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[Zum Zeugen gewandt:]

Ich frage Sie nicht darüber, ob Sauckel dieses Programm wirklich durchgeführt hat. Meine Frage ist folgende: Am 4. Januar wurde in Ihrer Gegenwart bei Hitler darüber ein Beschluß gefaßt, daß Sauckel vier Millionen Leute mit Hilfe von Himmler in die Sklaverei nach Deutschland bringen sollte. Sie haben an dieser Besprechung teilgenommen. Wie aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist, sind alle Teilnehmer der Besprechung zu einem gemeinsamen Beschluß gekommen.

Erkennen Sie dafür Ihre Verantwortung an?

SPEER: Soweit mein Sektor in Frage kommt und meine Verantwortung in Frage kommt. Ich nehme an, das Gericht wird das entscheiden, wie weit meine Verantwortung geht. Ich kann aber nicht selbst das festlegen hier.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich möchte Ihnen jetzt einen Auszug aus einem Dokument vorlegen, das dem Gerichtshof als Beweisstück US-184 vorliegt. In diesem Dokument wird auf einen Befehl Sauckels hingewiesen, die Musterung und Einziehung von zwei Jahrgängen – 1926 und 1927 – in allen neubesetzten Ostgebieten durchzuführen. In diesem Dokument steht:

»Der Herr Reichsminister für Bewaffnung und Munition hat zu diesem Befehl seine Zustimmung gegeben.«

Das Dokument schließt mit folgendem Satz:

»Die Musterungen und Aushebungen sind mit größtem Nachdruck und unter Anwendung aller geeigneten Maßnahmen beschleunigt zu beginnen und durchzuführen.«

Erinnern Sie sich dieses Erlasses?

SPEER: Ich habe das Dokument hier gelesen; es ist korrekt.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nun wollen wir zur nächsten Frage übergehen. Sie haben hier gesagt, daß Sie die Umgebung Hitlers scharf kritisierten. Nennen Sie mir, wen Sie kritisiert haben.

SPEER: Nein, ich nenne sie Ihnen nicht.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie wollen sie nicht nennen, weil Sie niemanden kritisiert hatten; soll ich das so verstehen?

SPEER: Die Kritik habe ich geübt, aber ich halte es nicht für richtig, daß ich sie hier nenne.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich will nicht auf Ihrer Antwort bestehen. Sagen Sie uns, Ihre sogenannten Auseinandersetzungen mit Hitler haben erst da angefangen, als Sie der Überzeugung waren, daß Deutschland den Krieg verloren hat?

SPEER: Das habe ich gestern präzise ausgesagt.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie haben hier ganz ausführlich darüber gesprochen, daß Sie dagegen waren, daß die Industrieanlagen im westlichen Teil des Reiches vor dem Rückzug der deutschen Wehrmacht zerstört würden.

Haben Sie das nicht ausschließlich deswegen getan, weil Sie damit rechneten, daß dieses Gebiet in kurzer Zeit wiedererobert werden würde und Sie daher diese Industrien für Ihren Gebrauch schonen wollten?

SPEER: Nein, das war nicht der Grund. Ich habe das gestern länger ausgeführt, daß ich das als Vorwand genommen habe, um diese Zerstörungen zu verhindern. Wenn Sie meine Denkschrift zum Beispiel über die Treibstofflage durchlesen, geht klar daraus hervor, daß ich nicht der Überzeugung war, daß eine Wiedereroberung in Frage kommt, und ich glaube, jeder militärische Führer war auch nicht der Überzeugung, daß eine Wiedereroberung von Frankreich, Belgien oder Holland im Jahre 1944 in Frage kam. Dasselbe galt natürlich auch für die östlichen Gebiete.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Vielleicht ist es besser, wenn wir uns dem Dokument zuwenden würden; dies würde richtiger sein und uns Zeit sparen. Es steht im Telegramm, das Sie für die Gauleiter Bürckel, Wagner und andere entworfen hatten. Ich verlese auf Seite 56 Ihres Dokumentenbuches (Dokument Speer 18):

»Der Führer hat festgestellt, daß er die Rückgewinnung der jetzt verlorengegangenen Gebiete in kurzer Frist vollziehen kann. Da zur Weiterführung des Krieges die Westgebiete für die Rüstung und Kriegsproduktion von wichtiger Bedeutung sind,...«

Ist das etwa dasselbe, was Sie hier aussagen? Sie haben doch etwas ganz anderes geschrieben.

SPEER: Nein, das wurde von meinem Anwalt gestern zitiert und erklärt. Ich möchte das Dokument noch einmal haben. Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, diese ganze Erklärung noch einmal abzugeben, denn sie wurde gestern auch abgegeben und hat etwa zehn Minuten gedauert. Entweder wird meine Erklärung von gestern geglaubt oder sie wird nicht geglaubt.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich will damit nicht sagen, daß Sie das wiederholen, was Sie gestern gesagt haben, wenn Sie nicht antworten wollen...

Gehen wir zu einem anderen Dokument über.

VORSITZENDER: General Raginsky! Wenn Sie ihm eine Frage vorlegen, die bereits gestern gestellt wurde, so muß er die gleiche Antwort geben, wenn er eine folgerichtige Antwort geben will.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Ich finde, es ist nicht nötig, die gestrige Frage zu wiederholen; es wäre eine nutzlose Zeitverschwendung. Wenn der Angeklagte nicht wahrheitsgemäß auf diese Frage antworten will, so ziehe ich es vor, ihn nicht darüber zu befragen.

VORSITZENDER: Der Zeuge hat gesagt: »Ich habe die Frage gestern wahrheitsgemäß beantwortet. Wenn Sie jedoch wollen, daß ich die Antwort wiederhole, so werde ich es tun, aber es wird zehn Minuten in Anspruch nehmen.« Das hat er gesagt, und das ist eine vollkommen angemessene Antwort.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich ziehe vor, auf die nächste Frage überzugehen.