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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

DR. FLÄCHSNER: Herr Speer! Wir waren bei der Erörterung der Telephonnotiz Sauckels über den Arbeitseinsatz vom 4. Januar 1943. Darauf bezieht sich – wie Sie schon ausgeführt haben – das Führerprotokoll vom 3. auf 5. Januar 1943, welches ich dem Gericht noch später nachreichen werde. Wollen Sie uns kurz hier sagen, was der Inhalt Ihrer Besprechung damals war?

SPEER: In diesem Protokoll ist festgelegt, daß alle Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Wirtschaft in Frankreich auf ein höheres Potential zu bringen. Es sind sehr scharfe Bemerkungen Hitlers über die Art und Weise, wie er sich diese Aktivierung vorstellt, darin enthalten. Es steht darin, daß jede Sabotage mit schärfsten Mitteln zu ahnden ist und daß jede »Humanitätsduselei« fehl am Platze ist.

Aus diesem Protokoll geht weiter hervor, daß ich damals Hitler gebeten habe, mir die Steuerung der Produktionsfragen in Frankreich zu übertragen, die ich ja einige Monate später dann auch bekommen habe.

Ich sage dies nur, um hier – solange ich noch als Zeuge aussagen kann- klarzustellen, daß ich diese Linie Hitlers, in Frankreich jede »Humanitätsduselei« fallen zu lassen, nicht durchgeführt habe.

Es gab einen Fall, der mir zur Kenntnis kam, in dem zehn Geiseln erschossen werden sollten, weil sie Industriesabotage im Meurthe-et-Moselle-Industriegebiet durchgeführt hatten. Ich habe damals erreicht, daß diese Erschießung nicht durchgeführt wird. Hierfür ist Röchling, der damals die Eisenproduktion in den besetzten Westgebieten hatte, Zeuge.

Es ist dies der einzige Fall, der mir bekannt wurde, daß wegen Sabotage innerhalb der Produktion Geiselerschießungen hätten stattfinden sollen.

Ich kann weiter nachweisen, daß ich den Betrieben, die in Frankreich arbeiteten, durch eine Entscheidung Hitlers im September 1943 zu den vorhandenen Ernährungssätzen eine zusätzliche Mahlzeit in den Betrieben besorgte, und weiter habe ich mich durch ein Schreiben an den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom Dezember 1943 sehr scharf dafür eingesetzt, daß man den Arbeitskräften in den besetzten Westgebieten nicht nur Lohn zu zahlen habe, sondern daß es notwendig wäre, für diese Lohn-Summe auch die notwendigen Konsumgüter zur Verfügung zu stellen, eine Linie, die zweifellos der hier von der Französischen Anklage vorgebrachten Tendenz zur Ausplünderung der Westgebiete entgegensteht.

Alle drei Dokumente sind in meinem Besitz und können vorgelegt werden.

Ich wollte dies nur bringen, um klarzustellen, daß diese von Hitler im Protokoll vom 3. auf 5. Januar festgelegten Linien der sehr scharfen Politik in Frankreich von mir nicht gebilligt und auch nicht eingehalten wurden.

DR. FLÄCHSNER: Ich komme nun zu einem anderen Punkt, Herr Speer. Was ließen Sie in Frankreich anfertigen auf Grund Ihres Programms?

SPEER: Wir haben das schon genügend erörtert. Es wurden keine Rüstungsgegenstände gefertigt, sondern nur Engpaßteile und Verbrauchsgüter.

DR. FLÄCHSNER: Gut. Ich wollte das nur klar herausgestellt haben.

Die Anklage hat Ihnen in R-124 ein Führerprotokoll vom März 1944 vorgelegt, nach dem Sie mit Hitler den Vorschlag des Reichsmarschalls besprochen haben sollen, Kriegsgefangene an Frankreich abzugeben.

Was ist hierzu zu sagen?

SPEER: Dieses Protokoll stammt vom 3. März 1944. Ich war vom Januar bis Mai 1944 schwer erkrankt. Die Besprechung hat also nicht mit mir stattgefunden. Es war einer meiner Mitarbeiter, der diese Besprechung geführt hatte, ein Mitarbeiter, der in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu Hitler stand. Im übrigen wurde dieser Vorschlag nicht durchgeführt.

DR. FLÄCHSNER: Herr Speer! Sie haben ja der Sitzung vom 30. Mai beigewohnt, bei der die Frage erörtert wurde, wie es zur Einrichtung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz gekommen ist. Wollen Sie sich kurz zusammenfassend zu diesem Punkt äußern?

SPEER: Ich möchte kurz sagen: Ich wollte einen Beauftragten für alle Arbeitseinsatzfragen haben, die mit meinem Auftrag der Heeresrüstung zusammenhingen. Meine Sorgen auf dem Arbeitseinsatzgebiet lagen damals zu Beginn meiner Tätigkeit in der Hauptsache bei den Gauleitern, die eine Art Gau-Partikularismus betrieben. Die unpolitische Behörde des Arbeitsministeriums konnte gegen die Gauleiter nichts ausrichten; dadurch war der Arbeitseinsatz in Deutschland selbst eingefroren. Und ich schlug Hitler vor, für diesen Beauftragten einen mir bekannten Gauleiter namens Hanke zu nehmen. Das wurde im übrigen auch von Göring bestätigt. Hitler war damit einverstanden. Zwei Tage später hat Bormann den Vorschlag gemacht, Sauckel zu nehmen.

Ich kannte Sauckel nicht näher; ich war aber mit seiner Wahl einverstanden. Es ist durchaus möglich, daß Sauckel dieser ganze Vorgang unbekannt ist, so daß er mit Recht annimmt, daß er auf meinen Vorschlag hin ernannt wurde.

Zu der Dienststelle des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz kam es auf folgende Weise:

Lammers erklärte, daß er keine Sondervollmacht für einen Teilsektor des Arbeitseinsatzes ausstellen könne; es wäre verwaltungsmäßig bedenklich. Daher mußte der ganze Arbeitseinsatz einem Generalbevollmächtigten unterstellt werden. Zunächst war ein Führererlaß vorgesehen. Göring protestierte dagegen, da es seine Aufgabe im Vierjahresplan sei. Deswegen wurde der Kompromiß getroffen, daß zwar Sauckel Generalbevollmächtigter im Vierjahresplan ist, aber daß er von Hitler bestellt wird.

Dies war ein einmaliger Vorgang im Vierjahresplan. Damit war Sauckel praktisch Hitler unterstellt; er hat es auch immer so aufgefaßt.

DR. FLÄCHSNER: Sie halben gehört, daß Sauckel in seiner Aussage vom 30. Mai festlegte, daß auch Göring an den Sitzungen der Zentralen Planung beteiligt gewesen sei. Stimmt das?

SPEER: Nein, das stimmt in keiner Weise. Ich hätte ihn auch nicht gebrauchen können, denn wir mußten ja da eine praktische Arbeit leisten.

DR. FLÄCHSNER: Es ist von der Anklagebehörde eine Bekundung Sauckels vom 8. Oktober 1945 vorgelegt worden. Danach sollen Sie die Einrichtung seiner Beauftragten in den besetzten Gebieten veranlaßt haben. Trifft das zu?

SPEER: Nein, ich hatte 1941 mit der Rüstung noch nichts zu tun. Aber auch später, als Sauckel tätig war, habe ich die Beauftragten nicht eingesetzt und auch nicht besonders gefördert; das war eine Aufgabe, die Sauckel innerhalb seiner Zuständigkeit durchgeführt hat.

DR. FLÄCHSNER: Die Französische Anklagebehörde hat aus einem Protokoll über eine vorprozeßliche Vernehmung Sauckels vom 27. September 1945 zitiert, wonach die Stellung von Transportzügen mit ausländischen Arbeitern auf Ihren besonderen Befehl geschehen sein soll.

SPEER: Ich glaube, es ist zweckmäßig, wenn ich alle Aussagenpunkte von Sauckel zusammennehme, das geht schneller, soweit sie mich angehen.

DR. FLÄCHSNER: Bitte fahren Sie fort.

SPEER: Die Disposition über Transportzüge wurde von Sauckel und seinen Mitarbeitern getroffen. Es kann sein, daß durch eine plötzliche Änderung in einem Produktionsprogramm oder durch Fliegerangriffe auf Wunsch meiner Dienststelle Transportzüge umgeleitet werden mußten; jedoch geschah das immer in der Verantwortung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz.

Weiter wurde hier von Sauckel ausgesagt, daß Goebbels nach Stalingrad mit mir zusammen den »Totalen Kriegseinsatz« begonnen hätte. Das ist nicht in dieser Form richtig. Stalingrad war im Januar 1943, und Goebbels begann den »Totalen Kriegseinsatz« im August 1944. Es sollte zwar nach Stalingrad eine große Reform in Deutschland durchgeführt werden, um deutsche Arbeitskräfte freizumachen. Auch ich war einer derjenigen, der dies gefordert hat. Weder Goebbels noch ich konnten diesen Plan durchführen. Es wurde ein Dreier-Gremium gebildet mit Lammers, Keitel und Bormann, das aber diese Aufgaben mangels Sachkenntnis nicht durchführen konnte.

Weiter wurde die Arbeitseinsatzabteilung von mir in den Aussagen von Sauckel erwähnt. Diese bestand aus folgendem: Jeder große Betrieb und jeder Bedarfsträger hatte eine Arbeitseinsatzabteilung, und selbstverständlich wurde das von mir auch zusammengefaßt. Es war aber keine Abteilung, die in irgendeiner Weise die Aufgaben Sauckels beeinträchtigte. Sie hatte kein bedeutendes Aufgabengebiet; das geht daraus hervor, daß sie eine von 50 bis 60 meiner Abteilungen war. Wenn sie für mich sehr wichtig gewesen wäre, wäre sie eines meiner sechs oder acht Ämter gewesen.

Sauckel erwähnte weiter die Stabsleiterbesprechungen, die bei ihm stattgefunden haben. An diesen hat ein Vertreter meiner Arbeitseinsatzabteilung für die Heeres- und Marinerüstung teilgenommen, auch für das Bauen. Es waren in diesen Stabsleiterbesprechungen etwa 15 Bedarfsträger versammelt. In diesen Besprechungen wurde die Vordringlichkeit der Zurverfügungstellung der Arbeitskräfte bestimmt nach der wirtschaftlichen Einsicht, die Sauckel hatte. Das war eigentlich die Tätigkeit, die hier fälschlicherweise der Zentralen Planung zugeschoben wurde.

Weiter wurde behauptet, daß ich die Verbringung von ausländischen Arbeitern nach Deutschland im April 1942 gefördert hätte und daß es auf meine Initiative zurückzuführen sei, daß überhaupt die ausländischen Arbeitskräfte nach Deutschland kamen. Das stimmt nicht. Ich habe in diesem Sinne auf Sauckel nicht einzuwirken brauchen. Es geht im übrigen aus einem Führerprotokoll vom 3. Mai 1942, das in meinem Besitz ist, hervor, daß die Einführung der Arbeitsdienstpflicht in den Westgebieten auf Vortrag von Gauleiter Sauckel vom Führer genehmigt wurde.

Ich kann weiter eine Rede von mir vom 18. April 1942 vorlegen, aus der hervorgeht, daß ich zu diesem Zeitpunkt noch der Meinung war, daß die deutsche Bauwirtschaft mit etwa 1,8 Millionen Arbeitskräften weitgehend stillgelegt werden solle, um für die Rüstung die notwendigen Arbeitskräfte zu erhalten. In dieser grundlegenden Rede von mir, auch über den Arbeitseinsatz, die vor meinen Mitarbeitern stattfand, ist kein Wort von einer Planung eines ausländischen Arbeitseinsatzes enthalten. Wenn ich derjenige gewesen wäre, der diese Planung mit Energie betrieben hätte, dann hätte ich voraussichtlich auch in dieser Rede diese Angelegenheit erwähnt.

Schließlich ist noch als letztes zu den Aussagen von Sauckel der Plan der Organisation kurz richtigzustellen, der hier vorgelegt wurde. Er ist insofern unrichtig, als die einzelnen Sektoren, die aufgezählt sind, in Ministerien eingeteilt sind. In Wirklichkeit waren diese Sektoren der Bedarfsträger nach einzelnen Wirtschaftszweigen aufgeteilt, unabhängig von den Ministerien; nur in meinem Ministerium und dem Luftfahrtministerium deckte es sich mit dem Aufgabengebiet.

Es ist weiter unrichtig daran, daß im Wirtschaftsministerium die Bauindustrie vertreten ist; die gehört zu mir, in meine Zuständigkeit. Es gehörten ab 1943 auch Chemie und Bergbau, die ebenfalls im Wirtschaftsministerium genannt sind, zu meiner Zuständigkeit. Nach der Kenntnis, die ich habe, waren bereits vor September 1943 diese Zweige als Generalbevollmächtigte im Vierjahresplan vertreten und hatten, unabhängig vom Wirtschaftsministerium, ihre Forderungen bei Sauckel direkt erhoben.

Es ist in diesem Plan weiter unrichtig, daß die Forderungen dieser Arbeitskräfte, dieser einzelnen Bedarfsträger, unmittelbar zu Hitler gingen. Es wäre unmöglich gewesen für Hitler, diesen Streit von 15 Bedarfsträgern zu schlichten. Diese gingen, wie ich schon gesagt habe, in die Stabsleiterbesprechungen, wo die Bearbeitung unter dem Vorsitz Sauckels stattfand.

DR. FLÄCHSNER: Herr Speer! Was haben Sie am Ende des Krieges mit Ihren Dokumenten gemacht?

SPEER: Ich war nach meiner Ansicht verpflichtet, meine Unterlagen zu erhalten, schon um beim Wiederaufbau die notwendigen Überleitungsmaßnahmen treffen zu können. Ich lehnte es dabei ab, diese Unterlagen auch nur sichten zu lassen; sie wurden hier in Nürnberg, wo ein Zweigarchiv von mir war, unversehrt den alliierten Behörden übergeben. Ich habe sie übergeben noch in der Zeit, in der ich in der Flensburger Zone mich in Freiheit befand. Auf diese Weise ist die Anklage im Besitz aller von mir bearbeiteten Schreiben, einiger Tausende, sowie aller Reden in der Öffentlichkeit, Gauleiterreden und sonstigen Reden in der Rüstung und Wirtschaft, etwa 4000 Führerentscheidungen, 5000 Seiten Stenogramme der Zentralen Planung, Denkschriften und so weiter. Ich sage dies nur, weil aus diesen Akten eindeutig hervorgeht, wie sehr meine Aufgabe eine technische und wirtschaftliche war.

DR. FLÄCHSNER: Haben Sie in diesen Ihren Dokumenten Ihrer Erinnerung nach jemals Äußerungen von Ihnen über Weltanschauung, Antisemitismus und so weiter niedergelegt?

SPEER: Nein, ich habe weder in Reden noch in Denkschriften etwas Derartiges gesagt. Ich nehme an, daß sonst die Anklage in der Lage wäre, mir etwas Derartiges hier vorzulegen.

DR. FLÄCHSNER: Herr Speer! Als Rüstungsminister waren Sie auch vorgesehen auf der Liste der Regierungsmitglieder der neuen Regierung, die die Putschisten des 20. Juli 1944 aufgestellt hatten. Waren Sie am 20. Juli beteiligt?

SPEER: Nein. Ich war weder beteiligt noch vorher unterrichtet. Ich mißbilligte damals ein Attentat auf Hitler.

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Hier zu diesem Punkt äußern sich die Fragebogen des Zeugen Kempf zu Nummer 9 und Stahl zu Nummer 1.