, ja. Es war, glaube ich, die Frau seines Dieners, seines Portiers.

DR. KUBUSCHOK: Sie war als Telephonistin dort angestellt, Frau B..., stimmt das?

KROLL: Ja.

DR. KUBUSCHOK: Kennen Sie einen Herrn Posemann, hatte er irgendwelche Beziehung zur Deutschen Botschaft gehabt?

KROLL: Posemann war zu meiner Zeit nicht in der Deutschen Botschaft. Ich entsinne mich, daß er einen Buchladen in Ankara gehabt hat. Mit der Botschaft hatte er nichts zu tun gehabt.

DR. KUBUSCHOK: Wie war die Einstellung des Herrn von Papen in der Personalfrage. Stellte er Nationalsozialisten in die Botschaft ein? Nach welcher Richtung gingen seine Personalanforderungen?

KROLL: Es ist ja bekannt, daß die Partei mit der Wahl der Mitarbeiter des Herrn von Papen niemals so ganz zufrieden war. Das hat sich ja dann auch in sehr harten Konsequenzen gezeigt am 30. Juni und nach dem Anschluß. Es war etwas Gefährliches, sein erster Mitarbeiter zu sein. Man hat es ihm natürlich verdacht, daß er aus der Botschaft in Ankara nicht genau so eine nationalsozialistische Kommandostelle machte, wie es die deutschen Vertretungen auf dem Balkan waren, und daß er, wenn er Personal anforderte, sich solche Leute aussuchte, von denen er wußte, daß sie keine Nationalsozialisten waren. Ich glaube, ich brauche nur zwei Namen zu nennen: Herrn von Haeften und Legationsrat Trott zu Solz, zwei Männer, von denen ich glaube, daß sie im Zusammenhang mit dem 20. Juli hingerichtet worden sind. Es wurde ihm natürlich – ich meine Herrn von Papen – besonders verdacht, daß er sich gegen alle Versuche sträubte, mich von meinem Posten zu entfernen; ich weiß nicht, ob ich darauf eingehen soll?

DR. KUBUSCHOK: Bitte, ganz kurz.

KROLL: Man hat wiederholt, man kann eigentlich sagen alle Monate, den Versuch gemacht, mich als Vertreter von Papens auszuschalten. Zuletzt, als das alles nichts half – denn Herr von Papen widersetzte sich diesen Versuchen – ist der Landesgruppenleiter im Frühling 1942 in voller Kriegsbemalung mit den Ortsgruppenleitern von Ankara und Istambul bei Herrn von Papen erschienen und hat offiziell im Namen der Partei verlangt, daß ich von meinem Posten zu entfernen sei. Herr von Papen hat das wieder abgelehnt, aber schließlich im Jahre 1943 wurde der Druck der Partei zu groß, zumal auch noch von anderen Stellen gegen mich intrigiert wurde, so daß ich dann kaltgestellt wurde.

DR. KUBUSCHOK: Zuletzt noch folgendes: In den Jahren der Mitarbeit haben Sie die Tätigkeit des Angeklagten von Papen und seine Persönlichkeit ja eingehend kennengelernt. Vielleicht können Sie uns ganz kurz umrissen ein Bild des Angeklagten vermitteln.

KROLL: Ich habe bereits vorher gesagt...

VORSITZENDER: Nein. Das hat er schon des längeren ausgeführt, wir wollen das nicht noch einmal kurz wiederholt haben.

DR. KUBUSCHOK: Dann verzichte ich auf diese Frage und habe damit die Vernehmung des Zeugen beendet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe keine Fragen, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Will von den Herren Verteidigern jemand Fragen stellen? Dann kann sich der Zeuge zurückziehen.