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[Zum Zeugen gewandt:]

Jedenfalls ist dies die Zahl, und Ihr Ministerium hat sich mit diesem Problem beschäftigt. Vielleicht sind da auch einige höhere Schulen eingeschlossen, auf jeden Fall aber sind es Dokumente Ihres Ministeriums, und ich will wissen, was sich da ereignet hat. Soviel ich verstehe, handelt es sich hier um einen Entwurf Dr. Dennlers, des Chefs der Gruppe X Ihres Amtes. Dieser Entwurf war an Burgsdorff, der eine höhere Stellung einnahm, gerichtet. Wenn ich zusammenfassen darf, schlägt also dieses Schreiben vom 21. November 1939 vor, die Studenten mit Gewalt aus der Tschechoslowakei zu entfernen und sie im Altreich zur Arbeit einzusetzen. Im nächsten Schreiben vom 25. November – Sie können es im zweiten Absatz nachlesen – schreibt Burgsdorff, der Verfasser des Briefes, daß er sich auf X 119/39 beziehe. Das ist Dennlers Denkschrift. Burgsdorff sagt, er wünsche nicht, daß Leute ins Reich gebracht werden, da damals eine gewisse Arbeitslosigkeit im Reich herrschte. Er schlägt seinerseits vor, diese Studenten zur Zwangsarbeit beim Bau von Landstraßen und Kanälen in der Tschechoslowakei selbst zu verwenden. So lauten die beiden Vorschläge Ihres Amtes.

Euer Lordschaft! Das zweite ist 3857-PS, das GB-524 wird.

[Zum Zeugen gewandt:]

Was ist nun mit diesen unglücklichen Studenten geschehen?

VON NEURATH: Gar nichts ist passiert.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ist Ihnen einer dieser Vorschläge, das heißt Dr. Dennlers Vorschlag über die Zwangsarbeit in Deutschland oder Burgsdorffs Entwurf über die Zwangsarbeit in der Tschechoslowakei unterbreitet worden?

VON NEURATH: Nein, beides nicht...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sind Ihnen diese Vorschläge zur Entscheidung vorgelegt worden?

VON NEURATH: Ich glaube, sie sind mir vorgelegt worden, aber ich kann's nicht mit Sicherheit sagen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, würden Sie mit mir übereinstimmen... oder vielleicht sind Sie in der Lage, uns eines Besseren zu belehren... daß dies der erste Vorschlag... Sie sagten, er wurde nicht durchgeführt... aber daß dies der erste Vorschlag über Zwangsarbeit ist und daß dieser Vorschlag von einem Beamten Ihres Amtes ausging? Kennen Sie irgendeine andere Stelle im Reich, die bereits im November 1939 einen Vorschlag über Zwangsarbeit gemacht hat?

VON NEURATH: Das hat ja gar keinen Zusammenhang. Im übrigen, wenn Sie die Vorschläge all Ihrer Unterbeamten mal durchsehen, so könnten Sie auch finden, daß vielleicht solch ein Vorschlag kommt, den Sie dann ablehnen, Vorschläge eines Referenten, die wollen noch gar nichts besagen.

Im übrigen kann ich diese Zahl 18000 vielleicht aufklären, denn hier steht:

»Nach den mir vorliegenden Unterlagen beträgt die Zahl der durch die auf drei Jahre erfolgte Schließung der tschechischen Universitäten betroffenen Studenten 18000.«

Das sind also dreimal 6000, nicht wahr, dann sind es ungefähr 18000.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe diese Erklärung bereits vor zehn Minuten gegeben, Angeklagter. Ich stimme mit Ihnen überein. Das ist ein Punkt, über den wir nicht verschiedener Meinung sind.

Nun gut. Sie verstehen, was ich meine, wenn ich behaupte, daß diese Vorschläge in Ihrem Amt entstanden sind, da sie ja so ziemlich dieselbe Linie wie die Vorschläge der Denkschriften, die ich hier im Gerichtshof soeben verlesen habe, verfolgten, nämlich daß Sie sich nicht nur der tschechischen Hochschulen entledigen, sondern auch Zwangsarbeit einführen wollten. Erinnern Sie sich daran, es war im Memorandum des Staatssekretärs enthalten. Ich halte Ihnen vor, daß es Ihr Amt war, in dem der Gedanke der Zwangsarbeit bereits am 21. November 1939 aufkam.

Nun, Angeklagter, habe ich nur noch eine Angelegenheit zu behandeln, und da es sich um eine Tatsachenfrage handelt, hoffe ich, Sie werden nach Überlegung mit mir in diesem Punkt übereinstimmen. Sie haben heute früh behauptet, daß die deutsche Universität in Prag nach der Gründung der Tschechoslowakei im Jahre 1919 geschlossen worden sei. So haben wir es wenigstens verstanden. Kommen Sie, wenn Sie jetzt darüber nachdenken, denn nicht zu dem Ergebnis, daß Ihnen das Weiterbestehen der deutschen Universität in Prag und die Tatsache, daß viele Tausende von Studenten zwischen 1919 und 1939 auf ihr promoviert haben, bekannt waren?

VON NEURATH: Meines Wissens war es eine Abteilung der tschechischen Universität, eine deutsche Abteilung der tschechischen Universität, soviel ich weiß.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber die Universität bestand weiter?

VON NEURATH: Sie ging weiter, aber als tschechische Universität.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, aber deutsche Studenten studierten dort und konnten doch ihr Examen in deutscher Sprache machen. Diese Sprache war erlaubt. Ich behaupte, daß es Tausende von Leuten gab, die dorthin aus dem Altreich und aus Österreich zum Studium gingen. Sie kamen als Deutsche dorthin und promovierten in deutscher Sprache.

VON NEURATH: Ja, bloß die alte deutsche Universität, die sogenannte Karlsuniversität war von den Tschechen geschlossen worden. Aber eine deutsche Abteilung oder wie man das nennen mag, war geblieben. Dort studierten die Deutschen und machten ihr Examen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, dieser Punkt ist aufgeklärt. Ich will über Tatsachen nicht streiten. Daß es aber dort eine deutsche Universität gab, an der Deutsche studieren konnten, das geben Sie doch zu?

VORSITZENDER: Will die Anklage ein weiteres Kreuzverhör durchführen?

STAATSJUSTIZRAT II. KLASSE, M. Y. RAGINSKY, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Angeklagter! Sagen Sie uns bitte: Hat Ribbentrop, als Sie Außenminister waren, versucht, sich in außenpolitische Angelegenheiten Deutschlands einzumischen?

VON NEURATH: Ist das eine Frage?

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja, eine Frage.

VON NEURATH: Ja.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Wollen Sie mir kurz sagen, wie sich diese Einmischung äußerte?

VON NEURATH: Indem er dem Führer seine eigenen außenpolitischen Gedanken vortrug, ohne sie mir zu geben zur Prüfung.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Gut. Gestern haben Sie hier ausgesagt, daß Sie im Jahre 1936 Meinungsverschiedenheiten mit Hitler hatten und daß Sie am 27. Juli 1936 um Ihre Entlassung als Minister gebeten haben. Dieses Dokument wurde hier gestern vorgelegt. Haben Sie aber damals nicht an Hitler geschrieben – ich werde den letzten Satz Ihres Briefes verlesen:

»Auch wenn ich nicht mehr Minister bin, stehe ich Ihnen, falls Sie es wünschen, mit meinem Rat und meiner langjährigen Erfahrung auf dem Gebiete der Außenpolitik stets zur Verfügung.«

Haben Sie diese Worte an Hitler geschrieben?

VON NEURATH: Jawohl, jawohl.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Und Sie haben Ihr Versprechen an Hitler gehalten. Immer wenn es nötig war, die Angriffshandlungen Hitlers durch diplomatische Manipulationen zu verschleiern, wie zum Beispiel bei der Annexion des Sudetenlandes, beim Einfall in die Tschechoslowakei und so weiter, sind Sie Hitler mit Ihrer Erfahrung zu Hilfe gekommen. Nicht wahr?

VON NEURATH: Das ist ein großer Irrtum, im Gegenteil. Ich habe... Wie ich hier gestern und heute ausgeführt habe, bin ich von Hitler einmal gerufen worden, und zwar bei dem letzten Stadium, den letzten Tagen des Anschlusses Österreichs. Und damit war meine Tätigkeit zu Ende, und im Jahre 1938 allerdings bin ich spontan zu ihm gegangen, um ihn nämlich vom Krieg abzuhalten. Das war meine Tätigkeit.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Das haben wir bereits gehört.

Ich möchte Ihnen noch eine Frage bezüglich der Denkschrift Fridericis vorlegen, ohne jedoch zu wiederholen, was hierüber bereits gesagt worden ist. Sie erinnern sich an diese Denkschrift wohl ziemlich gut, da sie erst vor ganz kurzer Zeit dem Gerichtshof vorgelegt worden ist.

Im letzten Teil dieser Denkschrift heißt es – es ist der vorletzte Absatz – ich verlese:

»Wenn die Leitung des Protektorats in zuverlässige Hände gelegt und ausschließlich durch den Führererlaß vom 16. März geleitet wäre, so würde das Gebiet Böhmen-Mähren ein unverrückbarer Teil Deutschlands werden.«

Hat Hitler Sie aus diesem Grund zum Protektor erwählt? Stimmt das?

VON NEURATH: Keine Rede, das war gar nicht der Grund. Der Grund war... den habe ich gestern auch eingehend dargelegt.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Gut. Wir wollen die Gründe nicht wiederholen, Sie haben darüber gestern gesprochen. Sie bestreiten also, der Mann gewesen zu sein, der den Einfall in die Tschechoslowakei hätte durchführen sollen?

VON NEURATH: Da kann ich nur mit Nein darauf antworten.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Geben Sie zu, daß Sie im Protektorat der einzige Vertreter des Führers und der Reichsregierung waren und Hitler direkt unterstanden?

VON NEURATH: Ja, das stimmt, das steht ja in dem Erlaß Hitlers drin.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Jawohl, das ist dort enthalten. Ich werde den Erlaß nicht verlesen, um das Verhör nicht zu erschweren. Dieser Erlaß ist dem Gerichtshof bereits vorgelegt worden.

Geben Sie zu, daß alle Verwaltungsorgane und Behörden des Reiches im Protektorat, mit Ausnahme der Wehrmacht, Ihnen unterstanden?

VON NEURATH: Nein, da muß ich leider sagen, das ist ein Irrtum. Das steht ja auch in diesem selben Erlaß vom 1. September 1939 drin. Außerdem gab es noch eine Reihe von Organen beziehungsweise Reichsbehörden, die mir nicht unterstanden, ganz abgesehen von der Polizei.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nun, was die Polizei betrifft, so werden wir darüber gesondert sprechen. Was ist also Ihrer Meinung nach ein Irrtum? Das, was Sie sagen, oder Ihre Auslegung der Verordnung? Ich werde den ersten Paragraphen dieser Verordnung vom 1. September 1939 verlesen. Dort heißt es:

»Alle Behörden, Dienststellen und Organe des Reichs im Protektorat Böhmen und Mähren, mit Ausnahme der Wehrmacht, unterstehen dem Reichsprotektor.«

In Paragraph 2 heißt es:

»Der Reichsprotektor führt die Aufsicht über die gesamte autonome Verwaltung des Protektorats.«

In Paragraph 3:

»Die Behörde des Reichsprotektors ist zuständig für sämtliche Verwaltungszweige der Reichsverwaltung mit Ausnahme der Wehrmacht.«

Sie sehen also, daß hier ganz klar gesagt wird, daß alle Verwaltungsorgane Ihnen unterstellt waren, während Sie selbst Hitler unmittelbar unterstanden.

VON NEURATH: Ja, ich muß nochmals sagen, Verwaltungsorgane, ja. Aber sonst sind eine Reihe anderer Behörden, Reichsbehörden und Reichs- und Dienststellen gewesen, die mir nicht unterstanden, zum Beispiel der Vierjahresplan.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Gehen wir nun auf die Frage der Polizeizuständigkeit über.

Gestern haben Sie auf eine Frage Ihres Verteidigers dem Gerichtshof gegenüber erklärt, daß der Paragraph 13 dieser Verordnung vom 1. September, die von Göring, Frick und Lammers unterzeichnet ist, Ihnen unverständlich gewesen sei. Wollen wir andere Paragraphen desselben Kapitels über die Polizeizuständigkeit untersuchen.

Der Paragraph 11 lautet:

»Die Organe der deutschen Sicherheitspolizei im Pro tektorat Böhmen und Mähren haben die Aufgabe, alle staats- und volksfeindlichen Bestrebungen im Gebiet des Protektorats Böhmen und Mähren zu erforschen und zu bekämpfen, das Ergebnis der Erhebungen zu sammeln und auszuwerten, den Reichsprotektor, sowie die ihm nachgeordneten Behörden zu unterrichten und über für sie wichtige Feststellungen auf dem laufenden zu halten und mit Anregungen zu versehen.«

Der Paragraph 14 der gleichen Verordnung lautet:

»Der Reichsminister des Innern (Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei) erläßt im Einvernehmen mit dem Reichsprotektor in Böhmen und Mähren die zur Durchführung... dieser Verordnung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften.«

Demnach stellen wir an Hand dieses Erlasses fest, daß die Polizei und die SS Sie über alle Maßnahmen in Kenntnis setzen mußten, und es sollten alle Verwaltungs- und Gesetzeshandlungen, sowie alle Maßnahmen nur mit Ihrer Kenntnis ausgeübt werden. Bestätigen Sie das?

VON NEURATH: Nein, das ist nicht richtig. Zunächst einmal ist da zwar angeordnet, daß sie mich unterrichten soll. Das wurde aber nicht durchgeführt und von Herrn Himmler direkt verboten. Und das andere, die zweite Bestimmung, daß sie Verwaltungsmaßnahmen oder wie es da heißt, mit meiner Zustimmung... durchführen könnten oder sollten, die ist nie angewandt worden.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie bestreiten das also?

VON NEURATH: Ja.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich werde Ihnen nun das Verhör von Karl Hermann Frank vom 7. März 1946 über diese Frage, das heißt über die Frage der Polizeizuständigkeit, vorlegen.

Herr Vorsitzender! Ich lege diese Aussage als USSR-494 vor.

VORSITZENDER: Ist diese auch im englischen Dokumentenbuch enthalten?

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Nein, Herr Vorsitzender, das Dokument, das ich jetzt vorlege, ist ein Originalschriftstück, das von Frank unterschrieben ist.