[Zum Zeugen gewandt:]
Ist Ihnen etwas von einem angeblichen, in dem tschechischen Bericht erwähnten Plan bekannt, die Tschechen in eine Arbeitermasse zu verwandeln und sie ihrer geistigen Elite zu berauben?
VON NEURATH: Nein, das kann höchstens ein Irrsinniger gewesen sein, der so was geäußert hat.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Die tschechische Anklageschrift beziehungsweise der Anklagebericht behauptet nun, daß durch Ihre Behörde beziehungsweise unter Ihrer Duldung und Gutheißung Zersetzungen und Ausplünderungen der tschechischen wissenschaftlichen Institute erfolgt wären. Auf Seite 58 des deutschen, Seite 55 des englischen Berichts der englischen Ausgabe des Berichts USSR-60 heißt es:
»Die Deutschen besetzten alle Hochschulen und wissenschaftlichen Institute. Sie bemächtigten sich sofort der wertvollen Apparate, Instrumente und wissenschaftlichen Einrichtungsgegenstände in den besetzten Instituten. Die wissenschaftlichen Bibliotheken wurden systematisch und methodisch geplündert. Wissenschaftliche Bücher und Filme wurden zerrissen oder fortgebracht, die Archive des Akademischen Senats – der höchsten Universitätsbehörde – wurden zerrissen oder verbrannt und die Kartotheken zerstört und in alle Winde zerstreut.«
Was können Sie uns dazu sagen?
VON NEURATH: Ich kann dazu nur sagen, von Plünderungen und Zerstörungen der geschilderten Art ist mir weder in Prag noch nachher etwas bekanntgeworden. Die tschechischen Hochschul-Institute sind zusammen mit den Universitäten auf Befehl Hitlers im Jahre 1939 geschlossen worden. Die Gebäude und Einrichtungen der Prager tschechischen Universität sind teilweise, soviel ich weiß, für die Zwecke der seinerzeit von Tschechen geschlossenen deutschen Universität zur Verfügung gestellt worden, da sie für tschechische wissenschaftliche Zwecke ja nach Schließung der Hochschulen nicht mehr Verwendung hatten.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ist Ihnen überhaupt etwas darüber bekannt...
VORSITZENDER: Ich habe diese Antwort nicht verstanden. Ich verstand: »Die Gebäude wurden zum Teil deutschen Universitäten, die von den Tschechen geschlossen worden waren, zur Verfügung gestellt.«
VON NEURATH: In Prag. In Prag existierte die älteste deutsche Universität; die war von den Tschechen nach dem letzten Krieg geschlossen worden und nach der Gründung des Protektorats wieder eröffnet; und für diese deutsche Universität wurden, soviel ich weiß, teilweise diese Einrichtungen und Gebäude verwendet.
VORSITZENDER: Fahren Sie fort.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ist Ihnen sonst überhaupt etwas über das Fortbringen von wissenschaftlichen Einrichtungen, Sammlungen, Kunstwerken und dergleichen bekanntgeworden?
VON NEURATH: Der einzige Fall, der mir bekanntgeworden ist, betraf die Fortschaffung von historisch wertvollen alten Gobelins aus dem Maltese-Palais in Prag. Diese würden durch einen Angehörigen des Auswärtigen Amtes in Berlin angeblich auf Weisung des Protokollchefs weggeschafft, und zwar nachts, heimlich, und ohne mein oder meiner Behörde Wissen. Ich habe mich sofort, als ich davon erfuhr, beim Auswärtigen Amt bemüht und die sofortige Rückgabe verlangt. Ob dies erfolgt ist, weiß ich nicht, das war erst im Jahre 1941, und inzwischen hatte ich Prag verlassen.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich darf hier...
VON NEURATH: Von sonstigen Vorfällen weiß ich nichts. Im übrigen habe ich durch ein besonderes Verbot die Verbringung von Kunstwerken aus dem Protektorat nach dem Reich verboten.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich darf hierzu vorlegen einen Auszug aus der Vernehmung des früheren Staatssekretärs Frank vom 10. Juni 1945. Es ist dies Nummer 154 meines Dokumentenbuches Nummer V, und ich darf bitten, von dieser Aussage Kenntnis zu nehmen.