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[Zum Zeugen gewandt:]

Ich habe eben diesen Satz von Herrn Schmidt vorgelesen, und ich habe Ihnen auch gesagt, was man daraus lesen kann, nämlich, daß der Abschluß des russisch-französischen Paktes vom 2. Mai 1935 die Folge der Wiederherstellung der Wehrhoheit war. Ist das richtig, oder wie hat sich das verhalten?

KÖPKE: Diese Frage wird sich tatsächlich schwer beantworten lassen, wenn man lediglich diese beiden Ereignisse zeitlich gegenüberstellt. Der Abschluß des französisch-russischen Beistandspaktes war tatsächlich am 2. Mai 1935, die Wiederherstellung der Wehrhoheit bereits im März 1935. Aber die Verhandlungen über diesen Beistandspakt reichten zeitlich viel weiter zurück. Ich möchte daran erinnern, daß das kritische Stadium, in das diese Beistandspaktverhandlungen bereits vor der Wiederherstellung der Wehrhoheit getreten war, wohl am eindeutigsten in dem Bericht des Berichterstatters des Französischen Heeresausschusses zu entnehmen ist, wo dieser bereits ganz unumwunden von einer engen Entente der beiden Staaten spricht. Das war am 23. November 1934.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich komme nun zu einer anderen Frage und möchte Sie bitten, uns zu sagen, ob Sie die Ansichten und den Standpunkt Herrn von Neuraths in der österreichischen Frage, wenigstens zu Ihrer Zeit, kennen?

KÖPKE: Ich kenne den Standpunkt des Herrn von Neurath zur österreichischen Frage schon sehr viel länger als aus der Zusammenarbeit während seiner Ministerschaft; denn das Problem hat ihn wohl als Süddeutschen besonders interessiert, und ich entsinne mich mancher Unterhandlung, die ich mit ihm, sogar als ich noch Vizekonsul war, geführt habe. Seine Ansicht und Absicht war von jeher, die Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich, hauptsächlich im Interesse Österreichs, auf wirtschaftlichem Gebiet enger zu gestalten, und politisch durch Staatsverträge eine gleichgerichtete Politik zu sichern, im übrigen aber die Selbständigkeit Österreichs nicht anzutasten; das war die Erfahrung, die wir im Auswärtigen Amt mehrere Jahre vor seiner Ministerschaft mit der damals tatsächlich nur wirtschaftlich gedachten Zollunion bereits gemacht hatten. Die Tatsache, daß dieser Versuch ganz allgemein als politischer Anschluß gewertet worden war, gab zu denken und mußte jeden warnen, der dieses heiße Eisen wieder einmal anzufassen sich entschlossen hatte. Neurath dachte daher während seiner Amtszeit über das Problem, soweit er es mit mir besprochen und bearbeitet hat, ebenso. Ich möchte gleich hier einschalten, daß die kritische Zeit in der österreichischen Frage wohl nach meinem Austritt aus dem Amt liegt. Im übrigen teilte auch Hitler ursprünglich die maßvolle Auffassung Neuraths. Das kam in dem Gespräch mit Mussolini in Venedig im Sommer 1934 zum Ausdruck. Ganz besonders interessant aber sind auch die Bemerkungen, die Hitler über das Anschlußproblem Sir John Simon gegenüber anläßlich der Verhandlungen in Berlin noch im März 1935 gemacht hat. Hitler äußerte sich damals dem englischen Staatsmann gegenüber etwa folgendermaßen: Wenn man in London Österreich so gut kennen würde, wie er selbst es kennt, so würde man seiner Versicherung glauben, daß er es nicht wünschen könne, unsere wirtschaftlichen Sorgen noch durch ein neues wirtschaftliches Sorgengebiet zu erhöhen. Deutschland wolle gar keine Einmischung in diesem Lande. Er wisse genau, daß jede Einmischung in österreichische Dinge, ja sogar die Durchführung eines Wunsches der österreichischen Bevölkerung selbst nach Anschluß, nicht legalisiert werden könne.

Das war damals die Ansicht von Hitler. Auch Neurath lehnte jede Einmischung in die inneren österreichischen Angelegenheiten ab und verurteilte die in den Parteikreisen wahrnehmbaren Versuche unmittelbarer Unterstützung der österreichischen Nationalsozialisten auf das schärfste. Neurath bemühte sich zu meiner Zeit nach Kräften, das Auswärtige Amt aus dem innerpolitischen Kampf in Österreich herauszuhalten.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Noch eine andere Frage. War bis zu Ihrem Abschied anfangs 1936 im Auswärtigen Amt jemals die Rede davon, die Tschechoslowakei anzugreifen oder die mit der Tschechoslowakei bestehenden Verträge nicht innezuhalten?

KÖPKE: Niemals, weder das eine noch das andere. Unsere wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zur Tschechoslowakei waren, solange ich im Dienste war, durchaus gut. Wir hatten keinerlei Anlaß gehabt, auch nur das geringste dran zu ändern.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Und nun noch die letzte Frage: Können Sie etwas über die Stellung des Herrn von Neurath zur Rassenfrage sagen?

KÖPKE: Neurath stand dem Parteistandpunkt in dieser Frage durchaus ablehnend gegenüber. Ich möchte in diesem Zusammenhang an ein Erlebnis erinnern, das mir Neurath persönlich erzählt hat.

Als die Judengesetzgebung kurz vor der Verkündung stand, ist der damalige Reichsjustizminister Gürtner ganz aufgeregt zu ihm gekommen und hat dort Herrn von Neurath gesagt, daß er, Gürtner, Hitler vergeblich vor der Verkündung dieser ganz unmöglichen Gesetze gewarnt habe. Er ersuche Herrn von Neurath dringendst, nunmehr als Außenminister auf die ungeheuren Gefahren hinzuweisen, die dieser Wahnsinn im Ausland auslösen könnte. Neurath erzählte mir, daß er dies sofort getan habe, aber alle seine Bemühungen wären vergeblich gewesen.

Neuraths persönliche Einstellung im Judenproblem war, seiner ganzen gütigen Persönlichkeit und religiösen Einstellung entsprechend, durchaus versöhnlich und verständnisvoll. Unter vielen Beispielen möchte ich hier nur auf eines hinweisen, das war folgendes: In London, während der Zeit, wo wir zusammen dort waren, gehörte zum engsten Freundeskreis der Familie Neurath auch der jüdische Botschaftsarzt. Als dieser dann während des Weltkrieges London verlassen mußte, heimat- und erwerbslos wurde, hat sich Neurath sofort als alter Freund seiner tatkräftig und erfolgreich angenommen. Auch als Reichsaußenminister hat Herr von Neurath nichtarischen Kollegen immer geholfen, obwohl ihm das manchen Angriff aus Parteikreisen eintrug und dies auch sonst nicht immer leicht war.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.

VORSITZENDER: Will irgendeiner der Verteidigungsanwälte Fragen an den Zeugen richten?

Wünscht die Anklagebehörde Fragen an den Zeugen zu richten?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Der Gerichtshof wird natürlich nicht der Ansicht sein, daß die Anklagebehörde jede Aussage des Zeugen ohne weiteres angenommen hat, aber ich glaube nicht, man solle damit Zeit vergeuden, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen. Ich werde deshalb keine Fragen an ihn stellen.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, Sir David.

Sir David! Wäre es Ihnen und auch der Verteidigung genehm, die Fragen der zusätzlichen Anträge für Zeugen und Dokumente um 14.00 Uhr zu besprechen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, Euer Lordschaft, es würde mir sehr gut passen. Ich glaube nicht, daß es viele wesentliche Angelegenheiten geben wird, bei denen es zu irgendwelchen ernsteren Meinungsverschiedenheiten kommen könnte.

VORSITZENDER: Nein, ich glaube dies auch nicht. Gut, wir werden dann so verfahren. Der Zeuge kann sich zurückziehen.

Dr. von Lüdinghausen! Bitte rufen Sie Ihren nächsten Zeugen; wir können ihm dann noch vor der Vertagung den Eid abnehmen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Darf ich darum bitten, daß Herr Dr. Dieckhoff der Nachfolger von Herrn Dr. Köpke wird?