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[Pause von 10 Minuten.]

JUSTICE JACKSON: Wenn es der Gerichtshof erlaubt, möchte ich Sie fragen, ob man damals, als Sie sich darum bemühten, genügend Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie zu bekommen, wußten, daß Göring Arbeitskräfte dazu benützte, um Kunstgegenstände zu sammeln und sie für seine eigenen Zwecke abzutransportieren. Wußten Sie das damals?

SPEER: Dazu brauchte er wenig Arbeitskräfte.

JUSTICE JACKSON: Gut, vielleicht sehr wenig, aber sie waren doch sehr wertvoll, nicht wahr?

SPEER: Die Kunstgegenstände waren wertvoll, nicht die Arbeitskräfte.

JUSTICE JACKSON: Für ihn?

SPEER: Ja.

JUSTICE JACKSON: Berichten Sie uns etwas über Ihre Bemühungen um die Produktion, damit wir Näheres über die Schwierigkeiten erfahren, mit denen Sie zu kämpfen hatten. Krupp war doch ein wichtiger Faktor in der deutschen Rüstungsproduktion. Nicht wahr?

SPEER: Ja.

JUSTICE JACKSON: Die größte Betriebseinheit, könnte man es nicht so nennen?

SPEER: Ja, aber nicht... So, wie ich es gestern ausgeführt habe. Er hat wenig Geschütze und wenig Rüstungsgegenstände gefertigt, war aber ein großer, einer der angesehensten Konzerne innerhalb der Gesamtrüstung.

JUSTICE JACKSON: Aber Sie verhinderten, so gut Sie es konnten, daß man sich der Hilfsquellen und Arbeitskräfte für die Produktion solcher Gegenstände bediente, die für den Krieg nicht weiter von Nutzen waren. Stimmt das nicht?

SPEER: Das ist richtig.

JUSTICE JACKSON: Und alles was in den Krupp- Werken erzeugt wurde – seien es nun Kanonen oder andere Gegenstände gewesen – waren doch Produkte, die für die Förderung der Wirtschaft oder die Kriegführung unentbehrlich waren. Ist das nicht auch richtig?

SPEER: Man kann das verallgemeinern. Letzten Endes ist ja jeder Gegenstand, der im Krieg in der Heimat gefertigt ist, ob das ein Paar Schuhe sind für die Arbeiter oder Kleider oder Kohlen, ist natürlich... wird gefertigt, um den Krieg weiterführen zu können. Das hat aber mit dem alten Begriff, der längst überholt ist, aus dem Genfer Kriegsgefangenenabkommen nichts zu tun.

JUSTICE JACKSON: Gut, im Augenblick beschäftige ich mich nicht mit der Frage der Anwendung der Genfer Konvention. Ich möchte Sie einiges über Ihre Anstrengungen auf dem Gebiet der Erzeugung lebenswichtiger Güter fragen, ob es Kriegsmaterial war oder nicht, und ob die Bedingungen, die dieses Regime den Arbeitskräften auferlegt, nicht vermutlich Ihre Produktionsprobleme noch vergrößerte. Ich glaube, darüber können Sie uns doch einiges sagen. Waren Sie nicht häufig bei den Krupp-Werken?

SPEER: Ich war fünf- bis sechsmal im Krupp-Werk.

JUSTICE JACKSON: Sie waren ziemlich genau über die Fortschritte der Produktion in den Krupp-Werken wie auch in anderen Fabriken informiert?

SPEER: Ja, es handelte sich bei den Besuchen meistens um die Beseitigung von Fliegerschäden, es war immer kurz nach Fliegerangriffen, und da bekam ich einen Einblick in die Produktion. Ich kannte mich, da ich sehr eifrig arbeitete, sehr gut aus in diesen Problemen, auch im einzelnen.

JUSTICE JACKSON: Krupp hatte auch einige Arbeitslager, nicht wahr?

SPEER: Das ist selbstverständlich, daß Krupp Arbeitslager hatte.

JUSTICE JACKSON: Krupp beschäftigte doch auch in großem Maße ausländische Arbeitskräfte und Kriegsgefangene?

SPEER: Ich kann den Prozentsatz nicht sagen, aber zweifellos hat Krupp ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt.

JUSTICE JACKSON: Nun, ich kann Ihnen dazu sagen, daß wir über die Kruppschen Arbeitslager Untersuchungen angestellt und auf Grund von Krupps eigenen Karteien festgestellt haben, daß die Firma im Jahre 1943 39245 ausländische Arbeiter und 11234 Kriegsgefangene hatte und daß die Zahl ständig wuchs, so daß er im September 1944 54900 ausländische Arbeiter und 18902 Kriegsgefangene hatte.

Entsprechen diese Zahlen ungefähr dem, was Sie auf Grund Ihrer Kenntnisse der Industrie annehmen würden?

SPEER: Ich habe da keine Detailkenntnisse, mir fehlt auch die Zahl, wieviel Arbeitskräfte Krupp insgesamt gehabt hat. Das ist mir auch nicht geläufig im Moment. Aber ich glaube, daß der Prozentsatz der ausländischen Arbeitskräfte bei Krupp etwa derselbe war, wie in anderen Betrieben auch, anderen Rüstungsbetrieben.

JUSTICE JACKSON: Wie hoch, würden Sie sagen, war dieser Prozentsatz?

SPEER: Das schwankt außerordentlich. Die älteren Industrien, die eine alte Stammbelegschaft hatten, hatten einen bedeutend geringeren Prozentsatz an ausländischen Arbeitskräften als die jungen Industrien, die neu emporgewachsen waren und die daher keine alte Stammbelegschaft hatten. Das hatte den Grund darin, daß die jungen Jahrgänge ja zur Wehrmacht eingezogen wurden und daher die Betriebe, die über eine ältere Belegschaft verfügten, noch einen großen Prozentsatz älterer Arbeiter hatten. Daher ist der Prozentsatz an ausländischen Arbeitern in der Heeresrüstung, insgesamt gesehen, als einer alten Industrie geringer gewesen als der Prozentsatz der ausländischen Arbeiter bei der Luftrüstung, weil die Luftrüstung eine vollständig neugeschaffene Industrie war, die nicht über eine alte Arbeiterbelegschaft verfügte.

Aber die Prozentzahlen selbst kann ich Ihnen mit dem besten Willen nicht sagen.

JUSTICE JACKSON: Wurden nicht die ausländischen Arbeiter, die Krupp zugeteilt wurden – nehmen wir Krupp als Beispiel – wurden nicht diese ausländischen Arbeiter in bewachten Arbeitslagern untergebracht?

SPEER: Das glaube ich nicht, daß sie von Wachen bewacht waren, aber ich kann das nicht sagen. Ich will mich hier nicht an irgendeiner Auskunft vorbeidrücken, aber ich habe mich um diese Probleme bei meinen Besuchen gar nicht kümmern können, weil ja die Sorgen, die ich hatte, wenn ich in einen Betrieb kam, auf ganz anderen Gebieten lagen. Ich habe auch in der ganzen Tätigkeit als Rüstungsminister kein Arbeitslager besucht und kann daher darüber keine Auskunft geben.

JUSTICE JACKSON: Gut, ich werde Ihnen jetzt einige Aufklärungen über die Kruppschen Arbeitslager geben und werde dann einige Fragen darüber an Sie richten. Ich will nicht behaupten, daß Sie persönlich für die Zustände verantwortlich waren, sondern Sie nur darauf hinweisen, was das Regime getan hat, und ich werde Sie dann darüber befragen, in welcher Weise diese Maßnahmen Ihre Produktionsanstrengungen beeinflußt haben.

Kennen Sie das Dokument D-288, Beweisstück US-202, das Affidavit Dr. Jägers, der später auch als Zeuge hergebracht wurde?

SPEER: Ja, aber das halte ich doch für ziemlich übertrieben.

JUSTICE JACKSON: Sie erkennen das nicht an?

SPEER: Nein.

JUSTICE JACKSON: Gut, Sie kannten diese Zustände persönlich nicht. Womit begründen Sie dann Ihre Annahme, daß Dr. Jägers Affidavit übertrieben sei?

SPEER: Wenn derartige Zustände gewesen wären, hätte ich es wahrscheinlich gehört, denn selbstverständlich kam bei Betriebsbesuchen der Betriebsführer mit ganz schweren Sorgen zu mir. Diese schweren Sorgen waren in der Hauptsache nach Fliegerangriffen, wenn zum Beispiel die deutsche Belegschaft und auch ausländische Arbeiter keine richtige Unterkunft mehr hatten. Dann wurde mir diese Sache geschildert, und daraus weiß ich aber, daß das, was hier in dem Affidavit Jägers steht, kein Zustand gewesen sein kann, der von Dauer war, sondern das kann nur ein Zustand gewesen sein, der vielleicht durch Fliegerangriffe auf vorübergehende Zeit, auf acht oder vierzehn Tage, geherrscht hat und der dann wieder abgestellt wurde. Es ist klar, daß nach einem schweren Fliegerangriff in einer Stadt die gesamten hygienischen Einrichtungen, die Wasserversorgung, Gasversorgung und all das, Stromversorgung, ausgefallen war, stark beschädigt war, so daß vorübergehend sehr schwierige Verhältnisse eintraten.

JUSTICE JACKSON: Ich erinnere Sie daran, daß das Jägersche Affidavit sich auf die Zeit Oktober 1942 bezieht und daß er als Zeuge hier war, und daß Sie natürlich seine Aussagen kennen?

SPEER: Ja.

JUSTICE JACKSON: Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein neues Dokument lenken, und zwar auf D-361, das Beweisstück US-893 wird. Es ist von dem Bürovorsteher der Lokomotivfabrik unterschrieben und berichtet über die Zustände, die bei seinen Arbeitskräften, und zwar den ausländischen Arbeitskräften, herrschten.

Ich behaupte nicht – ich wiederhole – ich behaupte nicht, daß Sie dafür verantwortlich waren. Ich behaupte, daß das Regime dafür verantwortlich war. Ich möchte dieses Dokument trotz seiner beachtlichen Länge vorlesen. Es trägt das Datum; Kesselbau, den 25. Februar 1942, adressiert an Herrn Hupe durch Herrn Winters und Herrn Schmidt:

»Mit beigefügtem Schreiben der Deutschen Arbeitsfront vom 18. d. M. (an meine Privatadresse gerichtet) wurde ich zur Dienststelle der Deutschen Arbeitsfront« – er nennt Datum und Adresse – »gebeten.

Ich versuchte, die Angelegenheit, die mir unbekannt war und blieb, telephonisch zu erledigen. Antwort der DAF: Die Sache sei sehr wichtig und verlange mein persönliches Erscheinen. Ich habe daraufhin bei Herrn Jüngerich, Büro für soz. Arb. Ang. angefragt, ob ich der Aufforderung Folge leisten müsse. Antwort von Herrn Jüngerich: ›Muß‹ wahrscheinlich nicht, gehen Sie aber besser hin!

Gegen 9.50 bin ich dann bei der vorgenannten Dienststelle, Zimmer 20, Herrn Prior, vorstellig geworden.

Veranlassung zu dieser Aussprache, die von Seiten des Herrn Prior recht lebhaft geführt wurde und etwa 1/2 Stunde dauerte, gab folgender Vorgang:

Am 16. ds. Mts. wurden dem Betrieb Kesselbau 23 russische Kriegsgefangene zugewiesen. Die Leute kamen morgens ohne Brot und Arbeitszeug zur Arbeit. Während der beiden Pausen pirschten sich die Gefangenen an die in der Nähe sitzenden Arbeiter heran und baten jämmerlich, auf ihren Hunger hinweisend, um Brot. (Am ersten Mittag hatte der Betrieb Gelegenheit, übriggebliebenes Essen der franz. K. G. an die russ. K. G. auszuteilen.)

Um diesem Zustand abzuhelfen, bin ich dann auf Veranlassung von Herrn Theile am 17. dieses Monats zur Küche Weidkamp gefahren und habe mit der Leiterin der Küche, Frl. Block, wegen Hergabe von Mittagsessen verhandelt. Frl. Block sagte mir die Abgabe des Essens sofort zu und gab mir außerdem noch leihweise die erbetenen 22 Eßgeschirre. Ich habe bei der Gelegenheit Frl. Block noch gebeten, wenn Reste von den dort essenden 800 Holländern übrigbleiben sollten, diese doch unseren russ. K. G. bis auf weiteres mittags zur Verfügung zu stellen. Frl. B. sagte mir auch dieses zu und gab am nächsten Mittag einen Bottich Milchsuppe als Beigabe. Am darauffolgenden Mittag war die Zuteilung mengenmäßig knapp. Da einige Russen schon abgesackt waren, versuchte ich, da vom zweiten Tage auch die Sonderzuteilung wieder aufhörte, Frl. B. nochmals telephonisch um eine Mehrgabe von Essen zu bitten. Da meine tel. Gespräche nicht den gewünschten Erfolg hatten, suchte ich Frl. B. nochmals persönlich auf. Frl. B. lehnte jetzt in ganz schroffer Farm jede weitere Sonderzuteilung ab.

Zu der Verhandlung im einzelnen. Im Zimmer waren anwesend: Herr Prior, zwei weitere Herren der DAF und Frl. Block, Leiterin der Küche Weidkamp. Herr Prior nahm das Wort und warf mir gestikulierend und in beleidigender Form vor, ich hätte mich in auffallender Weise zu sehr für die Bolschewisten eingesetzt. Er verwies dabei auf Paragraphen der Reichsregierung, die dagegen sprechen. Ich war mir leider nicht über den Rechtsbegriff der Situation im klaren, sonst hätte ich augenblicklich das Verhandlungszimmer verlassen. Mit besonderem Nachdruck habe ich Herrn Prior dann klarzumachen versucht, daß uns die russ. K. G. als Arbeitskräfte zugewiesen seien und nicht als Bolschewisten. Die Leute seien ausgehungert und nicht in der Lage, bei uns im Kesselbau schwere Arbeiten, wofür sie gedacht waren, auszuführen. Kranke Leute seien für uns Ballast und keine Hilfe, um zu produzieren. Herr Prior meinte daraufhin, wenn der eine nicht taugt, taugt der andere, die Bolschewisten seien seelenlose Menschen, wenn Hunderttausend eingingen, kämen weitere Hunderttau send dran. Auf meinen Hinweis, daß wir bei einem solchen Hin und Her aber nicht zum Ziele kämen, nämlich zur Ablieferung von Lokomotiven an die Deutsche Reichsbahn, die täglich auf Kürzung der Liefertermine dränge, meinte Herr Prior, ›Liefern sei hier Nebensache‹.

Meine Bemühungen, Herrn Prior für unsere wirtschaftlichen Belange Verständnis beizubringen, blieben ohne jeden Erfolg. Ich kann abschließend nur sagen, daß ich als Deutscher das Verhältnis zu den russ. Kriegsgefangenen genau kenne und im vorliegenden Fall nur im Auftrage meiner Vorgesetzten und im Sinne der verlangten Leistungssteigerung gehandelt habe.