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[Zum Zeugen gewandt:]

Was können Sie uns aus Ihren Beobachtungen und Erfahrungen über die Einstellung des Herrn von Neurath gegenüber den Tschechen sagen?

VÖLCKERS: Ich kann nur allgemeine Eindrücke wiedergeben. Ich habe, wie ich schon sagte, mit der eigentlichen Tätigkeit der Behörde nichts zu tun gehabt, sondern war nur Herrn von Neurath persönlich attachiert für seine privaten Angelegenheiten und für die ganzen zeremoniellen Sachen. Ich weiß aber, und er hat mir erzählt, daß er, als er das Reichsprotektorat übernommen hat, das in der Absicht getan hat, die tschechische Bevölkerung so gerecht und anständig wie möglich zu behandeln, um durch Ausgleich der Gegensätze aussöhnend und vermittelnd eine gesunde Grundlage für ein Zusammenleben der beiden Völker zu schaffen. Er hat mir oft gesagt, daß er zum Reichsprotektor, also zum Beschützer der Tschechen ernannt sei, und wir wußten auch, daß der letzte Deutsche Gesandte in Prag, Dr. Eisenlohr, oft berichtet hat, daß die letzte Tschechoslowakische Regierung ihrerseits bereit gewesen ist, den Anschluß an Deutschland zu vollziehen. Er ist Gegner der militärischen Lösung gewesen, und Herr von Neurath hat mir auch, als ich damals nach Prag kam, erzählt, daß er sich – ich glaube, es war im September 1938 – sehr stark gegen die militärische Lösung ausgesprochen hat und mit Göring zusammen in München bei Hitler war und versuchte, ihn davon abzubringen. In der Praxis meines Büros habe ich es immer wieder erlebt, daß Herr von Neurath... soll ich weiter sprechen?... eine sehr offene Hand hatte den tschechischen Gesuchstellern gegenüber. Er hatte sehr viel Mitgefühl und Verständnis, prüfte jeden einzelnen Fall, und man wußte das auch in tschechischen Kreisen sehr wohl. Und da wir in dem Büro die Möglichkeit hatten, jedes einzelne Gesuch und jede Bitte von tschechischen Privatpersonen persönlich an den höchsten Chef zu bringen, so haben die tschechischen Gesuchsteller diesen Weg sehr häufig und gerne benutzt, weil die Aussichten für eine positive Erledigung ihrer privaten Wünsche und Gesuche durch den höchsten lokalen Chef viel günstiger waren, als wenn sie schematisch durch die zuständige Abteilung der Behörde bearbeitet worden wären. Gerade diese Übung hat uns in einen scharfen Gegensatz gebracht zu dem Staatssekretär...

VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Dieser Zeuge hält, wie Sie hören, ganz einfach Reden; Sie stellen ihm gar keine Fragen, Er redet einfach weiter...

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Was wissen Sie, Herr Zeuge, über das persönliche und dienstliche Verhältnis des Reichsprotektors zu Staatspräsident Hacha?

VÖLCKERS: Nach meinen Beobachtungen war das persönliche und dienstliche Verhältnis des Reichsprotektors zu Staatspräsident Hacha sehr gut, und ich glaube auch, daß das nicht nur eine äußere Form war, sondern ich habe den Eindruck, daß Herr von Neurath dem Staatspräsidenten herzlich zugetan war, weil er ihn für einen hochanständigen und lauteren Charakter gehalten hat, der unter den gegebenen Verhältnissen...

VORSITZENDER: Zeuge! Wenn Sie sehen, daß der Verteidiger genug von Ihrer Antwort gehört hat, dann können Sie sicherlich aufhören?

VÖLCKERS: Jawohl.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Wie war nun das Verhältnis zwischen Herrn von Neurath und dem ihm als Staatssekretär zugeteilten Frank?

VÖLCKERS: Das Verhältnis war ein sehr schlechtes. Herr von Neurath hat mir damals schon bei Antritt meines Dienstes gesagt, daß er große Schwierigkeiten mit ihm gehabt hätte wegen seiner eindeutigen tschechenfeindlichen Einstellung als Sudetendeutscher, eine Einstellung, die man als Reichsdeutscher nicht so ohne weiteres verstehen konnte. Er hatte aber immer gehofft, daß Frank, der ein Nichtbeamter und ein Outsider war, sich allmählich seiner Politik anschließen und dem Beamtenapparat anpassen würde. Das ist aber leider nicht möglich gewesen, ich weiß nicht, wann Frank...

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Zeuge! Können Sie uns kurz schildern, wie die tatsächlichen dienstlichen Machtbefugnisse Herrn von Neuraths und Franks im Verhältnis zueinander waren?

VÖLCKERS: Herr von Neurath war der Vorgesetzte des Staatssekretärs. Der Staatssekretär leitete den ganzen Betrieb und die Verwaltung der inneren Behörde, einer großen Behörde. Ihm unterstand der Unterstaatssekretär von Burgsdorff, der, glaube ich, hier von dem Hohen Gericht schon vernommen wurde. Außer der Eigenschaft als Staatssekretär war Frank auch Höherer Polizei- und SS-Führer.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Hatte nun Herr von Neurath auf den Zweig der Tätigkeiten Franks bestimmten Einfluß, also auf den in seiner Eigenschaft als Höherer SS- und Polizeiführer?

VÖLCKERS: Wie die Verhältnisse lagen, hatte er praktisch keinen Einfluß. Ich weiß nicht, ob in der ersten Zeit bereits eine gesetzliche Regelung bestanden hat. In der Praxis jedoch war die Polizei und damit auch der Staatssekretär mit seinen polizeilichen Maßnahmen völlig unabhängig von Neurath. Das hing auch mit den Verhältnissen im Reich zusammen, wo Himmler ja auch die ganze Polizei und SS führte und dem Innenministerium die Exekutive weggenommen hatte. Soweit ich mich erinnere, hat aber im Herbst 1939 eine gesetzliche Regelung stattgefunden, die dahin lautete, daß die Polizei unabhängig sei, soweit ich mich erinnere, und daß Herr von Neurath nachträglich zu unterrichten wäre von allen Maßnahmen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sie meinen damit die Verordnung über den Aufbau der Verwaltung und die deutsche Sicherheitspolizei im Protektorat vom 1. September 1939?

VÖLCKERS: Ja, ich glaube, ja. Der erste Teil betraf die Verwaltung und der zweite die Polizei.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Ich darf daran erinnern, daß der Text dieser Verordnung sich in meinem Dokumentenbuch unter Nummer 149 befindet.

VORSITZENDER: Ist sie zum Beweis vorgelegt worden?

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ja, ich wollte nur daran erinnern, daß ich sie vorgelegt habe.