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[Zum Zeugen gewandt:]

Hier handelt es sich um... es stammt von einem Angestellten der Reichsbahn. Keine von unseren Untersuchungen hat sich auf die Aussagen der Gefangenen selbst gestützt:

»Ich, der Unterzeichnete Adam Schmidt, beschäftigt als Betriebswart beim Bahnhof Essen-West, wohnhaft« – nun gibt er seinen Wohnsitz an – »gebe ohne Zwang folgende Erklärung zu Protokoll:

Ich bin bei der Reichsbahn angestellt seit 1918 und seit 1935 beim Bahnhof Essen-West. Mitte 1941 kamen die ersten Arbeiter aus Polen, Galizien und der polnischen Ukraine. Sie kamen in Güterwagen nach Essen, in welchen vorher Kartoffeln, Baumaterialien und auch Vieh transportiert worden war und wurden zur Arbeitsleistung bei Krupp herangezogen. Die Wagen waren vollgestopft mit den Leuten. Mein persönlicher Eindruck war es, daß es unmenschlich war, in einer solchen Art und Weise diese Menschen zu transportieren. Die Leute waren eng zusammengepfercht worden, und es blieb ihnen kaum Platz zur freien Bewegung. Von den Kruppschen Aufsehern wurde besonderer Wert auf schnelles Aus- und Einsteigen der Sklavenarbeiter gelegt. Es war empörend für jeden anständigen Deutschen, welcher es mit ansehen mußte, wie die Menschen gestoßen, getreten und überhaupt bestialisch behandelt wurden. Schon gleich zu Beginn, als der erste Transport ankam, konnten wir sehen, wie unmenschlich diese Leute behandelt wurden. Jeder Wagen war so sehr überfüllt, daß es kaum glaublich war, eine solche An zahl Menschen in einen Wagen hineinstopfen zu können. Mit meinen eigenen Augen habe ich auch sehen können, daß auch Kranke, welche kaum laufen konnten – es handelte sich vielfach um Fußkranke, Verletzte und auch Leute mit innerlichen Krankheiten – trotzdem zur Arbeitsstelle geführt wurden. Es war ihnen anzusehen, wie schwer es ihnen fiel, sich manchmal überhaupt weiterzubewegen. Das Gleiche trifft zu für die Ostarbeiter und Kriegsgefangenen, die Mitte 1942 nach Essen kamen.«

Sodann beschreibt er ihre Kleidung und ihre Verpflegung.

Um Zeit zu sparen, werde ich nicht versuchen, alles vorzulesen.

Halten Sie das auch für eine Übertreibung?

SPEER: Wenn die Arbeiter aus dem Osten nach Deutschland kamen, werden sie zweifellos in ihrer Bekleidung schlecht gewesen sein. Aber ich weiß von Sauckel, daß in dieser Zeit seiner Tätigkeit viel getan wurde, um diese Arbeiter besser zu bekleiden, und wir haben in Deutschland viele der russischen Arbeiter in einen bedeutend besseren Zustand versetzt, als sie vordem waren, in Rußland waren. Die russischen Arbeiter waren bei uns sehr zufrieden. Es ist also nicht gesagt, wenn sie hier zerlumpt ankamen, daß das eine Schuld von uns war. Wir konnten zerlumpte Arbeiter mit schlechtem Schuhwerk nicht brauchen in der Industrie, und daher wurde das auch abgestellt.

JUSTICE JACKSON: Gut. Ich möchte nun Ihre Aufmerksamkeit auf D-398 lenken.

VORSITZENDER: Bevor Sie sich etwas anderem zuwenden – was haben Sie über diese Transportzustände zu sagen? Sie sind doch gefragt worden, ob dieser Bericht übertrieben sei. Ihre Antwort darauf bezog sich nur auf die Kleidung.

SPEER: Ja, Herr Präsident, ich kann über diese Transportsache keine Auskunft geben, weil ja ich darüber keine Berichte bekommen habe.

JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen nun über Dokument D-398, welches US-894 wird, Fragen stellen. Ich meine das Dokument D-398, welches Beweisstück US-894 wird, eine Erklärung von Höfer, wohnhaft in Essen:

»Seit April 1943 arbeitete ich mit Löwenkamp täglich im Panzerbau 4 zusammen. L. war den Ausländern gegenüber brutal. Lebensmittel, die den Kriegsgefangenen gehörten, beschlagnahmte er und brachte sie in seine Wohnung. Jeden Tag mißhandelte er Ostarbeiter, kriegsgefangene Russen, Franzosen, Italiener und auch andere ausländische Zivilpersonen. Er ließ einen Stahlkasten bauen, der so klein war, daß man kaum darin stehen konnte. In diesen Kasten sperrte er die Ausländer, auch weibliche, bis zu 48 Stunden lang, ohne den Leuten Essen zu geben. Zur Verrichtung der Notdurft wurden sie nicht freigelassen. Es wurde anderen Personen verboten, dem Eingesperrten Hilfe zu leisten oder freizulassen. Bei der Aushebung eines Schwarzlagers schoß er auf fliehende russische Zivilpersonen, ohne getroffen zu haben.

Eines Tages sah ich bei der Essenausgabe, wie er einen Zivilfranzosen mit der Eßkelle ins Gesicht schlug, so daß ihm das Blut über das Gesicht rann. Ferner entband er auch russische Mädels, ohne sich später um die Kinder zu kümmern. Milch für die Kinder war nie vorhanden, so daß die Russen mit Zuckerwasser die Kinder nähren mußten. Als L. inhaftiert war, schrieb er 2 Briefe, die er mir durch seine Frau zukommen ließ. Er versuchte anzugeben, daß er nie Leute geschlagen hätte.«

So geht es noch eine Weile weiter, aber ich will es nicht weiter in das Protokoll vorlesen.

Ist das Ihrer Ansicht nach auch eine Übertreibung?

SPEER: Ich halte das Affidavit für gelogen. Ich möchte sagen, in dem deutschen Volke gibt es etwas Derartiges nicht. Und wenn derartige Einzelfälle auftraten, dann wurden sie bestraft bei uns. Es ist nicht möglich, hier das deutsche Volk in dieser Weise in den Schmutz zu ziehen. Und auch die deutschen Betriebsführer waren anständige Menschen, die sich um ihre Arbeiter gekümmert haben. Wenn der Betriebsführer bei Krupp das gehört hat, hat er sofort eingegriffen.

JUSTICE JACKSON: Gut, und wie verhält es sich mit diesen Stahlkästen? Diese Stahlkästen seien nicht gebaut worden? Oder glauben Sie diese Geschichte überhaupt nicht?

SPEER: Nein, ich glaube nicht daran, ich meine, da glaube ich nicht dran, daß das wahr ist. Ich meine, nach dem Zusammenbruch 1945 wurden bestimmt sehr viele Affidavits ausgestellt, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Dazu können Sie nichts, sondern das liegt bei... das ist nach einem... nach einer Niederlage ist das ohne weiteres möglich, daß sich Menschen zu so etwas hergeben.

JUSTICE JACKSON: Gut, ich möchte jetzt, daß Sie das Dokument 258 prüfen; ich messe ihm große Bedeutung bei, da dieses Dokument feststellt, daß die Wachposten SS-Männer waren.

»Die Lagerinsassen des Arbeitslagers waren meist jüdische Frauen und Mädchen aus Ungarn und Rumänien. Anfang des Jahres 1944 wurden die Lagerinsassen nach Essen gebracht und bei der Firma Krupp zum Arbeiten eingesetzt. Die Unterbringung und Verpflegung der Lagerhäftlinge war unter aller Würde. Die erste Zeit waren die Häftlinge in einfachen Holzbaracken untergebracht. Bei einem Fliegerangriff brannten die Baracken ab, und von dieser Zeit mußten die Häftlinge in einem feuchten Keller schlafen. Das Nachtlager befand sich auf der Erde und bestand aus einem Strohsack und 2 Decken. In den meisten Fällen war es den Häftlingen nicht möglich, sich täglich zu waschen, da das nötige Wasser fehlte.

Eine Badegelegenheit gab es überhaupt nicht. Oft konnte ich vom dem Kruppschen Werk aus zur Mittagspause die Beobachtung machen, wie die Häftlinge auf einem Holzfeuer in einem alten Eimer oder Kübel ihre Leibwäsche kochten und sich reinigten. Als Luftschutzraum diente ein Splittergraben, während die SS-Wachmannschaft den Humboldtbunker, welcher bombensicher war, aufsuchte. Morgens um 5 Uhr war Wecken; Kaffee oder irgendeine Verpflegung gab es morgens nicht. 5.15 Uhr war Abmarsch zur Fabrik. Notdürftig bekleidet mit schlechtem Fußwerk, teils ohne Schuhe und eine Schlafdecke übergehangen, ging der Marsch bei Regen- und Schneewetter 3/4 Stunde zur Fabrik. Um 6 Uhr begann die Arbeitszeit. Von 12-121/2 Uhr war Mittagspause. Während der Mittagspause war es den Häftlingen erst möglich, sich von Kartoffelschalen oder sonstigen Abfällen etwas zu kochen. Die Arbeitszeit betrug täglich 10 bis 11 Stunden. Obschon die Häftlinge vollständig unterernährt waren, war die Arbeit körperlich sehr schwer. Die Häftlinge wurden öfters auf der Arbeitsstätte von Nazi-Aufsehern, sowie von weibl. SS mißhandelt. Um 5 bezw. 6 Uhr nachmittags war wieder Rückmarsch zum Lager. Die begleitende Wachmannschaft bestand aus weibl. SS, welche die Häftlinge oft unterwegs trotz Protest der Zivilbevölkerung mit Fußtritten, Schlägen und kaum wiederzugebenden Worten mißhandelte, öfter kam es vor, daß einzelne Frauen und Mädchen von ihren Lagerkameradinnen vor Erschöpfung nach Hause getragen werden mußten. Um 6 bezw. 7 Uhr abends kamen die erschöpften Menschen im Lager an. Sodann wurde das eigentliche Mittagessen ausgegeben, welches aus Weißkohlsuppe bestand. Im Anschluß hieran gab es Abendessen, welches aus Wassersuppe mit einem Stück Brot bestand, das für den kommenden Tag sein sollte. Teilweise gab es Sonntags besseres Essen. Eine Besichtigung des Lagers seitens der Firma Krupp ist, solange dasselbe bestand, nicht vorgenommen worden. Am 13. März 1945 wurden die Lagerhäftlinge nach dem Konzentrationslager Buchenwald gebracht und kamen von dort zum Teil zum Arbeitseinsatz. Der Lagerkommandant war SS-Oberscharführer Rick. Sein jetziger Aufenthalt ist unbekannt...«

Das übrige ist nicht von Wichtigkeit.

Ihrer Meinung nach ist das wohl auch eine Übertreibung?

SPEER: Dies ist aus dem Dokument...

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident...

VORSITZENDER: Kann ich die Antwort noch einmal hören? Ich hatte den Eindruck, als ob der Angeklagte etwas gesagt hätte.

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Darf ich die Aufmerksamkeit des Gerichts auf die Urkunde selbst lenken, die mir allerdings nur in Abschrift vorliegt? Da steht oben drüber: »Vor Militär-Gericht auf Eid abgegeben«. Und darunter steht eine gewöhnliche Unterschrift. Es steht weder darin, daß es sich um eine eidesstattliche Erklärung, um ein Affidavit oder so etwas handelt, sondern es steht da nur: »Weitere Nachforschung muß noch angestellt werden«. »gezeichnet Hubert Karden.« Und dann steht... das ist offenbar der Name des Mannes, der die Erklärung abgibt. Dann steht allerdings eine weitere Unterschrift: »Kriminal-Assistent z. Pr.«, das ist ein Polizeibeamter z. Pr., das heißt zur Probe oder Prüfung, also ein Mann, der vielleicht später einmal die Aussicht hat, Anwärter im Kriminaldienst zu werden, der hat seinen Namen daruntergesetzt. Und dann steht eine weitere Unterschrift darunter: »C. E. Long, Major, Präsident.« Kein Wort steht hier drin, daß einer dieser drei Namen den Inhalt dieses Berichts an Eides Statt habe abgeben wollen. Und ich glaube daher, daß man diese Urkunde nicht als Affidavit in dem Sinne verwenden sollte.

VORSITZENDER: Ja, Herr Justice Jackson! Wollen Sie dazu etwas sagen?

JUSTICE JACKSON: Das Dokument spricht für sich selbst. Ich will nicht... Wie ich dem Zeugen gegenüber bereits erwähnt habe, lege ich ihm das Ergebnis einer Untersuchung vor. Ich beschuldige ihn nicht einer persönlichen Verantwortung für diese Verhältnisse. Ich beabsichtige nur, ihm einige Fragen über die Verantwortung für diese Lagerverhältnisse vorzulegen.

VORSITZENDER: Oben auf meiner Abschrift steht folgender Satz: »Vor Militär-Gericht auf Eid abgegeben.«

JUSTICE JACKSON: Ja, diese Erklärung wurde bei einer Untersuchung in Essen abgegeben. Sollte ich diesen Angeklagten dafür verantwortlich machen, so würde sie natürlich zu einigen Meinungsverschiedenheiten Veranlassung geben. Die Aussage fällt ganz unbedingt unter den Artikel des Statuts, welcher die Verhandlungsberichte von anderen Gerichten hier zuläßt.

VORSITZENDER: Haben Sie das Originaldokument?

JUSTICE JACKSON: Ja.