[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]
Euer Lordschaft! Es ist im Dokumentenbuch 12a, Seite 8; es wird GB-513.
[Zum Zeugen gewandt:]
Hier handelt es sich um einen Brief, den Sie am 2. April 1933 an Hitler geschrieben haben:
»Gestern abend rief mich der Italienische Botschafter an und teilte mir mit, daß Mussolini sich bereit erklärt habe, für den Fall, daß wir es für nützlich befinden, durch die italienischen diplomatischen Vertretungen im Ausland alle propagandamäßig entstellten Nachrichten über Judenverfolgungen in Deutschland zu dementieren. Ich habe Herrn Cerruti auch in Ihrem Namen gedankt und ihm gesagt, daß wir sein Anerbieten gerne annehmen würden.
Ich halte diese freundliche Geste Mussolinis für wichtig genug, um sie zu Ihrer Kenntnis zu bringen.«
Was haben Sie für »propagandamäßig entstellt« gehalten?
VON NEURATH: Ja, ich bitte, mal hier zu lesen. Hier heißt es ja: »die propagandamäßig entstellten Nachrichten« – um die handelt es sich.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist es ja gerade, was mich auch so sehr interessiert, Angeklagter. Was war denn Ihrer Ansicht nach entstellt, und wieviel wußten Sie denn überhaupt, um entscheiden zu können, ob die Nachrichten entstellt waren oder nicht?
VON NEURATH: Das kann ich Ihnen nun heute wirklich nicht mehr sagen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben doch gewußt, daß man Juden verprügelt und ermordet, sie von ihren Familien weggerissen und in Konzentrationslager verschleppt hatte, daß ihr Besitz zerstört worden war und daß man begonnen hatte, ihn unter dem Wert zu verkaufen. Sie haben doch gewußt, daß das alles geschehen war, nicht wahr?
VON NEURATH: Nein, damals sicherlich nicht, verprügelt ja, das habe ich gehört, damals sind aber auch keine Juden ermordet worden oder höchstens einmal in einem einzelnen Fall.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie sahen doch, daß die »Times« oder der »Manchester Guardian« damals sehr ausführliche Beispiele typischer Morde an Juden brachten. Sie müssen das doch gesehen haben, Sie müssen gelesen haben, was die ausländische Presse darüber schrieb. Warum nahmen Sie an, es sei entstellt? Welche Untersuchungen haben Sie denn angestellt, um herauszufinden, ob es entstellt war?
VON NEURATH: Wer, wer, wer, wer gab mir... Mitteilung über, über, über... Morde?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich sage Ihnen ja, das stand in der ausländischen Presse. Ich habe Ihnen zwei Beispiele aus der Presse meines eigenen Landes genannt und nach dem, was Mussolini erwähnt, stand auch in Zeitungen anderer Länder ähnliches. Sie müssen gewußt haben, was die Zeitungen schrieben. Welche Untersuchungen haben Sie angestellt, um die Wahrheit herauszufinden?
VON NEURATH: Auf dem Wege, der mir möglich war, nämlich durch die zuständige Polizeibehörde.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie Himmler gefragt, oder haben Sie den Angeklagten Göring gefragt?
VON NEURATH: Nein, ganz bestimmt nicht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was? Haben Sie Himmler gefragt? Oder haben Sie den Angeklagten Göring gefragt?
Warum denn nicht? Warum denn nicht? Er war doch der Chef, der damals die Gestapo und die Konzentrationslager erfunden hat. Er war doch ein sehr geeigneter Mann, um darüber Auskunft zu geben.
VON NEURATH: Der Mann, der mir hätte Auskunft geben können, war der Chef und oberste Vertreter der Polizeibehörden, es war keineswegs persönlich...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie den Angeklagten Frick gefragt?
VON NEURATH: Ich habe ihn jedenfalls nicht persönlich gefragt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun....
VON NEURATH: Persönlich ganz bestimmt nicht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Darf ich vielleicht darauf hinweisen, daß ich keine Zeit verschwenden will? Warum haben Sie sich nicht die Mühe gemacht, Göring zu fragen oder Frick, oder irgend jemanden, der Ihnen, wie ich annehme, genaue Auskunft hätte geben können?
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