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[Zum Zeugen gewandt:]

Was ist nun aus den Möbeln und Kunstwerken aus tschechischem Staatsbesitz geworden, die zur Einrichtung des von Ihnen als Dienstwohnung bewohnten Czernin-Palais in Prag gehörten?

VON NEURATH: Diese Wohnung war die frühere Dienstwohnung des tschechischen Außenministers. Die zum Teil wertvollen Einrichtungsgegenstände gehörten dem Tschechischen Staat. Da über diese Gegenstände keinerlei Inventar vorhanden war, habe ich vor meinem Einzug in diese Wohnung im Herbst 1939 unter Hinzuziehung des tschechischen Direktors der Burgverwaltung und des tschechischen Kunsthistorikers, Professor Strecki, ein genaues Inventar aufstellen lassen, von dem ein Exemplar bei meiner Behörde und eines bei der Burgverwaltung hinterlegt wurde. Nach meinem Weggang von Prag im Herbst 1941 ließ ich durch meinen früheren Haushofmeister wiederum in Gegenwart eines Vertreters der Burgverwaltung, des Professors Strecki, ein Protokoll aufnehmen, daß die in dem Inventar aufgeführten Gegenstände alle noch vorhanden seien.

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß wir Einzelheiten über das Inventar brauchen, aber ich möchte gern etwas fragen. In der Übersetzung hieß es, daß das Inventar im Herbst 1938 aufgenommen wurde, ist das richtig?

VON NEURATH: 1939. Ich wollte nur noch erwähnen, daß von diesen Sachen von mir selbstverständlich nichts weggenommen worden ist.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ein anderer Punkt der tschechischen Anklageschrift befaßt sich mit der Beschlagnahme der sogenannten Masaryk-Häuser in verschiedenen Städten und mit der Zerstörung von Denkmälern Masaryks und anderer Persönlichkeiten der tschechischen Geschichte.

Was wissen Sie darüber?

VON NEURATH: Während meiner Amtstätigkeit sind einige dieser Masaryk-Häuser als Zentrum der antideutschen Hetze von der Polizei geschlossen worden. Die Zerstörung oder Entfernung von Masaryk- und anderen tschechischen Nationaldenkmälern habe ich ausdrücklich verboten gehabt. Außerdem habe ich die Kranzniederlegung am Grabe Masaryks in Lanyi, die Frank verboten hatte, ausdrücklich erlaubt. Die fand auch in großem Umfange statt.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Es wird nun weiter behauptet, daß die tschechische Literatur in weitestem Maße geknebelt und unterdrückt worden wäre?

VON NEURATH: Druck und Verbreitung antideutscher tschechischer Literatur war selbstverständlich verboten, ebenso wie die weitere Verbreitung von englischen und französischen Werken auch im ganzen Reich während des Krieges verboten war. Die Behandlung dieser Materie erfolgte übrigens auf direkte Weisung des Propagandaministeriums. Es gab aber während meiner Amtstätigkeit noch sehr zahlreiche tschechische Verlage und Buchhandlungen, die Werke tschechischer Autoren nach wie vor in großem Umfange herstellten und verbreiteten. Die Auswahl an tschechischen Büchern jeder Art in den Buchhandlungen war wesentlich größer als die an deutschen Werken.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Konnte man denn überhaupt von einer Unterdrückung des tschechischen Bildungswesens, von Theatern, Kinos und so weiter sprechen, wie es die Anklage tut?

VON NEURATH: Von einer Beschränkung der tschechischen Kulturautonomie war, abgesehen von der Hochschulfrage, keine Rede. In Prag spielten ständig eine große Zahl von großen tschechischen Theatern jeder Art, insbesondere die rein tschechische Oper und mehrere Schauspieltheater. Dagegen gab es nur ein ständiges deutsches Theater, das täglich spielte. Es wurde fortgesetzt eine große Anzahl tschechischer Theaterstücke und Opern gespielt. Das gleiche galt von der Musik. Die berühmte tschechische Philharmonie in Prag spielte in erster Linie tschechische Musik und war absolut frei im Programm.

VORSITZENDER: Wir brauchen darüber keine Einzelheiten, Dr. Lüdinghausen. Der Angeklagte hat gesagt, daß Theater und Kinos zugelassen waren und daß es nur ein deutsches Theater gab. Weitere Einzelheiten darüber brauchen wir nicht.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich habe es nur getan, weil gerade dieser Punkt in der Anklageschrift ziemlich ausführlich behandelt worden ist.

Und wie war es mit der Filmindustrie, Herr von Neurath?

VON NEURATH: Das war dasselbe, die war besonders aktiv sogar.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich möchte nun übergehen zu der angeblichen Unterdrückung der Religionsfreiheit, die Ihnen in der tschechischen Anklageschrift vorgeworfen wird. Die Anklageschrift spricht hier von einer Welle der Verfolgungen der Kirchen, die bereits gleich mit der Besetzung durch die deutschen Truppen begonnen hätte. Wie verhält es sich damit?

VON NEURATH: Von einer planmäßigen Verfolgung der Kirchen kann gar keine Rede sein. Die Bevölkerung war in ihrer Religionsausübung völlig frei. Beschränkungen dieser Art hätte ich auf gar keinen Fall geduldet. Der frühere Unterstaatssekretär von Burgsdorff, der hatte über diesen Punkt ja hier schon ausgesagt. Daß in vereinzelten Fällen Wallfahrten oder besondere Prozessionen von der Polizei verboten worden sind, mag zutreffen, obwohl ich mich nicht genau daran erinnere. Das ist aber dann lediglich unter dem Gesichtspunkt geschehen, daß bestimmte Wallfahrten mit vielen Tausenden von Teilnehmern zu politischen Demonstrationen ausgenützt wurden, bei denen antideutsche Ansprachen gehalten wurden. Das war jedenfalls mehrfach vorgekommen, wie mir bekannt wurde. Daß auch eine Reihe von Geistlichen verhaftet wurden, insbesondere bei der erwähnten Aktion zu Beginn des Krieges, trifft zu. Diese Verhaftungen sind aber nicht erfolgt, weil es sich um Geistliche handelte, sondern um aktive politische Gegner oder um politisch Verdächtige. Gerade in solchen Fällen habe ich mich besonders nachdrücklich für ihre Freilassung eingesetzt. Meine persönlichen Beziehungen zu dem Prager Erzbischof waren durchaus korrekt und freundschaftlich. Er und der Erzbischof von Olmütz haben sich, wie ich mich noch genau erinnere, ausdrücklich für mein Einschreiten zugunsten der Kirche bedankt. Jede Maßnahme gegen die Religionsausübung der Juden habe ich verhindert. Die Synagogen waren bis zu meinem Weggang im Herbst 1941 alle geöffnet.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Im Anschluß an das letzte möchte ich gleich noch eine Frage über die Stellung der Juden im Protektorat an Sie stellen. Was können Sie uns darüber sagen?

VON NEURATH: Die Rechtsstellung der Juden mußte auf Weisung von Berlin der im Reich angeglichen werden. Die Weisung darüber war bereits Anfang April 1939 an mich ergangen. Durch allerlei Rückfragen in Berlin habe ich versucht und es auch fertiggebracht, daß die Inkraftsetzung der Gesetze bis Juni 1939 verhindert wurde, um auf diese Weise den Juden die Möglichkeit zu geben, sich auf die drohende Einführung der Gesetze vorzubereiten. Die sogenannten »Nürnberger Gesetze« wurden dann auch im Protektorat eingeführt. Die Juden wurden damit aus dem öffentlichen Leben und aus leitenden Stellen in der Wirtschaft ausgeschaltet. Verhaftungen in größerem Umfange haben jedoch nicht stattgefunden. Es sind auch Ausschreitungen gegen Juden bis auf Einzelfälle nicht vorgekommen. Das Lager in Theresienstadt ist erst lange nach meiner Zeit eingerichtet worden, ebenso wie ich auch die Anlegung von sonstigen Konzentrationslagern im Protektorat verhindert habe.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Die Tschechische Anklage macht Ihnen nun die Durchführung judenfeindlicher Maßnahmen persönlich zum Vorwurf. Sie behauptet, daß Sie zunächst die Tschechische Regierung, also die autonome Regierung, mit der Durchführung der Judengesetze beauftragt hätten, und nachdem sich der Ministerpräsident Elias geweigert habe, dies zu tun, dann selbst die entsprechenden Maßnahmen getroffen hätten.

VON NEURATH: Wie ich eben erwähnt habe, erfolgte die Einführung der Judengesetze auf direkte Weisung von Hitler beziehungsweise der zuständigen Stelle in Berlin. Die Darstellung...

VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Warum wollen Sie das alles noch einmal durchgehen? Der Angeklagte hat ausgesagt, daß es ihm gelungen war, die Gesetze bis Juni 1939 aufzuschieben und daß dann die Nürnberger Gesetze eingeführt worden sind. Er hat uns die verschiedenen Modifikationen angegeben, die er gemacht haben will. Und dann lesen Sie ihm den tschechischen Bericht vor und wollen ihn veranlassen, alles noch einmal durchzugehen. Es ist jetzt 11.15 Uhr.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Gut, lassen wir die Frage erledigt durch die erste Antwort. Dann lassen wir auch die Beschlagnahmungsgeschichten weg.