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[Zum Zeugen gewandt:]

Vielleicht äußern Sie sich ganz kurz dazu, Herr von Neurath.

VON NEURATH: Ich glaube, nach den Äußerungen des Herrn Präsidenten des Gerichts ist es kaum mehr notwendig. Ich habe tatsächlich mit dem Bodenamt direkt nichts zu tun gehabt. Ich habe nur durchgesetzt, daß ein unerfreulicher Leiter dieser Behörde, der der SS angehörte, entfernt wurde.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sind nun während Ihrer Zeit als Reichsprotektor irgendwelche Zwangsverschickungen von Arbeitern nach dem Reich erfolgt?

VON NEURATH: Nein. Ich will mich auch hier ganz kurz fassen.

Zwangsarbeit überhaupt gab es, solange ich im Protektorat war, nicht. Es gab eine Notdienstverordnung der Protektoratsregierung der jüngeren Männer zur Beschäftigung an dringenden Arbeiten im öffentlichen Interesse im Protektorat. Zwangsweise Verschickungen von Arbeitern ins Reich sind zu meiner Zeit nicht vorgekommen. Dagegen haben sich freiwillig zahlreiche jüngere Leute zur Arbeit in Deutschland gemeldet, weil die Arbeitsbedingungen und die Löhnungen damals besser waren als im Protektorat.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Wie ist es nun – und das ist die letzte Frage – zu Ihrer Amtsniederlegung beziehungsweise Ihrem Ausscheiden aus dem Amt als Reichsprotektor gekommen?

VON NEURATH: Ich möchte zunächst sagen, warum ich überhaupt solange geblieben bin trotz aller dieser Vorkommnisse und Schwierigkeiten. Der Grund hierfür war, weil ich der Überzeugung war und auch heute noch bin, daß ich bleiben mußte, solange ich dies überhaupt mit meinem Gewissen vereinbaren konnte, um zu verhindern, daß dieses Deutschland anvertraute Land endgültig unter die Herrschaft der SS kommt. Alles das, was nach meinem Weggang im Jahre 1941 über das Land hereingebrochen ist, habe ich ja tatsächlich durch meine Gegenwart verhindert, und wenn mein Wirken auch noch so beschränkt worden war, ich glaube, damit, durch mein Bleiben, nicht nur meinem eigenen Lande, sondern auch gerade dem tschechischen Volke einen Dienst erwiesen zu haben und würde auch heute unter denselben Verhältnissen nicht anders handeln.

Ich glaubte im übrigen, gerade im Krieg einen so schwierigen und verantwortungsvollen Posten nur im äußersten Falle verlassen zu dürfen. Die Mannschaft eines Schiffes geht auch nicht unter Deck und legt die Hände in den Schoß, wenn das Schiff in Seenot kommt.

Daß ich die Wünsche der Tschechen nicht hundertprozentig erfüllen konnte, das wird jeder verstehen, der einmal gezwungen war, praktisch Politik zu treiben und nicht bloß theoretisch.

Ich glaube also, daß ich durch mein Ausharren auf meinem Posten viel Leid verhindert habe, das nach meinem Weggang über das tschechische Volk gekommen ist. Dieser Ansicht waren übrigens auch weite Kreise der tschechischen Bevölkerung, wie ich aus den zahlreichen Zuschriften entnehmen konnte, die nachher von dort aus an mich ergangen sind.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Wie kam es nun zu Ihrem Ausscheiden, zu Ihrer Amtsniederlegung?

VON NEURATH: Am 23. September 1941 bekam ich einen Telephonanruf Hitlers, ich solle sofort zu ihm ins Hauptquartier kommen. Dort eröffnete er mir, ich sei zu mild gegen die Tschechen, das könne so nicht weitergehen. Er habe beschlossen, nunmehr scharfe Maßnahmen gegen die tschechische Widerstandsbewegung zu ergreifen und zu diesem Zwecke den berüchtigten Obergruppenführer Heydrich nach Prag zu schicken.

Ich habe mich nach Kräften bemüht, ihn davon abzubringen, hatte aber keinen Erfolg. Darauf bat ich um meinen Abschied, da ich ein Wirken Heydrichs in Prag unter keinen Umständen verantworten würde.

Hitler verweigerte mir den Abschied, gestand mir aber zu, auf Urlaub zu gehen. Ich flog nach Prag zurück und am Tage darauf weiter in meine Heimat. Zur selben Stunde, als ich Prag verließ, war Herr Heydrich dort eingetroffen. Ich schrieb dann von zu Hause aus an Hitler und verlangte nochmals meinen sofortigen Abschied. Als ich trotz Mahnung keine Antwort erhielt, wiederholte ich mein Gesuch und erklärte gleichzeitig, ich kehrte auf gar keinen Fall nach Prag zurück, ich hätte mein Büro aufgelöst und weigerte mich, weiter als Reichsprotektor zu wirken. Formell wurde ich erst im August 1943 von meinem Amt enthoben.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Ich darf meine Vernehmung des Angeklagten von Neurath mit einem kurzen Zitat aus der tschechischen Anklageschrift schließen.

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Wurde Ihre Beurlaubung veröffentlicht?

VON NEURATH: Ja.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Das wollte ich eben zitieren, Herr Präsident. Es heißt in der Anklage folgendermaßen, in dem tschechischen Anklagebericht:

»Als schließlich in der zweiten Hälfte des September die unterirdischen tschechischen revoltierenden Komitees mit Hilfe des B.B.C. einen erfolgreichen Boykottfeldzug gegen die deutschkontrollierte Presse begannen, ergriffen die deutschen Behörden die Gelegenheit, um dem tschechoslowakischen Volk einen gehörigen Hieb zu versetzen.

Am 27. September 1941 brachte der Sender Prag folgende Nachricht: ›Reichsminister Baron von Neurath, der Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, hat es für nötig befunden, den Führer um eine längere Beur laubung zur Wiederherstellung seiner zerrütteten Gesundheit zu bitten.‹«

Es heißt dann abschließend:

»›Unter diesen Umständen stimmte der Führer dem Ansuchen des Reichsprotektors bei und beauftragte SS- Obergruppenführer Heydrich für die Dauer der Krankheit des Reichsministers von Neurath mit der Führung des Amtes des Reichsprotektors von Böhmen und Mähren.‹«

Damit ist meine Vernehmung beendet, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Vom September 1941 bis Oktober 1943 haben Sie auf Ihren Besitzungen gelebt, oder was haben Sie sonst getan?

VON NEURATH: Ja, Herr Präsident.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Meine Vernehmung ist beendet.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich.