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[Zum Zeugen gewandt:]

Aus von der Anklage vorgelegten Dokumenten ergibt sich, daß während Ihrer Amtszeit als Reichsaußenminister ein Vertreter des Auswärtigen Amtes an Sitzungen des Reichsverteidigungsausschusses teilgenommen hat und daß Sie selbst nach dem Reichsverteidigungsgesetz 1938 als Präsident des Geheimen Kabinettsrats Mitglied des Reichsverteidigungsrates gewesen sind.

Wollen Sie sich dazu äußern?

VON NEURATH: Ich selbst bin weder als Reichsaußenminister noch als Präsident des Geheimen Kabinettsrates mit Angelegenheiten des Reichsverteidigungsausschusses befaßt worden und habe auch niemals an irgendwelchen Sitzungen oder Besprechungen teilgenommen. Wie hier schon ausgeführt, hatten sämtliche Ministerien schon seit der Zeit vor 1933 sogenannte Reichsverteidigungsreferenten, die interministeriell bestimmte Fragen behandeln sollten, die sich aus einer eventuellen Mobilmachung im Falle der Führung eines Verteidigungskrieges ergeben sollten. Wie Dr. Schacht schon ausgesagt hat, war der Reichsverteidigungsrat von 1935 nichts anderes als die Legalisierung eines schon vor 1933 bestehenden Ausschusses.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sahen Sie überhaupt in der Existenz eines solchen Ausschusses oder Rates für die Reichsverteidigung ein Zeichen für die Vorbereitung eines Angriffskrieges?

VON NEURATH: Nein, in keiner Weise. Er ergibt sich ja schon aus der Bezeichnung, daß es sich um eine Vorbereitung für die Verteidigung des Reiches gegen einen Angriff und nicht um die Vorbereitungen für einen Angriff handeln konnte. Im übrigen ist mir auch bekannt, daß sowohl in Frankreich als in England derartige Einrichtungen schon seit langem bestanden haben.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich darf hierzu, Herr Präsident, das Dokument Nummer 78 aus meinem Dokumentenbuch Nummer III vorlegen, das auf Seite 213 einen Auszug aus einer Erklärung des französischen Kriegsministers Pétain vom 6. Juni 1934 vor der Heereskommission der Französischen Kammer enthält und in dem auch die Notwendigkeit eines Verteidigungsrates oder -ausschusses dargetan wird.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, bitte. Der Gerichtshof ist nicht der Meinung, daß die Tatsache, daß andere Länder derartige Einrichtungen besaßen, in diesem Prozeß irgendwie erheblich ist.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Die Anklage behauptet, daß Hitler Sie mit mehr Ehrungen ausgezeichnet habe als einige der eigentlichen Nazi-Führer und will daraus schließen, daß Sie Hitler besonders nahegestanden hätten. Wie verhält es sich damit?

VON NEURATH: Das ist eine etwas sonderbare Annahme. Es war ja klar, daß Hitler mich als den ältesten Minister, der über 40 Jahre dem Staat gedient hat, bei dar Verleihung von Auszeichnungen und Ehrentiteln nicht übergehen konnte. Dies hielt sich aber durchaus im Rahmen dessen, was für die Inhaber hoher Staatsstellen üblich war.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich möchte Ihnen jetzt die einzelnen Auszeichnungen vorhalten, die die Anklage Ihnen vorhält beziehungsweise Ihnen vorwirft. Sie waren Inhaber vom Orden des Deutschen Adlers und des Kriegsverdienstkreuzes 1. Klasse.

VON NEURATH: Ja. Der Orden vom Deutschen Adler wurde im Jahre 1937 gestiftet und sollte ausschließlich an Ausländer verliehen werden. In den Augen des Auslandes hätte er aber keinen hohen ideellen Wert gehabt, sondern wäre wohl mehr als eine Art von Sonderorden, wie zum Beispiel ein Kolonialorden gewürdigt worden, wenn ihn kein Deutscher getragen hätte. Hitler hat deshalb mir in meiner Eigenschaft als Außenminister gleich bei Stiftung des Ordens das Großkreuz des Ordens verliehen und damit eine Hervorhebung des Wertes dieses Ordens...

VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Genügt nicht die Erklärung des Angeklagten, daß es üblich war, diese Titel zu verleihen? Es ist nicht nötig, daß wir den besonderen Wert gewisser Auszeichnungen untersuchen. Das scheint mir etwas zu weit zu führen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Ich habe es doch nur erwähnt, weil es in der Anklage doch auch nur als ein besonderer Punkt hingestellt wird.