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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

Das beschließt vorerst Ihren Fall, Dr. Lüdinghausen.

Der Gerichtshof wird sich nun vertagen.

[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Ich rufe den Verteidiger für den Angeklagten Fritzsche.

DR. HEINZ FRITZ, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRITZSCHE: Herr Präsident, meine Herren Richter!

Ich beabsichtige, die Beweisführung im Falle des Angeklagten Fritzsche wie folgt zu gestalten: Zunächst möchte ich den Angeklagten Fritzsche in den Zeugenstand rufen und sodann den Zeugen von Schirmeister aufrufen. Im Laufe dieser beiden Vernehmungen beabsichtige ich, Hohes Gericht, einige Affidavits anzubieten, um auf diese, sowie auf den sonstigen Inhalt meiner beiden Dokumentenbücher zu verweisen. Im Gerichtsbeschluß vom 8. März 1946 waren mir für meine Beweisführung als Zeugen bewilligt worden: Erstens Herr von Schirmeister, und zweitens Dr. Krieg, und als Dokumente die Texte aller Radioansprachen des Angeklagten Fritzsche aus den Jahren 1932 bis 1945 und das Archiv »Deutscher Schnelldienst« des Propagandaministeriums. Von diesen sämtlichen Beweismitteln konnte trotz der Bemühungen des Herrn Generalsekretärs leider nur der Zeuge von Schirmeister herbeigeschafft werden. Ich mußte daher meine Beweisführung umgestalten und bitte darum um die gütige Nachsicht des Hohen Gerichts, wenn ich den Angeklagten Fritzsche und den Zeugen von Schirmeister etwas eingehender vernehme, als ich das ursprünglich beabsichtigte. Mit Zustimmung des Gerichts rufe ich nunmehr den Angeklagten Fritzsche in den Zeugenstand.

[Der Angeklagte betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wollen Sie Ihren vollen Namen angeben.

HANS FRITZSCHE: Hans Fritzsche.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. FRITZ: Herr Fritzsche! Schildern Sie kurz Ihren Lebenslauf bis zum Jahre 1933.

FRITZSCHE: Ich darf hierzu auf mein Affidavit 3469-PS verweisen, und zwar auf Punkt 1 und 3 bis 8. Darüber hinaus kann ich mich jetzt auf einige Stichworte beschränken.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Darf ich zu Beginn der Vernehmung noch bemerken, daß meine Dokumentenbücher, von denen ich zwei habe, noch nicht in der Übersetzung fertig sind. Dieses Affidavit, das der Angeklagte eben erwähnte, ist auch in dem Dokumentenbuch der Prosecution enthalten. Ich weiß nicht, ob dem Hohen Gericht dieses Dokumentenbuch jetzt vorliegt.

VORSITZENDER: Gut, Sie können fortfahren.

FRITZSCHE: Ich bin geboren am 21. April 1900. Mein Vater war Beamter, ich besuchte das humanistische Gymnasium. Ich war dann Soldat im ersten Weltkrieg, kehrte auf die Schulbank zurück und studierte dann an verschiedenen Universitäten Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaft. Nach dem ersten Weltkrieg war mein Leben und meine Arbeit bestimmt von der Not meines Volkes. Wir nannten diese Not Versailles. Es ist über den Vertrag von Versailles genug hier im Gericht gesprochen worden. Ich brauche dem, was bereits gesagt wurde, nichts hinzuzufügen.

DR. FRITZ: Sie erstrebten also in Ihrer journalistischen Arbeit vor 1933 eine Änderung des Versailler Vertrags?

FRITZSCHE: Selbstverständlich.

DR. FRITZ: Suchten Sie diese Änderung mit Krieg?

FRITZSCHE: Nein, ich suchte sie mit den Mitteln des Rechts, der Politik und der wirtschaftlichen Vernunft, die damals alle auf deutscher Seite standen. Ein gewisse Wiederherstellung der Macht des Deutschen Reiches wäre mir erwünscht gewesen deshalb, weil ich in der Ohnmacht des Reiches eine Kriegsgefahr sah. Aber das Mittel des Krieges zur Änderung von Versailles erschien mir nicht möglich, nicht zweckmäßig und nicht wünschenswert. Genau so blieb es später unter der Regierung Hitlers. Adolf Hitler hat gerade in diesem Punkt zwei Versicherungen abgegeben, die für mich und sicher auch für Millionen Deutsche von besonderem Eindruck waren. Das erste war die Versicherung: Ich war selbst einfacher Soldat, und ich weiß deshalb, was Krieg bedeutet; das zweite war die Feststellung: In all den blutigen Kriegen der letzten tausend Jahre gewannen nicht einmal die Sieger so viel, wie sie an Opfern in dem Krieg gebracht hatten.

Diese beiden Versicherungen wirkten für deutsche Ohren wie heilige und verpflichtende Eide. Was in Hitlers Politik gegen diese beiden Versicherungen verstoßen haben sollte, das war ein Betrug an der deutschen Öffentlichkeit.

DR. FRITZ: Wann, wie und warum kamen Sie zur NSDAP?

FRITZSCHE: Ich kam nach meinem Eintritt in das Propagandaministerium zur Partei. Ich verweise auch hier auf mein Affidavit 3469-PS, und zwar auf die Punkte 9 bis 13. Ich bin zur NSDAP nicht durch das Parteiprogramm gekommen. Ich bin auch nicht durch Hitlers Buch »Mein Kampf« zur Partei gekommen. Ich kam auch nicht durch die Persönlichkeit Hitlers dazu, von dessen von dieser Stelle aus mehrfach erwähnten suggestiven Kraft ich nichts verspürt habe. Ich lehnte den rauhen Radikalismus der Methoden der Partei ab. Dieser rauhe Radikalismus widersprach der Praxis meines ganzen Lebens und meinem persönlichen Stil. Wegen dieser robusten Praxis kam ich 1932 mit der Partei sogar in einen Konflikt.

Ich kam zur Partei, als sie zweifellos die Mehrheit des deutschen Volkes gewonnen hatte. Diese Partei überwand damals die Zersplitterung des deutschen Volkes und brachte ihm die Einheit, nachdem Brünings großer Versuch einer Sanierung auf demokratischer Basis gescheitert war, und zwar an den außenpolitischen Widerständen gescheitert war, nicht an dem Widerstand im deutschen Volke.

Nachdem auch die Präsidialkabinette nicht zu einer neuen Fundierung im Volke geführt hatten, bedeutete die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler eine Rückkehr zu demokratischen Grundsätzen. Es ist über diese Dinge hier viel gesprochen worden. Ich bitte um die Erlaubnis, einen Umstand anführen zu dürfen, der meines Wissens hier noch nicht erwähnt wurde und dem doch eine gewisse Bedeutung zukommt.

Als ich zur NSDAP kam, glaubte ich, nicht eigentlich zu einer Partei im Sinne dieses Wortes zu kommen, denn die NSDAP besaß keine Parteitheorie, etwa in dem Sinn wie die marxistischen Parteien, die eine durchgebildete und gereifte Theorie besaßen. Alle Theoretiker der Partei waren umstritten. Die theoretischen Schriften Gottfried Feders waren verboten worden. Der Theoretiker Rosenberg war und blieb bis zuletzt in der Partei umstritten. Der Mangel der Partei an einer Theorie war so groß, daß sogar der Abdruck des knappen Parteiprogramms für die deutschen Zeitungen verboten wurde. Ja, es wurde den deutschen Zeitungen einige Jahre nach 1933 verboten, willkürlich irgendwelche Stellen aus Hitlers »Mein Kampf« abzudrucken.

Ich glaubte also damals, nicht zu einer eng begrenzten Partei zu kommen, sondern ich glaubte, in eine Bewegung zu kommen, in eine Bewegung, die solche Gegensätze in sich vereinigte, wie etwa die von Ley und Funk, die von Rosenberg und dem Reichsbischof, eine Bewegung, die durchaus labil war in der Wahl ihrer Mittel; die einmal die Arbeit der Frauen verbot, um ein anderes Mal um die Arbeit der Frau zu werben. Ich glaubte, in eine solche Bewegung zu kommen deshalb, weil in der NSDAP eine Gruppe in der Hakenkreuzfahne nichts anderes sah als eine Kombination, eine neue Form der Farben schwarz- weiß-rot, während eine andere Gruppe in dieser Flagge die rote Fahne sah mit einem Hakenkreuz. Es war so, daß es schon ganze Gruppen gab von ehemaligen Deutschnationalen in der NSDAP oder von ehemaligen Kommunisten in der NSDAP. Ich erhoffte also, in der weitgespannten Bewegung ein Forum einer geistigen Auseinandersetzung zu finden, einer geistigen Auseinandersetzung, die dann nicht mehr mit der mörderischen Erbitterung ausgetragen würde, die vorher in Deutschland geherrscht hatte, sondern die ausgetragen wurde in einer gewissen Disziplin und unter dem Primat des nationalen und des sozialen Gedankens. Aus diesem Grunde habe ich in einem immer neuen Kompromiß eigene Wünsche zurückgestellt, eigene Bedenken und eigene politische Anschauung. Ich riet dies auch in vielen Unterhaltungen meinen Freunden dann, wenn diese sich darüber beklagten, daß sie und ihre Interessen in der Zeit der Gleichschaltung schlecht behandelt worden wären. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß auch Millionen von Deutschen nur aus diesem Grunde und in dieser Erwartung zur Partei kamen. Sie glaubten, einer guten Sache zu dienen, sie waren in einem reinen Idealismus bereit, dieser Sache alles zu opfern außer ihrer Ehre. Ich mußte inzwischen erkennen, daß der Führer dieser Sache das Opfer dieser Idealisten annahm, daß er es verwirtschaftete und daß er außerdem ihre Ehre mit einem sinnlosen und unmenschlichen, in der Geschichte beispiellosen Mord befleckte, einem Mord, den keine Notwendigkeit des Krieges hätte rechtfertigen können, für den sogar keinerlei Grund zu finden war in irgendeiner Notwendigkeit des Krieges.

DR. FRITZ: Nun wirft Ihnen die Anklage vor, daß Sie 1933, ich zitiere, »den üblichen Eid der bedingungslosen Treue zu Hitler geschworen haben«. Aus welchem Grunde Sie auch immer das taten, die Tatsache, daß Sie diesen Eid leisteten, ist richtig, nicht wahr?

FRITZSCHE: Jawohl, ich habe auch zweimal einen Eid auf die Weimarer Verfassung geleistet, und zwar 1933 und 1938. Ich darf etwas hinzufügen. Es war immer und es ist noch meine Überzeugung: Kein Eid entbindet einen Menschen von allgemeinen Menschenpflichten. Niemand wird durch einen Eid zu einem unverantwortlichen Werkzeug. Auch mein Eid hätte mich niemals dazu veranlaßt, einen Befehl durchzuführen, wenn ich ihn als verbrecherisch erkannt hätte. Ich habe niemals in meinem Leben irgend jemandem blind gehorcht. Deshalb berufe ich mich auch für keine einzige meiner Handlungen auf die Gehorsamspflicht.

DR. FRITZ: Haben Sie den Eid gehalten, den Sie leisteten?

FRITZSCHE: Ja, mir sind keine Handlungen zugemutet worden, die ich als verbrecherisch hätte ansehen können oder als eine Verletzung geschriebener oder ungeschriebener Gesetze. Im übrigen habe ich den Eid, den ich leistete, nicht Hitler, sondern dem deutschen Volk gehalten.

DR. FRITZ: Wie lange haben Sie den Eid gehalten?

FRITZSCHE: Ich habe ihn bis zum Schluß gehalten. Dann allerdings bin ich gegen den Befehl, der mir gegeben wurde, in Berlin geblieben. Als Hitler und seine nächste Umgebung die Flucht in den Tod oder die Flucht nach Westen ergriffen hatten, war ich meines Wissens als einziger höherer Beamter in Berlin. Ich sammelte damals die ihrem Schicksal überlassenen Angestellten der obersten Reichsbehörden in den Trümmern meines Büros. Hitler hatte den Befehl zum Weiterkämpfen hinterlassen. Der Berliner Kampfkommandant war unauffindbar. So fühlte ich mich als Zivilist verpflichtet, dem russischen Marschall Schukow die Kapitulation anzubieten. Als ich die Parlamentäre abfertigte, die über die Kampflinie gehen sollten, erschien der letzte Wehrmachtsadjutant Hitlers, der General Burgdorff, und wollte mich in Erfüllung des Befehls Hitlers niederschießen. Es kam trotzdem zu der Kapitulation, auch wenn sie von dem inzwischen gefundenen Kampfkommandanten unterzeichnet wurde. Ich habe also, wie ich glaube, den Eid gehalten, den Eid, den ich in der Person Hitlers dem deutschen Volke leistete.

DR. FRITZ: Hatten Sie ein Amt in der Partei?

FRITZSCHE: Nein.

DR. FRITZ: Waren Sie Politischer Leiter?

FRITZSCHE: Nein.

DR. FRITZ: Waren Sie in der SA oder SS oder einer der hier angeklagten Organisationen?

FRITZSCHE: Nein.

DR. FRITZ: Haben Sie einmal an einem Parteitag teilgenommen?

FRITZSCHE: Nein.

DR. FRITZ: An einer der Feiern des 9. November in München?

FRITZSCHE: Nein.

DR. FRITZ: Dann schildern Sie bitte kurz Ihre Stellungen und Ihre Arbeit von 1933 bis 1945.

FRITZSCHE: Ich darf auch hier wieder auf mein Affidavit 3469-PS verweisen, und zwar auf den gesamten Rest. Ich kann mich deshalb wieder mit einigen Stichworten begnügen, beziehungsweise mit einigen Ausführungen, die das ergänzen, was im Affidavit nicht gesagt ist. Ich blieb bei der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus das, was ich vorher gewesen war, nämlich Chefredakteur des »Drahtlosen Dienstes«. Das war der Name des deutschen Rundfunk- Nachrichtendienstes. Ich blieb das noch weitere fünf Jahre. Im Mai 1933 wurde dieser »Drahtlose Dienst«, der ein Teil der Reichsrundfunk-Gesellschaft gewesen war, eingegliedert in das Propagandaministerium, und zwar in dessen Abteilung Presse. Da ich ein Spezialist war im journalistischen Nachrichtenwesen, erhielt ich sehr bald die Betreuung der Nachrichtenagenturen, zunächst der kleineren wie »Transozean«, oder »Europapreß«, oder »Eildienst«, nachher auch die Betreuung des großen »Deutschen Nachrichtenbüros«. Ich hatte damals über die Agenturen keine Befehlsgewalt, denn ich selbst war ja noch ein Angestellter des Ministeriums und noch nicht ein Beamter. Ich hatte auch kein Bestimmungsrecht über den Inhalt der Nachrichten. Ich hatte nur die organisatorische Aufsicht, aber ich glaube, daß mein Rat damals viel galt. In jener Zeit habe ich auch andere Beratungen journalistischer Art gemacht.

Im Dezember 1938 wurde ich dann Leiter der Abteilung »Deutsche Presse«. Ich wurde Ministerialdirigent. Ich fühlte mich als Beamter noch als der Journalist, der ich vorher Jahrzehnte gewesen war. Ich behielt die Leitung der Abteilung »Deutsche Presse« bis zum Frühjahr 1942.

Zu diesem Zeitpunkt war ich nicht einverstanden unter anderem mit der schönfärberischen Pressepolitik meines damaligen Vorgesetzten, des Reichspressechefs Dr. Dietrich. Ich wurde deshalb Soldat und ging an die Ostfront. Im Herbst 1942 wurde ich zurückgeholt von Dr. Goebbels. Dr. Goebbels billigte meine vorher geübte Kritik, die er kannte. Er bot mir die Leitung der Rundfunkabteilung seines Ministeriums an. Ich antwortete, ich könnte nur dann ins Propagandaministerium zurückkommen, wenn ich die Gewißheit hätte, daß eine politische Beendigung des Krieges gesucht würde und daß nicht abgezielt wurde auf den militärischen totalen Sieg, den ich vom ersten Tage des Krieges an für unmöglich gehalten habe. Ich sagte damals Dr. Goebbels wörtlich: Einen Kampf bis zur Selbstvernichtung, so wie ihn die Goten am Vesuv kämpften, mache ich als Propagandist nicht mit! Dr. Goebbels antwortete mir damals, daß auch Hitler und auch er die politische Beendigung des Krieges auf der Basis irgendeiner Verständigung suche. Er versprach mir, daß er mich rechtzeitig unterrichten wolle, wenn er merke, daß der Führer diese Absicht ändere. Dr. Goebbels hat dieses Versprechen in Abständen von einigen Monaten bis zum Ende des Krieges wiederholt und mir dann bei der jeweiligen Wiederholung sogar immer substantiierte Andeutungen über die jeweiligen im Gange befindlichen politischen Bemühungen gemacht. Ich habe heute das Gefühl, daß er das Versprechen gebrochen hat. Damals übernahm ich also die Rundfunkabteilung des Propagandaministeriums und wurde Ministerialdirektor.

DR. FRITZ: Das waren Ihre amtlichen Stellungen. Nun, diese waren der Öffentlichkeit weniger bekannt. Bekannter waren Ihre Rundfunkvorträge. Wie war es damit?

FRITZSCHE: Ich sprach seit 1932 wöchentlich einmal zehn bis fünfzehn Minuten in einigen deutschen Sendern und im Deutschlandsender. Zu Anfang des Krieges sprach ich dann täglich, und zwar über alle Sender, ich glaube drei oder vier Monate lang; dann sprach ich dreimal wöchentlich, dann zweimal wöchentlich und nachher wieder einmal wöchentlich. Zunächst stellten diese Rundfunkvorträge eine einfache Zeitungsschau dar, das heißt eine Sammlung von Zitaten in- und ausländischer Zeitungen. Insbesondere nach Beginn des Krieges aber wurden diese Vorträge selbstverständlich zu einer Polemik auf der Grundlage von Zitaten, meistens von Zitaten ausländischer Zeitungen und ausländischer Rundfunksender.

DR. FRITZ: Waren diese Ihre Vorträge offiziell, trugen sie amtlichen Charakter? Die Anklage behauptet, Sie seien natürlich der Kontrolle des Propagandaministeriums unterstellt gewesen.

FRITZSCHE: Das ist in dieser Form nicht richtig. Die Vorträge waren nicht offiziell, sie waren zu Anfang eigentlich ausgesprochene Privatarbeiten. Allerdings konnte ich nicht verhindern, daß im Laufe der Zeit die privaten Vorträge eines Mannes, der eine Stellung hatte im Propagandaministerium, nicht mehr als privat gewertet wurden, sondern als offiziös.

DR. FRITZ: Sie sagen eben, Privatarbeiten, die dann später als offiziös betrachtet wurden. Zur Klärung frage ich, durfte man an Ihren Vorträgen Kritik üben, oder wurde man dann verhaftet?

FRITZSCHE: Man durfte nicht nur Kritik üben, sondern man hat es getan. Ich habe eine umfangreiche Korrespondenz mit meinen Kritikern geführt, allerdings nur mit dem Teil, der seinen Namen unterschrieb. Es gab natürlich auch anonyme Kritiker, allerdings darf ich hierbei anfügen, daß die anonymen meist nur allgemeine Anstände hatten.

Nach Ausbruch des Krieges bot mir eine süddeutsche Staatsanwaltschaft und nachher das Justizministerium einen gewissen Schutz für meine Publikationen, offenbar in der Annahme, sie seien eben offiziell oder offiziös. Es wurde mir vorgeschlagen, bei irgendwelchen Beleidigungsprozessen als Nebenkläger aufzutreten. Ich habe das ausdrücklich abgelehnt, und zwar mit einer Begründung, die ich auch immer wieder selbst gebraucht habe und öffentlich aussprach, nämlich mit der Feststellung: Auf etwas müssen die Menschen doch schimpfen dürfen! Wenn es ihnen verboten ist, auf den Staat und die Regierung zu schimpfen, dann muß es ihnen erlaubt sein, das wenigstens auf Presse, auf Rundfunk und auf mich zu tun.

DR. FRITZ: Wie bearbeiteten Sie diese Ansprachen, wurden sie schriftlich festgelegt und vorher zensiert?

FRITZSCHE: Eine vorherige Zensur habe ich immer abgelehnt. Das Material wurde sehr sorgfältig gesammelt, es wurde aufgehoben in dem sogenannten Archivschnelldienst, dessen Herbeischaffung beantragt wurde, vom Hohen Gericht auch genehmigt wurde, der aber nicht gefunden wurde. Das Material bestand aus Zeitungsausschnitten, aus Meldungen der Nachrichtenagenturen und aus Abhörberichten ausländischer Sender. Die Prüfung zweifelhafter Dinge wurde durch einen eigenen Referenten vorgenommen. Dann wurde der Vortrag roh skizziert in einem Diktat und verhältnismäßig frei gesprochen. Also es wurde anders verfahren als bei einem Aufsatz. Es wurde nicht jeder Satz gefeilt, weil bei einem geschriebenen Wort jeder Ausdruck wiegt, aber bei einem gesprochenen Wort mehr der Gesamteindruck entscheidet.

DR. FRITZ: Also Sie arbeiteten im Propagandaministerium. Minister war Dr. Goebbels. Sein Name wurde hier oft genannt, und zwar in verschiedenen Stellungen als Reichsminister für Propaganda, Reichspropagandaleiter der NSDAP, Reichsbeauftragter für den totalen Kriegseinsatz und Gauleiter von Berlin. In welcher dieser Eigenschaften hatten Sie mit. Dr. Goebbels zu tun?

FRITZSCHE: Ausschließlich in der Eigenschaft als Propagandaminister.

DR. FRITZ: Waren Sie da sein Vertreter?

FRITZSCHE: Nein. Ich war in den letzten zweieinhalb Jahren sein Beauftragter für den Rundfunk und außerdem Leiter einer von zwölf Abteilungen seines Ministeriums. Vertreter von Dr. Goebbels waren die Staatssekretäre, zuletzt Dr. Naumann, der auch für einen Tag sein Nachfolger wurde.

DR. FRITZ: War Dr. Goebbels Ihr einziger und unmittelbarer Vorgesetzter?

FRITZSCHE: Nein. Zwischen ihm und mir gab es zu Anfang viele Instanzen, später immerhin noch einige. Ohne dienstliche Vorgesetzte bin ich zum erstenmal hier auf der Anklagebank.

DR. FRITZ: Bei dieser Gelegenheit: Wen von den Angeklagten kannten Sie, mit wem hatten Sie dienstliche oder persönliche Beziehungen?

FRITZSCHE: Dienstliche Besprechungen habe ich zwei- bis dreimal bald nach 1933 gehabt mit Funk, der damals als Staatssekretär im Propagandaministerium war und im wesentlichen die wirtschaftlichen und organisatorischen Dinge bearbeitete. Mit ihm besprach ich die Finanzpläne für die Neuorganisierung des Nachrichtenwesens. Ich habe dann einmal eine Rücksprache mit Großadmiral Dönitz in einer technischen Angelegenheit gehabt. Ich habe Seyß-Inquart im Haag, Papen in Istanbul aufgesucht. Alle übrigen kannte ich par distance und habe sie persönlich erst im Prozeß kennengelernt.

DR. FRITZ: Wie war das mit Hitler?

FRITZSCHE: Eine Aussprache mit ihm habe ich niemals gehabt. Dagegen sah ich ihn im Laufe von zwölf Jahren natürlich mehrfach im Reichstag, bei Großveranstaltungen oder Empfängen; einmal war ich auch in seinem Hauptquartier und wurde zum Abendessen in einem größeren Kreise zugezogen. Sonst erhielt ich Weisungen von Hitler nur durch Dr. Dietrich oder dessen Vertreter oder durch Dr. Goebbels und dessen verschiedene Vertreter.

DR. FRITZ: Wie stand es mit Dr. Goebbels; waren Sie mit ihm befreundet? Waren Sie häufig mit ihm zusammen?

FRITZSCHE: Befreundet kann man keinesfalls sagen. Das Verhältnis war dienstlich reserviert und in gewisser Weise distanziert. Persönlich bei ihm war ich sogar seltener als andere Mitarbeiter – von Dr. Goebbels – meiner Rangstufe. Aber ich glaubte zu beobachten, daß er mich respektvoller behandelte als irgendeinen anderen seiner Mitarbeiter. Insofern nahm ich eine gewisse Sonderstellung ein. Ich schätzte bei Dr. Goebbels die Intelligenz und die Fähigkeit, wenigstens manchmal vor besseren Argumenten die eigene Ansicht zu ändern. Ich sah ihn in den ersten fünf Jahren zirka zweimal im Jahre; als ich Abteilungsleiter war, sah ich ihn vielleicht einmal im Monat, nach Kriegsausbruch sah ich ihn täglich im Rahmen einer Konferenz von 30 bis 50 Mitarbeitern, und daneben hatte ich ja einmal wöchentlich eine Rücksprache über ein Spezialthema mit ihm.

DR. FRITZ: Wir kommen nun zum Gebiet der Propaganda. Können Sie das Wesen der Propaganda im Dritten Reich umreißen?

FRITZSCHE: Ich will es versuchen. Es gab drei Arten von Propaganda:

Die erste war die unorganisierte Agitation der radikalen Fanatiker in der Partei. Sie zeigte sich auf allen Gebieten, auf dem Gebiete der Religion, der Rassenpolitik, der Kunst, der allgemeinen Politik und der Kriegführung. Die Spitze dieser unorganisierten Agitation wurde je länger je mehr Martin Bormann. Die zweite Art von Propaganda war die Reichspropagandaleitung der NSDAP. Ihr Leiter war Dr. Goebbels. Sie versuchte die Agitation der Radikalen in irgendeine diskussionsfähige Form zu bringen. Die dritte Art war die staatliche Organisation, das Reichspropagandaministerium.

DR. FRITZ: Die Anklage hatte zu Anfang behauptet, Sie waren auch Leiter der Rundfunkabteilung der Propagandaleitung der NSDAP gewesen? Wie steht es damit?

FRITZSCHE: Die Anklage hat diese Behauptung zurückgezogen. Sie sagte, sie hätte keine Beweise dafür. Es wäre richtiger gewesen zu sagen, daß diese Behauptung erwiesenermaßen falsch ist. Ich verweise auf mein Affidavit 3469-PS, Punkt 37. Dort stelle ich fest, daß ich im Gegensatz zu, meines Wissens, allen meinen Vorgängern als Leiter der Abteilung Rundfunk des Ministeriums nicht gleichzeitig Leiter der Rundfunkabteilung der Partei war. Ich erweitere heute diese Erklärung mit der Feststellung, daß ich überhaupt kein Amt in der Partei hatte.

DR. FRITZ: Es ist Ihnen der Vorwurf gemacht worden, Sie hätten Dr. Goebbels geholfen, die Welt in das Blutbad des Angriffskrieges zu stürzen. Trifft das zu? Hat Dr. Goebbels jemals mit Ihnen über Angriffspläne gesprochen?

FRITZSCHE: Nein. Es ist niemals zu mir von der Absicht eines Angriffskrieges gesprochen worden, weder von Dr. Goebbels noch von irgendeinem anderen.

DR. FRITZ: Es wurde hier im Lauf des Prozesses mehrfach gesprochen von einigen Konferenzen, in denen, wie es hieß, verschiedene Angriffspläne besprochen wurden, zum Beispiel vor dem Angriff auf die Tschechoslowakei, auf Polen, auf Norwegen, auf Rußland. Haben Sie an diesen Konferenzen teilgenommen, haben Sie von ihnen gehört?

FRITZSCHE: Ich habe an keiner einzigen dieser Konferenzen teilgenommen, und ich habe erstmals von ihnen gehört hier im Gerichtssaal.

DR. FRITZ: Nun, wenn innerhalb von diesen Konferenzen nicht von Angriffen gesprochen wurde, wurde dann überhaupt vom Krieg und von Kriegsmöglichkeiten gesprochen?

FRITZSCHE: Nein. Aber es wurde von Kriegsgefahren gesprochen, und zwar schon 1933; Kriegsgefahren, die bedingt waren durch die einseitige Abrüstung eines Staates inmitten hochgerüsteter anderer Staaten. Dieses Mißverhältnis zwischen Rüstung und Nichtrüstung mußte als eine Lockung zum Angriff erscheinen. In der deutschen Propaganda nach 1933 ist diese Überlegung und diese Behauptung ein Hauptgrund gewesen, zunächst für die Forderung nach Abrüstung der anderen Mächte und nachher für die deutsche Forderung nach Rüstungsausgleich. Das erschien mir durchaus logisch. Aber niemals ist von einer Kriegsgefahr gesprochen worden ohne gleichzeitigen Hinweis auf den deutschen Friedenswillen. Das erschien mir ehrlich. Im Sommer 1939, als die Kriegsgefahr immer drohender wurde, war ich öfter bei Dr. Goebbels als zu irgendeiner anderen Zeit. Ich übergab Dr. Goebbels eine Reihe von kleinen Denkschriften, sozusagen als Beitrag aus meinem Arbeitsgebiet, dem Nachrichtenwesen. Es waren Analysen der öffentlichen Meinung westlicher Länder, und aus ihnen ging immer wieder hervor, daß England zum Krieg entschlossen sei im Falle eines Konfliktes mit Polen. Ich erinnere mich, daß Dr. Goebbels tief beeindruckt war, als ich ihm wieder einmal eine solche Denkschrift gab, sich sehr besorgt äußerte und sich entschloß, sofort zu Hitler zu fliegen. Er sagte mir damals wörtlich: Glauben Sie mir, wir haben nicht sechs Jahre erfolgreich gearbeitet, um jetzt alles in einem Krieg zu riskieren! Weiter kannte ich im Sommer 1939 einige wichtige Mängel der deutschen Rüstung, die zum Teil auch hier schon im Gerichtssaal erwähnt worden sind. Demnach war ich von der Ehrlichkeit des Friedenswillens in der Politik Hitlers überzeugt. Wenn in diesem Prozeß Dokumente vorgelegt wurden, aus denen hervorgeht, daß Hitler insgeheim anders dachte oder anders handelte, dann kann ich mir kein Urteil bilden, weil die Dokumente der Gegenseite noch nicht veröffentlicht sind. Sollte es aber so sein, wie die hier vorgelegten Dokumente sagen, dann muß ich feststellen, daß ich über die Ziele der deutschen Politik getäuscht worden bin.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Ich hatte zu Beginn meiner Beweisführung erklärt, daß es nicht gelungen ist, die Rundfunkansprachen des Angeklagten Fritzsche herbeizuschaffen. Ich habe mich bei den deutschen Rundfunksendern selbst bemüht, und es ist mir wenigstens gelungen, einen kleinen Teil aus dem Jahre 1939 und 1940 zu bekommen. Aus diesen Reden habe ich einige ausgewählt, die ich als Fritzsche-Exhibit Nummer 1 dem Hohen Gericht anbieten möchte. Aus der Rundfunkrede Fritzsches vom 15. November 1939 möchte ich zur Unterstützung dessen, was der Angeklagte eben ausgeführt hat, nur einen Satz zitieren. Ich zitiere:

»Der einzige Kriegsgrund, der für ein Volk, das in seiner Gesamtheit niemals kriegslüstern ist, überhaupt in Frage kommt, der einzige Kriegsgrund, der auch moralisch zu rechtfertigen ist, ist die Bedrohung der Existenz des Lebens eines Volkes.«

Und diese vom Angeklagten Fritzsche anfangs des Krieges betonte Linie hat er auch während des Krieges beibehalten. Zum Beweis dafür möchte ich eine weitere Stelle zitieren aus demselben Dokument, und zwar aus einer Rundfunkrede Fritzsches vom 23. Juli 1940. Ich zitiere:

»Wir Deutschen haben im Lauf unserer ganzen Geschichte und vor allem vor 30 Jahren genug Blut und Tränen und Menschenleichen erlebt, um ihm nun ehrlich ins Auge zu sehen. Wir wußten, was Krieg heißt und wollten ihn deshalb nicht. Und weil der Führer es so genau weiß und selbst erlebt hat, deshalb bot er am 6. Oktober und am 19. Juli den Frieden an.«

Haben Sie in irgendeiner Weise irgend etwas zu tun gehabt mit Kriegsvorbereitungen geistiger oder organisatorischer Art?

FRITZSCHE: Direkt nicht, aber vielleicht indirekt. Ich bin eingetreten für die Forderung nach Abrüstung der anderen, dann für Rüstungsausgleich, und ich bin eingetreten für die Wehrhaftmachung des deutschen Volkes. Der Ausdruck »Wehrhaftmachung« ist mißverständlich, jedenfalls leicht zu mißdeuten. Ich möchte ihn ausdrücklich erläutern als die Fähigkeit, in der Selbstverteidigung zu kämpfen. Auch dem deutschen Volk ist immer wieder versprochen worden, oft durch meinen Mund, daß die Wiederherstellung seiner Wehrhoheit nur defensiven Zwecken dienen würde.

DR. FRITZ: Wie und wo haben Sie diesen Gedanken vertreten?

FRITZSCHE: In dem bescheidenen Rahmen meiner wöchentlichen Rundfunkvorträge, und zwar mit gelegentlichen Bemerkungen. Ich war ein Patriot, aber ich fühle mich frei von Chauvinismus, also übersteigertem Nationalismus. Ich als Historiker war mir schon damals darüber klar, daß besonders im engen Europa der altüberlieferte Nationalismus ein Anachronismus war und daß er im Widerspruch stand zum modernen Verkehr, zu den modernen Waffen. Damals glaubte ich, in Hitlers Lehre aber auch gewisse Elemente zu sehen für eine neue Art der Völkerverständigung. Es war besonders der immer wieder aufgestellte Lehrsatz, nur der Nationalismus des einen Volkes kann den Nationalismus des anderen Volkes verstehen. Erst heute ist mir ideologisch klargeworden, insbesondere aber natürlich materiell durch die weitere Entwicklung der Waffen, daß die Zeit des Nationalismus vorüber ist, wenn die Menschen nicht Selbstmord begehen wollen und daß die Zeit des Internationalismus gekommen ist, im guten oder im bösen. Damals aber galt der Nationalismus nicht als ein Verbrechen, alle vertraten ihn; es ist zu sehen, daß er heute noch vertreten wird, und ich habe ihn auch vertreten.

DR. FRITZ: Nun wird aber von der Anklage darauf hingewiesen, daß vor jedem Angriff ein Pressefeldzug in Deutschland veranstaltet wurde, der darauf hinauslief, das Opfer eines geplanten Angriffs zu schwächen und das deutsche Volk psychologisch auf die neue Aktion vorzubereiten. Wenn dies von der Anklage zunächst noch ohne Bezug auf Sie persönlich festgestellt wird und wenn auch nachher nicht direkt der Vorwurf erhoben wird, daß Sie diese Pressekampagnen veranstalteten, so wird von der Anklage doch sehr stark Ihre Verbindung mit dieser Praxis herausgestellt. Was haben Sie also zu Ihrer Rolle im publizistischen Kampf an Tatsachen auszusagen?

FRITZSCHE: Ich kann zunächst nur darauf hinweisen, daß ich diese propagandistischen Aktionen ausführlich geschildert habe in meinem Affidavit 3469-PS, Punkt 23 bis 33, und zwar von der Rheinlandbesetzung angefangen bis zum Angriff auf die Sowjetunion.

Diese Schilderungen enthalten auch Angaben über Art und Umfang meiner Beteiligung an diesen Aktionen. Darüber hinaus darf ich betonen, es fehlt in dieser Schilderung meines Affidavits jeglicher Hinweis auf die jeweilige Frage des Rechtes. Es fehlt jede politische Begründung. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich in jedem Falle, einer jeden Aktion, eine gute Sache und ein gutes Recht zu vertreten glaubte. Es dürfte zu weit führen, wenn ich das hier für jeden Fall begründen wollte, zumal über viele dieser Fälle auch schon hier gesprochen worden ist. Ich nehme an, ja ich hoffe, daß die Anklagevertretung noch Fragen stellen wird; denn ich stelle die Behauptung auf, wie auch immer die Tatsachen in den einzelnen Fällen gewesen sein mögen, mir und damit der deutschen Öffentlichkeit wurden in jedem Augenblick seit dem Anschluß Österreichs bis zum Angriff auf Rußland Informationen gegeben, die keinerlei Zweifel zuließen an der Rechtlichkeit beziehungsweise an der zunehmenden Notwendigkeit des deutschen Vorgehens, und ich als der einzige überlebende Informator der deutschen Öffentlichkeit halte mich für verpflichtet, hier bereitzustehen für jede Nachprüfung der Richtigkeit dieser meiner Behauptung, die für die deutsche Öffentlichkeit von besonderer Wichtigkeit ist.

DR. FRITZ: Es sind in Ihrem Affidavit einige Zeitungsüberschriften genannt, die als typisch gelten für die verschiedenen Spannungszustände vor den einzelnen Aktionen. Was haben Sie dazu zu sagen?

FRITZSCHE: Diese Überschriften stammen ausnahmslos aus dem »Völkischen Beobachter«. Diese Überschriften wurden mir vorgelegt, und ich mußte selbstverständlich ihre Richtigkeit bestätigen. Ich darf aber betonen, daß der »Völkische Beobachter« nicht typisch war für ein Ergebnis meiner Pressepolitik. Der »Völkische Beobachter« hatte meist eigene und direkte Verbindungen zum Hauptquartier und zu Hitler. Typische Produkte meiner Pressepolitik waren Zeitungen, wie die »Deutsche Allgemeine Zeitung«, die »Münchener Neuesten Nachrichten«, das »Hamburger Fremdenblatt«, um nur einige zu nennen.

DR. FRITZ: Aber die Anklage vertritt die Auffassung, daß Sie mit Ihrer inländischen Propaganda auch insofern zum Krieg hetzten, als Sie im deutschen Volke feindliche Gefühle zu erwecken versuchten gegenüber anderen Völkern Europas und der Welt. Es wird zum Beispiel in der Anklagerede Captain Sprechers gesagt, Ausdrücke wie »Hetze gegen die Völker der Sowjetunion«, »Atmosphäre der Vernunftlosigkeit und des Hasses« seien von Ihnen geschaffen worden, oder Sie hätten Deutsche zu blindem Haß aufgereizt. Haben Sie das getan?

FRITZSCHE: Nein, ich habe das nicht getan. Nie habe ich Haß zu erwecken versucht gegen Engländer, Franzosen, Amerikaner oder Russen und so weiter. Es gibt kein einziges Wort dieser Art in vielleicht tausend Reden, die ich vor dem Mikrophon gehalten habe. Wohl habe ich scharf polemisiert mit Regierungen, mit Regierungsmitgliedern, mit Regierungssystemen, aber ich habe niemals Haß allgemein gepredigt oder auch nur indirekt zu erwecken versucht, wie es etwa der Fall war – ich bitte um Entschuldigung, daß ich ein Beispiel aus dem Gerichtssaal nehme – in dem Augenblick, als hier ein Film vorgeführt wurde und dabei die Worte gesprochen wurden: Hier sehen Sie Deutsche lachen über erhängte Jugoslawen! Niemals habe ich in dieser allgemeinen Form einen Haß zu erwecken versucht, und ich darf darauf hinweisen, daß auch jahrelang viele antinationalsozialistische Äußerungen aus gewissen, damals noch neutralen Ländern unbeantwortet blieben.

DR. FRITZ: Wurden Sie von Ihren Vorgesetzten aufgefordert, Ihrer Propaganda den Stempel der Hetze zu geben oder der Erregung von Haß?

FRITZSCHE: Jawohl, das geschah oft. Aber es wurde nicht verlangt, daß Hetze getrieben wurde gegen Völker oder Haß gegen Völker erweckt wurde. Das war ausdrücklich verboten, denn die Völker wollten wir ja für uns gewinnen, und immer wieder wurde ich aufgefordert, Haß zu erwecken gegen Einzelpersonen und gegen Systeme.

DR. FRITZ: Wer hat Sie aufgefordert?

FRITZSCHE: Dr. Goebbels, Dr. Dietrich und beide oft im direkten Auftrag Adolf Hitlers. Es wurde immer wieder der Vorwurf erhoben, die deutsche Presse und der deutsche Rundfunk erweckten gar keinen Haß gegen Roosevelt, Churchill oder Stalin, sondern sie machten diese drei Persönlichkeiten populär als tüchtige Männer.

Es war deshalb jahrelang der deutschen Presse auch verboten, diese drei Namen überhaupt zu erwähnen, wenn nicht im Einzelfalle eine Erlaubnis dazu gegeben wurde mit einer genauen Gebrauchsanweisung.

DR. FRITZ: Wollen Sie nach all dem sagen, daß Sie die Aufforderung nach einer Umstellung Ihrer Propaganda auf Hetze, auf Erregung von Haß abgelehnt oder nicht durchgeführt haben?

FRITZSCHE: Ich möchte genau umreißen, was ich tat. Ich ließ, als die Vorwürfe von Dr. Goebbels und Dr. Dietrich sich häuften, einmal sammeln alle Karikaturen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg aus England, USA, Frankreich, einige wenige auch aus Rußland. Außerdem ließ ich sammeln alle antideutschen Propagandafilme, deren ich habhaft werden konnte. Dann habe ich in fünf bis sechs mehrstündigen Veranstaltungen diese Karikaturen und diese Filme deutschen Journalisten und deutschen Rundfunksprechern vorgeführt. Ich selbst sprach nur einleitend, zwei oder drei Minuten. Es ist durchaus möglich, daß ich durch diese Vorführung Haß erzeugt habe, aber ich möchte die Beurteilung dieses Mittels zur Erzeugung von Haß mitten in einem Krieg der Beurteilung des Hohen Gerichts anheimstellen. Jedenfalls erklärte Dr. Goebbels auch später, er sei unzufrieden, und wir wären Stümper.

Ich darf eine Erklärung hinzufügen. Ich hätte noch ein anderes Mittel gehabt, den mir gegebenen Befehl durchzuführen, wirklichen Haß zu erwecken, das heißt nicht ein Mittel, sondern eine ganze Gruppe von Mitteln; das wäre, um nur das eine Beispiel zu nennen, eine deutsche Publikation gewesen, den beiden letzten Bänden der Tarzan-Serie ähnlich, einer in Deutschland damals sehr populären, abenteuerlichen Romanserie, deren beiden letzten Bände stark antideutsch waren. Ich brauche sie hier nicht näher zu charakterisieren, ich habe auf solche frühere Produkte der antideutschen Propaganda nicht hingewiesen, ich habe solche Methoden immer bewußt ignoriert.

DR. FRITZ: Wenn Sie sagen, auf Haß und Hetze in Ihrer Propaganda verzichtet zu haben, womit haben Sie denn dann im wesentlichen Propaganda betrieben im Krieg?

FRITZSCHE: Ich habe Propaganda in diesem Krieg betrieben fast ausschließlich mit dem Begriff der Notwendigkeit und des Zwanges, zu kämpfen. Ich habe immer wieder die Folgen einer Niederlage sehr schwarz gemalt, und ich habe systematisch Zitate aus der Presse und aus dem Rundfunk der feindlichen Länder gebracht. Ich habe die feindliche Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation immer wieder zitiert. Ich habe das Wort von dem Über-Versailles oft gebraucht und habe, ich betone es, die Folgen eines verlorenen Krieges überaus pessimistisch geschildert. Ein Vergleich mit der Wirklichkeit steht mir heute nicht zu.

DR. FRITZ: Aber haben Sie denn aus den Rundfunksendungen des Gegners nicht klar entnehmen können, daß sich der Kampf der Alliierten nicht gegen das deutsche Volk richtete, sondern nur gegen dessen Führung. Haben Sie das dem deutschen Volke verheimlicht?

FRITZSCHE: Im Gegenteil. Ich habe ihm das nicht verheimlicht, sondern ich habe auch das immer wieder zitiert. Nur habe ich es als unglaubhaft bezeichnet. Ich habe zum Beispiel den Trick gebraucht, einmal den Wortlaut einer mittelalterlichen Kriegserklärung zu zitieren, in der schon gesagt wurde, daß nur Fehde angesagt sei dem König von Frankreich, daß man aber dem französischen Volke die Freiheit bringen wolle.

DR. FRITZ: Haben Sie auch versucht, die Front der Alliierten..

VORSITZENDER: Wäre das ein passender Zeitpunkt abzubrechen?