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[Dem Gerichtshof wird ein Dokument vorgelegt.]

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat keine Bedenken gegen die Benutzung dieses Dokuments im Kreuzverhör.

Haben Sie dem Dokument eine Exhibit-Nummer gegeben?

JUSTICE JACKSON: Ich hätte es tun wollen. Es wird US-896.

VORSITZENDER: Ja.

JUSTICE JACKSON: [zum Zeugen gewandt] Ich möchte nun Ihre Aufmerksamkeit auf Beweisstück 382 lenken.

SPEER: Ich wollte auf das Dokument noch antworten.

VORSITZENDER: Herr Justice Jackson! Hier sind uns einige Photographien vorgelegt worden. Sind sie identifiziert, und gehören sie zu einem Beweisstück?

JUSTICE JACKSON: Sie gehören zu dem Beweisstück, das ich jetzt anbieten werde.

VORSITZENDER: Gut.

JUSTICE JACKSON: Der Zeuge wollte auf das letzte Dokument antworten, und ich möchte hören, was er zu sagen hat, bevor wir weitergehen.

[Zum Zeugen gewandt:]

Also bitte?

SPEER: Ich möchte zunächst grundsätzlich sagen – weil Sie des öfteren über meine Nichtverantwortlichkeit gesprochen haben: Falls diese Zustände allgemein so gewesen wären, würde ich auf Grund meiner gestrigen Erklärung mich mit dafür verantwortlich fühlen. Ich lehne es ab, hier aus der Verantwortung herausgeschoben zu werden, aber die Zustände waren nicht so, wie sie hier geschildert werden. Es sind hier Einzelfälle, die vorgetragen werden.

Zu diesem Dokument hier möchte ich nur feststellen: Es scheint sich nach dem, was ich aus dem Dokument entnehmen kann, um ein Konzentrationslager, um eines dieser kleinen Konzentrationslager zu handeln, die in der Nähe der Betriebe waren. Die Betriebe konnten diese Lager nicht besichtigen. Daher ist der Satz durchaus richtig, in dem steht, daß der Vertreter des Betriebes niemals das Lager gesehen hat. Die Bewachung der SS deutet auch darauf hin, daß es sich um eines der Konzentrationslager handelt.

Wenn die Frage, die Sie vorhin an mich richteten, ob die Arbeitslager bewacht waren – die der ausländischen Arbeiter –, sich auf dieses Dokument bezieht, dann war Ihr Schluß falsch, denn, soviel ich weiß, sind die anderen Arbeitslager nicht bewacht worden von der SS oder von sonstigen Organisationen.

Also ich... meine Stellung ist ja so, daß ich mich hier verpflichtet fühle, ein Unrecht, das man dem Betriebsführer machen könnte, von diesem fernzuhalten, und der Betriebsführer konnte sich um die Zustände in einem derartigen Lager nicht kümmern. Ich selbst kann keine Stellung dazu abgeben, ob die Zustände in diesem Lager so waren. Wir haben hier im Prozeß sehr viel Material über die Zustände in Konzentrationslagern bekommen.

JUSTICE JACKSON: Ich möchte Ihnen nun das Beweisstück D-382 – oder es muß wohl heißen, das Dokument D-382 – zeigen lassen, welches Beweisstück US-897 wird. Es sind die Aussagen verschiedener Personen über einen der Stahlkästen, die im Lager der ausländischen Arbeiter, und zwar im Panzerbau 4 standen und auch über die, die im russischen Lager waren. Ich glaube nicht, daß es nötig ist, die vollständige Beschreibung zu verlesen.

Halten Sie das nur für einen Einzelfall, oder was ist sonst Ihre Ansicht darüber?

SPEER: Das, was hier abgebildet ist, ist ein ganz normaler Kleiderspind, wie er in jedem Werk benützt wurde. Das ist also... die Photographien haben absolut keinen Beweiswert.

JUSTICE JACKSON: Sehr gut. Ich möchte Ihnen nun Beweisstück D-230 zeigen lassen. Zusammen mit... D-230 ist eine interne Aufzeichnung über die Stahlruten; und die Stahlruten, die im Lager gefunden wurden, werden Ihnen gezeigt werden. Nach dem Bericht sind 80 verteilt worden.

SPEER: Soll ich dazu mich äußern?

JUSTICE JACKSON: Wenn Sie wollen?

SPEER: Ja. Das ist nichts anderes als wie ein Ersatz für einen Gummiknüppel. Wir hatten ja an sich keinen Gummi, und daher werden wahrscheinlich die Bewachungsmannschaften etwas Derartiges gehabt haben.

JUSTICE JACKSON: Das ist derselbe Schluß, den ich aus dem Dokument gezogen habe.

SPEER: Ja. Aber die Bewachungsmannschaften haben ja nicht mit diesen Stahlknüppeln sofort zugeschlagen, so wenig wie... mit dem Stahlding sofort zugeschlagen, so wenig, wie Ihre Polizisten sofort mit dem Gummiknüppel zuschlagen. Aber sie müssen doch irgend etwas in der Hand haben. Das ist in der ganzen Welt so.

JUSTICE JACKSON: Wir wollen uns über diesen Punkt nicht streiten.

SPEER: Ich nehme... Ich bin kein Fachmann, ich nehme nur an, daß es so ist. Ich kann es nicht auf meinen Eid aussagen, daß es tatsächlich so war. Es war nur eine Argumentation.

VORSITZENDER: Herr Justice Jackson! Haben Sie diesem Beweisstück eine Nummer gegeben?

JUSTICE JACKSON: 898, Herr Vorsitzender!

Beweisstück US-899 ist unser Dokument D-283, ein Bericht der Kruppschen Krankenanstalten vom Jahre 1943, der aus den Akten von Krupp stammt.

»Betr.: Todesfälle der Ostarbeiter.

Im Krankenhaus Lazarettstr. sind 54 Ostarbeiter verstorben, davon 4 durch äußere Einwirkung und 50 an Erkrankungen.

Die Todesursache bei diesen 50 Erkrankungen verstorbener Ostarbeiter waren folgende: Tuberkulose: 36 (davon 2 Frauen), Unterernährung: 2, Magenblutung: 1, Darmerkrankung: 2, Typhus: 1 (weiblich), Lungenentzündung: 3, Blinddarmentzündung: 1 (weiblich), Leberleiden: 1, Hirnabszeß: 1.«

Die Zusammenstellung ergibt also, daß vier Fünftel an Tbc und Unterernährung verstorben sind.

Haben Sie nicht von Zeit zu Zeit Informationen über den Gesundheitszustand der Arbeiter erhalten, die in Ihrem Produktionsprogramm beschäftigt waren?

SPEER: Ja. Ich möchte zunächst zu dem Dokument Stellung nehmen. Aus dem Dokument geht nicht hervor, wie groß die Gesamtzahl der Arbeiter ist, auf die sich die Verstorbenenzahl bezieht, so daß man nicht sagen kann, ob das nun ein unnatürlich hoher Krankenstand ist. Ich habe in einer Sitzung der Zentralen Planung, die ich hier nochmal gelesen habe, festgestellt, daß einmal gesagt wurde, daß die russischen Arbeiter einen hohen Stand an Tuberkulose haben. Ich weiß nicht, ob Sie das damit meinen, mit der Information. Das war eine Bemerkung, die Weiger mir gegenüber gemacht hat. Aber wir haben darauf auch dann wahrscheinlich mit den zuständigen Gesundheitsämtern versucht, diesen Zustand abzustellen.

JUSTICE JACKSON: Der Prozentsatz der durch Tuberkulose verursachten Todesfälle war doch ungewöhnlich hoch. Darüber besteht doch kein Zweifel?

SPEER: Das weiß ich nicht, ob das ein abnorm hoher Todesprozentsatz war. Aber es war zeitweise ein abnorm hoher Prozentsatz an Tuberkulose.

JUSTICE JACKSON: Das Beweisstück zeigt nicht, ob die Zahl der Todesfälle selbst abnorm hoch war, aber es zeigt, daß ein abnorm hoher Prozentsatz der Todesfälle von Tuberkulose herrührte, nicht wahr? 80 Prozent der Todesfälle wegen Tuberkulose ist ein sehr hoher Prozentsatz, oder nicht?

SPEER: Das kann sein. Das kann ich nicht aus eigenem Wissen sagen.

JUSTICE JACKSON: Ich möchte nun, daß Ihnen gezeigt wird...

VORSITZENDER: Haben Sie dem Beweisstück eine Nummer gegeben? Das wäre doch dann Nummer 899?

JUSTICE JACKSON: Es ist 899, Herr Vorsitzender. Ich lasse Ihnen nun das Dokument D-335 vorlegen. Es ist ein Bericht aus den Akten der Krupp-Werke Essen vom 12. Juni 1944 und ist an den Gaulagerarzt Herrn Dr. Jäger gerichtet und von Stinnesbeck unterschrieben.

»Mitte Mai übernahm ich die ärztliche Überwachung des Kr.Gef.Lagers 1420 in der Nöggerathstraße. Das Lager ist belegt mit 644 franz. Kriegsgefangenen.

Durch den Fliegerangriff am 27. 4. ds. Js. ist das Lager weitgehend zerstört; z. Zt. sind die Verhältnisse unhaltbar.

Im Lager sind noch 315 Gefangene untergebracht, 170 von diesen aber nicht mehr in Baracken, sondern in einem Durchlaß der Eisenbahnstrecke Essen-Mülheim im Zuge der Grunertstraße. Dieser Durchlaß ist feucht und für die dauernde Unterbringung von Menschen nicht geeignet. Der Rest der Kriegsgefangenen ist in 10 verschiedenen Betrieben der Krupp-Werke untergebracht.

Die ärztliche Versorgung erfolgt durch einen franz. Militärarzt, der sich mit der Versorgung seiner Landsleute große Mühe macht. Zu dem Revierdienst müssen auch die erkrankten Personen aus den Krupp-Betrieben herbeigeführt werden. Dieser Dienst wird wahrgenommen in der Bedürfnisanstalt einer ausgebrannten Wirtschaft außerhalb des Lagers. In dem früheren Pissoir sind die Lagerstätten für 4 franz. Sanitäter. Für Revierkranke stehen zwei übereinanderstehende Holzbetten zur Verfügung. Im allgemeinen findet die ärztliche Behandlung im Freien statt. Bei Regenwetter muß sie in dem obengenannten engen Raum stattfinden. Das sind unhaltbare Zustände! Es gibt keinen Tisch, keine Stühle, keinen Schrank, kein Wasser. Die Führung eines Krankenbuches ist unmöglich.

Die Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln ist außerordentlich knapp, obwohl häufiger auch schwer im Betriebe verletzte Personen zur ersten ärztlichen Versorgung vorgeführt werden, hier verbunden werden müssen, ehe der Transport in stationäre Behandlung erfolgen kann. Auch über die Verpflegung werden lebhafte Klagen laut, die von der Wachmannschaft als berechtigt bestätigt werden.

Unter diesen Umständen muß mit Krankheiten und dem Ausfall von Arbeitskräften gerechnet werden.

Der Aufbau der Baracken für die Unterbringung der Gefangenen und der Bau einer Sanitätsbaracke für die ordnungsmäßige Versorgung erkrankter Menschen ist dringend notwendig.

Ich bitte entsprechende Schritte zu unternehmen. Stinnesbeck.«

SPEER: Das ist ein Dokument, aus dem hervorgeht, wie die Zustände nach schweren Fliegerangriffen sein können. Die Zustände waren für deutsche und für ausländische Arbeiter in diesen Fällen gleich. Daß keine Betten, keine Schränke und nichts mehr zur Verfügung stand, war dadurch hervorgerufen, daß das Barackenlager, in dem das vorher alles vorhanden war, abgebrannt war. Daß die Verpflegung in dieser Zeit im Ruhrgebiet oft stockte, war darauf zurückzuführen, daß mit Schwerpunkt von der Luftwaffe die Verkehrsanlagen angegriffen wurden und dadurch Lebensmitteltransporte nicht mehr in dem Umfange in das Ruhrgebiet hineingefahren werden konnten. Das waren vorübergehende Zustände, die dann wieder, wenn die Fliegerangriffe eine kleine Pause machten, verbessert werden konnten. Und wir haben uns ja alle Mühe gegeben, dann, wie die Katastrophe noch stärker wurde, ab September/Oktober 1944, oder vielmehr ab November 1944, das erstemal die Ernährung dann entsprechend vor die Rüstungsbelange zu stellen, um dafür zu sorgen, daß bei diesen Schwierigkeiten die Arbeiter in erster Linie verpflegt werden und nicht... und die Rüstung einen Schritt zurückstehen muß.

JUSTICE JACKSON: Sie machten es sich also zur Aufgabe, Nahrungsmittel zu beschaffen und sich um die Verhältnisse dieser Arbeiter zu kümmern? Wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie die Schritte unternommen?

SPEER: Es ist richtig, daß ich das getan habe, und ich bin auch froh, daß ich das getan habe, selbst wenn mir hieraus ein Vorwurf gemacht werden sollte, denn das ist eine allgemeine menschliche Pflicht, daß, wenn man von irgendwelchen Mißständen dieser Art hört, daß man dann versucht, sie abzustellen, selbst wenn man dafür nicht zuständig ist. Aber es hat ja hier der Zeuge Riecke ausgesagt, daß die ganze Ernährungsfrage ja vom Ernährungsministerium behandelt wurde.

JUSTICE JACKSON: Es war doch ein wesentlicher Faktor für die Produktion, die Arbeiter in arbeitsfähigem Zustand zu erhalten. Ist das nicht eine Grundbedingung?

SPEER: Nein, das ist eine falsche Formulierung.

JUSTICE JACKSON: Gut, dann geben Sie Ihre Formulierung für die Beziehungen zwischen der Ernährung der Arbeiter und ihren Produktionsleistungen.

SPEER: Ich habe ja gestern bereits ausgeführt, daß die Zuständigkeiten für die Arbeitsbedingungen aufgeteilt waren in das Ernährungsministerium, in das Gesundheitsamt beim Reichsinnenminister, in die Stelle des Treuhänders der Arbeit beim Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und so weiter und so weiter. Und hier gab es keine zusammenfassende Zuständigkeit, die vielleicht bei mir zusammengelaufen wäre. Es fehlte bei uns im Reich, fehlte durch unsere Staatskonstruktion, die zusammenfassende Stelle in der Form des Reichskanzlers, die an sich diese ganzen Ressorts zusammengefaßt hätte und zu gemeinsamen Beratungen geführt hätte. Aber ich, als der für die Produktion Verantwortliche, hatte mit diesen Dingen verantwortlich nichts zu tun. Sowie ich aber vom Betriebsführer oder von meinen Hauptausschußleitern irgendwelche Klagen hörte, habe ich selbstverständlich alles unternommen, um diese Klagen zu beseitigen.

JUSTICE JACKSON: Die Krupp-Werke...

VORSITZENDER: Sollen wir nun abbrechen?

JUSTICE JACKSON: Wann immer Sie wünschen, Herr Vorsitzender.