[Zum Zeugen gewandt:]
Während seines Verhörs hat Karl Hermann Frank wie folgt ausgesagt:
»Nach der Aufbauverordnung über den ›Aufbau der deutschen Verwaltung im Protektorat und die deutsche Sicherheitspolizei‹ sind sämtliche deutschen Behörden und Dienststellen, ausgenommen Wehrmacht, im Protektorat und somit auch die gesamte Polizei dem Reichsprotektor formell unterstellt und an seine Wei sungen gebunden. Die Sicherheitspolizei war somit an die vom Reichsprotektor gegebenen und grundsätzlichen politischen Richtlinien gebunden. Befehle zur Durchführung staatspolizeilicher Aktionen wurden im wesentlichen über den BdS vom RSHA in Berlin erteilt. Hat der Reichsprotektor von sich aus eine staatspolizeiliche Aktion gewünscht, so war er an das Einvernehmen mit dem RSHA in Berlin gebunden, d.h., die Staatspolizei hat auch in diesem Falle sich jeden Befehl in Berlin beim RSHA rückbestätigen lassen. Dasselbe galt für die vom Höheren SS- und Polizeiführer an den BdS gegebenen Weisungen zwecks Durchführung staatspolizeilicher Aktionen.«
Ich möchte Ihre besondere Aufmerksamkeit auf den nun folgenden Absatz lenken:
»Diese Art und Weise des Dienst- und Weisungsweges gilt für die ganze Zeit des Protektorates und ist genau so zur Zeit des Reichsprotektors von Neurath gehandhabt worden. Im allgemeinen hatte der Reichsprotektor die Möglichkeit, initiativ Weisungen an die Staatspolizei im Wege des BdS zu erteilen, die Durchführung derselben – wenn sie eine staatspolizeiliche Aktion betrafen – war jedoch abhängig von der Zustimmung des RSHA. Was den SD (Sicherheitsdienst), welcher keine Exekutivgewalt besaß, anbelangt, so war das Weisungsrecht des Reichsprotektors dem SD gegenüber umfassender und nicht unter allen Umständen von einer Zustimmung des RSHA abhängig.«
Bestätigen Sie diese Aussage Franks?
VON NEURATH: Nein.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Sie bestätigen also seine Aussage?
VON NEURATH: Keineswegs, keineswegs.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Gut.
VON NEURATH: Ich verweise Sie auf eine mir hier bekanntgewordene Aussage desselben Frank aus dem vorigen Jahr, wo er nämlich ganz was anderes gesagt hat, wo er gesagt hat, die ganze Polizei unterstand nicht dem Reichsprotektor, sondern dem Chef der Polizei in Berlin, nämlich Himmler. Die muß auch irgendwo hier sein, diese Aussage.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Regen Sie sich nicht auf, ich werde auf diese Aussage später zurückkommen. Sagen Sie mir, wer war der politische Referent in Ihrem Dienst?
VON NEURATH: Politischer Referent?
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Jawohl, politischer Referent.
VON NEURATH: Ich hatte im allgemeinen ja verschiedene politische Referenten.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Um keine Zeit zu verschwenden, werde ich Ihnen ein kurzes Dokument zeigen und bitte Sie, dasselbe mitzulesen. Am 21. Juli 1939 hat der Chef der Sicherheitspolizei ein Schreiben an den Staatssekretär und Höheren SS- und Polizeiführer, Karl Hermann Frank, gerichtet. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
»Durch Erlaß vom 5. Mai 1939 hat der Herr Reichsprotektor in Böhmen und Mähren den SD-Führer und Befehlshaber der Sicherheitspolizei als seinen politischen Referenten eingesetzt. Wie ich festgestellt habe, wurde dieser Erlaß bis jetzt nicht bekanntgegeben und durchgeführt. Ich bitte, die Durchführung dieses Erlasses zu veranlassen.
In Vertretung: gez. Dr. Best.«
(USSR-487.)
Erinnern Sie sich jetzt an Ihren Erlaß?
VON NEURATH: An diesen Erlaß vermag ich mich im Moment nicht zu erinnern. Wohl aber erinnere ich mich daran, daß das niemals durchgeführt worden ist, weil ich nämlich diesen SD-Führer nicht als politischen Referenten haben wollte.
VORSITZENDER: Das wäre ein günstiger Augenblick, um abzubrechen.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Darf ich noch um eine Minute bitten, um diese Frage zu Ende zu führen?