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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Ich darf dann um die Erlaubnis bitten, als dritten und letzten meiner Zeugen Herrn Dr. Völckers auf den Zeugenstuhl zu rufen.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE HANS VÖLCKERS: Völckers.

VORSITZENDER: Ihren ganzen Namen?

VÖLCKERS: Hans Hermann Völckers.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir den folgenden Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Zeuge! Sie waren zweimal persönlicher Referent bei Herrn von Neurath, und zwar am Anfang seiner Stellung als Außenminister und später in seiner Stellung als Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Ist das richtig?

VÖLCKERS: Jawohl; seit 1920 gehörte ich dem Auswärtigen Amt an und bin stets im Ausland gewesen. Ich war zur Zeit von Stresemann vier Jahre in Genf als deutscher ständiger Vertreter und Generalkonsul beim Völkerbund und bin dann 1932 in das Auswärtige Amt einberufen und zum persönlichen Referenten des neuernannten Außenministers Herrn von Neurath ernannt worden. Ich bin ein Jahr auf diesem Posten gewesen und wurde dann auf meinen Wunsch als Botschaftsrat nach Madrid geschickt, bin später Gesandter in Havanna gewesen und wurde 1939 wieder in das Auswärtige Amt einberufen zwecks Verwendung als persönlicher Referent mit dem Titel eines Kabinettschefs bei Herrn von Neurath, der inzwischen zum Reichsprotektor in Prag ernannt worden war.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Erfolgte diese Ernennung zum persönlichen Referenten des Herrn von Neurath in Prag auf Grund irgendwelcher persönlichen Beziehungen oder nur aus dienstlichen Gründen?

VÖLCKERS: Nur aus dienstlichen Gründen. Ich kannte Herrn von Neurath, bevor ich ihm in Berlin attachiert gewesen war, nicht.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Wie war die Einstellung der Beamtenschaft des Außenministeriums zu der Ernennung Herrn von Neuraths zum Außenminister?

VÖLCKERS: Ich hatte den Eindruck, daß die Beamten des Auswärtigen Amtes im allgemeinen sehr befriedigt waren, daß ein alter Berufsdiplomat angesichts der schwierigen innenpolitischen Lage die Leitung des Auswärtigen Amtes übernahm als Fachminister und weil sie darin gerade die Gewähr für einen ruhigen, außenpolitischen Kurs sahen, um so mehr, als man wußte, daß Herr von Neurath das besondere Vertrauen des Reichspräsidenten von Hindenburg hatte und weil er auf Grund seiner ganzen Persönlichkeit und seiner ausgeglichenen Ruhe die besondere Anerkennung und Verehrung aller Beamten des Auswärtigen Amtes genoß.

Als dann Hitler zur Macht kam, hatte ich den Eindruck, daß er ihm gegenüber skeptisch und zurückhaltend war. Er gehörte nicht zum Kreis der engeren Vertrauten Hitlers und hat auch niemals in der Zeit, die ich bei ihm war, an diesen abendlichen Besprechungen, die Hitler damals in der Reichskanzlei abzuhalten pflegte, teilgenommen. Allmählich aber wurde der Druck gegen das Auswärtige Amt ja immer stärker. Es wurde die Auslandsorganisation aufgezogen, und das Büro Ribbentrop machte auch ein Konkurrenzunternehmen auf, in das alle möglichen Leute, die einmal eine Auslandsreise gemacht hatten, hineinberufen waren; sie machten dann alle möglichen Berichte, die direkt an den Führer gelangten, ohne daß sie durch die Kontrolle des Auswärtigen Amtes liefen. Es kam hinzu, daß dann später der Leiter der Auslandsorganisation als Kommissar in das Auswärtige Amt hineingesetzt wurde und daß der Erbprinz Waldeck sogar in die Personalabteilung des Auswärtigen Amtes kam. Da wurde der Druck dann schließlich so stark, daß man nicht mehr dagegen ankommen konnte.

Daß aber das Auswärtige Amt sich solange gehalten hat wie eine Insel und immer noch dem Druck der Partei ausgewichen ist, ist, glaube ich, sicher das Verdienst des damaligen Außenministers und auch seines Staatssekretärs von Bülow gewesen.

Als dann die Judengesetze auch eingeführt wurden im Auswärtigen Amt, weiß ich, daß sich Herr von Neurath schützend, soweit es ging, vor seine Beamten gestellt hat. Und ich bin selbst jetzt in den letzten zwei Jahren des Krieges in Stockholm in Schweden gewesen und habe dort zwei frühere Kollegen getroffen, mit denen ich sehr befreundet bin, das ist der Ministerialdirektor Richard Meier, der die Ostabteilung geführt hat, der dann ausscheiden mußte; und er hat mir oft in Stockholm erzählt, wie dankbar er Herrn von Neurath gewesen sei, daß er ihm nicht nur ermöglicht hat, seine Familie und seinen Hausrat und alles mit hinüberzunehmen ins Ausland, sondern daß Herr von Neurath ihm auch bis zum Zusammenbruch seine monatliche Pension in schwedischen Kronen hat überweisen lassen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Welches war nun Ihre Stellung und Tätigkeit in Prag bei der Protektoratsregierung?

VÖLCKERS: In Prag war meine Stellung in der Protektoratsregierung ungefähr die gleiche wie sieben Jahre vorher, als ich beim Außenminister persönlicher Referent im Auswärtigen Amt in Berlin gewesen war, nur mit dem Unterschied, daß es im Auswärtigen Amt eine besondere Protokollabteilung und einen Protokollchef gibt, während ich in Prag gleichzeitig, und das war eigentlich meine Haupttätigkeit, auch die gesamten protokollarischen und Zeremonialsachen zu erledigen hatte. Mir unterstand das sogenannte Büro des Reichsprotektors, nicht zu verwechseln mit der großen Behörde, mit der ich nichts zu tun gehabt habe.

Als ich 1939 im Sommer nach Prag gekommen bin, war die Behörde bereits einige Monate in Betrieb.

Mein Vorgänger war ein Legationsrat von Kessel vom Auswärtigen Amt. Außer mir gehörten zu dem Büro des Reichsprotektors noch zwei weitere Beamte des Auswärtigen Amtes, die mir beigeordnet waren, sowie ein Graf Waldburg, dessen Mutter eine Tschechin war und den der Reichsprotektor eingestellt hatte, weil er sich gerade durch ihn besondere Beziehungen zu den Tschechen versprach.

Das Büro war zuständig, außer für die allgemeinen und üblichen Vorzimmerangelegenheiten, für die Erledigung der Privatkorrespondenz und für die Bearbeitung der persönlichen Gesuche.

Im Laufe der Zeit haben wir da eine besondere Abteilung gründen müssen, weil später, als die vielen Verhaftungen kamen, so viele Gesuche eingingen, hauptsächlich adressiert an den Reichsprotektor persönlich...

VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Sicherlich liegt das sehr weit entfernt von all dem, was wir zu betrachten haben, und die ganze bisherige Aussage, die dieser Zeuge gemacht hat, ist kumulatives Beweismaterial, das vorher keinem Kreuzverhör unterworfen wurde, und was er jetzt sagt, ist sehr entfernt von den Fragen, die wir zu erwägen haben.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich habe meine Fragen beendet, ich will nur zeigen, daß er in der Lage ist, die kommenden Fragen aus eigenem Wissen zu beantworten.