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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie haben nun während der Österreich-Krise am Tage nach dem Einmarsch, am 12. März, dem Tschechischen Gesandten in Berlin eine Erklärung über die Auswirkung der Maßnahmen gegenüber Österreich, auch auf das Verhältnis zur Tschechoslowakei, abgegeben. Sie haben nach einem Bericht, den der Tschechische Gesandte in Berlin, Dr. Mastny, über diese Unterredung gegeben hat, erklärt, daß die Deutsche Regierung keinerlei Schritte gegen die Tschechoslowakei beabsichtige, vielmehr durchaus beabsichtige, auch weiterhin den Schiedsvertrag mit der Tschechoslowakei aus den zwanziger Jahren innezuhalten.

Wollen Sie bitte zu diesem Bericht, der sich unter Nummer 141 in meinem Dokumentenbuch V befindet und der Ihnen bekannt ist, Stellung nehmen.

VON NEURATH: Es ist richtig, daß ich am 12. März Herrn Mastny gegenüber die in seinem Bericht erwähnten Äußerungen gemacht habe. Nur war der Anlaß und Verlauf des Gespräches etwas anders, als er es schilderte.

Am 12. März telephonierte mir der damalige Ministerialdirektor von Weizsäcker in meine Privatwohnung, der Tschechische Gesandte Mastny sei bei ihm und lasse anfragen, ob er mich noch im Laufe des Tages sprechen könne. Ich bat dann Mastny, nachmittags in meine Wohnung zu kommen. Herr Mastny trug mich, ob ich glaube, daß Hitler jetzt, das heißt im Zuge des österreichischen Anschlusses, auch gegen die Tschechoslowakei etwas unternehmen werde. Ich erwiderte ihm, er könne beruhigt sein, Hitler habe mir erst am Abend vorher auf meinen Hinweis, daß der Anschluß Österreichs in der Tschechoslowakei Beunruhigung hervorrufen würde, gesagt, daß er nichts gegen die Tschechoslowakei zu unternehmen gedenke. Mastny frug mich dann weiter, ob danach Deutschland sich noch an das Abkommen vom Jahre 1925 gebunden fühle, was ich auf Grund der von Hitler mir gegebenen Antwort mit gutem Gewissen bejahte. Hitler hatte noch hinzugefügt, er glaube, daß sich die Beziehungen zur Tschechoslowakei noch bedeutend bessern würden. Die Regelung des österreichischen Anschlusses sei eine häusliche Angelegenheit.

In dem Bericht des Herrn Mastny ist gesagt, ich hätte im Auftrag von Hitler gesprochen. Das stimmt nicht, sondern ich habe ihn lediglich auf die frische Unterredung mit Hitler verwiesen. Und die weitere Betonung in dem Bericht, daß ich als Präsident des Geheimen Kabinettsrates gesprochen hätte, ist wohl nur eine Redewendung von Mastny gewesen, um seinem Bericht in dieser Frage mehr Gewicht zu geben.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Die Anklage konstruiert nun eine gewisse Divergenz zwischen dieser von Ihnen abgegebenen Erklärung und den Plänen, wie sie Hitler am 5. November 1937 entwickelt hatte und macht Ihnen zum Vorwurf, daß Sie angesichts der Kenntnis dieser damals entwickelten Pläne im gewissen Sinne bösgläubig gewesen seien, wenn Sie eine beruhigende Erklärung an Herrn Dr. Mastny abgegeben hätten.

VON NEURATH: Aus dieser Besprechung war nur allgemein zu ersehen, daß Hitler sich mit Kriegsplänen trug. Es war keineswegs von einem bestimmten Angriffsplan gegen die Tschechoslowakei die Rede, sondern nur davon, daß, falls es überhaupt zu einem Krieg kommen sollte, die Tschechoslowakei und Österreich zunächst besetzt werden müßten, um die rechte Flanke frei zu halten. In welcher Form also dieser Angriff oder ein Angriff auf die Tschechoslowakei überhaupt erfolgen sollte, und ob es jemals zu einer kriegerischen Auseinandersetzung im Osten käme, das war durchaus zweifelhalt und offen. Tatsächlich ist ja dann auch das Sudetenland, das strategisch die Schlüsselposition der tschechischen Verteidigung bildete, auf Grund eines Abkommens mit den Westmächten auf friedliche Weise abgetreten worden.

Konkrete Pläne für einen Krieg gegen die Tschechoslowakei sind, wie Herr Generaloberst Jodl ausgesagt hat, erst Ende Mai 1938 dem Generalstab zur Ausarbeitung übergeben worden. Von ihrer Existenz habe ich erst hier erfahren. Im übrigen mußte ich auch, als Hitler mir sagte, er würde nichts gegen die Tschechoslowakei unternehmen, mich darauf verlassen, daß dies seiner Ansicht wirklich entsprach, daß er also von seiner, am 5. November 1937 geäußerten Eventualidee wieder abgekommen war.

Nun, das ist mein Wissen, soweit es sich um die Tschechoslowakei handelte.

VORSITZENDER: Sollen wir uns nun vertagen?