[Pause von 10 Minuten.]
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie waren einer von den Führern der Zentralen Planung. War es auch eine Ihrer Aufgaben, neue Rohstoffquellen zu finden?
SPEER: Ich verstehe den Sinn der Frage nicht.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Eine der Aufgaben der Zentralen Planung war doch unter anderem das Auffinden neuer Rohstoffquellen?
SPEER: Nein, an sich nicht.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nun gut. Dann möchte ich Ihnen aus Ihrem Dokumentenbuch vorlesen. Hören Sie zu, sonst werden wir zuviel Zeit mit Ihnen verlieren.
In dem Befehl vom 22. April 1942, unterschrieben von Göring – der Befehl befindet sich im ersten Band Ihres Dokumentenbuches auf Seite 14 des russischen und Seite 17 des englischen Textes – Speer-Beweisstück 7 –, heißt es:
»Um den vom Führer befohlenen Vorrang der Rüstung sicherzustellen und um alle dadurch an die Gesamtwirtschaft zu stellenden Forderungen während des Krieges zusammenzufassen, sowie um einen Abgleich mit der Ernährungssicherung und den Rohstoff- und Fertigungsmöglichkeiten der Wirtschaft herbeizuführen, ordne ich an:
1. Im Rahmen des Vierjahresplanes wird eine ›Zentrale Planung‹ errichtet....«
Das Dokument erwähnt weiterhin, wer die Mitglieder der Zentralen Planung waren. Der dritte Teil dieses Befehls von Göring zählt die verschiedenen Aufgaben auf. Ich möchte diesen dritten Punkt zitieren:
»... c) Die Verteilung der vorhandenen Rohstoffe, insbesondere von Eisen und Metallen auf alle Bedarfsträger...
... b) Die Entscheidung über die Schaffung neuer oder für den Ausbau vorhandener Rohstofferzeugungsstätten,...«
Das steht in Ihrem Dokumentenbuch.
SPEER: Ja, da ist ein Unterschied. Mir wurde gesagt »Rohstoffquellen«. Unter Rohstoffquellen verstehe ich Erzvorkommen zum Beispiel oder Kohlevorkommen. Was hier in diesem Paragraph gesagt ist, ist »die Schaffung neuer Rohstofferzeugungsstätten«. Damit ist gemeint der Bau einer Fabrik für Stahlerzeugung zum Beispiel oder eine Aluminiumfabrik.
Das habe ich ja auch selbst ausgeführt, daß eine Erweiterung der Basis an Grundstoffen für die Industrie wichtig war und daß ich mich dieser Tätigkeit angenommen habe.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja. Es wäre schwierig, das abzuleugnen, denn es steht im Dokument.
SPEER: Nein, es ist nur... Das sind Fachausdrücke, und es kann sein, daß diese Fachausdrücke durch die zweimalige Übersetzung falsch herübergekommen sind. An sich ist der Sinn dieses Absatzes vollständig klar. Das kann Ihnen jeder Fachmann bestätigen. Das ist dieselbe Tätigkeit...
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Der Sinn ist klar. Sagen Sie mir, war es ganz zufällig, daß, als Sie die verschiedenen Mitglieder der Zentralen Planung aufzählten, Sie Funk nicht als ein Mitglied der Zentralen Planung mitnannten?
SPEER: Nein. Das war... Funk hat an sich in der Zentralen Planung fast überhaupt nicht mitgearbeitet, und daher habe ich ihn nicht aufgezählt, und er kam ja erst offiziell im September 1943 als Mitglied dazu, hat aber auch nach dieser Zeit nur an ein oder zwei Sitzungen teilgenommen, so daß also seine Tätigkeit sehr minimal war.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich fragte Sie nicht nach seiner Tätigkeit; ich fragte Sie, ob Funk ein Mitglied der Zentralen Planung war.
SPEER: Ab September 1943.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und war es ganz zufällig, daß Sie ihn nicht erwähnten? Oder hatten Sie dafür einen bestimmten Grund?
SPEER: Ich habe an sich nur die drei Mitglieder erwähnt, die von vornherein seit der Gründung dabei waren, weil ich nur von der Gründung der Zentralen Planung gesprochen habe, dadurch erklärt sich der Irrtum. Ich wollte die Zeit des Gerichts mit einer allgemein bekannten Tatsache nicht aufhalten.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben hier behauptet, daß Sie nur mit einer friedlichen Aufbauarbeit beschäftigt waren, daß Sie Ihre Ernennung zum Rüstungsminister nicht auf Ihren ausdrücklichen Wunsch bekommen hätten, daß Sie sogar deswegen Bedenken gehabt hätten und so weiter. Sind Sie immer noch dieser Ansicht?
SPEER: Ja.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich möchte Sie daran erinnern, was Sie den Vertretern des rheinisch- westfälischen Industriegebietes gesagt halben. Erinnern Sie sich, was Sie da gesagt haben? Ich zitiere einen Absatz aus Ihrer Rede. Sie haben damals gesagt:
»Ich habe im Frühjahr des Jahres 1942 nicht lange gezögert. So konnte eine Forderung des Führers nach der anderen von uns zur Durchführung angenommen und als Programm festgelegt werden, Programme, deren Verwirklichung von den vorher dafür zuständigen Stellen für undurchführbar oder von unmöglichen Bedingungen abhängig gemacht wurden.«
(Dokument Speer Nummer 2.)
Haben Sie das gesagt?
SPEER: Ja. Aber das hat mit dieser Behauptung von Ihnen nichts zu tun. Die Forderungen, die hier gemeint sind... einen Moment... sind die Forderungen zur Steigerung der Heeresrüstung. Diese habe ich angenommen. Es ist aber darüber hinaus selbstverständlich, daß ich die Berufung zum Rüstungsminister damals sofort angenommen habe und ohne jede Bedenken angenommen habe. Das habe ich nie bestritten. Ich habe nur gesagt, daß ich lieber Architekt wäre als Rüstungsminister, und das wird wahrscheinlich verstanden werden.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und nun hören Sie, was Sie in Ihrer Rede an die Gauleiter in München sagten:
»Ich habe diese ganze Tätigkeit und damit meine eigentliche Berufung aufgegeben...« – die Architektur – »... um mich rücksichtslos nun für die Kriegsaufgabe einzusetzen. Der Führer erwartet dies von uns allen.«
(Dokument 1435-PS.)
Ist das das gleiche, was Sie nun hier vor dem Gerichtshof aussagen?
SPEER: Ja. Ich glaube, daß das bei Ihnen in Ihrem Staate auch üblich war.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich frage Sie nicht über unseren Staat. Ich fragte Sie, ob Sie das, was Sie damals zu den Gauleitern sagten, jetzt vor dem Gerichtshof bestätigen.
SPEER: Ja. Ich wollte nur zu Ihrem Verständnis beitragen, weil Ihnen das anscheinend unverständlich ist, daß man im Kriege den Posten eines Rüstungsministers übernimmt. Das ist eine... wenn es notwendig ist, so ist das eine Selbstverständlichkeit, und mir ist unverständlich, daß Sie das nicht verstehen und mir einen Vorwurf daraus machen wollen.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich hatte Sie vollkommen verstanden.
SPEER: Sehr gut.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Als Sie Ihre Rede vor den Gauleitern hielten, dachten Sie natürlich nicht daran, daß Sie einmal vor einem Internationalen Militärgerichtshof über Ihre Ansprache zur Rede gestellt werden würden.
SPEER: Entschuldigung. Einen Moment; ich muß auf diese Sache etwas antworten: Daß ich daran nichts finde, geht ja daraus hervor, daß Sie diese Stelle ja aus meinem Dokumentenbuch vorgelesen haben, ich hätte es ja nicht einmal in das Dokumentenbuch übernommen, und ich hoffe, daß Sie mich für so intelligent halten, daß ich mein Dokumentenbuch noch richtig zusammenstellen kann.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Aber die Anklagebehörde hat ja diese Dokumente auch. Jedenfalls werden wir jetzt auf die nächste Frage übergehen.
In Beantwortung der Fragen Ihres Verteidigers sprachen Sie über die Aufgaben Ihres Ministeriums. In diesem Zusammenhang möchte ich ein paar Fragen an Sie richten. Erinnern Sie sich an den Inhalt Ihres Artikels, betitelt: »Die Vergrößerung der Produktion«. Er ist in der Zeitschrift »Das Reich« vom 19. April 1942 erschienen. Eine Abschrift dieses Artikels wird Ihnen gleich überreicht werden.
Herr Vorsitzender! Ich lege diesen Artikel als USSR-479 vor.
Ich möchte Sie nur ganz kurz daran erinnern, wie Sie die Prinzipien Ihres Ministeriums beschreiben.
»Eins wird allerdings notwendig sein: das ist das energische Durchgreifen mit schärfsten Strafen bei Vergehen, die dem Staatsinteresse entgegenstehen... mit schwerem Zuchthaus oder mit dem Tode zu bestrafen. Der Krieg muß gewonnen werden!«
Haben Sie das geschrieben?
SPEER: Ja.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nun werde ich Sie auf einen Auszug eines anderen Artikels verweisen, von dem Sie ebenfalls eine Abschrift erhalten werden.
SPEER: Moment. Kann ich darum bitten, daß Sie den ganzen Absatz verlesen? Sie haben zwischendrin einige Sätze ausgelassen.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich habe es ausgelassen. Ich werde Ihnen später darüber Fragen stellen.
SPEER: Ja, aus dem geht aber hervor, weswegen Zuchthaus und Todesstrafe vorgesehen waren; das ist ja wesentlich. Ich glaube, Sie müssen das mit zitieren, um den Zusammenhang nicht zu verlieren.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie werden Ihre Erklärungen zu dieser Frage später geben; vorläufig hören Sie auf meine Fragen. Wenn Sie eine Erklärung zu diesem Artikel abgeben wollen, so müssen Sie es später tun.
VORSITZENDER: Nein, nein, General Raginsky, der Gerichtshof möchte die Kommentare jetzt haben.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Wenn der Angeklagte jetzt Erklärungen zu diesem Artikel abgeben will, so bin ich gern bereit, sie zu hören.
SPEER: Ich darf... Der Text, den Sie ausgelassen haben, hat folgenden Wortlaut:
»Der Führer hat auf meinen Vorschlag angeordnet, daß diejenigen Betriebsführer und Angestellten, aber auch diejenigen Beamten und Offiziere, die versuchen, sich durch unwahre Angaben Material oder Arbeitskräfte zu sichern, entweder mit schwerem Zuchthaus oder mit dem Tode zu bestrafen sind.«
Das hat folgenden Vorgang. Als ich mein Amt antrat, wurden bei den Forderungen an die zentralen Stellen von den Zwischenstellen Zuschläge gemacht, und zwar machte jede der vielen Zwischenstellen von sich aus einen Zuschlag, so daß die Anforderungen, die bei mir zusammenliefen, ganz ungeheuere waren, unglaubhafte waren und dadurch überhaupt keine Planung möglich war. So war zum Beispiel die Anforderung, die ich für Kupfer in einem Jahr hatte, mehr als die ganze Weltproduktion von Kupfer in einem Jahre, weil diese Zuschläge dazu gekommen waren, und um dem entgegenzusteuern und um wahre Angaben zu bekommen, habe ich für diese Beamten und Offiziere und Betriebsführer und Angestellten eine Verordnung herausgegeben, die abschreckende Wirkung haben sollte.
Ich habe auch in meiner Gauleiterrede darüber gesprochen, und darin steht, daß dieser Erlaß ja zur Folge haben wird, daß kein Mensch noch wagen wird, eine falsche Angabe nach oben zu geben und daß damit der Zweck des Erlasses erreicht wird; daß es nie notwendig sein wird, diesen Erlaß auch anzuwenden, da ich nicht glaubte, daß die Betriebsführer, Angestellten und Beamten und Offiziere über soviel Mut verfügen, daß sie derartige falsche Angaben bei einer derartigen Strafe weitergeben. In der Tat ist auch darauf nie irgend etwas erfolgt, aber die Anforderungen an Material und Arbeitskräften bei mir sind dadurch ganz erheblich herabgesunken.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben behauptet, daß Ihre Aufgaben als Minister sich lediglich auf die der Produktion erstreckten. Habe ich Sie richtig verstanden?
SPEER: Die Rüstung und Kriegsproduktion, ja.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und die Versorgung dieser Industrie mit Rohstoffen, kam das nicht in den Bereich Ihrer Tätigkeit?
SPEER: Nein. Es war eine Aufgabe ab September 1943, nachdem ich die gesamte Produktion hatte. Das stimmt, da hatte ich den ganzen Anlauf vom Rohstoff bis zum Fertigprodukt.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: In der Schriftenreihe »Deutschland im Kampf«, Lieferung vom November 1943 – man wird Ihnen diese Ausgabe vorlegen – ich unterbreite es dem Gerichtshof als Beweisstück USSR-480 – steht:
»Auf Grund des Erlasses des Führers über die Konzentration der Kriegswirtschaft vom 2. September 1943 und des Erlasses des Reichsmarschalls des Großdeutschen Reiches und Beauftragten für den Vierjahresplan über die Zentrale Planung vom 4. September 1943, führt jetzt Reichsminister Speer die gesamte kriegswirtschaftliche Erzeugung als Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion. Er allein ist für die Betreuung, Lenkung und Durchführung der gewerblichen Kriegswirtschaft zuständig und verantwortlich.«
Ist das richtig? Ich bitte Sie, mir kurz zu antworten. Ist das richtig oder nicht?
SPEER: Das ist etwas laienhaft ausgedrückt, weil der Begriff »gewerbliche Kriegswirtschaft« sich nicht ganz mit dem Begriff »Rüstung und Kriegsproduktion« deckt. Das ist nicht von einem Fachmann gemacht, aber sonst stimmt es ja mit dem überein, was ich ausgesagt habe. Ich habe ja gesagt, daß die Kriegsproduktion die Gesamtproduktion umfaßte.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja, aber Sie waren ja vom September 1943 ab nicht nur für die Kriegsindustrie, sondern auch für die ganze Kriegswirtschaft verantwortlich, und das sind doch zwei verschiedene Dinge?
SPEER: Nein, das ist eben der Irrtum. Es steht hier... bei der »Kriegswirtschaft« steht »gewerbliche Kriegswirtschaft«. Diese gewerbliche Kriegswirtschaft heißt etwas Ähnliches wie die Produktion. Das ist die Kriegswirtschaft, die im Handwerk und der Industrie ausgeübt wird, es ist eine Einschränkung, und, wenn vorher steht »die gesamte kriegswirtschaftliche Erzeugung«, dann ist damit nach dem, was der Verfasser sich vorstellte, wahrscheinlich die Produktion gemeint. Aber der Begriff...
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben hier schon angedeutet, daß Sie, indem Sie das Amt eines Ministers im Jahre 1942 annahmen, eine sozusagen schwere Erbschaft angetreten haben. Wollen Sie mir bitte ganz kurz antworten: Wie verhielt es sich damals mit den strategischen Rohstoffen, besonders auch mit Buntmetallen, die zur Herstellung der Munition benötigt wurden?
VORSITZENDER: General Raginsky! Ist es notwendig, hier auf diese Einzelheiten einzugehen? Ist es nicht klar, daß ein Mann, der Millionen von Arbeitern kontrollierte, eine große Aufgabe hatte? Worauf wollen Sie mit dieser Frage hinaus?
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Diese Frage ist eine vorbereitende Frage für die nächste, da das zusammenhängt...
VORSITZENDER: Ja, aber was ist das Endziel dieses Kreuzverhörs? Sie sagen, Sie wollen zu etwas anderem kommen; zu welchem Ergebnis wollen Sie denn kommen?
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Mein Ziel ist, zu beweisen, daß der Angeklagte Speer an der wirtschaftlichen Plünderung der besetzten Länder und Gebiete teilgenommen hat.
VORSITZENDER: Dann fragen Sie ihn direkt darüber.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Gerade dazu komme ich jetzt.