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[Zum Zeugen gewandt:]

Es wird Ihnen weiter im tschechischen Bericht ein Vorwurf daraus gemacht, daß angeblich sogar Schienen aus dem tschechischen Eisenbahnnetz ausgebaut worden und nach Deutschland verbracht worden sein sollen.

Wissen Sie etwas darüber?

VON NEURATH: Davon weiß ich nichts; ich halte das auch für absolut irrtümlich. Ich weiß nur, daß im Jahre 1940 zwischen der Reichsbahn und der tschechischen Staatsbahn Verhandlungen wegen leihweiser Überlassung von Eisenbahnwaggons und Lokomotiven gegen Leihgebühr geführt wurden. Aber die Vorbedingung ist auch hier gewesen, daß diese für den Verkehr im Protektorat entbehrlich waren. Im übrigen unterstand die Bahn im Protektorat nicht meiner Aufsicht, sondern dem Berliner Verkehrsministerium direkt.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich verweise hierzu auf Artikel 8 des eben erwähnten Erlasses in, Nummer 144 meines Dokumentenbuches V.

[Zum Zeugen gewandt:]

Es wird nun weiter behauptet, daß der Reichskommissar bei der Prager Nationalbank alle Auslandszahlungen eingestellt und allen Gold- und Devisenbestand der Nationalbank beschlagnahmt habe. Hatten Sie damit irgend etwas zu tun?

VON NEURATH: Damit hatte ich gar nichts zu tun. Der Reichskommissar für die Prager Nationalbank war direkt von der Reichsbank in Berlin beziehungsweise wohl vom Finanzministerium eingesetzt und bekam von dort seine Weisungen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Die tschechische Anklageschrift behauptet ferner, daß Sie die Schuld trügen beziehungsweise mitverantwortlich seien an der angeblichen Enteignung tschechischer Banken und Industrieunternehmungen durch die deutsche Wirtschaft.

VON NEURATH: Die deutschen Banken und zum Teil auch die deutsche Industrie hatten ein redliches Interesse daran, in der Wirtschaft des Protektorats Fuß zu fassen. Das war allerdings schon längst vor Errichtung des Protektorats auch der Fall. Es lag ja nahe, daß vor allem die deutschen Großbanken die Gelegenheit benutzten, tschechische Aktienpakete zu erwerben und auf diese Weise ging die Majorität zweier tschechischer Banken mit ihren Industrieinteressen auf wirtschaftlich durchaus gerechte Art in deutsche Hände über.

Bei der erwähnten, ich glaube im tschechischen Bericht erwähnten Unionbank, die von der Deutschen Bank übernommen wurde, weiß ich zufällig, daß die Initiative nicht von deutscher Seite, sondern von der tschechischen Unionbank selbst ausging.

Aber weder von mir noch von meiner Behörde ist diese Entwicklung gefördert worden. Im übrigen hatten diese Unternehmungen alle tschechische Generaldirektoren, und nur ganz vereinzelt kamen deutsche Beamte hinein. Der bei weitem größte Teil aller Gewerbeunternehmungen blieb auch nach wie vor rein tschechisch.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Wie hat es sich nun mit den angeblichen, von der Anklage behaupteten Zwangsmaßnahmen gegen die tschechische Landwirtschaft verhalten? Können Sie uns darüber und über Ihre Maßnahmen und Einstellung etwas sagen?

VON NEURATH: Dieses Kapitel gehört in den Komplex der bereits erwähnten Pläne von Partei und SS auf Germanisierung. Das Instrument dieser deutschen Siedlungspolitik sollte das tschechische Bodenamt sein, an sich eine tschechische Behörde, die von der früheren tschechischen Agrarreform aber noch vorhanden war. Das Bodenamt bekam zunächst einen SS-Führer durch Herrn Himmler als kommissarischen Leiter.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof will alle Einzelheiten darüber gar nicht wissen. Der tschechoslowakische Bericht hat anscheinend behauptet, daß in der Landwirtschaft Zwangsmaßnahmen angewendet worden seien. Der Angeklagte sagt, daß, wenn diese Beschuldigung überhaupt berechtigt sei, man die Partei und SS dafür verantwortlich machen müsse, daß er aber damit nichts zu tun gehabt hätte.

Was bezweckt er damit, uns über all die Einzelheiten aus der Geschichte der Landwirtschaft in der Tschechoslowakei zu berichten? Sie müssen verstehen, daß der Gerichtshof...

DR. VON LÜDINGHAUSEN: [zum Zeugen gewandt] Ja, nur möchte ich das eine sagen: Das Bodenamt, das sich nationalsozialistisch betätigte, ist doch dann von Ihnen neu besetzt worden nach langen Kämpfen. Darauf legte ich Wert, daß das auch herausgearbeitet wurde.

Herr Präsident! Ich darf überhaupt etwas bemerken. Ich sagte gestern, daß meine Vernehmung noch eine Stunde dauerte. Aber ich habe gestern, als ich aus der Sitzung kam, noch ein Dokumentenbuch zu der Anklage vorgefunden, das mich doch gezwungen hat, einzelne Fragen hier näher zu erörtern. Und aus diesem Grunde, aus einem Grunde, den ich nicht voraussehen konnte, wird es etwas länger dauern.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat ja im Augenblick die Zeitfrage überhaupt nicht angeschnitten.

Warum müssen Sie sich denn mit Fragen über... ich weiß nicht, was das Wort mit »Amt«, bedeutet, was es mit Landwirtschaft zu tun hat. Warum wollen Sie sich denn damit befassen? Er, der Angeklagte, sagte doch, er habe nichts damit zu tun gehabt.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Doch, er hat insofern damit zu tun gehabt, als diese landwirtschaftlichen Bestrebungen über das Bodenamt versucht wurden.

VORSITZENDER: Wenn er damit zu tun gehabt hat, dann lassen Sie ihn es erklären. Ich dachte, er habe gesagt, daß die Partei und die SS dies getan hätten.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ja, aber über das Bodenamt, und das hat er verhindert.