[Zum Zeugen gewandt:]
Die Anklage macht Ihnen dann ferner zum Vorwurf, daß Sie am 30. Januar 1937 in jener bekannten Kabinettssitzung von Hitler das goldene Parteiabzeichen erhalten hätten und damit Mitglied der Nazi-Partei geworden seien. Wie verhält es sich damit?
VON NEURATH: Über die Art und Weise, wie diese Verleihung vor sich gegangen ist, hat sowohl Herr Dr. Schacht als Herr Raeder hier ausgesagt. Ich war ja nicht Mitglied irgendeiner Partei. Zwischen 1933 und 1937 hatte ich verschiedene Aufforderungen bekommen, in die Partei einzutreten, habe sie aber abgelehnt. Meine Stellung zur Partei war allgemein bekannt. Gerade deswegen wurde ich ja von der Parteiseite her immer angefeindet. Ich glaube, daß die Gründe, warum ich damals... wie diese Parteiabzeichen am 30. Januar 1937 an verschiedene Mitglieder des Kabinetts und auch an Generale verliehen wurden, die gar nicht Mitglied der Partei werden durften, glaube ich, das ist eingehend genug geschildert, so daß ich darüber keine weiteren Ausführungen mehr zu machen brauche.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Hitler hat Sie dann überraschenderweise auch zum Ehrenobergruppenführer der SS ernannt?
VON NEURATH: Ja, das war für mich allerdings eine völlige Überraschung. Im September 1937 hatte Mussolini seinen Besuch in Deutschland angekündigt. In den letzten Tagen vorher war ich von Berlin abwesend. Als ich morgens zurückkam, fand ich meinen Schneider in meinem Hauseingang mit der Uniform eines SS-Gruppenführers. Ich fragte ihn, was das bedeuten solle. Er sagte mir, er habe von der Reichskanzlei den Auftrag bekommen, mir sofort eine Uniform anfertigen zu lassen. Ich ging dann zu Hitler und frug ihn, wie er dazu komme. Er sagte mir, er möchte, daß alle die Leute, die beim Empfang Mussolinis anwesend sein müßten, in Uniform erscheinen. Ich habe ihm erklärt, das sei mir sehr wenig angenehm, und ich möchte ihm sofort erklären, daß ich mich auf keinen Fall Herrn Himmler selbst unterstelle und überhaupt mit der SS nichts zu tun haben wolle. Hitler gab mir darauf die feierliche Zusicherung, daß dies alles nicht von mir verlangt werde und ich keinerlei Verpflichtung zu übernehmen brauche. Dies ist dann auch weiterhin nicht geschehen. Ich hatte im übrigen ja keinerlei Befehlsgewalt, und meine spätere Ernennung zum Obergruppenführer erfolgte offenbar im Rahmen der allgemeinen Beförderungen ohne besondere Hervorhebung.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Haben Sie denn diese Uniform überhaupt getragen?
VON NEURATH: Meines Erinnerns nach nur zweimal, beim Empfang Mussolinis und dann, als ich im Jahre 1938 zu dem Begräbnis Kemal Paschas nach Ankara geschickt wurde. Getragen habe ich bei offiziellen Anlässen stets die inzwischen geschaffene Beamtenuniform ohne jegliche Abzeichen.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sie haben zu Ihrem 70. Geburtstag am 2. Februar 1943 Glückwünsche und sonstige Bezeugungen der Würdigung Ihrer Person und Ihrer Tätigkeit von den verschiedensten Seiten erhalten, darunter befand sich auch eine Gratulation Hitlers nebst einem Scheck über 250.000 Reichsmark. Wollen Sie uns bitte schildern, was es mit dieser Dotation, wenn man es so nennen will, für eine Bewandtnis hat?
VON NEURATH: Diese Dotation ist kürzlich von dem amerikanischen Anklagevertreter hier genannt worden. Er hat lediglich vergessen zu sagen, daß ich sie abgelehnt habe. Der Vorgang war nämlich folgender:
An meinem 70. Geburtstag erschien morgens ein Beauftragter Hitlers bei mir und brachte mir ein Glückwunschschreiben Hitlers und ein Ölgemälde eines deutschen Malers, darstellend eine italienische Landschaft. Dem Schreiben war ein Scheck über 250.000 Reichsmark beigefügt. Ich war aufs peinlichste überrascht und sagte zu dem Beauftragten sofort: »Diese sogenannte Dotation empfinde ich als eine Beleidigung, ich bin kein Lakai, den man mit einem Trinkgeld entlohnt!« Er solle den Scheck wieder mitnehmen. Er erklärte, dazu sei er nicht berechtigt. Am anderen Morgen fuhr ich zum Reichsfinanzminister, um diesem den Scheck zur Vereinnahmung in die Reichskasse zu übergeben. Dieser erklärte sich aus formalen Gründen – ich glaube, weil die Anweisung auf irgendeinen Sonderfonds Hitlers lautete – außerstande, ihn anzunehmen. Auf seinen Rat habe ich dann den Scheck der Reichs-Kredit-Gesellschaft übergeben auf ein Sonderkonto und habe das zuständige Finanzamt schriftlich davon verständigt. Ich habe nie einen Pfennig von dieser Dotation berührt. Das Gemälde, dessen Wert übrigens kein besonders großer war, habe ich nicht zurückgewiesen, da es sich durchaus im Rahmen eines normalen Geburtstagsgeschenkes hielt und seine Rücksendung als eine beabsichtigte Kränkung hätte empfunden werden müssen.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Ich bitte um die Erlaubnis, hierzu zwei Schreiben der Reichs-Kredit-Gesellschaft überreichen zu dürfen, die mir am Samstag auf meine diesbezügliche Bitte oder Anfrage von der Reichs-Kredit-Gesellschaft zugeschickt worden sind. Sie enthalten die Bestätigung, daß dieser Betrag von 250.000 Reichsmark in Effekten in voller Höhe, zuzüglich der aufgerufenen Zinsen, noch heute bei der Reichs-Kredit-Gesellschaft auf einem Sonderkonto sich befindet, ein Beweis dafür, daß von Neurath tatsächlich nicht einen Pfennig von dieser sogenannten Dotation abgehoben oder sonst für sich verbraucht hat.
VORSITZENDER: Welche Beweisstücknummer hat dieses Schreiben?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Nummer 160 und 161.
Herr Präsident! Ich habe in der Schnelligkeit bisher nur eine englische Übersetzung anfertigen lassen können in meinem Büro. Die französischen und russischen Übersetzungen werden in den nächsten Tagen wohl den Französischen und Russischen Anklagevertretungen zugehen. Ich habe sie, wie gesagt, selbst erst Samstag nachmittag bekommen.